Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 05.11.2003, Az.: 4 B 3537/03

Antennenträger; faktisches Mischgebiet; Gebietserhaltungsanspruch; Gesundheitsgefahr; Grenzwerte; Mobilfunkanlage; nichtthermische Strahlung; thermische Strahlung; Umwelteinwirkungen; Vorsorge

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
05.11.2003
Aktenzeichen
4 B 3537/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 48258
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500 € festgesetzt.

Gründe

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I. Die Antragsteller begehren die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Errichtung und den Betrieb eines Antennenträgers auf dem Grundstück der Beigeladenen.

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Die Antragsteller sind Eigentümer des Grundstückes ... Straße .. in ... (Flurstück ../..). Das Grundstück liegt im Bebauungsplan Nr. .. der Antragsgegnerin vom ...19.. . Für das im westlichen Bereich des Bebauungsplanes gelegenen Grundstück der Antragsteller setzt der Bebauungsplan ein allgemeines Wohngebiet fest.

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Das Grundstück der Beigeladenen ... Straße .. (Flurstück ../..) liegt vom Grundstück der Antragsteller aus gesehen in nordwestlicher Richtung westlich der ... Straße. Für das Grundstück der Beigeladenen existiert kein Bebauungsplan, es liegt innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils, auf dem die Beigeladene eine Ortsvermittlungsstelle betreibt.

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Unter dem 15. März 2001 beantragte die ... die Erteilung eines Bauvorbescheids für den Neubau eines ca. 25 m hohen Antennenträgers für das Mobilfunknetz .. . Die Antragsgegnerin erteilte unter dem 16. Januar 2003 den begehrten Bauvorbescheid. Der nördliche Abstand zum Gebäude der Ortsvermittlungsstelle (OVSt) beträgt hiernach ca. 3 m, der Abstand in östlicher Richtung zur ... Straße ca. 13,50 m entsprechend dem eingereichten Lageplan vom 28. August 2002. Die Antragsgegnerin führte in dem Bauvorbescheid aus, dass dem Vorhaben weder städtebauliche noch bauordnungsrechtliche Belange entgegenstünden. Die Antragsteller erhoben Widerspruch gegen den Bauvorbescheid, über den bislang noch nicht entschieden ist.

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Am 6. März 2003 stellte die Beigeladene den Bauantrag für die Errichtung des Antennenträgers und legte u.a. die Standortbescheinigung der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) vom 29. April 2003 vor. Die Standortbescheinigung weist standortbezogene Sicherheitsabstände von 6,39 m in Hauptstrahlrichtung und 0,34 m in vertikaler Richtung (90°) bei einer Montagehöhe der Bezugsantenne von 23,7 m über Grund aus. Außerhalb dieser standortbezogenen Sicherheitsabstände würden die in § 3 der Verordnung über das Nachweisverfahren zur Begrenzung elektromagnetischer Felder (BEMFV) festgelegten Grenzwerte eingehalten.

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Am 1. September 2003 erteilte die Antragsgegnerin die Baugenehmigung zur Neuerrichtung eines Antennenträgers auf dem Grundstück der Beigeladenen.

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Die Antragsteller erhoben Widerspruch und stellten bei der Antragsgegnerin einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung.

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Die Antragsgegnerin lehnte unter dem 22. September 2003 den Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung der Baugenehmigung ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Die geplante Mobilfunkanlage sei zulässig. Bauplanungsrechtlich befinde sich das Baugrundstück in einem nach § 34 BauGB zu beurteilenden Bereich. Der Flächennutzungsplan stelle die Grundstücksfläche zwar als Wohnbaufläche dar, die nähere Umgebung entspreche aber einem Mischgebiet. Auf der westlichen Seite der ... Straße befinde sich ein Wohn- und Geschäftshaus, ein Büro- und Geschäftshaus, ein Haus- und Gartenmarkt sowie ein Sonnenstudio. Diese Nutzungen entsprächen einschließlich der des Baugrundstückes mit dem vorhandenen Gebäude der ... einem Mischgebiet nach § 6 BauNVO. Entsprechend § 6 BauNVO seien im Mischgebiet sonstige Gewerbebetriebe allgemein zulässig. Der Bebauungsplan östlich der ... Straße setze für diesen Bereich ein allgemeines Wohngebiet fest. Auch hier seien gewerbliche Nutzungen, wie ein Unternehmen des Gartenbaus, ein Wohn- und Geschäftshaus sowie ein größeres Speiselokal vorhanden. Die bauliche Anlage entspreche einer nicht störenden gewerblichen Anlage, die nach § 6 BauNVO im Mischgebiet zulässig sei. Eine Störung oder Gefährdung von Anwohnern, deren Grundstücke sich im allgemeinen Wohngebiet befinden, sei nach derzeitigem Stand der Wissenschaft nicht zu befürchten. Der geplante Mast habe einen Durchmesser von weniger als 50 cm und sei daher nach § 12 a Abs. 1 NBauO nicht abstandsrelevant, weil von dem Antennenträger keine Wirkung wie von Gebäuden ausgehe. Auch eine Verunstaltung des Ortsbildes durch den Antennenmast sei nicht erkennbar. Das Grundstück der Antragsteller befinde sich in ca. 35 m Entfernung zur geplanten Mobilfunkanlage. Damit seien gesundheitliche Beeinträchtigungen von Personen ausgeschlossen, weil der Sicherheitsabstand zur Einhaltung der Grenzwerte gemäß Bescheinigung der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post 6,39 m betrage. Derzeit sei nach wissenschaftlicher Erkenntnis die Furcht vor Gesundheitsgefährdungen und gesundheitlichen Nachteilen unbegründet.

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Am 25. September 2003 haben die Antragsteller Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei Gericht gestellt.

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Zur Begründung ihres Eilantrages tragen sie im Wesentlichen vor: Die Installation von Mobilfunkanlagen sei in Wohngebieten auch nicht ausnahmsweise zulässig. Mobilfunkanlagen seien mit dem Nutzungszweck „Wohnen“ in einem allgemeinen Wohngebiet nicht vereinbar. Eine Mobilfunkanlage sei ein störender Gewerbebetrieb, da sich die Menschen geängstigt und bedroht fühlten. Eine Zulassung käme auch nach § 14 BauNVO nicht in Betracht, da die hier streitgegenständliche Mobilfunkanlage nicht der Versorgung eines bestimmten Baugebietes oder in der Nähe gelegene Grundstücke diene, sondern ausweislich der Standortbescheinigung in der Lage sei, ein Gebiet von ca. 1 km Durchmesser durchgängig zu versorgen. Es liege demnach auch keine untergeordnete Nebenanlage vor. Dahingestellt bleiben könne die Frage, ob konkrete nachbarschützende Vorschriften verletzt seien, denn sie könnten sich mit Erfolg auf den ihnen zustehenden Gebietsgewährleistungsanspruch berufen, der ihnen auch dann zustehe, wenn konkret nachbarschützende Vorschriften nicht verletzt seien. Zudem verletze die erteilte Baugenehmigung nachbarschützende Vorschriften des Baugesetzbuches, da die Vorschriften zum Immissionsschutzgesetz nicht ausreichend beachtet worden seien. Die 26. BImSchV genüge nicht den verfassungsrechtlichen Ansprüchen an den Gesundheitsschutz. Es seien in diesem Zusammenhang lediglich die thermischen Wirkungen bei der Grenzwertfindung berücksichtigt worden, wobei sich mittlerweile die Stimmen mehrten, wonach ernsthafte Hinweise über die Entstehung von Gesundheitsgefährdungen der Menschen unterhalb der geltenden Grenzwerte existierten. Die Antragsteller verweisen auf eine Veröffentlichung des ECOLOG-Instituts Hannover vom Februar 2003, wonach das Institut ausdrücklich die Forderung nach einer stärkeren Beachtung des auch verfassungsrechtlich garantierten Vorsorgeprinzips bestätige. In Rechtsprechung und Literatur seien im Übrigen erhebliche Bedenken gegen die Wirksamkeit der 26. BImSchV geäußert worden. Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 2002 (1 BvR 1676/01) seien im Übrigen neue Erkenntnisse, Studien und Informationen bekannt geworden, die Zweifel an der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und an den in der 26. BImSchV festgelegten Grenzwerten entstehen ließen. Dem Vorsorgeanspruch, der ausdrücklich in § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG genannt sei, müsse mehr Beachtung geschenkt werden. Vorsorge gegen schädliche Umwelteinflüsse diene also nicht erst dem Schutz vor nachgewiesenen schädlichen Einwirkungen, sondern solle dem Entstehen solcher Umwelteinwirkungen vorbeugen. Sie richte sich bereits gegen potentiell schädliche Einwirkungen und fordere auch das Ergreifen adäquater Maßnahmen gegen vermutete Gefahren. Die gesamte bisherige verwaltungs- und verfassungsgerichtliche Rechtsprechung habe den „vorverfassungsrechtlichen Vorsorgeanspruch“ entweder nur unzureichend berücksichtigt oder aber auf den Bereich der Gefahrenabwehr reduziert.

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Die Antragsteller beantragen,

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die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 17. September 2003 gegen die von der Antragsgegnerin erteilte Baugenehmigung zur Neuerrichtung eines Antennenträgers auf dem Grundstück ... Straße .. in ... vom 1. September 2003 anzuordnen,

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hilfsweise,

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die aufschiebende Wirkung hinsichtlich der Nutzung/Inbetriebnahme des Bauvorhabens anzuordnen.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

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Zur Begründung ihres Ablehnungsantrages führt sie aus: Bauplanungsrechtlich sei das Vorhaben unbedenklich. Das streitbefangene Grundstück befinde sich nicht im Geltungsbereich eines rechtsverbindlichen Bebauungsplanes, sondern in einem Gebiet, welches im unbeplanten Innenbereich liege. Das Bauvorhaben begegne von der Art der Nutzung nach Maßgabe des § 34 Abs. 2 Halbs. 1 BauGB keinen rechtlichen Bedenken. Die nähere Umgebung sei durch Mischgebietsnutzung gekennzeichnet. Die im Streit befindliche Mobilfunkanlage sei gewerbliche Nutzung und als nicht störende gewerbliche Anlage in einem Mischgebiet nach § 6 BauNVO zulässig. Auch Bauordnungsrecht stünde dem Vorhaben nicht entgegen. Das Vorhaben rufe schließlich auch keine schädlichen Umwelteinwirkungen zulasten der Antragsteller hervor. Die Bescheinigung der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post mache deutlich, dass die Einhaltung der Grenzwerte sichergestellt sei. Der Sicherheitsabstand von 6,39 m werde in Richtung auf das Wohngebäude der Antragsteller eingehalten, weil er mit rund 35 m Abstand 5,48-mal größer sei als der vorgeschriebene Sicherheitsabstand. Es sei davon auszugehen, dass - wie es hier der Fall sei - bei Einhaltung dieses Sicherheitsabstandes der Schutzpflicht gegenüber Gesundheitsgefährdungen durch elektromagnetische Felder ausreichend Rechnung getragen werde und nach jetziger wissenschaftlicher Erkenntnis die Furcht vor Gesundheitsgefährdungen und gesundheitlichen Nachteilen unbegründet sei.

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Die Beigeladene beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

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Zur Begründung ihres Antrages trägt sie vor: Den Antragstellern stehe kein Gebietsgewährleistungsanspruch zu und eine gebietswidrige Nutzung liege nicht vor, weil die zugelassene Nutzung nicht gebietsfremd sei. Das Vorhaben sei zudem gegenüber den Antragstellern nicht rücksichtslos. Das Baugrundstück liege nicht innerhalb des Geltungsbereiches des Bebauungsplanes, es handele sich vielmehr um einen sogenannten unbeplanten Innenbereich. Schon aus diesem Grunde scheide ein Gebietsgewährleistungsanspruch aus. Bauplanungsrechtlich sei das Vorhaben zulässig, weil die nähere Umgebung einem faktischen Mischgebiet entspreche und der geplante Antennenträger einen sonstigen Gewerbebetrieb im Sinne von § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO darstelle. Die geplante Mobilfunkanlage sei zudem nicht geeignet, schädliche Umwelteinwirkungen hervorzurufen. Es liege eine Standortbescheinigung für den Betrieb der Mobilfunkanlage vor. Die Grenzwerte der 26. BImSchV würden eingehalten, für einen über die geltenden Grenzwerte hinausgehenden Schutz bestehe nach dem heutigen Stand von Wissenschaft und Technik keine Veranlassung.

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II. Der zulässige Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat in der Sache keinen Erfolg.

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Die im Verfahren nach § 80 a Abs. 3 iVm. § 80 Abs. 5 VwGO zu treffende Entscheidung orientiert sich grundsätzlich an dem Ergebnis einer umfassenden Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen an einer sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes einerseits und der vorläufigen Aussetzung der Vollziehung andererseits. Im Rahmen dieser Abwägung sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des erhobenen Rechtsbehelfs in der Hauptsache maßgebend, wenn sie in der einen oder anderen Richtung offensichtlich sind. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung kommt dann nicht in Betracht, wenn die Baugenehmigung unter dem Gesichtspunkt des Nachbarschutzes zu rechtlichen Beanstandungen erkennbar keinen Anlass gibt, der Rechtsbehelf also abweisungsreif ist.

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So liegt der Fall hier. Die Antragsteller werden durch die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung aller Voraussicht nach nicht in ihren Rechten verletzt, so dass die hier vorzunehmende Interessenabwägung zugunsten der Beigeladenen ausfällt. Die erfolgreiche Anfechtung einer Baugenehmigung durch einen Nachbarn setzt nicht nur die Rechtswidrigkeit der Erlaubnis voraus, sondern vor allem, dass der Nachbar durch die Genehmigung in seinen Rechten verletzt wird. Daher kann er nicht jede Baurechtswidrigkeit mit Erfolg rügen, sondern nur Verstöße gegen nachbarschützende Vorschriften und dies auch nur insoweit, als eigene Rechtspositionen berührt werden. Subjektiv-öffentliche Rechte der Antragsteller als Eigentümer des Grundstückes ... Straße .. werden durch das Vorhaben nicht verletzt.

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In bauplanungsrechtlicher Hinsicht richtet sich die Beurteilung des Vorhabens nach § 34 Abs. 2 i.V.m. § 34 Abs. 1 BauGB bzw. nur nach § 34 Abs. 1 BauGB. Denn das Baugrundstück liegt weder im Bereich eines qualifizierten oder eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes nach § 30 Abs. 1, 2 BauGB noch im Außenbereich. Das Grundstück der Antragsteller liegt demgegenüber im Bereich des Bebauungsplanes Nr. ... der Antragsgegnerin vom 30. September 1969, der für das Grundstück der Antragsteller ein allgemeines Wohngebiet ausweist. Diese können sich somit nicht auf den Gebietsgewährleistungsanspruch - allgemeines Wohngebiet - berufen, da das Baugrundstück weder vom Baugebiet noch vom Bebauungsplan überhaupt erfasst wird.

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Zwar hat die Festsetzung eines Baugebietes nach den §§ 2 - 11 BauNVO durch einen Bebauungsplan kraft Bundesrecht grundsätzlich nachbarschützende Wirkung (BVerwG, Urteil vom 16. September 1993 - 4 C 28.91 -, BVerwGE 94, 151 = BRS 55 Nr. 110). Die Gebietsfestsetzung verbindet die Betroffenen zu einer Gemeinschaft, in der die Beschränkung der eigenen Nutzungsmöglichkeiten dadurch ausgeglichen wird, dass auch die anderen Eigentümer denselben Beschränkungen unterworfen sind, also eine bau- und bodenrechtliche Schicksalsgemeinschaft besteht. Der damit einhergehende und von den Antragstellern geltend gemachte Anspruch auf Wahrung des Gebietscharakters sichert, dass Nachbarn sich gegen Nutzungen, die nicht allgemein oder ausnahmsweise in dem betreffenden Baugebiet zulässig sind, zur Wehr setzen können. Es können demnach sämtliche gebietsfremde Nutzungen abgewehrt werden, unabhängig davon, ob es sich um störende oder störungsempfindliche gebietsfremde Vorhaben handelt (BVerwG, Urteil vom 24. Februar 2000 - 4 C 23.98 -, NVwZ 2000, 1054 (1055)). Bebauungsplanfestsetzungen können auch Nachbarn außerhalb des Plangebiets Abwehransprüche einräumen (vgl. Löhr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 8. Auflage 2002, § 31 Rdnr. 63 m.w.N.). Demgegenüber ist es nicht möglich, dass Bebauungsplanfestsetzungen den Eigentümern von Grundstücken innerhalb eines Plangebiets - hier den Antragstellern - unmittelbare Abwehransprüche gegen bauliche Nutzungen außerhalb des Plangebiets gewähren (Reidt, in: Gelzer/Bracher/Reidt, Bauplanungsrecht, 6. Auflage 2001, Rdnr. 2044). Der bauplanungsrechtliche Nachbarschutz beruht auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses und gilt folglich grundsätzlich nur im Verhältnis der Grundstücke innerhalb des Planbereichs. Die Antragsteller wollen demgegenüber vorliegend den Anspruch auf Wahrung des Gebietscharakters auf ein Grundstück ausdehnen, das nicht mehr zum Plangebiet gehört. Insoweit kann der Gebietserhaltungsanspruch der Antragsteller aber nicht mehr zum Tragen kommen.

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Da das Grundstück der Beigeladenen, auf dem das Bauvorhaben verwirklicht werden soll, sich innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils befindet, können die Antragsteller lediglich einen Verstoß gegen § 34 Abs. 2 bzw. § 34 Abs. 1 BauGB geltend machen. Entspricht die nähere Umgebung des Baugrundstücks einem der in der BauNVO bezeichneten Baugebiete und ist deshalb über die Zulässigkeit des Vorhabens in Anwendung von § 34 Abs. 2 BauGB zu entscheiden, so steht dem Nachbarn allerdings ein Abwehranspruch nach denselben Grundsätzen wie im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes zu (BVerwG, Urteil vom 16. September 1993 - 4 C 28.91 -, BVerwGE 94, 151). Die Gleichstellung der Gebiete nach § 34 Abs. 2 BauGB mit den beplanten Gebieten rechtfertigt sich aus der Erwägung, dass § 34 Abs. 2 BauGB das „fiktive Baugebiet“ hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung einem durch Bebauungsplan ausgewiesenen Baugebiet für die Beurteilung der Zulässigkeit von Bauvorhaben ohne Einschränkungen gleichstellt. Begrenzt wird der Anspruch auf Erhaltung der Gebietsart allerdings durch die jeweilige nähere Umgebung des Baugrundstücks und damit durch die wechselseitige Prägung der benachbarten Grundstücke; der Anspruch auf Erhaltung der Gebietsart umfasst deshalb nicht notwendig alle Grundstücke in der Umgebung, die zu derselben „Baugebietskategorie“ angehören (BVerwG, Beschluss vom 20. August 1998 - 4 B 79.98 -, NVwZ-RR 1999, 105 (106)). Die Darstellungen des Flächennutzungsplanes, die vorliegend für das Baugrundstück der Beigeladenen eine Wohnbaufläche ausweisen, sind im Übrigen für die Zulassung von Vorhaben im unbeplanten Innenbereich unerheblich; für die Anwendung des § 34 BauGB kommt es grundsätzlich nur auf den sich aus der vorhandenen Bebauung ableitbaren Maßstab an (BVerwG, a.a.O.).

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Nach der im Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung ist nichts dafür ersichtlich, dass ein Verstoß gegen § 34 BauGB vorliegt. Die Antragsteller selbst machen nicht geltend, dass sich die nähere Umgebung des Baugrundstückes als ein allgemeines Wohngebiet i.S.v. § 4 BauNVO darstellt. Sie sind - wie ausgeführt - vielmehr der Auffassung, dass sie die für ihr Grundstück festgesetzte Gebietskategorie in das außerhalb des Bebauungsplanes gelegene Baugebiet „hinüberretten“ können. Dies ist nach den obigen Ausführungen von Rechts wegen nicht zulässig.

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Nach den von der Antragsgegnerin zur Gerichtsakte gereichten Unterlagen und Plänen spricht nach Auffassung der Kammer Überwiegendes dafür, dass es sich bei dem Grundstück der Beigeladenen einschließlich der näheren Umgebung um ein „faktisches Mischgebiet“ handelt, das dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören, dient. Zulässig sind gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO auch sonstige Gewerbebetriebe. Mobilfunkanlagen sind unter Berücksichtigung der Rechtsprechung und Literatur auch zur Überzeugung der beschließenden Kammer nicht störende Gewerbebetriebe (vgl. hierzu: VG Gießen, Beschluss vom 8. Juli 2002 - 1 G 2239/02 -, NVwZ-RR 2003, 196 ff.; Fickert/Fieseler, Baunutzungsverordnung, 10. Auflage 2002, § 4 Rdnr. 9.47 a.E.; Wahlfels, Mobilfunkanlagen zwischen Rechtsstreit, Vorsorge und Selbstverpflichtung, NVwZ 2003, 653 (659)). Auch das Verwaltungsgericht Hamburg geht in seinem Beschluss vom 1. Juli 2003 (4 VG 4640/02) bei einer Mobilfunkanlage nicht von einem störenden Gewerbebetrieb aus, sondern erklärt die gewerbliche Anlage in einem Wohngebiet grundsätzlich für nicht zulässig (S. 14 BA; Hervorhebung durch die beschließende Kammer). Des Weiteren äußert das Verwaltungsgericht Hamburg zwar Zweifel daran, ob die Hochfrequenzanlage im dortigen Verfahren sich überhaupt als nicht störender Gewerbebetrieb darstelle (S. 17 BA). Das Verwaltungsgericht Hamburg kommt jedoch abschließend zu dem auf das vorliegende Verfahren nicht übertragbaren Ergebnis, dass die Ängste und psychischen Belastungen, wie sie von den Antragstellern im dortigen Verfahren vorgetragen wurden, auch nach objektiviertem Maßstab als nachvollziehbar und als Empfindung eines Durchschnittsbewohners gewertet würden. „Derartige Belastungen und Störungen dürfen aber Hochfrequenzanlagen als gewerbliche Nutzung in Wohngebieten nicht auslösen, sollen sie dort noch als nicht störender Gewerbebetrieb gewertet werden“ (Seite 20 f. BA). Auch der in Bezug genommene Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 25. Februar 2003 (10 B 2417/02) ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, da das Oberverwaltungsgericht in seiner Entscheidung von dem Vorliegen eines faktischen allgemeinen Wohngebiets ausgegangen ist (S. 5 BA).

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Aber selbst wenn man die nähere Umgebung des Grundstücks der Beigeladenen als nicht einem Baugebiet im Sinne der BauNVO zurechenbar ansähe und deshalb auf § 34 Abs. 1 BauGB abstellte, wären die Voraussetzungen des Sich-Einfügens als erfüllt anzusehen. Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung und zum Betrieb der Mobilfunkanlage verstößt nämlich auch nicht gegen die öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Bundesimmissionsschutzes, die bei Erteilung einer Baugenehmigung ebenfalls zu beachten sind.

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Das Maß dessen, was an Umwelteinwirkungen, zu denen auch die Einwirkungen elektromagnetischer Strahlung gehören, zumutbar ist, wird für nach Baurecht genehmigungspflichtige Anlagen durch § 3 Abs. 1 und § 22 Abs. 1 BImSchG sowie durch aufgrund § 23 BImSchG erlassene Rechtsverordnungen bestimmt. Der Betroffene hat einen Anspruch darauf, dass Umwelteinwirkungen oberhalb der Schwelle der Zumutbarkeit unterbleiben. Diese Schwelle wird überschritten bei schädlichen Umwelteinwirkungen, d.h. bei Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, gefahrenerhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen herbeizuführen. Die Grenze, ab der Immissionen nicht mehr zu dulden und deshalb rechtswidrig sind, verläuft unterhalb der Gesundheitsschädigung (vgl. VGH München, Beschluss vom 8. Juli 1997 - 14 B 93.3102 -, NVwZ 1998, 419 m.w.N.). Aufgrund des § 23 Abs. 1 BImSchG wurde nach Anhörung der beteiligten Kreise am 1. Januar 1997 die 26. BImSchV in Kraft gesetzt, der das Vorhaben unterfällt. Die Verordnung enthält Anforderungen zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen und zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen durch elektromagnetische Felder (§ 1 Abs. 1 Satz 2 26. BImSchV). Dass die Anlage die danach einzuhaltenden Grenzwerte unterschreitet, wird durch die Standortbescheinigung der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post vom 29. April 2003, wonach für den Standort ein Sicherheitsabstand von 6,39 m (ohne Winkeldämpfung) ausreichend ist, bestätigt. Diesen Abstand hält die Anlage gegenüber dem Grundstück der Antragsteller ein (Abstand ca. 35 m). Damit kann eine Gesundheitsgefahr sowohl durch thermische als auch durch mögliche athermische Wirkungen der von der Anlage ausgehenden elektromagnetischen Felder nach dem Stand der gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnis ausgeschlossen werden (vgl. Nds. Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 10. September 2003 - 1 LA 43/03 -, V.n.b.; VG Gießen, Urteil vom 8. September 2003 - 1 E 1173/03 -, juris, m. zahlr. N.; VG Karlsruhe, Urteil vom 16. April 2003 - 4 K 2477/01 -, juris, m. zahlr. N.; OVG Münster, Beschluss vom 13. März 2003 - 7 B 1717/02 -, juris; Wahlfels, aaO., S. 656).

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Erfolglos wenden die Antragsteller ein, der Stand der Wissenschaft begründe, insbesondere, soweit es die athermische Wirkung elektromagnetischer Felder auf biologische Systeme wie den Menschen angehe, einen Anfangsverdacht, der bisher nicht ausgeräumt sei und der zur Unzulässigkeit der Anlage führe. Zwar verpflichtet Art. 2 Abs. 2 Satz 1 iVm Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG den Staat, sich schützend und fördernd vor die Rechtsgüter, Leben und körperliche Unversehrtheit zu stellen, d.h. auch, sie vor rechtswidrigen Eingriffen von Seiten Dritter zu bewahren. Der Staat muss Maßnahmen normativer und tatsächlicher Art treffen, die dazu führen, dass ein unter Berücksichtigung entgegenstehender Rechtsgüter angemessener und wirksamer Schutz erreicht wird. Bei der Erfüllung dieser Schutzpflicht steht dem Gesetzgeber jedoch ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsbereich zu, der auch Raum lässt, etwa konkurrierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen. Eine Verletzung der Schutzpflicht kann daher nur dann festgestellt werden, wenn die staatlichen Organe gänzlich untätig geblieben sind oder wenn die bisher getroffenen Maßnahmen evident unzureichend sind (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. Februar 2002 - 1 BvR 1676/01 -, NJW 2002, 1638 ff.; BVerfG, Beschluss vom 17. Februar 1997 - 1 BvR 1658/96 -, NJW 1997, 2509 m.w.N.). Unter Zugrundelegung dieses Prüfungsmaßstabes ist nicht ersichtlich, dass der Gesetz- und Verordnungsgeber seine Pflicht, die Bürger vor Gesundheitsgefahren durch Hochfrequenzstrahlung zu schützen, verletzt hat. Die gesetzliche verbindliche Konkretisierung in der Form von Grenzwerten ist jedenfalls im hier vorliegenden Eilverfahren nicht zu bemängeln. Die Grenzwerte sind auf der Basis der natürlichen Körperströme festgelegt worden und berücksichtigen Empfehlungen der internationalen Strahlenschutzassoziation sowie der Weltgesundheitsorganisation. Jedenfalls in dem auf vorläufigen Rechtsschutz gerichteten Verfahren ist mangels besserer wissenschaftlich belegter Erkenntnisse davon auszugehen, dass durch die festgelegten Grenzwerte die Betroffenen sicher vor Reizwirkungen und thermischen Schäden durch elektromagnetische Felder bei Einhaltung der Abstände geschützt werden. Es trifft zu, dass gesundheitsrelevante Wirkungen unterhalb dieser Grenzwerte diskutiert werden, die nicht auf Reizungen und Erwärmungen zurückgeführt werden können (u.a. Wechselwirkungen zwischen hochfrequenter Strahlung und biologischen Systemen, die in dem Bereich der interzellulären Kommunikation eingreifen). Konkrete Anhaltspunkte für mögliche Gesundheitsgefahren daraus liegen jedoch nach dem derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis nicht in einer Form vor, die es überwiegend wahrscheinlich macht, dass die in der 26. BImSchV festgelegten Grenzwerte für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung ungeeignet sind. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ohnehin nicht geeignet ist, die grundsätzliche Frage der Gültigkeit von untergesetzlichem Recht, bei dem das Gericht prinzipiell eine Verwerfungskompetenz hat, zu klären. Aufgrund des Abstandes der Wohnbebauung der Antragsteller zu dem Antennenmast von ca. 35 m, der den Mindestabstand von 6,39 m somit um mehr als das 5-fache übersteigt, besteht ein gegenüber den ohnehin in der 26. BImSchV enthaltenen Sicherheitsaufschlägen zusätzlicher Abstand. Deshalb ist es nach dem gegenwärtigen Stand des Verfahrens und der Kammer vorliegenden Erkenntnisse so unwahrscheinlich, dass gesundheitliche Beeinträchtigungen durch den Betrieb der Funkanlage entstehen, dass den Antragstellern jedenfalls für die Dauer eines Hauptsacheverfahrens der Betrieb der Anlage zumutbar ist.

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Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen bleibt auch dem Hilfsantrag der Antragsteller auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung im Hinblick auf die Nutzung/Inbetriebnahme der Mobilfunkanlage der Erfolg versagt.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren nach § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig zu erklären, da sie einen erfolgreichen Antrag gestellt hat.

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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13 Abs. 1 Satz 1, 20 Abs. 3 GKG und orientiert sich der Höhe nach an den Streitwertannahmen der Bausenate des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts nach dem 1. Januar 2002 (Nds.VBl. 2002, 192 = NordÖR 2002, 197; dort Nrn. 8a) und 18b)). Hiernach beträgt der Streitwert in Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes 7.500 € (= Hälfte des Mittelwertes nach Nr. 8a) in Höhe von 15.000 €).