Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 12.03.2009, Az.: 10 K 238/06
Verfassungsmäßigkeit der einkommensteuerrechtlichen festen Schädlichkeitsgrenze der Höhe der eigenen Einkünfte des Kindes für den Kindergeldanspruch der Eltern; Begriff der Einkünfte i.S.d. § 2 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG)
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 12.03.2009
- Aktenzeichen
- 10 K 238/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 33881
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2009:0312.10K238.06.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 20.03.2013 - AZ: XI R 49/10
Rechtsgrundlagen
- § 32 Abs. 4 S. 2 EStG
- § 62 Abs. 1 EStG
- § 63 Abs. 1 S. 2 EStG
Feste Schädlichkeitsgrenze der Höhe der eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes für den Kindergeldanspruch der Eltern in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht verfassungswidrig
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob der Kindergeldanspruch der Klägerin wegen der eigenen Einkünfte und Bezüge ihres Kindes ausgeschlossen ist. Gegenstand des Verfahrens ist der Aufhebungsbescheid der beklagten Familienkasse A (Familienkasse) vom ....
Die Klägerin bezog Kindergeld für ihre volljährige Tochter X. Der Vater des Kindes ist verstorben.
Im Frühjahr ... legte die Tochter der Klägerin ihre Abiturprüfung ab. Im Spätsommer ... begann sie eine Ausbildung. Mit Schreiben vom ... forderte die Familienkasse die Klägerin auf, eine Ausbildungsbescheinigung mit Angaben zu den eigenen Einkünften für X vorzulegen.
Die Klägerin legte daraufhin eine Ausbildungsbescheinigung von X's Ausbildungsbetrieb vor. Aus dieser ergaben sich unter Berücksichtigung der Ausbildungsvergütung und der Sonderzahlungen sowie nach Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen Einkünfte von ... Euro. Da nach Abzug des Werbungskostenpauschbetrags von 920 Euro noch Einkünfte in Höhe von ... Euro verblieben und damit der Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) überschritten war, hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung für die Klägerin mit dem angefochten Bescheid vom ...mit Wirkung von ... an auf.
Am ... legte die Klägerin Einspruch gegen diesen Aufhebungsbescheid ein. Sie vertrat die Auffassung, dass die Einkünfte ihrer Tochter den Grenzbetrag nicht überschritten hätten. Außerdem teilte sie mit, dass ihre Tochter einen eigenen Haushalt unterhielte. Mit Schreiben vom ..., in dem sowohl die Klägerin als auch ihre Tochter als Absender angegeben waren, übersandte die Klägerin eine Erklärung zu X's Werbungskosten für .... Darin hatte X Angaben zu ihren Fahrten zur Ausbildungsstätte und zur Berufsschule gemacht. Der Erklärung waren Ablichtungen von einer Reihe von Kassenquittungen beigefügt. Die quittierten Aufwendungen machte die Klägerin ebenfalls als Werbungskosten bei X's Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit geltend.
Die Familienkasse wies den Einspruch zurück. Zur Begründung führte sie an, dass die eigenen Einkünfte X's auch nach Auswertung der mit dem Einspruch übersandten Erklärung und Nachweise den Werbungskosten-Pauschbetrag von 920 Euro nicht überstiegen. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass die Erklärung hinsichtlich der Kilometerangaben bei den Fahrten zur Ausbildungsstätte und zur Berufsschule nicht zuträfe. Bei Ansatz der zutreffenden Entfernungen ergäben sich pauschalierte Aufwendungen von ... Euro. Hinzu kämen nachgewiesene Aufwendungen für Arbeitsmittel von ... Euro. Die weiter geltend gemachten Aufwendungen stellten entweder keine Werbungskosten dar oder seien nicht im Jahr ... angefallen.
Auch mit der Klage vertritt die Klägerin den Standpunkt, X's Einkünfte hätten den gesetzlichen Grenzbetrag nicht überschritten. Mit der Klagebegründung hat die Klägerin die Gehaltsabrechnung ihrer Tochter für den Monat ... vorgelegt. Danach belief sich ihr Jahresbruttoeinkommen ... auf ... Euro. Der Arbeitgeberanteil an den Sozialversicherungsbeiträgen betrug ... Euro. Wegen der geltend gemachten Werbungskostenpositionen wird auf den Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom ... nebst Anlagen verwiesen.
Neben den bereits geltend gemachten Aufwendungen seien noch Negativeinkünfte aus Kapitalvermögen anzusetzen, mindestens im Umfang des gesetzlichen Pauschbetrags von 51 Euro. Zum Nachweis der Erzielung von Kapitaleinkünften legte die Klägerin zwei Kontoauszüge vor, die X's Girokonto betreffen.
Weiterhin hätte X ... Euro für einen Personalausweis und mindestens ... Euro für Krankheitskosten aufwenden müssen. Dafür, dass die Krankheitskosten für X außergewöhnlich und zwangsläufig waren, hat die Klägerin Beweis durch ärztliches Sachverständigengutachten und Zeugnis von verschiedenen Ärzten angeboten. Auch diese Aufwendungen seien von den Einkünften abzuziehen.
Selbst wenn nach alledem die Einkunftsgrenze noch knapp überschritten sei, sei Kindergeld zumindest in dem Umfang zu gewähren, wie es sich ergebe, wenn der die Einkunftsgrenze überschreitende Betrag von dem Jahreskindergeld abgezogen werde. Ansonsten entfalte die Einkunftsgrenze eine Fallbeilwirkung, die zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung ihres Falles mit solchen Fällen führe, in denen die Einkunftsgrenze knapp unterschritten werde. Dies ergebe sich nicht nur aus vereinzelten Entscheidungen von Finanzgerichten, sondern unmittelbar aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
Soweit die Familienkasse den Wohnort von X in Frage stelle, sei mitzuteilen, dass sie Anfang ... wieder in den Haushalt ihrer Mutter zurückgekehrt sei.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom ... über die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ... aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Auch nach den im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen seien X's Einkünfte noch zu hoch. Dies gelte auch dann, wenn man von den letzten Angaben der Klägerin zu X's Wohnort ab ... ausgehe, die allerdings im Widerspruch zu früheren Angaben der Klägerin stünden. Wegen der Stellungnahme der Familienkasse zu den geltend gemachten Werbungskosten wird auf die Anlage zu dem Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Familienkasse vom ... verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
1)
Die Klage ist als Anfechtungsklage in Form der Aufhebungsklage (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-) zulässig. Anders als im Fall einer Klage gegen einen das Kindergeld ablehnenden Bescheid, mit der die Festsetzung von Kindergeld ab einem bestimmten Zeitpunkt begehrt wird (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 2. Juni 2005 III R 66/04, BStBl. II 2006, 184), ist im Streitfall nicht die Verpflichtungsklage sondern die Anfechtungsklage statthaft (vgl.Sächsisches Finanzgericht-Urteil vom 26.06.2006 1 K 1565/04 (Kg), EFG 2007, 50 ff.). Denn vorliegend wendet sich die Klägerin gegen die Aufhebung des zuvor per Dauerverwaltungsakt bis auf weiteres festgesetzten Kindergeldes und begehrt nicht die (erstmalige bzw. erneute) Festsetzung von Kindergeld. Erweist sich die Aufhebung aufgrund der Sach- und Rechtslage im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der Bekanntgabe des Aufhebungsbescheides (vgl. Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 12. März 2003 5 K 1493/02, zitiert nach [...]) als ganz oder zum Teil rechtswidrig, wird die Aufhebungsentscheidung ganz oder zum Teil vom Gericht aufgehoben mit der Folge, dass die zuvor per Dauerverwaltungsakt bis auf weiteres erfolgte Kindergeldfestsetzung (ganz oder zum Teil) fortwirkt.
2)
Die Klage ist aber unbegründet. Zu Recht hat die Familienkasse die Festsetzung des Kindergelds mit Wirkung ab ... aufgehoben. Die Höhe der eigenen Einkünfte des Kindes steht der Festsetzung ab ... entgegen (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG).
a)
Für ein volljähriges Kind besteht nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ein Anspruch auf Kindergeld nur dann, wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 7 680 EUR im Kalenderjahr ... hat.
Der Begriff der Einkünfte ist in § 2 Abs. 2 EStG gesetzlich definiert --je nach Einkunftsart als Gewinn oder als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten--. Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Januar 2005 2 BvR 167/02 (BVerfGE 112, 164, BFH/NV 2005, Beilage 3, 260) kann der Begriff "Einkünfte" daher nicht als "zu versteuerndes Einkommen" ausgelegt werden, so dass nach dem Wortlaut der Vorschrift Aufwendungen, die nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben im Zusammenhang mit den erzielten Einnahmen stehen, grundsätzlich nicht bei der Ermittlung der Einkünfte abgezogen werden können. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn es sich bei den Aufwendungen um Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen handelt, die im Rahmen der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens die Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer mindern.
Die Vorschrift ist jedoch verfassungskonform so auszulegen, dass nicht nur Bezüge, sondern auch Einkünfte des Kindes nur dann in den Jahresgrenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG einfließen, wenn sie zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind (Bundesverfassungsgericht a.a.O. unter B. II.). Das Bundesverfassungsgericht hat dabei offen gelassen, in welchen Fällen dieser Relativsatz im Einzelfall auf Einkünfte anzuwenden ist. Jedenfalls sind danach aber diejenigen Beträge, die, wie die gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge, von Gesetzes wegen dem Einkünfte erzielenden Kind oder dessen Eltern nicht verfügbar sind und deshalb keine Entlastung bei den Eltern bewirken können, sondern anderen Zwecken als der Bestreitung des Unterhalts zu dienen bestimmt sind, nicht in die Bemessungsgröße des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG einzubeziehen (Bundesverfassungsgericht a.a.O. unter B. II.).
b)
Bei Anwendung dieser Grundsätze im Streitfall übersteigen die eigenen Einkünfte und Bezüge der Tochter der Klägerin den durch § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG bestimmten Betrag.
aa)
Nach Abzug des Arbeitnehmeranteils zu den Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von ... und des Werbungskostenpauschbetrags nach § 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) EStG in Höhe von 920 Euro betragen die Einkünfte der Tochter der Klägerin aus ihrer nichtselbständigen Arbeit ... Euro und liegen damit höher als der Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG. Entgegen der Ansicht der Klägerin sind Werbungskosten nicht in einem Umfang zu berücksichtigen, der zu einer Unterschreitung der Einkunftsgrenze führen würden.
(1)
Der Senat hat die Werbungskosten der Tochter der Klägerin wie folgt ermittelt:
...
(2)
Soweit die Klägerin höhere Werbungskosten ihrer Tochter geltend macht, kann sie damit aus folgenden Gründen nicht durchdringen:
(a)
Die Angaben zu den Streckenlängen zwischen den Wohnungen der Tochter der Klägerin und deren Ausbildungsstätte sowie ihrer Berufsschule haben sich nach Überprüfung mit zwei Internet-Routenplanern als überhöht erwiesen, so dass lediglich die angegebenen Kilometer berücksichtigt werden konnten. Dabei konnte offen bleiben, ob die Tochter der Klägerin tatsächlich ab ... wieder bei ihrer Mutter gewohnt hat. Der Senat hat, wie dargestellt, die sich dadurch ergebenden längeren Fahrtstrecken berücksichtigt, ohne dass hierdurch der Werbungskostenpauschbetrag überschritten wurde.
(b)
Die Aufwendungen der Tochter der Klägerin im Zusammenhang mit deren Dienstreise nach ... konnten nicht wie geltend gemacht berücksichtigt werden. Der Berücksichtigung von konkreten Benzinkosten würde den hier nicht erbrachten Nachweis erfordern, dass das Benzin tatsächlich nur für die Dienstreise verbraucht worden ist. Daher war hier lediglich der Ansatz der km-Pauschale von 30 Cent je gefahrenen Kilometer möglich. Die Kosten des Tagesgruppentickets für die Zugfahrt ... konnte lediglich mit dem auf die Tochter der Klägerin entfallenden Anteil der Kosten berücksichtigt werden.
(c)
Bei den berücksichtigten Arbeitsmitteln war in der ersten Position eine Zeitschrift zum Preis von ... Euro auszuscheiden, da für deren Erwerb eine berufliche Veranlassung nicht dargetan war. Die Aufwendungen für den Drucker und den Monitor konnten nur zeitanteilig im Wege der Abschreibung für Abnutzung (AfA) berücksichtigt werden; wegen der Höhe der Abschreibung geht der Senat mit dem Beklagten von einer beruflichen Nutzung des Computers von 50 v.H. der Gesamtnutzung aus und verweist wegen der Berechnung der Abschreibungsbeträge auf die Darstellung des Beklagten in der Anlage zu dem Schriftsatz des Bevollmächtigten des Beklagten vom ....
(d)
Soweit geltend gemachte Aufwendungen gar nicht berücksichtigt werden konnten, waren sie entweder nicht im Streitjahr entstanden (...) oder nicht durch die Berufstätigkeit der Tochter der Klägerin veranlasst (Kleidung), nicht nachgewiesen (Fotopapier ...) oder bereits durch die gewährten Kilometerpauschalen abgegolten (Kfz-Steuer und -Haftpflicht, ADAC-Beitrag, Austausch der Lichtmaschine).
(3)
Insgesamt ergaben sich danach Werbungskosten in Höhe von ... Euro, so dass zugunsten der Klägerin bei den Einkünften ihrer Tochter aus nichtselbständiger Arbeit der Werbungskostenpauschbetrag von 920 Euro zum Ansatz zu bringen war.
bb)
Die von der Ausbildungsvergütung der Klägerin einbehaltene Lohnsteuer kann im Rahmen der Ermittlung der eigenen Einkünfte und Bezüge der Tochter nicht Einkünfte mindernd berücksichtigt werden. Durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist klargestellt worden, dass der Begriff der Einkünfte grundsätzlich seine durch § 2 Abs. 2 EStG bestimmte Bedeutung auch für § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG hat. Lediglich zur Vermeidung von nicht sachlich gerechtfertigten Ungleichbehandlungen sind solche Teile der Einnahmen auszuscheiden, die von vornherein, wie z.B. Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung nicht zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind. Dieser Gedanke rechtfertigt aber den Abzug von Lohnsteuer nicht. Der Abzug von Lohnsteuer ist Einkommensverwendung, die Lohnsteuer ist nur eine Vorauszahlung auf die Einkommensteuer. Liegen die eigenen Einkünfte unter der Schädlichkeitsgrenze des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG, fällt keine Einkommensteuer an und die Lohnsteuer wird zurückgezahlt und steht für die genannten Zwecke zur Verfügung. Sofern Einkommensteuer aufgrund höherer Einkünfte endgültig entsteht, trifft dies nicht nur Lohnsteuerzahler, sondern alle Steuerpflichtigen. Auch in diesem Fall liegt daher keine Ungleichbehandlung mit anderen Kindern vor, deren Einkünfte nicht dem Lohnsteuerabzug unterliegen. Der Senat folgt daher dem Bundesfinanzhof darin, dass die Lohnsteuer bei der Ermittlung der eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes nicht abgezogen werden kann (BFH-Urteil vom 26. September 2007 III R 4/07, BStBl II 2008, 738, unter II. 6. der Entscheidungsgründe).
cc)
Die Tochter der Klägerin hat auch keine negativen Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt. Eine entsprechende Absicht der Tochter, aus Kapitalvermögen Einkünfte zu erzielen, ist nicht dargetan. Aus dem bloßen Umstand, dass die Tochter ihr Girokonto zeitweilig im Soll geführt hat und deshalb Sollzinsen zahlen musste, lässt sich eine solche Absicht nicht entnehmen. Das Girokonto wird zur Teilnahme am unbaren Zahlungsverkehr gehalten, nicht zur Einkünfteerzielung. Der von der Klägerin ersatzweise geltend gemachten Berücksichtigung des Werbungskostenpauschbetrages nach § 9a Satz 1 Nr. 2 EStG als Verlust aus Kapitaleinkünften steht bereits der Wortlaut von Satz 2 der Vorschrift entgegen, wonach der Pauschbetrag nur bis zur Höhe der Einnahmen gewährt werden darf. Die eigenen Einkünfte der Tochter der Klägerin im Jahr ... betrugen danach ... Euro und lagen um ... Euro über dem Grenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG.
c)
Aufwendungen, die nicht im Zusammenhang mit den eigenen Einkünften und Bezügen der Tochter stehen, können an der Überschreitung des Grenzbetrages im Streitfall nichts ändern.
aa)
Der Betrag von ... Euro, die die Tochter der Klägerin für die Ausstellung oder Verlängerung ihres Personalausweises aufwenden musste, kann die Einkünfte nicht mindern. Die Ansicht der Klägerin, wonach solche Aufwendungen von den Einkünften im Sinne des§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG abzuziehen seien, verkennt sowohl den Sinn der Gesetzesregelung als auch die hierzu ergangene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
(1)
§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ist Teil der Vorschriften über den einkommensteuerlichen Familienleistungsausgleich.
Dieser Familienleistungsausgleich wird gewährt, um das Einkommen von Eltern in Höhe des Existenzminimums von Kindern einschließlich der Bedarfe für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung von einer Besteuerung freizustellen. Diese Freistellung wird durch die Kinderfreibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG oder durch das Kindergeld bewirkt. Soweit das Kindergeld für diese Befreiung aufgrund der geringen Höhe des Einkommens der Eltern nicht erforderlich ist, dient das Kindergeld der Förderung der Familie (§ 31 Sätze 1 und 2 EStG).
Verfügen Kinder über hinreichende eigene Einkünfte und Bezüge, besteht kein Bedarf für eine steuerliche Entlastung ihrer Eltern. Der Gesetzgeber hat deshalb in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG eine Grenze für die eigenen Einkünfte und Bezüge der Kinder bestimmt, bei deren Überschreiten er davon ausgeht, dass die Kinder ihren Unterhalt selbst bestreiten können und dass die Eltern deshalb keiner kindbedingten Belastung mehr unterliegen, wegen derer sie einer steuerlichen Entlastung durch einen Kinderfreibetrag oder durch Kindergeld bedürften. Grund für diese Annahme ist die Vermutung, dass diese Kinder ihren eigenen Unterhalt und die Kosten ihrer Ausbildung aus ihren eigenen Einkünften selbst bestreiten können (BTDrucks 4/2617, S. 6). Derartige Mittel führen zu einer Minderung oder einem Wegfall der Bedürftigkeit im Sinne des § 1602 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), so dass sich die Unterhaltspflicht der Eltern vermindert oder sie ganz entfällt. Damit ist § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG eine Vorschrift, die der Bestimmung der Leistungsfähigkeit der Eltern dient, nicht derjenigen der Kinder (BFH-Urteil vom 21. Juli 2000 VI R 153/99, BStBl II 2000, 566).
Bei der Ausgestaltung der Vorschrift knüpft der Gesetzgeber an den Einkünftebegriff und damit an das duale Konzept der Einkommensteuer an, das zwischen der Erzielung und der Verwendung von Einkünften unterscheidet. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits klargestellt, dass diese Anknüpfung im Einklang mit dem Grundgesetz steht. Es hat lediglich verdeutlicht, dass die Mittel des Kindes, aus denen sein Unterhalt bestritten werden soll, dem Kind auch tatsächlich zur Verfügung stehen müssen.
(2)
Der Aufwand der Tochter der Klägerin für ihren Personalausweis ist nach Ansicht des Senats nicht ihrem Unterhalt entzogen. Vielmehr stellt ein solcher Aufwand gerade eine Verwendung für Unterhalt dar. Dem steht nach Ansicht des Senats nicht entgegen, dass der Aufwand nicht regelmäßig jedes Jahr anfällt.
bb)
Das gleiche gilt nach Ansicht des Senats auch für die geltend gemachten Krankheitskosten der Tochter der Klägerin. Dabei unterstellt der Senat die von der Klägerin unter Beweis gestellten Tatsachen im Hinblick auf die gesundheitliche Situation ihrer Tochter zugunsten der Klägerin als wahr. Ein Abzug der Krankheitskosten von den eigenen Einkünften und Bezügen der Tochter kommt dennoch nicht in Betracht.
(1)
Dies gilt jedenfalls für diejenigen Aufwendungen in Höhe von ... Euro, die ausweislich der von der Klägerin vorgelegten Belege für nicht ärztlich verordnete Medikamente entstanden sind. Solche Aufwendungen sind nach Ansicht des Senats ebenso privat veranlasst wie die Aufwendungen für Wohnen und Essen und stellen bloße Unterhaltsverwendung der Einkünfte dar.
(2)
Aber auch die übrigen Aufwendungen von ... Euro für Krankheitskosten der Tochter der Klägerin können nicht von deren eigenen Einkünften und Bezügen abgezogen werden. Auch insoweit handelt es sich nach der Überzeugung des Senats um Unterhaltsverwendung der Einkünfte der Tochter. Der Senat schließt dies daraus, dass die Aufwendungen der Tochter die Zumutbarkeitsgrenze von 5 vom Hundert des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht erreicht, unterhalb derer eine steuerliche Berücksichtigung von Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung bei der Veranlagung von unverheirateten Steuerpflichtigen ohne Kinder zur Einkommensteuer gemäߧ 33 Abs. 3 EStG ausgeschlossen ist. Der Senat entnimmt dieser Vorschrift eine Wertung des Gesetzgebers, nach der solche Aufwendungen insoweit ihrer Höhe nach nicht außergewöhnlich sind und deshalb Teil der normalen Unterhaltskosten sind. Dem steht nicht entgegen, dass nach Darlegung der Klägerin die Krankheit der Tochter als solche außergewöhnlich ist.
Letztlich kann diese Frage aber offen bleiben, weil auch bei Abzug von ... Euro von den eigenen Einkünften der Klägerin die Grenze des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG überschritten bleibt.
d)
Der Senat teilt nicht die Auffassung der Klägerin, dass die Regelung einer festen Schädlichkeitsgrenze in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung der Klägerin mit solchen Steuerpflichtigen führt, die Kindergeld beziehen, weil ihre Kinder eigene Einkünfte haben, die knapp unter der in jener Vorschrift bestimmten Grenze liegen. Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass dadurch Fälle denkbar sind, in denen die Einkünfte und Bezüge des Kindes zusammen mit dem Kindergeld der Eltern einen höheren Betrag erreicht als im Streitfall die eigenen Einkünfte und Bezüge der Tochter der Klägerin. Gleichwohl liegt nach der Überzeugung des Senats hierin keine Ungleichbehandlung, die die Klägerin in ihrem Gleichheitsrecht aus Art. 3 Abs. 1 des Grundsgesetzes verletzt oder sonst gegen höherrangiges Recht verstößt und die Klägerin dadurch in ihren Rechten verletzt.
aa)
Der Senat teilt nicht die von einzelnen finanzgerichtlichen Entscheidungen (vgl. z.B. Urteil des Nds. Finanzgerichts vom 23. Februar 2006 I R 76/04, EFG 2006, 1592) vertretene Auffassung, dass diese so genannte Fallbeilwirkung der Einkunftsgrenze gegen die Grundsätze von Systemgerechtigkeit und Widerspruchsfreiheit verstößt. Angesichts der Höhe der Einkunftsgrenze geht die Argumentation ins Leere, erst bei deren Überschreiten werde die Gesetzesauswirkung widersprüchlich. Wer so argumentiert, müsste eine Verminderung der kindbedingten Belastung schon ab dem ersten eigenen Euro aus Einkünften und Bezügen des Kindes verlangen und das Kindergeld dementsprechend kürzen.
bb)
Das Kindergeld wird nach diesem Konzept als Familienförderung unabhängig von der tatsächlichen Höhe der eigenen Einkünfte und Bezüge jedenfalls bis zum Erreichen der Schädlichkeitsgrenze auch insoweit gewährt, als durch eigene Einkünfte und Bezüge des Kindes sein Unterhaltsanspruch gegen die Eltern zwar nicht ausgeschlossen, aber doch gemindert ist. Deshalb kann der Regelung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG auch nicht vorgeworfen werden, die geringfügige Überschreitung des Grenzbetrages führe zu einem gleichheitswidrigen Progressionssprung (s. hierzu wie auch zu Buchst. aa) das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 21. Juli 2000 VI R 153/99, BStBl II 2000, 566; zuletzt BFH-Urteil vom 29. Mai 2008 III R 54/06, BFH/NV 2008, 1821).
Die Klage war nach alledem abzuweisen.
3)
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO sind nicht ersichtlich.