Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 27.03.2009, Az.: 1 K 52/09

Steuerliche Anerkennung für erklärte Verluste aus einem Reithallenbetrieb des Steuerpflichtigen; Maßgeblicher Zeitpunkt des Beginns der Jahresfrist des § 171 Abs. 8 S. 1 Abgabenordnung (AO); Voraussetzungen für die vorläufige Festsetzung einer Steuer; Vornahme der Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht eines Steuerpflichtigen

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
27.03.2009
Aktenzeichen
1 K 52/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 36620
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2009:0327.1K52.09.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 21.08.2013 - AZ: X R 20/10

Ablauf der Festsetzungsfrist im Fall des § 171 Abs. 8 Satz 1 AO in Liebhabereifällen

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die von der Klägerin für die Streitjahre erklärten Verluste aus ihrem Reithallenbetrieb steuerlich anzuerkennen sind.

2

Die im Jahr 1944 geborene Klägerin betreibt seit dem Jahr 1985 eine Reithalle in X. Das mit einer Reithalle und Nebengebäuden bebaute Betriebsgrundstück, ein 8.664 m2 großer Teil des ihrem Ehemann gehörenden Grundstücks von 16.801 m2, hatte die Klägerin von ihrem Ehemann "einschließlich auftstehender Gebäude und Betriebsvorrichtungen zur Ausübung eines Reithallenbetriebes" gepachtet. Der Pachtvertrag aus dem Jahre 1985 hatte eine Laufzeit von 3 Jahren und verlängerte sich jeweils um 3 Jahre, solange er nicht gekündigt wurde. Der Pachtvertrag war mit einer Frist von 1 Jahr zum jeweiligen Laufzeitende kündbar. Der Ehemann verstarb im Jahr 1996, nachdem er sich 1994 von seiner Ehefrau getrennt hatte. Der verstorbene Ehemann hinterließ ein Testament, in dem er seine Ehefrau enterbte und insgesamt 11 Erben einsetzte. Nach Testamentsanfechtung und Verwaltung des Nachlasses durch einen vom Amtsgericht eingesetzten Nachlasspfleger stellte das Amtsgericht Stadthagen am 22.06.1999 einen Erbschein aus, der die beiden gemeinsamen Söhne der Klägerin und ihres verstorbenen Ehemannes O und D als alleinige Erben zu je 1/2 auswies. Am 17.08.1999 schlossen die Klägerin und ihre beiden Söhne einen außergerichtlichen Erbauseinansetzungsvertrag, in dem die Zugewinnausgleichs- und Pflichtteilsansprüche der Klägerin in der Weise erfüllt wurden, dass der Klägerin der gesamte Grundbesitz in X - zu dem auch das bisherige Pachtgrundstück mit der Reithalle gehörte - und weiterer Grundbesitz in Ungarn übertragen wurde. Die Klägerin übernahm außerdem auf dem Grundstück in X ruhende dingliche Lasten und bestimmte Darlehensverpflichtungen ihres verstorbenen Ehemannes. Außerdem wurden ihr Ansprüche aus einer Lebensversicherung und Teilgeschäftsanteile an der Fa. H GmbH übertragen.

3

In ihrer Bilanz auf den 31.12.1999 aktivierte die Klägerin den betrieblich genutzten Teil des Grundbesitzes in X mit einer Teilfläche von 8.664 m2 als Betriebsvermögen. Die Wertansätze (Grund und Boden 129.600 DM, Gebäude 1.570.000 DM) übernahm sie aus einem Verkehrswertgutachten des vereidigten Sachverständigen M vom 17.08.2001. Die übernommenen Verbindlichkeiten passivierte sie in dieser Bilanz mit rund 750.000 DM.

4

Neben dem Reithallenbetrieb unterhielt die Klägerin noch einen Handel mit . . Daneben war sie bei der Firma H GmbH angestellt, an der zunächst ihr Ehemann und nach seinem Tod ihre gemeinsamen Söhne maßgeblich beteiligt waren.

5

In den Jahren 1985 bis 1994 wurde die Klägerin mit ihrem verstorbenen Ehemann zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Einkommensteuerveranlagungen erfolgten hinsichtlich der fraglichen Gewinnerzielungsabsicht bezüglich der gewerblichen Einkünfte aus dem Reithallenbetrieb für die Jahre 1988,1989 und 1991 - 1994 vorläufig gemäß § 165 Abs.1 Abgabenordnung (AO). Die Veranlagungen für die Jahre 1985-1987 und 1990 wurden endgültig durchgeführt. Ab dem Jahr 1995 wurden für die Klägerin Einzelveranlagungen durchgeführt. Die Veranlagungen für die Jahre 1995 - 1997 und 1999 - 2002 erfolgten ebenfalls vorläufig. Die Veranlagung für das Jahr 1998 wurde endgültig durchgeführt.

6

Im Mai und Juni 2004 führte der Beklagte bei der Klägerin eine Außenprüfung durch. Die Prüfungsanordnung vom 18.05.2004 wies als Gegenstand der Prüfung die Gewerbesteuer für die Jahre 2000 - 2002 aus. Im Rahmen dieser Prüfung traf der Prüfer umfangreiche Feststellungen zur Frage der Einkünfteerzielungsabsicht der Klägerin im Hinblick auf ihren Reithallenbetrieb.

7

Auf dem Betriebsgelände in X befänden sich das Reithallengebäude (einschließlich 27 Pferdeboxen, 2 Sattelkammern, Reiterstübchen - ab 2001 Restaurant) und ein Nebengebäude mit angrenzender Strohüberdachung. Das Nebengebäude habe seit 1989 weitere 15 Boxen enthalten, die später zu 9 Boxen umgebaut worden seien. Von 1985 bis August 1998 habe die Klägerin die 27 Pferdeboxen an Einzelpersonen vermietet. Ab September 1998 habe sie die Boxen in der Reithalle insgesamt an einen Untervermieter verpachtet. Die Boxen des Nebengebäudes seien von der Klägerin für die eigene Pferdezucht (im Prüfungszeitraum 4 Pferde) genutzt worden und im Übrigen ihren beiden Söhnen zur Nutzung vorbehalten gewesen.

8

Den Verkehrswert der Reithalle und der Nebengebäude ermittelte der Prüfer auf den 31.12.1998 nach dem Ertragswertverfahren mit 1.000.000 DM (Anlage 6 zum Prüfungsbericht) und den Verkehrswert des Grund und Bodens unverändert mit 129.960 DM.

9

In den Jahren ab 1993 habe die Klägerin einige betriebswirtschaftliche Veränderungen vorgenommen, die aber nicht zu einem positiven Totalergebnis geführt hätten. Im Jahr 1993 habe sie mit einer Pferdezucht begonnen. Ab 1997 seien die Reithalle und alle Pferdeboxen der Reithalle untervermietet worden. Ferner sei das Restaurant ausgebaut und verpachtet worden. Hierfür seien zusätzliche Investitionen erforderlich gewesen. Im August 1999 habe die Klägerin das Betriebsgrundstück erworben. Die Pachtzahlungen seien ab diesem Zeitpunkt entfallen. Das Betriebsgrundstück sei mit dem Erwerb notwendiges Betriebsvermögen des Reithallenbetriebes geworden.

10

Der Prüfer kam zu dem Ergebnis, dass die Klägerin die verlustbringende Tätigkeit nur aus im Bereich ihrer Lebensführung liegenden persönlichen Gründen oder Neigungen ausübte. Dies zeige sich daran, dass die Klägerin und ihre Söhne persönlich sehr eng mit dem Pferdesport verwachsen seien, sich in den Veranlagungszeiträumen der Zusammenveranlagung mit Herrn H durch die Verluste erhebliche Steuerersparnisse ergeben hätten, zur Bestreitung des Lebensunterhaltes ausreichend andere Einkünfte zur Verfügung gestanden hätten, es sich teilweise um eine in der Freizeit ausgeübte Nebentätigkeit gehandelt habe und die Tätigkeit der Befriedigung persönlicher Neigungen gedient habe.

11

Ferner wurde die zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann vereinbarte Pacht von dem Prüfer als zu niedrig angesehen. In dieser Höhe würde unter fremden Dritten eine Pacht über einen Zeitraum von 15 Jahren nicht vereinbart worden sein. In den ersten 3 Jahren habe die Pacht jährlich 30.000 DM betragen. Pachtgegenstand seien das gesamte Hof- und Wiesengrundstück und die Reithalle einschließlich Nebengebäude gewesen. In den ersten 3 Jahren hätten sich 28 Pferdeboxen in der Reithalle befunden. Obwohl im Kalenderjahr 1989 weitere 15 Pferdeboxen im Nebengebäude fertig gestellt worden seien, sei im gleichen Jahr die Pacht auf 24.000 DM gemindert worden. Auch die ab dem Kalenderjahr 1989 gestiegenen Erlöse ließen eine Pachtminderung nicht gerechtfertigt erscheinen.

12

Ganz deutlich zeige sich die zu niedrig vereinbarte Pacht an der im Kalenderjahr 1997 begonnenen Untervermietung. So sei der Reithallenbetrieb ab 01.09.1998 für monatlich 2.500 DM, ab 01.03.1999 für monatlich 3.500 DM, ab 01.02.2003 für monatlich 1.540 Euro mtl. und ab 01.02.2004 für monatlich 1.795 Euro verpachtet worden.

13

Die zu niedrig vereinbarte Pacht habe zur Verringerung des bis zum Kalenderjahr 1999 erzielten Gesamtverlustes geführt. Ein fremder Pächter würde mit höheren Pachtverpflichtungen belastet gewesen sein. Dies würde folglich zu noch höheren Verlusten geführt und einen fremden Reithallenpächter in kurzer Zeit zur Aufgabe der Tätigkeit gezwungen haben.

14

Der Prüfer ermittelte für den Reithallenbetrieb einschließlich Pferdezucht in dem Zeitraum 1985 - 2002 einen Gesamtverlust von 122.363 Euro. Die Gewinne und Verluste der einzelnen Jahre ergeben sich aus der nachfolgend wiedergegebenen Tabelle des Prüfers, wobei die Zwischensumme "Verlust 1985-2001" wegen eines Additionsfehlers des Prüfers von 216.720,27 DM auf 206.720,27 DM und der Gesamtverlust entsprechend auf 117.250,04 Euro korrigiert worden ist.

KalenderjahrVerlust/GewinnDM/Euro
1985./. 12.557,27DM
1986./. 30.008,43DM
1987./. 34.777,65DM
198816.192,29DM
1989./. 14.223,90DM
19902.436,18DM
1991./. 8.610,50DM
19922.695,16DM
199314.627,53DM
19947.995,68DM
1995./. 14.542,38DM
1996./. 9.761,55DM
1997./. 27.606,17DM
1998./. 11.214,16DM
1999./. 21.639,76DM
2000./. 29.808,69DM
2001./. 35.916,65DM
Zwischensumme Verlust 1985-2001./. 206.720,27DM
In Euro./. 105.694,40Euro
2002./. 11.556,00Euro
Gesamtverlust 1985-2002./. 117.250,04Euro
15

Der Prüfer nahm einen Prognosezeitraum von 30 Jahren (1985 - 2014) an. Aufgrund der aufgelaufenen Verluste für die Kalenderjahre 1985-2002 und der für die Jahre 2003 - 2014 geschätzten Gewinne und Verluste errechnete er einen voraussichtlichen Gesamtverlust von insgesamt 133.000 Euro. Der Prüfer kam abschließend zu dem Ergebnis, dass der Reithallenbetrieb von Beginn der Tätigkeit an nicht mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben worden. Es sei anzunehmen, dass die Klägerin die verlustbringende Tätigkeit nur aus im Bereich der privaten Lebensführung liegenden persönlichen Gründen oder Neigungen ausgeübt habe.

16

Der Auffassung des Prüfers folgend, ging der Beklagte von einer durchgängig fehlenden Einkünfteerzielungsabsicht der Klägerin aus und berücksichtigte u.a. in den geänderten Einkommensteuerbescheiden 1996, 1997, 1999 - 2002 und im Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer auf den 31.12.1997 jeweils vom 26.08.2004 die bisher berücksichtigten Verluste aus dem Reithallenbetrieb nicht mehr.

17

Hiergegen wendet sich die Klägerin nach erfolglosem Vorverfahren mit ihrer Klage, die sie im Wesentlichen wie folgt begründet.

18

Ihren Betrieb betreibe sie mit Gewinnerzielungsabsicht. Noch zu Lebzeiten ihres Mannes habe sie auf die Verluste reagiert und alles unternommen, um den Betrieb in die Gewinnzone zu bringen.

19

Nachdem sie Eigentümerin des Grundstücks geworden sei, habe sie den Gastronomiebereich ausbauen können. Nach einigem Leerstand "funktioniere" der Gastronomiebereich seit 2005 und erbringe jährliche Pachteinnahmen von 7.200 Euro. Unter Berücksichtigung der weiteren Einnahmen aus der Verpachtung der Reithalle und von Einzelboxen von jährlich rund 19.000 Euro und den Einnahmen aus der Zucht und dem Pferdehandel von ca. 12.000 Euro, sei bei Gesamtkosten von rund 27.000 Euro jährlich nachhaltig ein jährlicher Gewinn i.H.v. rund 11.000 Euro zu erzielen.

20

Aus den zwischenzeitlich vorliegenden Gewinnermittlungen der Klägerin für die Jahre 2000 - 2007 ergeben sich folgende Zahlen: In den Jahren 2000 bis 2004 hat sie durchgehend Verluste zwischen 15.000 und 24.000 Euro jährlich erwirtschaftet (insgesamt 87.490 Euro). Seit 2005 erzielt die Klägerin Gewinne, und zwar 2005 4.039 Euro, 2006 10.323 Euro und 2007 4.442 Euro. Schließlich macht die Klägerin geltend, dass Festsetzungsverjährung eingetreten sei.

21

Die Klägerin beantragt,

die Einkommensteueränderungsbescheide 1996 und 1997 vom 26.08.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.09.2005 aufzuheben sowie den verbleibenden Verlustabzug zur Einkommensteuer auf den 31.12.1997 unter Aufhebung des Bescheides vom 26.08.2004 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 28.09.2005 auf 25.249 DM gesondert festzustellen.

22

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

23

Der Beklagte bleibt bei seiner bereits im Vorverfahren vertretenen Auffassung. Festsetzungsverjährung ist nach seiner Auffassung nicht eingetreten.

24

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die angefochtenen Bescheide, die Einspruchsentscheidung vom 28.09.2005, den Prüfungsbericht vom 18.06.2004, die beigezogenen Steuerakten und die von den Beteiligten im Klageverfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen.

25

Die Klage ist ursprünglich wegen Einkommensteuer 1995 - 1997, 1999 - 2003 und Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs auf den 31.12.1997 erhoben und unter dem Aktenzeichen 1 K 11540/05 geführt worden. Der erkennende Senat hat in der mündlichen Verhandlung am 27.03.2009 das Verfahren wegen Einkommensteuer 1995 wegen Klagerücknahme abgetrennt und eingestellt (1 K 51/09). Das Verfahren wegen Einkommensteuer 1996, 1997 und wegen der gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs auf den 31.12.1997 wurde ebenfalls abgetrennt und durch das vorliegende Urteil entschieden (1 K 52/09). Im Übrigen wurde die Sache vertagt (1 K 11540/05). Die Abtrennung des Verfahrens wegen der gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs auf den 31.12.1997 ergibt sich aus Seite 6 des Sitzungsprotokolls vom 27.03.2009.

Entscheidungsgründe

26

Die zulässige Klage ist begründet. Die angefochtenen Einkommensteuer-Änderungsbescheide 1996 und 1997 vom 26.08.2004 sind ebenso wie der angefochtene Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges auf den 31.12.1997 vom gleichen Tage nach Ablauf der Festsetzungsfrist ergangen und waren deshalb ebenso wie die diese Bescheide bestätigende Einspruchsentscheidung aufzuheben.

27

1.

Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist,§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO. Die Festsetzungsfrist beträgt bei der Einkommensteuer gemäß § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO vier Jahre. Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 1 AO). Ist eine Steuererklärung einzureichen, beginnt die Festsetzungsfrist abweichend von § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung abgegeben wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, § 170 Abs. 2 Nr. 2 AO. Nach § 181 Abs. 1 Satz 1 AO gelten für die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen unter anderem die Vorschriften über die Festsetzungsverjährung sinngemäß.

28

2.

Im Streitfall hatte die Klägerin nach §§ 25 Abs. 3 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG), 56 Nr. 2 Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) in Verbindung mit§ 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG für die Streitjahre Einkommensteuererklärungen abzugeben. Die Einkommensteuererklärung für 1996 hat sie im Jahr 1997 und die Einkommensteuererklärung für 1997 hat sie im Jahr 1998 beim Beklagten eingereicht. Die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer des Veranlagungszeitraums 1996 begann also mit Ablauf des 31.12.1997 und für die Einkommensteuer des Veranlagungszeitraums 1997 mit Ablauf des 31.12.1998. Die Festsetzungsfrist endete jeweils vier Jahre später am 31.12.2001 bzw. 31.12.2002. Die angefochtenen Bescheide sind am 26.08.2004 und damit nach Ablauf der jeweiligen Festsetzungsfrist erlassen worden.

29

3.

Eine Ablaufhemmung wegen der Außenprüfung ist nicht eingetreten. Nach § 171 Abs. 4 AO kann der Ablauf der Festsetzungsfrist durch eine Außenprüfung nur in Bezug auf diejenigen Steuern oder Feststellungen gehemmt werden, auf die sich die Außenprüfung erstreckt. Der Umfang einer Außenprüfung wird nach § 196 AO in zeitlicher und gegenständlicher Hinsicht durch die Prüfungsanordnung bestimmt. Nur bezüglich der in der Prüfungsanordnung genannten Steuern und Veranlagungszeiträume kann unter weiteren, hier nicht relevanten Voraussetzungen, eine Ablaufhemmung im Sinne des § 171 Abs. 4 AO eintreten (vgl. BFH, Urteil vom 06.07.1999 - VIII R 17/97 - BStBl II 2000, 306 und Beschluss vom 29.06.2004 - X B 155/03 - BFH/NV 2004, 1510).

30

Im Streitfall bezog sich die Außenprüfung bei der Klägerin weder in gegenständlicher noch in zeitlicher Hinsicht auf die hier streitigen Bescheide. Denn die Prüfungsanordnung vom 18.05.2004 erstreckte sich nur auf die Gewerbesteuer für die Jahre 2000 - 2002.

31

4.

Dem Ablauf der Festsetzungsfrist steht auch nicht entgegen, dass die angefochtenen Bescheide wegen der fraglichen Einkünfteerzielungsabsicht der Klägerin vorläufig nach § 165 AO ergangen waren.

32

a)

Wurde die Steuer vorläufig nach § 165 AO festgesetzt, so endet die Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 8 Satz 1 AO nicht vor Ablauf eines Jahres, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erhalten hat. Die Ungewissheit ist beseitigt, wenn das Finanzamt davon positive Kenntnis hat und die Tatbestandsmerkmale für die endgültige Steuerfestsetzung feststellen kann (BFH, Urteile vom 26.08.1992 - II R 107/90 - BStBl II 1993, 5; vom 17.04.1996 - II R 4/94 - BFH/NV 1996, 929; Beschluss vom 16.05.2006 - VIII B 160/05 - BFH/NV 2006, 1477 und Urteil vom 04.09.2008 - IV R 1/07 - BStBl II 2009, 335). Nach diesem Zeitpunkt verbleibt der Finanzbehörde nach§ 171 Abs. 8 Satz 1 AO ein Jahr, um die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen.

33

Diese Grundsätze gelten für vorläufige Gewinnfeststellungsbescheide sinngemäß.

34

aa)

Für den Beginn der Jahresfrist des § 171 Abs. 8 Satz 1 AO kommt es danach auf die positive Kenntnis von der Beseitigung der Ungewissheit an. Ein bloßes "Kennenmüssen" von Tatsachen, die das Finanzamt bei pflichtgemäßer Ermittlung erfahren hätte, steht der Kenntnis nicht gleich (BFH-Urteile vom 26.08.1992 - II R 107/90 - BStBl II 1993, 5 und vom 25.07.2000 - IX R 93/97- BStBl II 2001, 9).

35

bb)

Aus § 165 AO ergibt sich, welche Ungewissheit beseitigt sein muss, um den Beginn der Jahresfrist nach § 171 Abs. 8 Satz 1 AO auszulösen. Beruht nämlich die Ablaufhemmung auf der für die vorläufige Festsetzung oder Feststellung nach § 165 AO maßgeblichen Ungewissheit, kann für deren Beseitigung nichts anderes gelten. Die Jahresfrist nach§ 171 Abs. 8 Satz 1 AO beginnt daher, wenn die Ungewissheit beseitigt ist, die zu der vorläufigen Festsetzung oder Feststellung geführt hat.

36

b)

Eine Steuer kann nach § 165 Abs. 1 Satz 1 AO vorläufig festgesetzt oder eine Besteuerungsgrundlage vorläufig festgestellt werden, soweit ungewiss ist, ob die Voraussetzungen für ihre Entstehung eingetreten sind. Die Ungewissheit muss sich auf Tatsachen beziehen; eine Unsicherheit in der steuerrechtlichen Beurteilung eines feststehenden Sachverhalts rechtfertigt die Anordnung der Vorläufigkeit nicht (BFH-Beschluss vom 08.07.1998 - I B 111/97 - BStBl II 1998, 702, m.w.N.).

37

Da die aus § 88 AO folgende amtliche Ermittlungspflicht unbeschadet des § 165 Abs. 1 Satz 1 AO besteht, kommt eine vorläufige Steuerfestsetzung oder Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäߧ 165 AO somit nur in Betracht, wenn trotz angemessener Bemühungen des Finanzamts, den Sachverhalt aufzuklären, eine Unsicherheit in tatsächlicher Hinsicht bleibt, die entweder zur Zeit nicht oder nur unter unverhältnismäßig großen Schwierigkeiten beseitigt werden kann (BFH-Urteil vom 26.09.1990 - II R 99/88 - BStBl II 1990, 1043).

38

c)

Die Ungewissheit, ob ein Steuerpflichtiger mit Einkünfteerzielungsabsicht tätig geworden ist oder ob Liebhaberei vorliegt, ist danach beseitigt, wenn die für die Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht maßgeblichen Hilfstatsachen festgestellt werden können und das Finanzamt davon positive Kenntnis hat.

39

aa)

Bei der Ungewissheit in der Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung nicht um eine Unsicherheit in der steuerrechtlichen Beurteilung eines feststehenden Sachverhalts; es geht vielmehr um eine "innere" Tatsache, die nur anhand äußerlicher Merkmale (Hilfstatsachen) beurteilt werden kann (BFH-Beschluss vom 03.05.2000 - IV B 59/99 - BFH/NV 2000, 1075; BFH-Urteil vom 25.10.1989 - X R 109/87 - BStBl II 1990, 278). Derartige Hilfstatsachen können auch nach dem Zeitpunkt der Steuerfestsetzung oder der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen entstehen und für diesen Zeitpunkt zu einer veränderten Würdigung in Bezug auf die innere Tatsache der Einkünfteerzielungsabsicht führen (BFH-Urteil vom 06.12.1994 - IX R 11/91 - BStBl II 1995, 192).

40

bb)

Die Rechtsprechung hat jedoch aus der Abhängigkeit der Beurteilung des Gewinnstrebens als innere Tatsache von den maßgeblichen äußerlichen Merkmalen gefolgert, dass eine Ungewissheit im Sinne des § 165 AO hinsichtlich der Einkünfteerzielungs-absicht nur gegeben ist, wenn die maßgeblichen Hilfstatsachen nicht mit der gebotenen Sicherheit festgestellt werden können (BFH-Urteil vom 25.10.1989 - X R 109/87 - BStBl II 1990, 278). Die Ungewissheit besteht daher nicht (mehr), wenn die maßgeblichen (Hilfs-) Tatsachen entstanden sind und dies dem Finanzamt bekannt ist. Denn zum einen kommt es, wie dargelegt, für die Feststellung der Einkünfteerzielungsabsicht auf die Hilfstatsachen an. Zum anderen ist deren Würdigung Teil der steuerrechtlichen Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht; der Ablauf der Festsetzungsfrist bzw. Feststellungsfrist kann jedoch nicht von der steuerrechtlichen Beurteilung des Sachverhalts durch das Finanzamt abhängig gemacht werden (vgl. BFH, Urteil vom 04.09.2008 - IV R 1/07 - BStBl II 2009, 335).

41

cc)

Verkauft ein Unternehmer den Betrieb und hat das Finanzamt davon Kenntnis, ist danach die Ungewissheit über die Einkünfteerzielungsabsicht beseitigt. Denn aus dem Verkauf folgt zwangsläufig, dass der Steuerpflichtige mit dem Betrieb in Zukunft keine Einkünfte mehr erzielen will. Die für die Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht maßgeblichen Hilfstatsachen müssen deshalb bis dahin entstanden sein; weitere Hilfstatsachen entstehen danach nicht mehr. Hat das Finanzamt Kenntnis von dem Verkauf erlangt, ist es daher in der Regel nicht (mehr) gehindert, die Tatbestandsmerkmale für die Steuerfestsetzung oder Feststellung der Besteuerungsgrundlagen festzustellen. Eine vorläufige Steuerfestsetzung oder Feststellung nach § 165 Abs. 1 AO kommt danach grundsätzlich nicht mehr in Betracht (BFH, Urteil vom 04.09.2008 - IV R 1/07 - BStBl II 2009, 335).

42

dd)

Entsprechendes gilt, wenn der bisherige Pächter den bisherigen Pachtbetrieb zu Eigentum erwirbt und es an der Betriebsidentität des bisher gepachteten und nunmehr als Eigentumsbetrieb geführten Betriebes fehlt, weil sich die wirtschaftliche Basis und die Kostenstruktur beider Betriebe wesentlich voneinander unterscheiden. In einem solchen Fall beginnt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs der ehemalige Pächter im Zeitpunkt des Eigentumserwerbs einen neuen Betrieb, der einer eigenständigen steuerlichen Beurteilung unterliegt (vgl. BFH, Urteil vom 11.10.2007 - IV R 15/05 - BStBl II 2008, 465).

43

Im dem vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall war vom Pächter eines verlustbringenden landwirtschaftlichen Betriebes geltend gemacht worden, dass der Beurteilungszeitraum des Totalerfolgs nicht auf die Dauer des Pachtverhältnisses beschränkt werden dürfe. Vielmehr müsse berücksichtigt werden, dass er den Betrieb in absehbarer Zeit von seinen Eltern unentgeltlich erwerben werde und die in den Betriebsgrundstücken ruhenden stillen Reserven und die durch den Wegfall der Pachtzahlungen erheblich verbesserte Ertragssituation zu einer positiven Totalgewinnprognose führen würden. Der Bundesfinanzhof hat dazu ausgeführt, dass der Beurteilungszeitraum des Totalerfolgs in einem solchen Fall auf die Dauer des Pachtverhältnisses zu beschränken sei. Weder etwaige stille Reserven des Pachtgegenstands noch die durch den Wegfall der Pachtzahlungen bedingte günstigere Gewinnstruktur sei in die Beurteilung des Zeitraums bis zum Ende des Pachtverhältnisses einzubeziehen.

44

In dieser Entscheidung führt der Bundesfinanzhof weiter aus, durch die Übertragung würde zwar der Verpachtungsbetrieb auf den Kläger übergehen und er träte in die Rechtsposition des Verpächters ein. Die Vereinigung der Forderung und der Schuld aus dem Pachtverhältnis in der Person des Klägers würde sodann zum Erlöschen des Pachtvertrags führen. Dies hätte notwendigerweise zur Folge, dass sowohl der Pachtbetrieb als auch der Verpachtungsbetrieb endeten und der Betrieb nunmehr als Eigentumsbetrieb durch den Kläger fortgeführt werde. Gleichwohl fehle es an der Betriebsidentität des bisherigen Pachtbetriebs und des sodann bestehenden Eigentumsbetriebs, die eine Verklammerung der Betriebe rechtfertigen könne. Dafür spreche zunächst, dass die wirtschaftliche Basis und die Kostenstruktur des Pachtbetriebs sich maßgeblich von der des Eigentumsbetriebs unterschieden. Insoweit räume auch der Kläger ein, dass der jährliche Pachtaufwand eine wesentliche Ursache für die aufgelaufenen Verluste während der Pachtzeit gewesen sei. Des Weiteren könne nicht unberücksichtigt bleiben, dass durch die der unentgeltlichen Hofübergabe vorgeschaltete Verpachtung zunächst zwei selbständige Betriebe (Pachtbetrieb und Verpachtungsbetrieb) nebeneinander gestanden hätten, die grundsätzlich einer eigenständigen steuerlichen Beurteilung bedurften und eine Zusammenrechnung des Betriebsvermögens nicht zuließen. Mit der Übernahme des Verpachtungsbetriebs beginne der ehemalige Pächter mithin einen neuen Betrieb, der einer eigenständigen steuerlichen Beurteilung unterliege.

45

ee)

Bei Anwendung dieser Grundsätze ist im Streitfall davon auszugehen, dass die Klägerin im Zeitpunkt des Erwerbs des Betriebsgrundstücks und dem damit verbundenen Erwerb des Verpachtungsbetriebes von ihren Söhnen im August 1999 einen neuen Betrieb begonnen hat, der mit dem bisherigen Pachtbetrieb nicht identisch ist und deshalb einer eigenständigen steuerlichen Beurteilung unterliegt. Der bisherige Pachtbetrieb endete mit Ablauf des Pachtverhältnisses mit der Folge, dass der Beurteilungszeitraum für den Totalerfolg auf die Dauer des Pachtverhältnisses zu beschränken ist.

46

ff)

Eine ihre Verklammerung rechtfertigende Identität zwischen dem Pachtbetrieb und dem Eigentumsbetrieb, die von dem Prüfer und ihm folgend vom Beklagten angenommen worden ist, kann nicht festgestellt werden. Beide Betriebe unterscheiden sich in ihrer wirtschaftlichen Basis erheblich, wie ein Vergleich der Bilanz der Klägerin auf den 31.12.1998 und der Prüferbilanz auf den 31.12.1999 verdeutlicht. Die Summe der Aktiva stieg von rund 61.000 DM auf rund 1.233.000 DM und das Eigenkapital von rund 6.100 DM auf rund 490.000 DM. Im Wesentlichen ist diese erhebliche Erhöhung des Betriebsvermögens und des Eigenkapitals auf den Erwerb des Betriebsgrundstücks zurückzuführen. Wenn die Feststellungen des von der Klägerin beauftragten Gutachters Herwig zutreffen und der Verkehrswert des Grundstücks nicht dem Buchwert zum 31.12.1999 von rund 1.100.000 DM entspricht, sondern rund 1.700.000 DM beträgt, dann verfügt der Eigentumsbetrieb im Gegensatz zum Pachtbetrieb über stille Reserven von ca. 600.000 DM, die bei einer Totalgewinnprognose zu berücksichtigen sind. Diese stillen Reserven dürfen aber im Rahmen des Pachtbetriebes keine Berücksichtigung finden, weil es an einer wirtschaftlichen Verursachung der stillen Reserven in dem Pachtbetrieb fehlt.

47

Auch die Kostenstruktur beider Betriebe weist wesentliche Unterschiede auf. Seit der Beendigung des Pachtverhältnisses sind die jährlichen Pachtzahlungen von zuletzt rund 31.000 DM entfallen und damit der wesentliche Kostenfaktor, der die Hauptursache für die in den Jahren 1985 bis 1999 aufgelaufenen Verluste war.

48

gg) Die Ungewissheit bezüglich der Einkünfteerzielungsabsicht der Klägerin im Hinblick auf ihren Pachtbetrieb war mit Kenntnis des Beklagten von dem Erwerb des Grundstücks im Jahr 1999 spätestens im Zeitpunkt der Abgabe der Einkommensteuererklärung 1999 mit der Bilanz für den Reithallenbetrieb im November 2000 beseitigt. Alle übrigen Hilfstatsachen zur Feststellung der fehlenden Identität des Pachtbetriebs und des Eigentumsbetriebs waren dem Beklagten zu diesem Zeitpunkt ebenfalls bekannt. Weitere Hilfstatsachen, die für die Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht der Klägerin im Hinblick auf ihren Pachtbetrieb bedeutsam sein könnten, konnten nach diesem Zeitpunkt nicht mehr entstehen. Die in § 171 Abs. 8 AO vorgesehene Ablaufhemmung endete daher nach einem Jahr, also Ende November des Jahres 2001 und damit weit vor dem Erlass der angefochtenen Bescheide im Jahre 2004 (zur Frage der Beseitigung der Ungewissheit in Liebhabereifällen vgl. BFH, Urteil vom 04.09.2008 - IV R 1/07 - BStBl II 2009, 335).

49

5.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.