Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 13.03.2009, Az.: 15 K 400/07
Anwendung der Vorschrift über die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen nach der Abgabenordnung (AO) im Hinblick auf die Besteuerung eines tatsächlich erzielten Zinsvorteils
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 13.03.2009
- Aktenzeichen
- 15 K 400/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 35121
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2009:0313.15K400.07.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 14.01.2010 - AZ: X B 64/09
Rechtsgrundlagen
- § 163 AO
- § 233a AO
- § 74 FGO
Amtlicher Leitsatz
Orientierungssatz: Besteuerung eines tatsächlich erzielten Zinsvorteils steht einer Anwendung des § 233a AO nicht entgegen
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Festsetzung von Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer 1994 gemäß § 233a der Abgabenordnung (AO).
Der Kläger war und ist an der Kommanditgesellschaft (KG) MS S. GmbH & Co. KG beteiligt. Im Rahmen einer bei dieser KG durchgeführten Betriebsprüfung wurden Feststellungen getroffen, die zu einer Änderung der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 1994 führten. Unter Auswertung des geänderten Feststellungsbescheids setzte der Beklagte daraufhin die Einkommensteuer für 1994 mit Bescheid vom 12. März 2007 gegenüber den Klägern nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert fest; dies führte zu einer Nachzahlung in Höhe von 20.954,78 EUR. Verbunden mit diesem Bescheid setzte der Beklagte mit Bescheid vom selben Tag Zinsen in Höhe von 30.732 EUR nach § 233a AO fest; zuvor waren 17.010 EUR festgesetzt.
Hiergegen legten die Kläger form- und fristgerecht Einspruch ein. Sie äußerten die Ansicht, die Zinsfestsetzung sei rechtswidrig. Die geänderte Einkommensteuerfestsetzung beruhe auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses im Sinne des§ 175 Abs. 1 Nr. 2 AO, insofern beginne gemäß § 233a Abs. 2a AO der Zinslauf erst 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten sei, mithin erst am 1. April 2009.
Im Rahmen der Einspruchsbegründung begehrten die Kläger außerdem, die Zinsfestsetzung aus Billigkeitsgründen aufzuheben. Aufgrund ihres nicht unerheblichen Kapitalvermögens seien sie seit 1994 jederzeit in der Lage gewesen, die der Zinsfestsetzung zu Grunde liegende Steuernachzahlung sofort zu leisten. Aufgrund der Nichtabforderung der Steuernachzahlung im Veranlagungsjahr sei der entsprechende Kapitalbetrag zinsbringend angelegt worden. Die hieraus erwirtschafteten Einkünfte aus Kapitalvermögen seien in den Jahren seit 1995 gegenüber dem Beklagten erklärt und im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzungen berücksichtigt und versteuert worden. Insofern sei der vermeintlich nachgehend abzuschöpfende Vermögensvorteil bereits zumindest in Höhe der auf die Kapitalerträge gezahlten Steuern liquidiert und bereits abgeschöpft. Würde die Zinsfestsetzung Bestand haben, bedeute dies im Ergebnis eine doppelte Belastung der Kläger zum Einen durch die bereits erfolgte positive Besteuerung und zum Anderen durch die auf das gleiche Kapital erhobenen Zinsen.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg; der Beklagte wies diesen durch Einspruchsbescheid vom 13. September 2007 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, die Änderung des Einkommensteuerbescheides 1994 beruhe nicht auf einem rückwirkenden Ereignis. Die Änderung sei somit nicht nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO erfolgt, sondern aufgrund der Bindungswirkung des Feststellungsbescheids nach § 182 Abs. 1 AO gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO. Somit greife die Regelung des § 233a Abs. 2a AO über den späteren Beginn des Zinslaufs nicht Platz.
Billigkeitsmaßnahmen kämen nicht in Betracht. Die Zinsfestsetzung sei nicht sachlich unbillig, da die Festsetzung von Zinsen auf einen Nachforderungsbetrag, der sich nach der Korrektur einer Steuerfestsetzung ergäbe, den Wertungen des § 233a AO entspreche.
Die Kläger erhoben am 1. Oktober 2007 Klage beim Niedersächsischen Finanzgericht mit dem Begehren, dass die Zinsfestsetzung in Höhe von 30.732 EUR aufgehoben wird. Der Zinsbescheid sei rechtswidrig und die Entscheidung über die beantragte Billigkeitsmaßnahme ermessensfehlerhaft. Zur Begründung wiederholen die Kläger im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsvorverfahren. Ergänzend führen die Kläger an, die Gesamtbelastung durch die Zinsfestsetzung und Einkommensteuerfestsetzung sei bei dem Steuerpflichtigen höher, der einen Zinsvorteil erziele gegenüber demjenigen, der keinen Zinsvorteil erziele. Die Kläger äußern die Ansicht, dieses Ergebnis fände keine Rechtfertigung in der gesetzlichen Regelung des § 233a AO.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid über die Festsetzung von Zinsen zur Einkommensteuer 1994 vom 12. März 2007 und den zu diesem ergangenen Einspruchsbescheid vom 13. September 2007 aufzuheben,
hilfsweise
den Beklagten zu verpflichten, den Bescheid über die Festsetzung von Zinsen zur Einkommensteuer 1994 vom 12. März 2007 und den zu diesem ergangenen Einspruchsbescheid vom 13. September 2007 aus sachlichen Billigkeitserwägungen aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner im Einspruchsbescheid vertretenen Rechtsauffassung fest und verweist insoweit auf die dortigen Ausführungen.
Der Rechtsstreit ist mit Beschluss vom 17. Juni 2008 gemäß § 6 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden (Bl. 36, 37 der Gerichtsakte).
Entscheidungsgründe
Die Klage ist sowohl nach dem Haupt- wie nach dem Hilfsantrag unbegründet.
1.
Der angefochtene Bescheid über die Festsetzung von Zinsen zur Einkommensteuer 1994 vom 12. März 2007 und der Einspruchsbescheid vom 13. September 2007 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
a)
Das Verfahren war nicht gemäß § 74 FGO auszusetzen. Zwar ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - das Verfahren über einen Folgebescheid grundsätzlich auszusetzen, um den Erlass eines Grundlagenbescheides herbeizuführen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 24. April 1979 VIII R 57/76, BStBl II 1979, 678; vom 19. Juli 1990 IV R 11/89, BFH/NV 1991, 649). Auch ist eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO ein Grundlagenbescheid für den Festsetzungsbescheid (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 26. Februar 1991 IX R 95/88, BStBl II 1991, 572).
#Der Antrag auf abweichende Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen erzeugt allerdings für sich noch keine Pflicht des Finanzgerichts zur Aussetzung des Klageverfahrens gegen den Steuerbescheid (BFH-Beschluss vom 26. Februar 1996 V B 81/95, BFH/NV 1996, 571). Die Aussetzung des Verfahrens ist eine Ermessensentscheidung, bei der insbesondere prozessökonomische Gesichtspunkte und die Interessen der Beteiligten abzuwägen sind (BFH-Urteil vom 18. Juli 1990 I R 12/90, BStBl II 1990, 986; BFH-Beschluss vom 26. Februar 1996 V B 81/95, a.a.O.). In den Fällen eines Antrags auf Billigkeitsmaßnahmen nach§ 163 AO ist auch zu berücksichtigen, wann der entsprechende Antrag bei dem Finanzamt gestellt worden ist (BFH-Beschluss vom 21. September 1994 IV B 95/93, BFH/NV 1995, 325) und in welchem Stand sich das Verfahren befindet. In der Ermessensentscheidung über die Aussetzung des Verfahrens ist weiter zu berücksichtigen, ob ein Interesse der Beteiligten an der Aussetzung besteht (BFH-Urteil vom 18. Juli 1990 I R 12/90, a.a.O.).
Die Kläger haben gleichzeitig mit ihrem Einspruch gegen die Zinsfestsetzung eine abweichende Festsetzung aus sachlichen Billigkeitsgründen beantragt. Darin lag zugleich ein Rechtsbehelf gegen das Unterlassen einer von Amts wegen zu prüfenden Billigkeitsmaßnahme des Beklagten (vgl. Rüsken in Klein, AO, 9. Auflage 2006, § 163 Rz. 141). Da der Beklagte im Einspruchsbescheid vom 13. September 2007 Billigkeitsmaßnahmen ablehnte und die Kläger auch hiergegen Klage erhoben, befanden sich beide Verfahren (Anfechtungs- und Verpflichtungsbegehren) im selben Verfahrensstand - beide waren entscheidungsreif. Die Beteiligten, insbesondere die Kläger nach Stellung der Anträge im Abhängigkeitsverhältnis, hatten kein Interesse an einer Aussetzung.
b)
Der Beklagte hat zu Recht Zinsen in Höhe von 30.732 EUR nach § 233a AO festgesetzt.
Führt eine Steuerfestsetzung der Einkommensteuer zu einer Steuernachforderung, so ist diese nach § 233a Abs. 1 AO zu verzinsen. Wird eine Steuerfestsetzung geändert, ist die bisherige Zinsfestsetzung zu ändern; maßgebend ist dann der Unterschiedsbetrag zwischen der festgesetzten Steuer und der vorher festgesetzten Steuer, jeweils vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge und um die anzurechnende Körperschaftsteuer (§ 233a Abs. 5 AO). Der Zinslauf beginnt grundsätzlich 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist, für die Einkommensteuer 1994 mithin am 1. April 1996. Er endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird, im Streitfall also am 15. März 2007 (§ 233a Abs. 2 AO). Bei einer Steuernachforderung in Höhe von 20.954,78 EUR errechnet sich gemäß § 233a Abs. 5, § 238 AO ein Nachforderungszins in Höhe von 13.722 EUR, bisher festgesetzt waren 17.010 EUR, ergibt in der Summe den neu festzusetzenden Zinsbetrag von 30.732 EUR.
Entgegen der Ansicht der Kläger greift die Regelung des § 233a Abs. 2a AO nicht Platz. Nach § 233a Abs. 2a AO beginnt der Zinslauf 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten ist, wenn die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines solchen beruht (§ 175 Abs. 1 Nr. 2 AO). Diese Voraussetzung liegt nicht vor. Die Änderung der Einkommensteuerfestsetzung beruhte nicht auf einer durch eine spätere Entwicklung eingetretenen Veränderung der Sachlage, sondern auf der Berücksichtigung des geänderten Feststellungsbescheids als Grundlagenbescheid nach §§ 175 Abs. 1 Nr. 1, 182 Abs. 1 AO, dem wiederum Feststellungen der Außenprüfung zugrunde lagen, die aus anderen Beurteilungen des unveränderten Sachverhalts folgerten.
c)
Die Kläger können auch nicht mit Erfolg gegen die Rechtmäßigkeit der Zinsfestsetzung einwenden, die von ihnen gezogenen Zinsvorteile seien zuvor in den Jahren seit 1995 besteuert worden.
§ 233a AO sieht die sog. Vollverzinsung vor. Zweck der Regelungen in § 233a AO ist es, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden. Liquiditätsvorteile, die dem Steuerpflichtigen oder dem Fiskus aus dem verspäteten Erlass eines Steuerbescheids typischerweise entstanden sind, sollen mit Hilfe der sog. Vollverzinsung ausgeglichen werden. Weil die Entstehung des Zinsanspruchs dem Grunde und der Höhe nach gemäß dem durch die Gesetzesbegründung (BTDrucks 11/2157, S. 194) bestätigten Wortsinn, dem Zusammenhang und dem Zweck des Gesetzes eindeutig unabhängig von der konkreten Einzelfallsituation geregelt ist und allein vom Eintritt objektiver Daten (Fristablauf i.S. des § 233a Abs. 2 AO; Unterschiedsbetrag i.S. des § 233a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 AO) abhängt, sind für die Anwendung des § 233a AO die Ursachen und Begleitumstände im Einzelfall grundsätzlich unbeachtlich (BFH-Urteile vom 5. Juni 1996 X R 234/93, BStBl II 1996, 503, und vom 20. September 1995 X R 86/94, BStBl II 1996, 53).
Ob die möglichen Zinsvorteile tatsächlich gezogen worden sind, ist grundsätzlich unbeachtlich (BFH-Urteile vom 23. Oktober 2003 V R 2/02, BStBl II 2004, 39; vom 15. Juli 2004 V R 76/01, BStBl II 2005, 236). Damit kommt es auf eine konkrete Berechnung der tatsächlich eingetretenen Zinsvorteile und Zinsnachteile nicht an. Vielmehr ist die Festsetzung von Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO grundsätzlich rechtmäßig, wenn der Schuldner der Steuernachforderung Liquiditätsvorteile gehabt hat, weil er von der Zahlung der geschuldeten Steuer wegen unzutreffender Steuerfestsetzung vorerst "freigestellt" war (BFH-Urteile vom 16. August 2001 V R 72/00, BFH/NV 2002, 545; vom 19. Dezember 2002 V R 66/00, BFH/NV 2003, 591).
Im vorliegenden Streitfall haben die Kläger Liquiditätsvorteile gehabt, die sie auch zur Erzielung von Erträgen genutzt haben. Dabei kann die Besteuerung des durch die Kläger gezogenen Zinsvorteils zu keinem anderen Schluss führen. Zum einen wird dabei der Zinsvorteil lediglich zu einem gewissen Teil geschmälert, zum anderen würde es ein - nach der o.g. Rechtsprechung unzulässiges - Abstellen auf die Umstände des Einzelfalls bedeuten, die festgesetzten und entrichteten Steuern auf die gezogenen Erträge der typisierten Verzinsung von 0,5 v.H. pro Monat nach § 233a AO gegen zurechnen. Dem Gesetzgeber war bei der Abfassung der Regelung des § 233a AO auch durchaus bewusst, dass tatsächlich erzielte Zinsvorteile der Besteuerung unterliegen. Insbesondere wenn man bedenkt, dass eine Verzinsung nach § 233a AO auch in den Fällen rechtmäßig ist, in denen tatsächlich kein Zinsvorteil gezogen worden ist, folgt daraus, dass eine Verzinsung ebenso rechtmäßig ist, wenn - wie im Streitfall - Zinsvorteile tatsächlich gezogen worden sind, diese aber durch die Einkommensbesteuerung geschmälert wurden.
2.
Die Klage ist auch nach dem Hilfsantrag unbegründet.
Die Ablehnung einer abweichenden Festsetzung nach § 163 AO aus sachlichen Billigkeitsgründen durch den Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (vgl. § 101 Satz 1 FGO). Ermessensfehler i.S. des § 102 FGO sind nicht ersichtlich.
Es kann dahinstehen, ob bei der Festsetzung von Nachforderungszinsen für die Anwendung des § 163 AO Raum ist. Dafür spricht, dass nach § 239 Abs. 1 Satz 1 AO auf Zinsen die für die Steuern geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden sind (vgl. auch Rüsken, a.a.O., § 163 Rz. 15 und § 233a Rz. 50). Andererseits enthält§ 234 Abs. 2 AO für Billigkeitsmaßnahmen eine ausdrückliche Sonderregelung, die in § 233a AO fehlt. Die ablehnende Entscheidung des Beklagten zum beantragten Erlass der Zinsen nach§ 163 AO begegnet keinen Bedenken.
a)
Gemäß § 163 Satz 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, bei der Festsetzung unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuern nach Lage des Einzelfalles unbillig wäre.§ 163 AO bezweckt, sachlichen und persönlichen Besonderheiten des Einzelfalles, die der Gesetzgeber in der Besteuerungsnorm nicht berücksichtigt hat, durch eine nicht den Steuerbescheid selbst ändernde Korrektur des Steuerbetrages in einem eigenständigen Verfahren insoweit Rechnung zu tragen, als sie die steuerliche Belastung als unbillig erscheinen lassen.
Die Unbilligkeit der Steuerfestsetzung kann sich aus sachlichen oder persönlichen Gründen ergeben.
Sachlich unbillig ist die Erhebung einer Steuer vor allem dann, wenn sie zwar äußerlich dem Gesetz entspricht, aber im Einzelfall nach dem Zweck des zugrundeliegenden Gesetzes nicht (mehr) zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen derart zuwiderläuft, dass die Erhebung der Steuer als unbillig erscheint (BFH-Urteile vom 26. Oktober 1994 X R 104/92, BStBl II 1995, 297; vom 21. Oktober 1987 X R 29/81, BFH/NV 1988, 546 und vom 21. Januar 1992 VIII R 51/88, BStBl II 1993, 3). Sachliche Gründe sind danach gegeben, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass der Gesetzgeber die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage - hätte er sie geregelt - im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte (BFH-Urteil vom 26. Mai 1994 IV R 51/93, BStBl II 1994, 833).
Als persönliche Billigkeitsgründe werden die wirtschaftlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen angesehen (BFH-Urteil vom 29. April 1981 IV R 23/78, BStBl II 1981, 726). Eine Unbilligkeit ist hier anzunehmen, wenn im Falle der Versagung des Erlasses dessen wirtschaftliche Existenz vernichtet oder ernsthaft gefährdet würde (BFH-Urteil vom 29. April 1981 IV R 23/78, BStBl II 1987, 612, sowie BFH-Beschluss vom 2. April 1996 III B 171/95, BFH/NV 1996, 728).
Die Billigkeitsmaßnahmen nach § 163 AO sind Ermessensentscheidungen, die nur in den durch § 102 FGO gezogenen Grenzen überprüft werden können. Die gerichtliche Überprüfung bezieht sich im Fall der Versagung darauf, ob die Behörde bei ihrer Entscheidung Ermessensgrenzen überschritten oder von ihrem eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (vgl. § 5 AO).
b)
In Anwendung dieser Grundsätze ist die Entscheidung des Beklagten, eine abweichende Zinsfestsetzung nach § 163 AO abzulehnen, nicht zu beanstanden.
Persönliche Billigkeitsgründe liegen angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse der Kläger nicht vor und wurden auch nicht geltend gemacht. Die Zinsfestsetzung ist auch nicht sachlich unbillig.
Ein Erlass von Nachforderungszinsen ist angesichts der vom Gesetzgeber beabsichtigten Typisierung des Zinsvorteils nur in den Fällen vorzunehmen, in denen der Steuerpflichtige auf Grund außergewöhnlicher Umstände tatsächlich keinen Zinsvorteil hatte (Rüsken, a.a.O., § 233a Rz. 50). Sind Zinsvorteile erzielt worden, ist ein Erlass aus sachlichen Gründen grundsätzlich nicht in Betracht zu ziehen.
Aus der normierten Typisierung des Zinsvorteils folgt, dass der konkrete Zinsvorteil für den Einzelfall nicht ermittelt werden muss (s.o.). Daraus folgt gleichzeitig, dass es kein Grund für einen Erlass aus Billigkeitsgründen sein kann, wenn im konkreten Einzelfall der Steuerpflichtige einen Zinsvorteil erzielt, der deutlich unterhalb des angesetzten Betrages von 0,5 v.H. pro Monat liegt (BFH-Urteil vom 19. März 1997 I R 7/96, BStBl II 1997, 446). Damit können die Kläger sich nicht darauf berufen, wegen der Besteuerung der erzielten Erträge einen Zinsvorteil nur in geringerem Umfang bezogen zu haben, zumal sie auch nicht vorgetragen haben, dass ihr tatsächlicher Liquiditätsvorteil trotz Besteuerung unter 6 v.H. gelegen hat. Dem Gesetzgeber war bei der Abfassung der Regelung des § 233a AO durchaus bewusst, dass tatsächlich erzielte Zinsvorteile der Besteuerung unterliegen. In diesem Bewusstsein hat er zugunsten einer Typisierung des Zinsvorteils auf eine entsprechende Berücksichtigung einer eventuell anfallenden Steuer auf erzielte Vorteile verzichtet. Somit läuft es dem Zweck und den Wertungen des § 233a AO nicht zuwider, wenn Liquiditätsvorteile durch Verzinsung abgeschöpft werden, die tatsächlich der Besteuerung unterlegen haben.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.