Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 14.03.2002, Az.: 4 A 4096/00

Altrecht; Bewilligung ; Eingriff in Wasserhaushalt; Erlöschen ; Ermessen; Feststellungsklage; Rechtsübergang; Verzicht; Wasserbuchakten; Wasserlauf; wesentliche Umgestaltung; Wohl der Allgemeinheit

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
14.03.2002
Aktenzeichen
4 A 4096/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 41845
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Zur Frage des Fortbestehens "alter" Wasserrechte.

2. Für die Annahme des Verzichts auf eine wasserrechtliche Bewilligung bedarf es gewichtiger Anhaltspunkte. Ein solcher Verzicht kann nicht unterstellt werden, denn er entspricht nicht der Lebenserfahrung.

3. Änderungen einer Anlage, die technischen Bedürfnissen oder Fortschritten entsprechen, sind grundsätzlich von einer bestehenden wasserrechtlichen Bewilligung gedeckt. Voraussetzung ist allerdings, dass kein stärkerer Eingriff in den Wasserhaushalt stattfindet, keine bisher nicht vorhandenen nachteiligen Wirkungen für andere entstehen und die Änderung auch unter der Gesichtspunkt des Wohls der Allgemeinheit bedeutungslos ist.

Tenor:

Der Bescheid der Beklagten vom 18.11.1999 und ihr Widerspruchsbescheid vom 25.05.2000 werden mit Ausnahme der Verfügung aufgehoben, die Stauanlage bei Teilpunkt 1+75 des Lageplans vorerst aufrecht zu erhalten.

Es wird festgestellt, dass der Kläger aufgrund der wasserrechtlichen Bewilligung vom 19.02.1936 zur Benutzung der S. zum Betrieb der Wasserkraftanlage auf dem Flurstück 326/1 der Flur 4 der Gemarkung E. im derzeitigen Umfang berechtigt ist.

Die Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag des Klägers vom 10.09.1985 auf Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung der Benutzung des Mühlgrabens zum Betrieb der Wasserkraftanlage unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Beklagte zu vier Fünfteln und der Kläger zu einem Fünftel.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldner können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

1

Der Kläger betreibt auf dem Flurstück 326/1 der Flur 4 der Gemarkung E. eine Wasserkraftanlage, der Wasser aus der S. und dem sog. Mühlgraben zugeführt wird. Das Wasser der S. wird nordöstlich des Kraftwerks angestaut und der Anlage durch einen überdeckten Werkgraben zugeleitet. Das im Bereich des Kraftwerks angestaute Wasser des Mühlgrabens wird diesem Werkgraben durch einen in unmittelbarer Nähe des Kraftwerks angelegten Verbindungsgraben zugeführt. Das Wasser wird im Elektrizitätswerk zur Stromerzeugung durch eine sog. Kaplanturbine genutzt und südlich der Wasserkraftanlage wieder in die S. eingeleitet. Wegen der örtlichen Verhältnisse nimmt das Gericht im Übrigen auf die Anlage 1 zum Schriftsatz des Klägers vom 12.03.2001 (Blatt 68 der Gerichtsakte) Bezug.

2

Im Jahr 1934 beantragte die Industriewerke E. GmbH als damalige Betreiberin eine dauerhafte Neuverleihung der die Anlage betreffenden Wassernutzungsrechte. Diesem Antrag wurde gegenüber der Licht- und Kraftwerke H. GmbH (LKH) als Rechtsnachfolgerin durch Bescheid vom 19.02.1936 entsprochen. Die Rechte wurden ausdrücklich mit dem Eigentum am Grundstück verbunden. Wegen des genauen Inhalts des Bescheides wird auf Blatt 16 der Wasserbuchakte (Beiakte E) Bezug genommen. Der Vater des Klägers legte gegen den Bescheid Beschwerde ein, die der Kläger am 10.03.1953 zurücknahm.

3

Im Jahr 1943 wechselte die Anlagenbetreiberin die Turbinen aus, legte den Verbindungsgraben zwischen dem Mühl- und dem Werkgraben an und führte Wasser nunmehr ausschließlich über den Werkgraben der jetzt nur noch vorhandenen einen Turbine zu.

4

Am 22.08.1953 beantragte die LKH erneut die unbefristete Verleihung von Wassernutzungsrechten. Dabei begehrte sie abweichend vom Verleihungsbescheid von 1936 u. a., das jeweils zufließende Wasser des Mühlgrabens nicht mehr unmittelbar in die Turbinen, sondern in den später errichteten Verbindungsgraben abzuleiten, um es dem von der S. abzweigenden Werkgraben zuzuführen. Daneben beantragte sie ein um 50 Liter pro Sekunde verringertes Staurecht. Diesem Antrag wurde durch Verleihungsbescheid vom 06.05.1954 in der Sache entsprochen. Die Verleihung von Rechten wurde jedoch bis zum 31.12.1984 befristet.

5

Im Jahr 1970 erwarb der Kläger das Grundstück einschließlich aller Bestandteile und Zubehörstücke mit Ausnahme solcher, die dritten Personen gehörten, und mit Ausnahme der Stromverteilungsanlagen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Grundstückskaufvertrag vom 02.03.1970 (Bl. 65 ff. der Wasserbuchakte) Bezug genommen.

6

Unter dem 10.09.1985 beantragte der Kläger, ihm die Wassernutzung in dem bisherigen Umfang weiter zu bewilligen. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 18.11.1999 ab. Daneben gab sie dem Kläger auf, die Stauanlage bei Teilpunkt 1 + 75 des Lageplans vorerst aufrecht zu erhalten, die Ableitungsstelle am Stauwehr in der S. so zu verschließen, dass keine Entnahme von Wasser erfolgen könne, das Schütz der Stauanlage im Mühlgraben bei Teilpunkt 1 + 03 des Lageplans ständig offen zu halten und die hiermit im Zusammenhang stehende Ableitung zur Turbine zu verschließen. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein, den die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 25.05.2000 (zugestellt am 30.05.2000) zurückwies.

7

Am 29.06.2000 hat der Kläger Klage erhoben. Er meint, das seiner Rechtsvorgängerin am 19.02.1936 verliehene Recht bestehe fort. Dieses Recht sei spätestens in dem Augenblick entstanden, in dem er die durch seinen Vater eingelegte Beschwerde zurückgenommen habe. Auf das Recht sei auch nicht verzichtet worden. Insbesondere liege ein Verzicht nicht darin, dass die LKH im Jahr 1953 einen neuen Bewilligungsantrag gestellt habe. Der Bewilligungsbescheid von 1954 sei vielmehr neben die bereits bestehende Bewilligung von 1936 getreten. Das Recht sei auch nicht deshalb untergegangen, weil es nicht im Wasserbuch eingetragen worden sei, denn es sei der das Wasserbuch führenden Behörde bekannt gewesen.

8

Der Kläger beantragt,

9

den Bescheid der Beklagten vom 18.11.1999 und ihren Widerspruchsbescheid vom 25.05.2000 mit Ausnahme der Verfügung aufzuheben, die Stauanlage bei Teilpunkt 1 + 75 des Lageplans vorerst aufrecht zu erhalten,

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festzustellen, dass er aufgrund der wasserrechtlichen Bewilligung vom 19.02.1936 zur Benutzung der S. und des Mühlgrabens zum Betrieb der Wasserkraftanlage auf dem Flurstück 326/1 der Flur 4 der Gemarkung E. im derzeitigen Umfang berechtigt ist,

11

hilfsweise,

12

die Beklagte zu verpflichten, über seinen Antrag auf Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung vom 10.09.1985 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

13

Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

15

Sie zweifelt an, dass das im Jahr 1936 verliehene Recht bestandskräftig geworden ist. Jedenfalls habe die LKH auf dieses Recht dadurch schlüssig verzichtet, dass sie im Jahr 1953 eine Neuerteilung von Wasserrechten beantragt habe. Die Erteilung einer neuen Bewilligung komme nicht in Betracht, da das Anstauen des S.wassers zu einer Unterbrechung der ökologischen Durchgängigkeit der S. und damit zu einer erheblichen Beeinträchtigung von Natur und Landschaft führe. Im Übrigen sei die Stauanlage in einem baufälligen Zustand.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

17

Die Klage ist zulässig, soweit der Kläger beantragt festzustellen, dass er aufgrund der wasserrechtlichen Bewilligung vom 19.02.1936 zur Benutzung der S. zum Betrieb der Wasserkraftanlage auf dem Flurstück 326/1 der Flur 4 der Gemarkung E. im derzeitigen Umfang berechtigt ist. Gemäß § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Der Kläger ist für die weitere Nutzung seiner Wasserkraftanlage auf die Beantwortung der Frage angewiesen, ob die Benutzung der S. durch die seiner Rechtsvorgängerin erteilte wasserrechtliche Bewilligung vom 19.02.1936 gedeckt ist. Er kann seine Rechte insoweit auch nicht durch eine Verpflichtungsklage verfolgen, da ihm - wie sogleich dargelegt werden wird - ein Recht an der Benutzung der S. bereits zusteht und ein Rechtsschutzbedürfnis für eine auf Erteilung einer Bewilligung gerichtete Verpflichtungsklage daher nicht vorliegt.

18

Durch die Bewilligung vom 19.02.1936 ist ein Recht der Rechtsvorgängerin des Klägers begründet worden, das S.wasser zum Betrieb der Kraftwerksanlage zu benutzen. Es kann dahinstehen, ob die Beschwerde des Vaters des Klägers gegen diese wasserrechtliche Bewilligung aufschiebende Wirkung gehabt hat, denn die Bewilligung ist spätestens mit Rücknahme dieser Beschwerde durch den Kläger bestandskräftig geworden.

19

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist dieses Recht nicht durch Verzicht untergegangen. Die Kammer folgt zu den an einen Verzicht zu stellenden Anforderungen der Rechtsprechung des OVG Lüneburg (Urteil vom 08.01.1971 - III OVG A 183/69 -). Danach bedarf es für die Annahme, dass jemand auf sein Recht auch nur teilweise verzichtet, gewichtiger Anhaltspunkte. Ein solcher Verzicht kann nicht unterstellt werden, denn er entspricht nicht der Lebenserfahrung. Vorliegend sind Anhaltspunkte für einen Verzicht durch die Rechtsvorgängerin des Klägers, der in der erneuten Beantragung von Wasserrechten im Jahr 1953 liegen könnte, nicht in ausreichender Weise erkennbar. Vielmehr spricht maßgeblich gegen die Absicht der Licht- und Kraftwerke Harz GmbH, auf ihr unbefristetes Recht zu verzichten, dass sie in Nr. 5 ihres Erläuterungsberichts zum Antrag ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass die Verleihung vom 19.02.1936 "rechtskräftig" geworden sei. Auch die bloße widerspruchslose Entgegennahme des Bescheides vom 06.05.1954 führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Rechtsvorgängerin des Klägers hatte aus ihrer Sicht gar keine Veranlassung, gegen die in diesem Bescheid enthaltene Befristung vorzugehen, da sie - wie ihrem Antrag zu entnehmen ist - offenbar von der Bestandskraft des alten Rechtes ausging. Die Ausführungen der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 26.02.2002 führen zu keiner anderen Beurteilung, da auch die dort aufgezeigten Gesichtspunkte unter Zugrundlegung des oben genannten, strengen Maßstabs die Annahme eines konkludenten Verzichts nicht rechtfertigen. Dass der Kläger zunächst möglicherweise selbst von einem Verlust des "Altrechts" ausgegangen ist, ist rechtlich ebenfalls nicht von Bedeutung.

20

Das Altrecht ist auch nicht gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 des Nds. Wassergesetzes (NWG) untergegangen. Danach erlöschen alte Rechte und alte Befugnisse, die bis zum Ablauf einer Frist von drei Jahren nach öffentlicher Aufforderung zur Eintragung in das Wasserbuch weder bekannt geworden noch angemeldet worden sind, 10 Jahre nach der öffentlichen Aufforderung. Zu einem solchen Erlöschen ist es vorliegend nicht gekommen. Zwar ist die wasserrechtliche Bewilligung vom 19.02.1936 nicht in das Wasserbuch eingetragen worden. Der Bewilligungsbescheid befindet sich jedoch in den Wasserbuchakten und war damit der Wasserbuchbehörde i. S. v. § 35 Abs. 2 Satz 2 NWG bekannt (vgl. zum "Bekanntsein" Czychowski, Wasserhaushaltsgesetz, 7. Auflage 1998, § 16 Rn. 2 ff.).

21

Da die derzeitige Nutzung des S.wassers im Wesentlichen derjenigen des Jahres 1936 entspricht, ist sie von der wasserrechtlichen Bewilligung vom 19.02.1936 gedeckt. Es ist nicht von entscheidungserheblicher Bedeutung, dass diese Frage durch die Kammer in Bezug auf die Nutzung des Mühlgrabens anders beurteilt wird (s. u.). Der Umstand, dass die Benutzung des Mühlgrabens von der Bewilligung des Jahres 1936 nicht (mehr) gedeckt ist, wirkt sich auf die Rechtmäßigkeit der Benutzung des S.wassers nicht aus. Durch den Bescheid vom 19.02.1936 sind zwei unabhängig voneinander bestehende wasserrechtliche Regelungen getroffen worden. Dies schließt die Kammer daraus, dass der Bewilligungsbescheid zwei eigenständige und jeweils getrennt zu beurteilende Gewässer betrifft und in ihm dementsprechend für jedes dieser beiden Gewässer eine gesonderte, auch optisch voneinander getrennte, individuelle Regelung enthalten ist. Allein auf diese rechtliche Trennung, nicht jedoch auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise kommt es für die Frage des Fortbestands der durch den Bescheid vom 19.02.1036 verliehenen Rechte an. Es ist daher in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung, ob der Kläger die Anlage allein unter Nutzung des S.wassers noch wirtschaftlich betreiben kann.

22

Das fortbestehende Altrecht einer Nutzung des S.wassers ist auch auf den Kläger übergegangen. Gemäß § 81 Abs. 2 des Preußischen Wassergesetzes (PrWG) geht ein Recht, das - wie hier - mit dem Eigentum an einem Grundstück verbunden ist, nur dann auf einen Rechtsnachfolger über, wenn neben dem Eigentum auch das Unternehmen übergeht, für das das Recht verliehen worden ist. Diese Regelung ist auf die Übertragung von Rechten anwendbar, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Wasserhaushaltsgesetzes und des Nds. Wassergesetzes bereits bestanden (vgl. Czychowski, a.a.O., § 15 Rn. 12 c), und betrifft daher auch den hier streitigen Rechtsübergang. Vorliegend bezweckte der Kläger bei der Übernahme weiterhin die Erzeugung von Strom aus Wasserkraft. Eine Änderung trat nur insoweit ein, als das Eigentum an den Stromverteilungsanlagen von der Übertragung ausgenommen wurde. Hierdurch wurde der Charakter des Unternehmens nicht in einer Weise verändert, die zum Verlust seiner Identität geführt hat.

23

Aus dem Vorstehenden folgt zugleich, dass die Feststellungsklage des Klägers hinsichtlich der Benutzung des S.wassers begründet ist. Die Beklagte leugnet das Fortbestehen des alten Rechts, so dass der Kläger einen Anspruch auf die begehrte Feststellung hat.

24

Dagegen ist die Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO unstatthaft, soweit sie sich auf die derzeitige Benutzung des Mühlgrabens bezieht. Diese Benutzung ist von der wasserrechtlichen Bewilligung vom 19.02.1936 im Hinblick auf die Anlage des Verbindungsgrabens im Jahr 1943 nicht mehr gedeckt, so dass der Kläger darauf zu verweisen ist, mit dem Hilfsantrag ihre Legalisierung im Wege der Verpflichtungsklage anzustreben.

25

Die Anlage des Verbindungsgrabens zwischen dem Mühlgraben und dem Werkgraben stellt einen die Rechtmäßigkeit des Betriebs der Anlage berührenden Eingriff dar. Zwar beeinträchtigen Änderungen einer Anlage, die technischen Bedürfnissen oder Fortschritten entsprechen, die Rechtmäßigkeit grundsätzlich nicht (vgl. hierzu und zum Folgenden: Czychowski, a.a.O., § 15 Rn. 8 b). Voraussetzung ist allerdings, dass kein stärkerer Eingriff in den Wasserhaushalt stattfindet, keine bisher nicht vorhandenen nachteiligen Wirkungen für andere entstehen und die Änderung auch unter dem Gesichtspunkt des Wohls der Allgemeinheit bedeutungslos ist. Mit der Anlage des Verbindungsgrabens hat die Rechtsvorgängerin des Klägers einen Wasserlauf angelegt und damit in nicht unerheblichem Maße in den Wasserhaushalt eingegriffen. Gemäß § 1 Abs. 1 des PrWG sind Wasserläufe die Gewässer, die in natürlichen oder künstlichen Betten beständig oder zeitweilig oberirdisch abfließen. Der Verbindungsgraben stellt einen solchen Wasserlauf dar. Allein durch ihn wird im Regelfall das gesamte Wasser des unterhalb seiner Einmündung angestauten Mühlgrabens abgeleitet und durch das Kraftwerk in die S. zurückgeführt. Damit dient der Triebwerkskanal auch in erheblichem Umfang der Vorflut der an den Mühlgraben angrenzenden Grundstücke und stellt somit keinen wasserwirtschaftlich unbedeutenden Graben i. S. v. § 1 Abs. 3 Satz 1 PrWG dar. Als Wasserlauf unterlag der Verbindungsgraben gemäß § 115 Abs. 1 Nr. 4 PrWG (wie heute gemäß § 98 NWG) darüber hinaus einer Unterhaltungspflicht. Auch dies lässt erkennen, dass die Art seiner Nutzung nicht als bedeutungslos anzusehen ist. Die Anlage des Verbindungsgrabens stellt daher keine wasserrechtlich unbedeutende technische Veränderung dar. Sie bedarf der gesonderten Überprüfung durch die Wasserbehörde und ist von der wasserrechtlichen Bewilligung vom 19.02.1936 nicht gedeckt.

26

Hinsichtlich der Benutzung des Mühlgrabens ist die Klage jedoch mit dem Hilfsantrag zulässig und begründet. Die angefochtenen Bescheide sind insoweit rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Die Beklagte hatte bei der Bescheidung des Antrags des Klägers auf Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung Ermessen auszuüben (Haupt/Reffken/Rhode, NWG, Stand: August 2001, § 8 Rn. 2 und § 13 Rn. 5). Im Hinblick auf die Frage, ob dem Kläger eine Bewilligung zur Benutzung des Mühlgrabens erteilt werden kann, hat sie Ermessen nicht ausgeübt und damit i. S. v. § 114 Satz 1 VwGO ermessensfehlerhaft gehandelt. Ihre Erwägungen zur Ablehnung der Bewilligung beziehen sich nämlich ausschließlich auf ökologische Belange im Zusammenhang mit der Benutzung der S., die durch die Ableitung des Wassers aus dem Mühlgraben nicht berührt werden. Da keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Ermessen im Hinblick auf den Antrag der Benutzung des Mühlgrabens auf Null reduziert ist, ist die Sache nicht spruchreif und die Beklagte gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO zur Neubescheidung zu verpflichten. Für die hierbei zu treffende Ermessensentscheidung dürfte nicht ohne Bedeutung sein, dass die Nutzung des Mühlgrabens in der jetzt angestrebten Form bereits dreißig Jahre lang von einer Bewilligung gedeckt gewesen ist und die Beklagte selbst dem Kläger die erneute Bewilligung dieser Nutzung durch Schreiben vom 14.01.2002 vergleichsweise angeboten hat. Des Weiteren wird die Beklagte die Belange des Klägers und damit die Frage zu berücksichtigen haben, ob für ihn eine wirtschaftliche Nutzung seiner Wasserkraftanlage allein unter Ausnutzung des S.wassers überhaupt noch möglich ist.

27

Soweit der Kläger den Bescheid vom 18.11.1999 anficht, hat seine Klage ebenfalls Erfolg. Eine Rechtsgrundlage, die den Kläger zur Schließung der Ableitungsstelle von der S. in den Werkgraben verpflichtet, ist nicht ersichtlich, da der Kläger insoweit Inhaber eines bestehenden Rechts ist. Im Hinblick auf die Verpflichtung des Klägers, das Schütz im Mühlgraben im Teilpunkt 1 + 03 offen zu halten und die Abzweigung zum Verbindungsgraben zu schließen, ist die Verfügung ermessensfehlerhaft, da sie sich nur auf die formelle Rechtswidrigkeit der Nutzung stützt, ohne materiell-rechtliche Bedenken gegen die Nutzung des Wassers des Mühlgrabens zu erheben.

28

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Der Kläger unterliegt lediglich mit seinem Feststellungsantrag zur Benutzung des Mühlgrabens. Die Kammer bewertet diesen Verfahrensteil mit einem Fünftel des Streitstoffs.

29

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.