Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 20.03.2002, Az.: 4 A 4136/99
Aufbringung von Boden; Bodenaufbringung; Effektivierung; Erlaubnis; Feuchtfläche; Landschaftsbild; Landschaftsschutz; Landwirtschaftsprivileg; Naturschutzrecht; Nutzbarmachung; Schutzzweck; tägliche Wirtschaftsweise
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 20.03.2002
- Aktenzeichen
- 4 A 4136/99
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 43446
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs 3 NatSchG ND
- § 26 Abs 1 NatSchG ND
- § 30 Abs 5 NatSchG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Das Landwirtschaftsprivileg des § 1 Abs. 3 NNatschG begünstigt keine Maßnahmen die dazu dienen, eine Fläche landwirtschaftlich nutzbar zu machen oder die Nutzungsmöglichkeiten zu verbessern.
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Beteiligten die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des gegen ihn festzusetzenden Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Der Kläger ist Landwirt und Eigentümer des Grünlandgrundstückes Flurstück der Flur in der Gemarkung R.. Dieses Flurstück befindet sich im Geltungsbereich der Landschaftsschutzgebietsverordnung "Untereichsfeld".
Am 14.07.1998 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Erlaubnis, auf diesem Grundstück ca. 400 m³ Boden aus einer Baumaßnahme für den Wasserleitungsneubau in Bodensee ablagern zu dürfen.
Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 21.07.1998 ab. Das Vorhaben widerspreche den besonderen Schutzzweck der genannten Landschaftsschutzgebietsverordnung. Dieser bestehe darin, die biologische Leistungsfähigkeit und Vielfalt der Gewässer und ihrer Auen sowie das Landschaftsbild als Grundlage für die Erholung des Menschen zu erhalten. Bei der streitigen Fläche handele es sich um Grünland in der Aue des "Renshäuser Baches". Am und in der Nähe von Gewässern liegende Flächen bildeten den Übergang zwischen dem limnischen und dem terrestrischen Bereich. Da hier Tier- und Pflanzenarten beider Lebensräume vorkämen, herrsche eine hohe Artenvielfalt gegenüber den Einzelbiotopen und insbesondere der angrenzenden, ausgeräumte Agrarlandschaft vor. Die begehrte Bodenablagerung stelle deshalb eine erhebliche Beeinträchtigung des Naturhaushaltes und des Landschaftsbildes dar.
Den hiergegen fristgerecht eingelegten Widerspruch wies die Bezirksregierung Braunschweig mit Widerspruchsbescheid vom 14.05.1999 zurück. Die beabsichtigte Bodenablagerung sei erlaubnispflichtig, da die Bodengestalt verändert werde. Der Ablagerung stehe der besondere Schutzzweck der Landschaftsschutzgebietsverordnung "Untereichsfeld" entgegen. Die Aufbringung von Boden unterfalle nicht dem Landwirtschaftsprivileg. Die Landschaftsschutzgebietsverordnung halte sich auch im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung nach dem Naturschutzgesetz.
Hiergegen hat der Kläger am 18.06.1999 Klage erhoben. Er ist der Ansicht, eine Erlaubnis sei nicht erforderlich, weil die einschlägige Landschaftsschutzgebietsverordnung wegen eines Verstoßes gegen § 30 Abs. 5 S. 5 Nds. Naturschutzgesetz unwirksam sei. Für den Fall, dass die Verordnung dennoch als rechtmäßig angesehen werde, habe er jedenfalls einen Anspruch auf Erlaubniserteilung nach § 4 Abs. 2 der Verordnung. Er beabsichtige, lediglich 400 m³ Boden aufzubringen, was den Schutzzweck nicht stören würde. Der von dem Beklagten angeführte Schutzzweck rechtfertige die Ausweisung eines Naturschutzgebietes nach § 24 Nds. Naturschutzgesetz, nicht aber einer Landschaftsschutzgebietsverordnung nach § 26 Nds. Naturschutzgesetz. Es sei nicht erkennbar, welche konkreten Nachteile für die Bachaue durch die Veränderung der Bodenstruktur entstünden. Daneben greife zu seinen Gunsten das Landwirtschaftsprivileg. Die Bodenaufbringung sei erforderlich, da das Grundstück regelmäßig stark verwässere. Seit Anlegung der benachbarten Kreisstraße im Jahre 1964 sei auf der Fläche nur noch Viehwirtschaft möglich. Das Tiere Trittschäden verursachten sei sicherlich nicht im Sinne der Ökologie.
Der Kläger beantragt, nachdem er zunächst die Feststellung begehrt hatte, keiner Erlaubnis zu bedürfen,
den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 21. Juli 1998 und des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 14. Mai 1999 zu verpflichten, dem Kläger die landschaftsschutzrechtliche Erlaubnis zu erteilen, auf der auf Blatt 21 der Gerichtsakten befindlichen Karte gekennzeichneten Teilfläche seines Grundstücks Gemarkung Renshausen, Flur 8, Flurstück 41/2 400 m³ Boden abzulagern.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die einschlägige Landschaftsschutzgebietsverordnung für rechtmäßig und verweist auf die veränderte Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet "Untereichsfeld" vom 15.12.1999. Eine Beeinträchtigung der Gewässeraue liege durch die beabsichtigte Bodenablagerung vor. Hierfür sei nicht erforderlich, dass die fragliche Fläche in unmittelbarer Nähe des Baches liege. Es reiche, wie hier, ein Abstand von 20 bis 50 Metern zum Gewässer. Die Bodenstruktur werde künstlich verändert. Gerade die vom Kläger angeführte Verwässerung des Grundstückes begründe dessen besondere Schutzwürdigkeit. Darüber hinaus werde das Landschaftsbild beeinträchtigt. Auf das Landwirtschaftsprivileg könne sich der Kläger nicht berufen, weil er die Nutzung des Grundstückes verbessern wolle, was nicht privilegiert sei.
Hinsichtlich des Feststellungsbegehrens haben die Beteiligten das Verfahren in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend für erledigt erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
Die weitergehende Klage ist zulässig aber unbegründet.
Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis zur Aufbringung von Boden auf dem streitbefangenen Grundstück.
Die Aufbringung dieses Bodens unterliegt gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 6 der Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet "Untereichsfeld" für die Stadt Duderstadt, die Samtgemeinde Gieboldehausen und die Gemeinden Seeburg und Seulingen , der Samtgemeinde Radolshausen im Landkreis Göttingen vom 15. Dezember 1999 (Amtsblatt für den Landkreis Göttingen 1999, 859) einem Erlaubnisvorbehalt. Rechtliche Bedenken gegen die Gültigkeit dieser Landschaftsschutzgebietsverordnung bestehen nicht.
Die Verordnung ist durch die Ermächtigungsnorm des § 26 Abs. 1 Nds. Naturschutzgesetz - NNatG - i.d.F. vom 11. April 1994 (Nds. GVBl. S. 155), zuletzt geändert durch Art. 10 des Gesetzes vom 15. Dezember 2000 (Nds. GVBl. S. 378) gedeckt. Danach können Gebiete, in denen Natur und Landschaft ganz oder teilweise besonderen Schutzes bedürfen, weil u.a. die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes oder die Nutzbarkeit der Naturhüter zu erhalten oder Wiederherzustellen ist die Naturschutzbehörde durch Verordnung zu Landschaftsschutzgebieten erklären. Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich des hier zu schützenden Landschaftsteiles vor, wie sich aus dem in § 2 Abs. 1 der Verordnung genannten Charakters des Landschaftsschutzgebietes und dem in § 2 Abs. 2 der Verordnung bezeichneten besonderen Schutzzweck ergibt. Ob das Gebiet darüber hinaus auch als Naturschutzgebiet nach § 24 NNatG ausgewiesen werden könnte, ist rechtlich unerheblich, denn jedenfalls die Voraussetzungen für die Ausweisung als Landschaftsschutzgebiet nach § 26 NNatG liegen vor.
Die Verordnung i.d.F. vom 15. Dezember 1999 verstößt auch nicht -mehr- gegen § 30 Abs. 5 NNatG. Der Beklagte hat die Karten, die die geschützten Teile von Natur und Landschaft und den Geltungsbereich der Verordnung bestimmen im Amtsblatt abgedruckt. Damit ist der Mangel der Bekanntmachung, der der ursprünglichen Verordnung im Hinblick auf eine rechtmäßige Bekanntmachung anhaftete geheilt worden. Ist eine Landschaftsschutzgebietsverordnung wegen eines Verfahrensfehlers nichtig, bedarf es keiner Wiederholung des gesamten Normsetzungsverfahrens. Es genügt vielmehr zur (erneuten) Inkraftsetzung der Verordnung, den Fehler zu beheben und evtl. nachfolgende Verfahrensschritte zu wiederholen (OVG Lüneburg, Urteil vom 24.08.2001 - 8 KN 41/01 - Seite 10 m.w.N.). So ist der Beklagte hier verfahren.
Gemäß § 4 Abs. 2 der Landschaftsschutzgebietsverordnung wird die erforderliche Erlaubnis erteilt, wenn der Charakter des Landschaftsschutzgebietes und der besondere Schutzzweck nicht beeinträchtigt werden. Dies ist hier nicht der Fall, so dass die Erlaubnis nicht erteilt werden kann.
Der Charakter des Landschaftsschutzgebietes wird gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 der Verordnung u.a. durch Bachsysteme des Hügellandes, deren Auen mit Feuchtflächen, Gehölzsäumen, Schilfzonen und Wiesen bestimmt. Besonderer Schutzzweck der Verordnung ist gemäß § 2 Abs. 2 Nrn. 2, 3 und 7 u.a. die Erhaltung von Feuchtflächen, die als Lebensstätten der heimischen Tier- und Pflanzenwelt dienen, die Erhaltung der biologischen Leistungsfähigkeit und der Vielfalt der Gewässer und ihrer Auen sowie die Erhaltung des Landschaftsbildes als Grundlage für die Erholung des Menschen.
Sowohl der Charakter des Landschaftsschutzgebietes als auch dessen besonderer Schutzzweck werden durch die Aufbringung von 400 m³ Boden aus einer Baumaßnahme beeinträchtigt. Die Aufbringung nicht ortsentsprechenden Bodens beseitigt oder verändert zumindest die auf dem streitbefangenen klägerischen Grundstück befindliche Feuchtfläche. Es liegt auf der Hand, dass damit in die Lebensstätte der dort heimischen Tier- und Pflanzenwelt eingegriffen wird. Gleichzeitig wird die biologische Leistungsfähigkeit der Wiese, die ihren Charakter gerade aus der Vernässung, die der Kläger beseitigen will, zieht, verringert. Schließlich beeinträchtigt es das Landschaftsbild, das hier durch Feuchtflächen in der Nähe des Renshäuser Baches bestimmt wird, wenn mit dem Ziel der Trockenlegung 400 m³ Boden aufgebracht werden sollen.
Der Kläger ist hinsichtlich der von ihm begehrten Bodenaufbringung nicht gemäß § 5 Nr. 1 der Verordnung von dem Erlaubnisvorbehalt des § 4 befreit. Nach dieser Bestimmung unterliegt u.a. die ordnungsgemäße land- und forstwirtschaftliche Nutzung auf den bislang genutzten Flächen keinen Einschränkungen aufgrund der §§ 3 und 4. Es ist in der Rechtsprechung geklärt, dass das naturschutzrechtliche Privileg für die ordnungsgemäße Landwirtschaft nicht für solche Veränderungen der Landwirtschaft gilt, die eine landwirtschaftliche Nutzung erst ermöglichen oder diese effektiver gestalten sollen. Das Landwirtschaftsprivileg will die "tägliche Wirtschaftsweise" des Landwirts von naturschutzrechtlichen Anordnungen freistellen. Veränderungen der Form und Gestalt von geschützten Grundflächen, die eine landwirtschaftliche Nutzung erst ermöglich bzw. wirtschaftlich sinnvoll gestalten sollen, werden also von der sowohl im Bundesnaturschutzgesetz wie auch im Nds. Naturschutzgesetz bestimmten Privilegierung einer ordnungsgemäßen Bodennutzung nicht erfasst (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 14.04.1988 - 4 B 55/88 -, NVwZ-RR 1989, 179; VGH Mannheim, Beschluss vom 18.08.1995 - 5 S 2276/94 -, NuR 1996, 260, 261). So liegt es hier.
Dabei kommt es nicht darauf an, ob der von dem Beklagten bestrittene Vortrag zutrifft, die streitige Wiese sei so vernässt, dass sie der Kläger überhaupt nicht mehr nutzen könne und die Aufbringung des Bodens dazu dienen solle, die Nutzungsmöglichkeit wiederherzustellen. Denn die ordnungsgemäße Landwirtschaft i.S.v. § 5 Nr. 1 der Landschaftsschutzgebietsverordnung und § 1 Abs. 3 NNatG erfassen, wie dargelegt, die tägliche Bewirtschaftungsweise. Sollte der klägerische Vortrag zutreffen, beabsichtigt der Kläger nicht die Erhaltung dieser Nutzung, sondern zielt auf eine Nutzbarmachung einer landwirtschaftlich nicht genutzten Fläche ab. Dies unterfällt ebenso wenig dem Landwirtschaftsprivileg wie eine Effektivierung der Nutzung, die eintreten würde, wenn der Kläger die streitbefangene Fläche landwirtschaftlich, etwa zu Weidezwecken, nutzt, die Nutzbarkeit durch die Bodenaufbringung aber dadurch verbessern will, dass er der Fläche Feuchtigkeit entzieht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 161 Abs. 2 VwGO, soweit die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt haben und im übrigen auf § 154 Abs. 1 VwGO. Bei der im Rahmen der Entscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO zutreffenden Kostenentscheidung nach billigem Ermessen berücksichtigt das Gericht zu Lasten des Klägers, dass der ursprünglich erhobene Antrag, festzustellen, dass er für die Bodenaufbringung keiner Erlaubnis bedarf, erfolglos geblieben wäre. Für diesen Antrag wäre es auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung angekommen. Die Rechtslage zu diesem Zeitpunkt wird durch § 4 Abs. 1 Nr. 6 der Landschaftsschutzgebietsverordnung bestimmt, an der, wie ausgeführt, rechtliche Bedenken nicht bestehen.