Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 05.03.2002, Az.: 4 B 4021/02

Aufenthaltsgenehmigung; Aufnahmebewerber; außergewöhnliche Härte; Bundesvertriebenengesetz; Duldung; Kasache; Pflege einer Familienangehörigen; Spätaussiedler; Touristenvisum; Versagungsgrund; Vertriebenenbewerber; Vertriebenenrecht

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
05.03.2002
Aktenzeichen
4 B 4021/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 41646
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

(Kein) Aufenthaltsrecht für einen Ausländer dessen Aufnahme nach dem Bundesvertriebenengesetz vom Bundesverwaltungsamt abgelehnt wurde, und der hiergegen Klage führt. Zu den Anforderungen an die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung im Zusammenhang mit der Betreuung einer (deutschen) Familienangehörigen.

Gründe

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Der sinngemäß gestellte Antrag,

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die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 07. Dezember 2001 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 03. Dezember 2001 anzuordnen und die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, den Antragsteller bis zum rechtskräftigen Abschluss des von ihm betriebenen Verfahrens wegen Aufnahme nach dem Bundesvertriebenengesetz,

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hilfsweise,

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bis zum Ergehen der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln in dieser Sache zu dulden,

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hat keinen Erfolg.

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Soweit der Antragsteller um einstweiligen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO nachsucht, geht die im Rahmen dieses Verfahrens vorzunehmende Abwägung zwischen dem privaten Interesse des Antragstellers, einstweilen von dem Vollzug des Bescheides der Antragsgegnerin vom 03. Dezember 2001 verschont zu bleiben, und dem durch die Antragsgegnerin vertretenen öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der genannten Verfügung zu Lasten des Antragstellers aus.

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Daneben hat der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch im Hinblick auf eine Duldung glaubhaft gemacht (§§ 123 Abs. 3 VwGO, 920 Abs. 2, 294 ZPO).

8

Die summarische Vorausbeurteilung der jeweiligen Hauptsacheentscheidung im Widerspruchsverfahren ergeben keine rechtlichen Bedenken gegen den angefochtenen Bescheid.

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Zur Begründung nimmt die Kammer entsprechend § 117 Abs. 5 VwGO zunächst Bezug auf die zutreffenden Ausführungen der Antragsgegnerin in deren Bescheid vom 03. Dezember 2001.

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Ergänzend ist auszuführen, dass der Antragsteller als Kasache dem deutschen Ausländerrecht unterfällt, da über seine Aufnahme nach dem Bundesvertriebenengesetz nicht unanfechtbar positiv entschieden ist (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 03.09.1993 -13 M 579/93-; Hess. VGH, Beschluss vom 27.09.1996 -12 TG 3290/96-, DÖV 1997, 381 [OVG Sachsen 27.01.1997 - 3 S 437/96]).

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Dem vom Kläger betriebenen Aufnahmeverfahren nach dem Bundesvertriebenengesetz kommt ausländerrechtlich weder für eine Aufenthaltsgenehmigung noch für die mit dem angegriffenen Bescheid ausgesprochene Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung Bedeutung zu. Es ist dem Aufnahmebewerber zuzumuten, das Aufnahmeverfahren einschließlich eines etwaigen Klageverfahrens von seinem Heimatland zu betreiben (BVerwG, Beschluss vom 25.10.1995 -1 B 131.94-, InfAuslR 1996, 102; Hess. VGH, a.a.O.; OVG Lüneburg, a.a.O.; Kloesel/Christ/Häußer, Deutsches Ausländerrecht, § 1 Rdnr. 19). Dies ist verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25.02.1992 -2 BvR 182/92-, InfAuslR 1992, 131).

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Auch einen Anspruch auf Duldung hat der Antragsteller im Hinblick auf das nach dem Vertriebenenrecht angestrengte Verfahren nicht.

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Der Antragsteller ist mit einem von der französischen Botschaft ausgestellten Touristenvisum und ohne den nach dem Vertriebenenrecht erforderlichen Aufnahmebescheid in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Nach Abschnitt 4.3. des einschlägigen Runderlasses des Nds. MI vom 29.03.1999 -45.21-12231/1-2-7- (Nds. MinBl. Seite 257, 258) wird Personen, die, wie der Antragsteller, ohne Aufnahmebescheid einreisen, dann keine Duldung erteilt, wenn das Bundesverwaltungsamt die Erteilung eines Aufnahmebescheides versagt. Dies ist mit Bescheid vom 06. Juli 2000 geschehen; auch der hiergegen vom Antragsteller eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 06. November 2001 zurückgewiesen.

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Ein Aufenthaltstitel steht dem Antragsteller auch nicht deshalb zur Seite, weil er seine Großmutter betreut. Im Fall der Betreuung pflegebedürftiger Familienangehöriger kann die Ausländerbehörde nach Maßgabe der §§ 23, 22, 17 AuslG eine Aufenthaltserlaubnis erteilen. Da der Antragsteller ohne Zustimmung der Antragsgegnerin mit einem Touristenvisum eingereist ist, tatsächlich aber einen dauerhaften Aufenthalt im Bundesgebiet anstrebt, steht der Erteilung einer solchen Aufenthaltsgenehmigung der Versagungsgrund des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AuslG entgegen. Abweichend hiervon kann gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 AuslG eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt werden, wenn die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung nach dem AuslG offensichtlich erfüllt sind. Dies ist hier nicht der Fall, worauf die Antragsgegnerin in dem angegriffenen Bescheid schon zu Recht hingewiesen hat. Der Antragsteller hat hierzu nichts vorgetragen, was eine abweichende Beurteilung rechtfertigen würde.

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Zunächst erscheint dem Gericht schon fraglich, ob die Großmutter des Antragstellers derzeit überhaupt auf fremde Hilfe angewiesen ist. Die hierzu vorgelegten Atteste datieren überwiegend aus dem Jahr 2000 bzw. von Anfang 2001. Daneben hat der Antragsteller zwar eine ärztliche Bescheinigung des Dr. med. R. vom 10. Januar 2002 vorgelegt, in der es heißt, die Großmutter des Antragstellers könne aufgrund ihrer multiplen Erkrankungen und Gebrechlichkeit nicht allein in ihrer Wohnung leben und sei auf die Hilfe und Pflege ihres Enkels, des Antragstellers, angewiesen. Dieser Bescheinigung misst das Gericht in Anbetracht der sehr allgemein und pauschal gehaltenen Ausführungen indes nur geringe Bedeutung bei. Es wird insbesondere nicht deutlich, welche der diagnostizierten Erkrankungen eine Pflege erforderlich machen und wie diese Pflege sowohl ihrem zeitlichen als auch ihrem inhaltlichen Umfang nach konkret auszugestalten ist.

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Selbst wenn man annehmen wollte, dass die Großmutter des Antragstellers pflegebedürftig ist, ist für das Gericht nicht nachvollziehbar, weshalb es allein der Antragsteller sein kann, der die Pflege übernimmt, wie dies in der Bescheinigung von Dr. R. angegeben wird. Der Antragsteller reiste erst am 14. Juli 2001 in die Bundesrepublik ein. Seine Großmutter war nach seinem eigenen Vorbringen jedoch bereits vor dieser Zeit pflegebedürftig und wurde von seiner Tante und seiner Cousine betreut. Die vom Antragsteller beschriebene Arbeitsbelastung dieser beiden Personen lässt nicht erkennen, dass eine weitere Betreuung durch sie nicht mehr möglich ist. Zumindest die Tante des Antragstellers hat nach dessen Vortrag zwar einen normalen achtstündigen Arbeitstag zu bewältigen. Es ist ihr aber möglich, Frau D. vor Beginn und nach Ende der Arbeitszeit zu betreuen. Dass eine dauerhafte Betreuung erforderlich ist, wird weder vom Antragsteller vorgetragen noch ist dies nach den vorgelegten Attesten zu ersehen. Dagegen spricht auch, dass der Antragsteller nicht bei seiner Großmutter, sondern bei seiner Tante lebt. Jedenfalls bedeutet es keine außergewöhnliche Härte, die zu vermeiden Ziel des § 22 AuslG ist, wenn Tante und Cousine die Betreuung der Großmutter nach einer Rückkehr des Antragstellers in seine Heimat wieder aufnehmen müssten.

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Da der Antragsteller somit weder einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung noch auf Erteilung einer Duldung hat, ist er vollziehbar ausreisepflichtig, so dass auch Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung rechtmäßig sind. Auch insoweit nimmt die Kammer entsprechend § 117 Abs. 5 VwGO Bezug auf die Ausführungen der Antragsgegnerin in deren Bescheid vom 03. Dezember 2001.

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Als Unterlegener hat der Antragsteller gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.

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Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG i.d.F. des KostREuroUG vom 27.04.2001 (BGBl I Seite 751).