Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 05.03.2002, Az.: 4 B 4220/01

Berufungsvereinbarung; Entzug eines Raumes (Rechtsnatur); Raumzusage

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
05.03.2002
Aktenzeichen
4 B 4220/01
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 42869
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Zur Rechtsnatur der Entziehung eines einem Hochschullehrer durch Berufungszusage zugesagten Raumes.

2. Zu den Voraussetzungen unter denen von einer Berufungszusage abgewichen werden darf.

Tenor:

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, unverzüglich die Zuweisung des Raumes UBFT 01 C 4 851 an den Tierschutzbeauftragten aufzuheben und diesen Raum wieder der Abteilung D. zur Verfügung zu stellen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.090,34 Euro (entspricht 8.000,00 DM) festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Antragstellerin wendet sich dagegen, dass die Antragsgegnerin ihr als Lehrstuhlinhaberin der Abteilung Dermatologie und Venerologie einen Raum entzogen hat.

2

Die Antragstellerin wurde im Juli 1992 vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur auf eine Professur der Besoldungsgruppe C 4 für D. an der Antragsgegnerin berufen. Daraufhin fanden zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin Berufungsverhandlungen statt. Gegenstand dieser Berufungsverhandlungen war unter anderem die räumliche Ausstattung der Abteilung D.

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Diese Abteilung befindet sich zum Teil im Hauptgebäude des Klinikums ( UBFT ), zu anderen Teilen in Räumen, die in der S. Str. in Göttingen gelegen sind. Forschungsraum sollte der Antragstellerin in der Ebene 01 des UBFT-Gebäudes zur Verfügung gestellt werden. Hierauf wurde die Antragstellerin im Rahmen der Anfang 1993 geführten Berufungsverhandlungen hingewiesen. In einem Berufungsgespräch am 10.03.1993 wurden die Berufungszusagen der Antragsgegnerin, die Berufungsforderungen der Antragstellerin und die erzielten Übereinkünfte im Einzelnen besprochen. In der Niederschrift dieses Gesprächs vom 26.03.1993 heißt es unter Ziffer 3 hinsichtlich der räumlichen Ausstattung im UBFT-Gebäude, dass die Antragstellerin neben verschiedenen, genau bezeichneten Laborräumen auch drei Büroräume erhalte, nämlich die Räume 01 C4 851, 853 und 854. Wie sich aus einem Protokoll über ein früheres Berufungsgespräch vom 16.12.1992 ergibt, war im ursprünglichen Angebot der Antragsgegnerin der Raum 851, der seinerzeit von dem Tierschutzbeauftragten der Antragsgegnerin benutzt wurde, noch nicht enthalten. Die Antragsgegnerin ist damit einer ausdrücklichen Forderung der Antragstellerin, auch diesen Raum der Abteilung D. zur Verfügung zu stellen, nachgekommen.

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Auf der Grundlage der im Gespräch vom 10.03.1993 gemachten Berufungszusagen, wie sie schriftlich im Protokoll zur Besetzung des Dienstpostens der Abteilungsvorsteherin C4 der Abteilung D. unter dem 26.03.1993 festgehalten wurden, nahm die Antragstellerin den Ruf auf die entsprechende C 4- Professur mit Schreiben vom 18.06.1993 an. Daraufhin wurde sie zur Professorin ernannt und zugleich zur Vorsteherin der Abteilung D. bestellt.

5

Die ursprünglich als Provisorium gedachte räumliche Trennung besteht auch heute noch: Klinische Arbeit und Verwaltungsaufgaben werden in der S.-Straße erfüllt, während Forschungsaufgaben im Zentralgebäude des Klinikums wahrgenommen werden. Die dort der Antragstellerin zugewiesenen Laborräume verfügen nicht über Tageslicht. Nur in den drei Büroräumen kann bei Tageslicht gearbeitet werden.

6

Mit Schreiben vom 04.09.2000 forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin unter Hinweis auf die Neureglung von Struktur und Organisation des Tierschutzbeauftragten auf, den Büroraum 01 C4 851 an den Tierschutzbeauftragten Prof. Dr. V. abzugeben. Mit Schreiben vom 12.02.2001 wiederholte die Antragsgegnerin ihre Aufforderung und verlangte zudem, Herrn Prof. Dr. V. den Raum 853 zur Mitbenutzung zur Verfügung zu stellen.

7

Die Antragstellerin wandte sich mit Schreiben vom 02.03.2001 unter Hinweis auf die Notwendigkeit von Büroräumen mit Tageslicht gegen die Entziehung des Raumes 851. Zugleich bot sie der Antragsgegnerin an, dem Tierschutzbeauftragten größere und hellere Räume im Außengebäude der S.-Straße zur Verfügung zu stellen.

8

Dennoch forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin mit Schreiben vom 09.04.2001 erneut zur Räumung des Raumes 851 auf und setzte eine Räumungsfrist bis zum 24.04.2001. Da die Antragstellerin der Aufforderung nicht innerhalb der ihr gesetzten Frist nachkam, veranlasste die Antragsgegnerin die Räumung.

9

Daraufhin wiesen die Mitarbeiter der Antragstellerin die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 06.06.2001 auf die Notwendigkeit des Erhalts sämtlicher Büroräume hin.

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Mit anwaltlichem Schreiben vom 20.08.2001 erhob die Antragstellerin Widerspruch, mit dem sie begehrte, die Zuweisung des Raumes 01 C4 851 an den Tierschutzbeauftragten aufzuheben und ihr diesen Raum wieder für ihre Abteilung zur Verfügung zu stellen. Hierüber ist bisher nicht entschieden worden.

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Am 21.11.2001 hat die Antragstellerin um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Sie trägt vor:

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Die Entziehung des Raumes sei rechtswidrig, da durch sie in die Berufungszusage eingegriffen werde. Die Berufungszusage sei für beide Seiten bindend. Dies gelte auch für Raumzusagen innerhalb einer Berufungsvereinbarung. Berufungsvereinbarungen könnten nur unter sehr engen Voraussetzungen modifiziert werden, die hier nicht vorlägen, da eine nachträgliche wesentliche Veränderung der Verhältnisse nicht vorliege. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung sei geboten, da es ihr und den Mitarbeitern der Abteilung D. nicht zumutbar sei, bis zur Entscheidung über eine Hauptsacheklage nahezu ausschließlich in Laborräumen ohne Tageslicht zu arbeiten bzw. zur Abwicklung der Laborführung stets in die Räume der Hautklinik in der S-Straße überwechseln zu müssen. Zudem gebe es im Dachgeschoss der Hautklinik auch keine Raumreserven. Die Forschungen seien somit unzumutbar eingeschränkt. Schließlich drohe ihr ein Verlust von Fördermaßnahmen der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Industrie und der Fakultät. Die unerträgliche Raumsituation wirke sich außerdem auf die Wettbewerbsfähigkeit der Abteilung aus: Es bestehe die Gefahr, dass vorhandenes qualifiziertes Personal an andere Forschungseinrichtungen überwechsele und von außen kein neues qualifiziertes Personal gewonnen werden könne. Dies zeige sich beispielhaft darin, dass Herr Privatdozent Dr. J. aufgrund der Raumsituation nicht bereit gewesen sei, eine Berufung zum Hochschuldozenten anzunehmen. Schließlich sei auch der Personalrat nach einer Besichtigung der Räumlichkeiten zu dem Ergebnis gekommen, dass dringend ein zusätzlicher Raum erforderlich sei, damit die mit Forschungsaufgaben betrauten Mitarbeiter der Hautklinik ihre täglichen Aufgaben ordnungsgemäß ausführen könnten. Sie habe ihr Rechtsschutzbedürfnis auch nicht durch überlanges Zuwarten verloren. Vielmehr zeigten ihre zahlreichen Schreiben, dass sie sich unverzüglich und mehrfach gegen die Entziehung des Raumes gewendet habe.

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Die Antragstellerin beantragt,

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der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, bis zur Entscheidung über eine von ihr einzureichende Hauptsacheklage die Zuweisung des Raumes UBFT 01 C4 851 an den Tierschutzbeauftragten aufzuheben und diesen Raum wieder der Abteilung D. zur Verfügung zu stellen.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

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Sie erwidert:

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Zum einen handele es sich bei der im Rahmen der Berufungsverhandlung gemachten Zuweisung der Büroräume an die Antragstellerin nicht um eine verbindliche dauerhafte Zusage. Zum anderen stünden etwaige Zusagen über die Ausstattung nach Ablauf von fünf Jahren gem. § 54 Abs. 5 NHG unter dem Vorbehalt einer veränderten Entwicklungsplanung oder Schwerpunktsetzung. Es müsse dem Bereich Humanmedizin möglich sein, über Nutzungsänderungen zugewiesener Räumlichkeiten im Rahmen eines Gesamtkonzepts neu zu entscheiden. Der Antragstellerin sei es zumutbar als Büroersatz Räume in der S-Straße zu nutzen. Den Tierschutzbeauftragten könne man dort nicht unterbringen, da sich in direkter Nähe des ihm nun zugewiesenen Raumes 851 die Räume seiner Mitarbeiter und ein ihm zugewiesener Laborraum befänden. Da die Aufforderung zur Abgabe eines Büroraumes bereits weit mehr als ein Jahr zurückliege, fehle es auch an der Eilbedürftigkeit.

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Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin verwiesen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

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II. Der zulässige Antrag ist begründet.

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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist zulässig, insbesondere statthaft. Der Anspruch auf Erfüllung einer Berufungsvereinbarung zwischen einem Professor und einer Hochschule über die personelle oder sächliche Ausstattung ist in der Hauptsache im Wege der Leistungsklage zu verfolgen (vgl. OVG Münster, Urteil vom 27.11.1996 - 25 A 3079/93 -, NVwZ-RR 1997, 475; VG Karlsruhe, Urteil vom 29.04.1998 - 7 K 2768/97 -, zitiert nach juris). Bei der von der Antragsgegnerin getroffenen Maßnahme handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 NdsVwVfG i.V.m. § 35 Satz 1 VwVfG, so dass vorläufiger Rechtsschutz nicht nach § 80 Abs. 5 VwGO, sondern nach § 123 Abs. 1 VwGO zu suchen ist (§ 123 Abs. 5 VwGO). Das Begehren der Antragstellerin ist darauf gerichtet, die Zuweisung des Raumes 01 C4 851 an den Tierschutzbeauftragten aufzuheben und den Raum wieder dem Bereich D. zuzuweisen. Die von der Antragsgegnerin vorgenommene Neuzuordnung des Raumes berührt die Antragstellerin (nur) in ihrer korporationsrechtlichen Stellung in Bezug auf die Hochschule. Ihre beamtenrechtliche Position wird durch die hier streitgegenständliche Maßnahme hingegen nicht tangiert. Denn ihre dienstlichen Aufgaben und Kompetenzen, insbesondere ihre Leitungsfunktionen werden durch die von der Antragsgegnerin vorgenommene Neuzuordnung des Raumes nicht beschränkt. Auch soweit die Antragstellerin in ihrem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 GG betroffen sein könnte, steht nicht ihre persönliche, sondern ihre dienstliche Rechtsstellung in Rede. Der verbeamtete Wissenschaftler bringt zwar sein Grundrecht auf freie Forschung und Lehre in das Amt mit, doch übt er es dort nicht als Privatperson, sondern von Amts wegen aus. Daher können Maßnahmen der Universität, auch wenn sie Wissenschaftsrelevanz haben, mit Blick auf Professoren nur dann als Verwaltungsakte mit Außenwirkung angesehen werden, wenn sie diese in ihrem Grundverhältnis berühren, etwa ihren korporationsrechtlichen Status verkürzen (VGH Mannheim, Urteil vom 21.04.1999 - 9 S 2653/98 -, NVwZ-RR 1999, 636 [VGH Baden-Württemberg 21.04.1999 - 9 S 2653/98]). Davon kann hier keine Rede sein. Allein der Umstand, dass die Organisationsmaßnahme der Antragsgegnerin die Antragstellerin in ihrer durch die Berufungszusage begründeten Rechtsstellung berührt, führt noch nicht zu der Annahme, dass die Umstrukturierungsmaßnahme der Antragsgegnerin hierauf gerichtet war.

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Der Antrag ist auch begründet. Die Antragstellerin hat sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920, 294 ZPO).

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Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass ihr gemäß Nummer 3 der Berufungsvereinbarungen vom 10.03.1993 ein Anspruch auf Zuordnung des Raumes 01 C4 851 zusteht, den die Antragsgegnerin zu Unrecht bestreitet. Die Zuweisung des Raumes an den Tierschutzbeauftragten ist mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig.

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In dem Protokoll vom 26.03.1993 über das Berufungsgespräch vom 10.03.1993 werden der Antragstellerin unter Nummer 3 konkret bezeichnete Räume zugesagt, darunter auch der Raum 01 C4 851. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin handelt es sich hierbei um eine verbindliche dauerhafte Zusage. Dies ergibt sowohl der Wortlaut der Vereinbarung wie auch deren Entstehungsgeschichte.

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Jedenfalls solange keine neuen Forschungsräume geschaffen werden, sollten sämtliche Forschungsaufgaben im Zentralgebäude des Klinikums erfüllt werden. Solange sollten der Antragstellerin auch die genannten Räume zur Verfügung stehen. Es trifft nicht zu, dass die Formulierung im letzten Satz des Berufungsprotokolls "Daneben stehen als Büroräume 01 C4 851, 853 und 854 zur Verfügung" gegen die Verbindlichkeit der Zusage spricht. Das Protokoll über das Berufungsgespräch führt nacheinander die einzelnen der Antragstellerin zugewiesenen Räume auf, ohne zwischen der Bedeutung der einzelnen Räume zu differenzieren. Insbesondere lässt sich aus der Tatsache, dass die Büroräume erst nach den Labor- und sonstigen Räumen genannt werden, nicht folgern, dass es an der Verbindlichkeit der Zusage fehlt.

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Auch die dem Berufungsgespräch vorangegangenen Berufungsverhandlungen zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin sprechen für die Annahme einer verbindlichen Zusage. Die Antragsgegnerin beabsichtigte anfangs, der Antragstellerin lediglich zwei Büroräume, nämlich die Räume 853 und 854 zur Verfügung zu stellen. Nachdem die Antragstellerin jedoch ausdrücklich zusätzlich die Zuweisung des Raumes 851 gefordert hatte, wurde ihr eine entsprechende Zusage gemacht. Die Zuweisung des Raumes 851 ist demnach nicht lediglich beiläufig erwähnt worden, sondern stellt vielmehr als Ergebnis vorangegangener Verhandlungen eine verbindliche Zusage dar. Dieses Angebot hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 18.06.1993 angenommen, so dass es Geschäftsgrundlage für die Tätigkeit der Antragstellerin geworden ist.

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Gegen die Berufungszusage ist durch die Wegnahme des Raumes verstoßen worden. Hieran ändert auch das Vorbringen der Antragsgegnerin nichts, der Antragstellerin sei ein anderer Raum zur Verfügung gestellt worden. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob im Dachgeschoss      tatsächlich Raumreserven vorhanden sind. Denn zum einen hat die Antragsgegnerin die Antragstellerin lediglich auf die ihr ohnehin im Dachgeschoss der      zugewiesenen Räume verwiesen. Es wurde somit kein neuer Raum zur Verfügung gestellt. Zum anderen können die im Dachgeschoss der       gelegenen Räume nicht als gleichwertige Ersatzräume betrachtet werden. Die Antragstellerin benötigt Büroräume im Zentralgebäude, um die in den dort befindlichen Laborräumen durchzuführenden Arbeiten planen, vorbereiten, protokollieren und auswerten zu können. Im Rahmen der Berufungsvereinbarungen einigten sich die Beteiligten dahingehend, den Forschungsbereich getrennt von der Bettenstation, der Poliklinik und der Klinikleitung unterzubringen. Vorgesehen war jedoch, den gesamten Forschungsbereich einheitlich im Hauptgebäude des Klinikums einzurichten, um ein effektives wissenschaftliches Arbeiten sicherzustellen. Dies ist nicht mehr gewährleistet, wenn sich die Mitarbeiter bei jedem Wechsel von Labor- und Büroarbeit in ein anderes Gebäude begeben müssen.

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Der Eingriff in die Berufungsvereinbarung ist weder nach § 54 Abs. 5 NHG, eingefügt durch das 5. Gesetz zur Änderung des NHG vom 08.12.1993 (Nds. GVBl. S. 618), noch nach der allgemeinen Regel der "clausula rebus sic stantibus" gerechtfertigt.

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Es spricht zwar Überwiegendes dafür, § 54 Abs. 5 NHG auch auf vor Inkrafttreten dieser Norm erfolgte Berufungsvereinbarungen anzuwenden, da eine geänderte Entwicklungsplanung oder Schwerpunktsetzung jedenfalls im Einzelfall einen i.S.d. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 43, 242) hinreichend sachlich gebotenen Grund für eine Abweichung von der Vereinbarung darstellen kann. Die Voraussetzungen des § 54 Abs. 5 NHG liegen indes nicht vor.

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Nach dieser Bestimmung stehen zwar Zusagen über die Ausstattung nach Ablauf von fünf Jahren unter dem Vorbehalt einer veränderten Entwicklungsplanung oder Schwerpunktsetzung.

31

Es ist aber schon zweifelhaft, ob tatsächlich eine geänderte Schwerpunktsetzung oder Entwicklungsplanung vorgenommen wurde. Die Antragsgegnerin hat hinsichtlich einer geänderten Schwerpunktsetzung oder Entwicklungsplanung lediglich darauf hingewiesen, dass der streitgegenständliche Büroraum aufgrund der Neuregelung von Struktur und Organisation des Tierschutzbeauftragten benötigt werde. Inwiefern dort neue Regelungen getroffen worden sind, hat sie jedoch nicht dargelegt. Vielmehr spricht die Tatsache, dass die Antragsgegnerin dem damaligen Tierschutzbeauftragten im Rahmen der Berufungsverhandlungen den Raum 851 entzog, um diesen Raum der Antragstellerin zusagen zu können, dafür, dass bereits damals Bedarf für einen Raum des Tierschutzbeauftragten bestand und nicht erst durch eine von der Antragsgegnerin behauptete Neuregelung der Strukturen ausgelöst worden ist.

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Selbst wenn jedoch die Voraussetzungen einer geänderten Schwerpunktsetzung oder Entwicklungsplanung vorlägen, hätte die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Ermessenserwägungen darlegen müssen, aus welchen Gründen die Abgabe eines Raumes für die Verwirklichung der geänderten Schwerpunktsetzung im konkreten Fall unabdingbar war. Die insoweit angeführte Begründung, die Abgabe des Raumes sei Folge der Neuregelung von Struktur und Organisation des Tierschutzbeauftragten, verkennt, dass der Antragstellerin eine bestimmte Anzahl von Räumen verbindlich zugesagt worden ist. Von derartigen Zusagen darf nur dann abgewichen werden, wenn die geänderte Schwerpunktsetzung nicht auf andere Weise als durch Bruch der Berufungsvereinbarung verwirklicht werden kann (BVerwG, Urteil vom 29.04.1982 - 7 C 128.80 - , NVwZ 1983, 546; Beschluss der Kammer vom 02.08.2001 -4 B 4047/01-). Berufungsvereinbarungen der hier in Rede stehenden Art haben typischerweise den Hintergrund, dass die Hochschulen im Wettbewerb um besonders qualifizierte Wissenschaftler diesen in Bezug auf ihre Arbeitsbedingungen in personeller und sächlicher Hinsicht attraktive Angebote unterbreiten, so dass sie bereit sind, dem erteilten Ruf zu folgen. Von solchen vorbehaltlos zugesagten Positionen mit dem Ergebnis der Verschlechterung der Arbeitsbedingungen abzurücken, bedeutet im Allgemeinen eine Abkehr vom Grundsatz der Vertragstreue. Es ist deswegen offensichtlich, dass der Landesgesetzgeber eine Veränderung des Vertragsinhalts nur unter engen Voraussetzungen zulassen wollte (vgl. für die ähnliche Rechtslage in Nordrhein-Westfalen, OVG Münster, Urteil vom 27.11.1996 - 25 A 3079/93 -, NVwZ-RR 1997, 475). Dass eine geänderte Schwerpunktsetzung nicht auf andere Weise als durch Bruch der Berufungsvereinbarungen verwirklicht werden kann, ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Die Antragsgegnerin hat eine Abwägung der konkreten Interessen der Antragstellerin mit den Interessen an der behaupteten Neustrukturierung des Tierschutzbeauftragten nicht in dem notwendigen Umfang vorgenommen. Insbesondere hat die Antragsgegnerin nicht dargelegt, weshalb gerade die Antragstellerin den ihr zugesagten Raum räumen muss und nicht der Tierschutzbeauftragte in einem anderen Raum - etwa im Dachgeschoss der Hautklinik - untergebracht werden kann. Die Begründung, dem Tierschutzbeauftragten müsse ein Zimmer in räumlicher Nähe zu seinen Mitarbeitern zur Verfügung stehen, überzeugt nicht. Denn die Antragstellerin hat ebenfalls ein Interesse daran, die Forschungsarbeiten in einem Gebäude durchzuführen und nicht zwischen zwei räumlich getrennten Gebäuden wechseln zu müssen.

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Dasselbe gilt bei Anwendung des allgemeinen Grundsatzes "clausula rebus sic stantibus", sofern diesem Grundsatz überhaupt neben der Regelung in § 54 Abs. 3 NHG, die man auch als abschließend ansehen kann, noch eigenständige Bedeutung zukommt. Denn auch in diesem Fall gebieten es die Vertragstreue einerseits und die Wissenschaftsfreiheit des Hochschullehrers andererseits, von der Vereinbarung nicht bei jeder mehr oder weniger unerheblichen Veränderung der Verhältnisse, sondern nur dann abzuweichen, wenn den geänderten Verhältnissen nicht auf andere Weise Rechnung getragen werden kann (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 21.04.1999 - 9 S 2653/98 -, NVwZ-RR 1999, 636 [VGH Baden-Württemberg 21.04.1999 - 9 S 2653/98]). 

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Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

35

Ein Anordnungsgrund liegt vor, wenn eine vorläufige Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Hierbei sind nicht nur die Interessen des Antragstellers, sondern auch etwaige entgegenstehende öffentliche oder private Interessen zu berücksichtigen. Eine solche Interessenabwägung führt hier zu dem Ergebnis, dass der Antragstellerin das Abwarten des Hauptsacheverfahrens nicht zugemutet werden kann. Die derzeitigen Raumbedingungen sind unzumutbar. Derzeit müssen 17 Mitarbeiter der Antragstellerin mit zwei Büroräumen auskommen. Das bedeutet, dass sie gezwungen sind, auch Schreibarbeiten wie etwa das Erstellen von Statistiken, Dokumentationen und das Anfertigen von Protokollen in den Laborräumen durchzuführen, die nicht über Tageslicht verfügen. Diese prekären Arbeitsbedingungen hat bereits der Personalrat der Medizinischen Einrichtungen der Antragsgegnerin festgestellt und unter dem 30.01.2002 von der Antragsgegnerin dringend die Beseitigung dieses Mangels gefordert. In diesem Zusammenhang hat er die Rückgabe des streitgegenständlichen Raumes an die Antragstellerin angeregt. Bis zu einer Entscheidung über eine Hauptsacheklage ist die erfolgreiche Fortführung der Forschungsarbeit der Antragstellerin nicht gewährleistet. Es besteht die Gefahr, dass sich die Unzufriedenheit der Mitarbeiter über die Raumbedingungen negativ auf ihre Forschungsarbeit auswirkt, indem vorhandenes qualifiziertes Personal möglicherweise an andere Forschungseinrichtungen überwechselt und neues qualifiziertes Personal nicht gewonnen werden kann. So hat die Antragstellerin dargelegt, dass Herr Privatdozent Dr. J. bereits eine Berufung zum Hochschuldozenten unter anderem aufgrund fehlender Räume mit Tageslicht abgelehnt hat.

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Das Vorliegen eines Anordnungsgrundes scheitert nicht daran, dass die erstmalige Aufforderung an die Antragstellerin, den streitgegenständlichen Raum an den Tierschutzbeauftragten abzugeben, bereits mehr als ein Jahr zurückliegt. Die Antragstellerin hat stets zu verstehen gegeben, auf der Einhaltung der Berufungsvereinbarungen zu bestehen. Deshalb hat sie den Raum auch nicht freiwillig dem Tierschutzbeauftragten zur Verfügung gestellt. Vielmehr hat die Antragsgegnerin den Raum räumen lassen. Nach Räumung und damit nach Eintritt der unzureichenden Arbeitsbedingungen hat die Antragstellerin zunächst versucht, eine außergerichtliche Einigung mit der Antragsgegnerin herbeizuführen. Sie war fortlaufend um die Rückgabe des Raumes bemüht und hat stets den dringenden Bedarf eines dritten Raumes mit Tageslicht zum Ausdruck gebracht. Als die Antragsgegnerin nicht reagierte, hat sie etwa vier Monate nach Räumung Widerspruch eingelegt und,  als auch dieser nicht beschieden wurde, hat sie nach weiteren drei Monaten um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Bei einem derartigen Geschehensablauf kann nicht davon gesprochen werden, dass es der Rechtssache an der gebotenen Eilbedürftigkeit fehlt.

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Als Unterlegene hat die Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens gem. § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen.

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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 20 Abs. 3 i.V.m. §§ 13 Abs. 1, 73 GKG i.V.m. Art. 10 ff VO (EG) Nr. 974/98 vom 03.05.1998 (Abl. L 139/1 vom 11.05.1998).