Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 20.03.2002, Az.: 4 A 4216/98
Anlage; Gewässer; Gewässerrandstreifen; Standortbezogenheit
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 20.03.2002
- Aktenzeichen
- 4 A 4216/98
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 43453
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 91 Abs 1 WasG ND
- § 91 Abs 2 WasG ND
- § 91a Abs 1 WasG ND
- § 91a Abs 2 WasG ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Eine in unmittelbarer Nähe zu einem Gewässer II. Ordnung errichtete Mauer stellt keine standortbezogene Anlage im Sinne von § 91 a Abs. 2 NWG dar.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des gegen ihn festzusetzenden Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die wasserrechtliche Genehmigung für eine bereits errichtete Winkelmauer auf seinem Grundstück. Er wendet sich gegen die Ablehnung der beantragten Genehmigung und gegen die Anordnung des Rückbaus der Winkelmauer.
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Gemarkung K. Flur, Flurstück,. Dieses Grundstück grenzt im Südwesten und Südosten an das Oberflächengewässer Schneenbach . Dort befindet sich bereits seit Jahrzehnten eine Ufermauer aus Bruchsandstein. Bei einem extremen Hochwasser im Jahre 1982 soll die Sandsteinmauer zuletzt überflutet worden sein. Das Grundstück des Klägers sei davon nicht betroffen gewesen.
Nachdem der Kläger auf die vorhandene Ufermauer des Schneenbachs , etwas in Richtung auf sein Grundstück versetzt, eine Stahlbetonwinkelmauer, die nach den vorgelegten Zeichnungen ursprünglich eine Höhe von etwa 1,60 m und eine Schenkellänge von 5,45 m bzw. 6,05 m aufwies, gebaut hatte, stellte er am 28. Juni 1996 einen Antrag auf wasserrechtliche Genehmigung dieser Mauer. Er gab an, die Mauer solle der Anlegung eines Steingartens direkt am Gewässer dienen.
Mit Bescheid vom 28.10.1997 lehnte der Beklagte den Antrag ab und ordnete gleichzeitig den Rückbau der bereits errichteten Winkelmauer bis auf die ehemalige Höhe der Sandsteinmauer an. Zur Begründung führte er im Wesentlichen an, die Winkelmauer sei, da sie eine Anlage an einem Gewässer darstelle, nach § 91 Abs. 1 NWG genehmigungspflichtig. Eine Genehmigung könne aber nicht erteilt werden, da durch die Mauer der Wasserabfluss und die ordnungsgemäße Unterhaltung des Schneenbachs beeinträchtigt werde. Auch der um Stellungnahme gebetene Leineverband habe auf eine Verschärfung der Abflusssituation hingewiesen. Die nachteiligen Auswirkungen könnten nicht durch eine entsprechende bauliche Gestaltung oder Ersatzmaßnahmen ausgeglichen werden. Es müsse mit einer Verschärfung der Hochwassersituation auf den bebauten Nachbargrundstücken gerechnet werden. Unerheblich sei, dass es statistisch gesehen selten zu Hochwassersituationen und damit zu Beeinträchtigungen des Wasserabflusses komme. Jedes zusätzliche Hochwasserhindernis müsse vermieden werden. Auch die vom Kläger vorgeschlagene - inzwischen durchgeführte - Durchbohrung der Mauer mit Rohren mit dem Durchmesser DN 200 sei nicht geeignet, den ordnungsgemäßen Wasserabfluss sicherzustellen, da die Rohre bei Hochwasser sofort zusetzen würden und dann nicht mehr durchlässig wären. Da der Kläger die Mauer somit ohne die erforderliche Genehmigung errichtet habe, läge ein Verstoß gegen wasserrechtliche Bestimmungen und damit eine polizeirechtlich relevante Gefahr vor, die die Anordnung des Rückbaus der Mauer rechtfertige.
Gegen den Bescheid vom 28.10.1997 legte der Kläger am 26.11.1997 Widerspruch ein, mit dem er geltend machte, die Mauer sei nicht genehmigungspflichtig, da sie vor den Sandsteinen zum Grundstück hin errichtet worden sei. Zudem stelle die Mauer kein Hindernis für den Wasserablauf bzw. die Gewässerunterhaltung dar. Schließlich sei der angeordnete Rückbau ungerechtfertigt.
Diesen Widerspruch wies die Bezirksregierung Braunschweig im wesentlichen unter Wiederholung der Ausführungen des Beklagten im Ausgangsbescheid mit Widerspruchsbescheid vom 02.11.1998 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 30.11.1998 Klage erhoben. Er ergänzt seine im Widerspruchsschreiben vorgetragenen Ausführungen wie folgt:
Da die Winkelmauer nicht auf die alte Mauer gesetzt worden sei, sondern etwa 40 cm vom Bachufer versetzt gebaut worden sei, sei keine bauliche Anlage im Sinne von § 91 Abs. 1 NWG "hergestellt oder wesentlich verändert" worden, so dass die Errichtung der Winkelmauer schon nicht genehmigungspflichtig sei. Auch sei die Winkelmauer inzwischen auf 1,40 Meter gekürzt worden und habe entlang des Bachverlaufs ohnehin nur eine Länge etwa 4,00 Metern, so dass die Mauer nur einen geringen Teil der gesamten Grundstücksgrenze ausmache, die am Bach verlaufe. Er habe die Mauer nicht errichtet, um einen Steingarten zu errichten, sondern um sein Grundstück vor weiterer Erosion und Bodenabtrag zu schützen. Es sei aber nicht insgesamt ein höheres Ufer geschaffen worden, vielmehr sei das bereits vorhandene Ufer lediglich durch die neue Mauer befestigt worden. Auch werde die Abflusssituation durch die am Schneenbach nur vier Meter lange neue Mauer nicht verschärft. Zudem seien in die Mauer insgesamt acht Rohre mit jeweils 20 Zentimeter Durchmesser eingelassen, um einer eventuellen Hochwassersituation Rechnung zu tragen. Im übrigen sei sein Grundstück nicht hochwassergefährdet. Es liege gegenüber den umliegenden Grundstücken erhöht und sei selbst bei dem großen Hochwasser von 1982, das große Teile von Klein Schneen unter Wasser gesetzt habe, nicht überflutet gewesen. Auch stelle die Mauer keine Erschwernis für die Unterhaltung des Gewässers dar. Von seinem Grundstück aus könnten Unterhaltungsmaßnahmen ohnehin nicht durchgeführt werden, da der Zugang zum Gewässer verbaut sei. Auch Belange des Naturschutzes würden nicht beeinträchtigt. Es handele sich ohnehin nicht um einen natürlichen Flusslauf, so dass eine wesentliche Verschlechterung durch die Errichtung der Mauer nicht geschaffen worden sei.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 28.10.1997 in der Gestalt des Widerspruchbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 02.11.1998 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm auf seinen Antrag vom 28.06.1996 die wasserrechtliche Genehmigung für die Errichtung einer Winkelmauer mit einer Höhe von 1,40 Metern und acht Rohren mit jeweils 20 cm Durchmesser zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf die Gründe der angefochtenen Verfügung und trägt ergänzend vor, dass die Winkelmauer als Neuherstellung einer Anlage genehmigungspflichtig sei. Sie sei auf der alten Mauer errichtet worden. Aufgrund der Gestaltung, Form und Funktion könnten die beiden Mauern nicht als Einheit gesehen werden. Der Schutz vor Erosionsschäden sei auch mit Maßnahmen zu erreichen, die sich nicht negativ auf die Gewässerunterhaltung und den schadlosen Wasserabfluss auswirkten. Zudem bestünde aufgrund der alten Sandsteinmauer sowie des vorhandenen Bewuchses ohnehin nicht die Gefahr der Bodenerosion. Entscheidend sei, dass sich die Winkelmauer im Gewässerrandstreifen und zudem im Überschwemmungsgebiet befinde und schon deshalb nicht genehmigungsfähig sei. Die Winkelmauer behindere auch den Wasserabfluss. Die nachträglich eingebauten Rohre könnten das Abflusshindernis nicht ausgleichen. Durch die zu erwartende Verschiebung der Hochwasserwelle seien die angrenzenden Grundstücke verstärkt hochwassergefährdet. Da ein ungehinderter Zugang zum Gewässer vom Grundstück des Klägers nicht mehr möglich sei und deshalb etwa bei Grundräumungen, Gehölzrückschnitten und weiteren Arbeiten ein höherer Aufwand betrieben werden müsse, was zwangsläufig zu höheren Kosten führe, sei auch die Gewässerunterhaltung erschwert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Ablehnung der wasserrechtlichen Genehmigung und die Anordnung zum Rückbau der Mauer durch den Beklagten sind rechtmäßig.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die beantragte wasserrechtliche Genehmigung für die von ihm errichtete Winkelmauer nach § 91 Abs. 2 NWG. Die Anordnung des Rückbaus der Mauer ist deshalb nach § 169 NWG i.V.m. § 11 NGefAG ebenfalls rechtmäßig.
Die Voraussetzungen für die Erteilung einer wasserrechtlichen Genehmigung für die vom Kläger errichtete Winkelmauer liegen nicht vor.
Die Errichtung der Winkelmauer ist gem. § 91 Abs. 1 Satz 1 NWG genehmigungspflichtig. Nach dieser Vorschrift ist eine Genehmigung für die Herstellung und die wesentliche Änderung von baulichen Anlagen in und an oberirdischen Gewässern erforderlich.
Die Winkelmauer fällt als künstlich hergestellte Einrichtung unter den Begriff der baulichen Anlage. Sie befindet sich am Gewässer. Anlagen am Gewässer müssen in einem räumlichen oder funktionellen Zusammenhang mit dem oberirdischen Gewässer stehen, was bei befestigten Ufer- und Böschungsanlangen der Fall ist. Auf einen bestimmten Abstand vom Gewässer kommt es nicht an (Haupt/Reffken/Rhode, Kommentar zum NWG, § 91, Rdnr. 5). Unerheblich für die Beurteilung ist, ob die Winkelmauer auf der alten Mauer errichtet worden ist oder direkt dahinter. Wie sich anhand der vom Kläger eingereichten Antragsunterlagen sowie der beigefügten Fotos erkennen lässt, ist sie jedenfalls sehr dicht am Gewässer errichtet worden und erweckt den Eindruck einer Uferbefestigung, so dass sie sowohl in einem räumlichen wie auch in einem funktionellen Zusammenhang mit dem Schneenbach steht.
Eine bauliche Anlage ist neu hergestellt worden. Hier ist nicht nur die vorhandene Sandsteinmauer verändert worden, sondern eine neue Mauer errichtet worden, wobei es nicht darauf ankommt, ob diese auf der alten Mauer oder daneben erbaut worden ist.
Die Genehmigungspflicht entfällt auch nicht nach § 91 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. NWG. Hiernach sind Anlagen, die der Unterhaltung eines Gewässers dienen, genehmigungsfrei. Die Errichtung der Winkelmauer zielte aber nicht auf die Gewässerunterhaltung ab. Welche Maßnahmen der Gewässerunterhaltung dienen, regelt § 98 Abs. 2 NWG. Es ist nicht zu erkennen, dass der Kläger mit der Errichtung der Mauer Abflussstörungen beseitigen wollte, zumal es keine Anhaltspunkte für gegenwärtige und drohende Abflussstörungen gab. Es ist deshalb unerheblich ob der Kläger die Winkelmauer errichtet hat, um einen Steingarten anzulegen oder um Erosionen zu verhindern.
Die somit genehmigungspflichtige Errichtung der Winkelmauer ist nicht nach § 91 Abs. 2 Satz 1 NWG genehmigungsfähig, weil sie das Wohl der Allgemeinheit beeinträchtigt.
Dabei ist die Errichtung der Mauer schon deshalb nicht genehmigungsfähig, weil sie sich nach § 91 a NWG im Gewässerrandstreifen befindet. Das Bauverbot im Gewässerrandstreifen ist von der für die Erteilung der wasserrechtlichen Genehmigung zuständigen Behörde zu beachten, da die Anlagen im Gewässerrandstreifen als solche "an einem oberirdischen Gewässer" i.S. des § 91 NWG anzusehen sind.
An Gewässern II. Ordnung " hierzu zählt der Schneebach (vgl. Nds. MínBl . 1984, 216)- ist nach § 91 a Abs. 1 und 2 NWG ein Randstreifen von 5 m von einer nicht standortbezogenen Bebauung freizuhalten. Die sehr nah am Ufer gelegene Winkelmauer befindet sich ausweislich der in der Akte befindlichen Fotos in dem Gewässerrandstreifen von 5 m. Im Gewässerrandstreifen dürfen nach § 91 a Abs. 2 Satz 2 NWG nur standortbezogene bauliche Anlagen errichtet werden. Die Winkelmauer ist nicht als standortbezogene Anlage einzustufen. Der Begriff der Standortbezogenheit entspricht etwa dem der in § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB beschriebenen privilegierten Vorhaben: Darunter fallen somit Anlagen, die wegen ihrer besonderen Zweckbestimmung nur innerhalb des Gewässerrandstreifen hergestellt werden können. Nicht genehmigungsfähig im Gewässerrandstreifen sind dagegen bauliche Anlagen, die ihren Zweck auch andernorts erfüllen können (Haupt/Reffken/Rhode, Kommentar zum NWG, § 91 a, Rdnr. 6). Die Winkelmauer muss nicht zwingend - wie etwa Bootsstege oder Bootsanleger - im Gewässerrandstreifen errichtet werden. Sie kann überall auf dem Grundstück des Klägers errichtet werden. Die Standortbezogenheit folgt entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht daraus, dass lediglich die alte, seit Jahrzehnten bestehende Sandsteinmauer erweitert worden ist. Zwar bleibt die alte Sandsteinmauer, die bei Inkrafttreten des 7. ÄndG NWG (01.05.1990) rechtmäßig bestanden hat, von der Vorschrift des § 91 a unberührt (vgl. Haupt/Reffken/Rhode, Kommentar zum NWG, § 91, Rn. 6). Die neue Winkelmauer stellt aber eine ganz eigenständige bauliche Anlage dar. Für sie besteht der Bestandsschutz gerade nicht.
Auch eine Abweichung von dem nach § 91 a Abs. 2 bestehendem Verbot nach § 91 a Abs. 3 NWG kommt nicht in Betracht. Voraussetzung für eine Abweichung ist ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse, d.h. ein solches, das nach dem Abwägungsermessen der Wasserbehörde sich gegen das allgemeine öffentliche Interesse an der Schonung des Gewässerrandstreifens durchsetzt. Die Zulassung von Abweichungen im überwiegenden privaten Interesse kommt namentlich dann in Betracht, wenn aus besonderen Gründen die strikte Anwendung des Abs. 2 zu einer Überschreitung der "Opfergrenze" im Einzelfall und damit zu einem Verstoß gegen Art. 14 GG führen würde (Haupt/Reffken/Rhode, Kommentar zum NWG, § 91 a, Rdnr. 9). Das Anlegen des Steingartens und die hierfür erforderliche Winkelmauer können eine Abweichung nicht rechtfertigen. Der Steingarten kann auch an anderer Stelle im Garten errichtet werden. Ein unerträglicher Eingriff in das Eigentumsrecht ist damit nicht verbunden. Auch andere Interessen, die eine Abweichung zulassen könnten, sind nicht zu erkennen. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Errichtung erforderlich war, um das Grundstück des Klägers vor Erosion und Bodenabtrag zu schützen.
Da somit bereits § 91 a NWG einer Genehmigung entgegensteht, kann dahin gestellt bleiben, ob auch der Wasserabfluss durch die Winkelmauer beeinträchtigt wird, Gesichtspunkte des Naturschutzes einer Genehmigung entgegenstehen oder die Gewässerunterhaltung erschwert wird. Die Kammer merkt indes an, dass eine Unterhaltungspflicht auch für die das klägerische Grundstück begrenzende Sandsteinmauer bestehen könnte, wenn und soweit sie als Ufer des Schneenbachs im wasserrechtlichen Sinne anzusehen wäre. In diesem Fall wäre es dem Unterhaltungspflichtigen durch die Errichtung der Mauer erschwert, zur Durchführung von Unterhaltungsmaßnahmen an der Sandsteinmauer an diese heranzugelangen.
Ermächtigungsgrundlage für die Anordnung der Beseitigung der Winkelmauer ist § 169 NWG i.V.m. § 11 NGefAG. Ist eine Anlage - wie hier - ohne die nach § 91 NWG erforderliche Genehmigung errichtet worden, handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit, § 190 Abs. 1 Nr. 6 NWG, und damit um eine Gefahr i.S.v. § 11 NGefAG. Ermessensfehler des Beklagten bei der Anordnung des Rückbaus sind nicht zu erkennen, da die Errichtung der Mauer nicht nur formell, sondern auch materiell illegal ist.