Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 18.11.2003, Az.: 5 B 27725/03
Ausnahmegenehmigung; Außenbereich; Baugenehmigung; Begründungspflicht; besondere Empfindlichkeiten; Filteranlage; Geruch; Geruchsstunden; Gärtnerei; Hähnchenmast; immissionsschutzrechtliche Genehmigung; Irrelevanzklausel; Nachbarn; Nachbarschutz; Staub; TA Luft; VDI-Richtlinie
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 18.11.2003
- Aktenzeichen
- 5 B 27725/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 48292
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 6 Abs 1 BImSchG
- § 5 Abs 1 Nr 1 BImSchG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Für die Berechnung der zulässigen Grenzabstände bei Hähnchenmastställen finden die TA-Luft 2000, die VDI-Richtlinie 3472 und ergänzend die GIRL Anwendung.
2. Die Verletzung von Nachbarrechten ist jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn trotz eingehaltener Grenzabstände zusätzlich eine Filteranlage eingebaut wird.
Tenor:
Die Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes werden abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der Beigeladenen, die erstattungsfähig sind.
Der Streitwert wird auf 20.000,-- € festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragsteller wenden sich gegen eine der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung eines Hähnchenmaststalls.
Der Antragsgegner erteilte der Beigeladenen unter dem 19. Mai 2003 eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zu Betrieb eines Hähnchenmaststalles mit 39.996 Tierplätzen (bis 1,5 kg Endgewicht), alternativ dazu Bestallung mit 29.997 Stallplätzen (Endgewicht bis 2 kg) sowie drei Futtermittelsilos auf dem Grundstück H..., Flurstück ... der Flur ... in E... Die Antragsteller sind Grundstücksnachbarn. Die Antragstellerin zu 1) ist Eigentümerin des in östlicher Richtung dem Baugrundstück nächstgelegenen Wohnhauses, die Antragsteller zu 2) bis 4) sind Eigentümer der auf der dem Baugrundstück gegenüber liegenden nördlichen Straßenseite der H... belegenen Wohngrundstücke. Der Antragsteller zu 4) betreibt auf seinem Grundstück zudem eine Gärtnerei.
Die Beigeladene ließ das Vorhaben von Prof. Dr. Ing. Schirz im Hinblick auf die Emissionssituation zur Frage der prognostizierten Geruchsimmissionen (Gutachten vom 05.11.2002) und Staubemissionen (Gutachten vom 17.02.2003) begutachten. Der Gutachter kommt zu dem Ergebnis, dass keine Beeinträchtigungen zu erwarten seien und die Grenzwerte eingehalten werden, wenn der Stall 20 m weiter nach Süden verschoben und die Abluft am südlichen Ende in einer Emissionshöhe von 10 m über dem Erdboden ausgeblasen werde. Diesen Vorgaben wurde entsprochen. Der Antragsgegner holte zwei weitere Stellungnahmen der Landwirtschaftskammer Weser-Ems ein, die ebenfalls zu dem Ergebnis kommt, dass unzumutbare Beeinträchtigungen für die Nachbarn und den nahegelegenen Wald nicht zu erwarten seien (Stellungnahmen vom 02.10.2002 und vom 09.04.2003).
Die Antragsteller haben gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung Widerspruch erhoben und um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Sie tragen vor, das Vorhaben sei bereits bauplanungsrechtlich unzulässig. Es handele sich nicht um ein landwirtschaftlich privilegiertes Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB und ebenso wenig um ein Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB, wonach ein Vorhaben wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung nur im Außenbereich ausgeführt werden solle. Darüber hinaus sei eine ausreichende Erschließung nicht gesichert. Die H..., von der aus der Betrieb allein angefahren werden könne, sei im maßgeblichen Bereich auf ein Höchstgewicht von Fahrzeugen mit 5 t gewichtsbeschränkt. Eine denkbare Ausnahmegenehmigung, welche durch die Gemeinde erteilt werden müsse, reiche nicht aus. Zudem sei die vorzunehmende Abwägungsentscheidung zwischen den Interessen der Nachbarn und der Beigeladenen fehlerhaft. Die von dem Vorhaben ausgehenden schädlichen Umwelteinwirkungen seien für die Nachbarschaft unzumutbar. Die vorgelegten Gutachten seien nicht nachvollziehbar. Der Bearbeitungsbogen für den Genehmigungsantrag spreche von 59,94 Großvieheinheiten, während Prof. Dr. Schirz in seinem Gutachten zu den Geruchsimmissionen bei der Ausbreitungsberechnung hinsichtlich der Richtwerte der GIRL von 96 Großvieheinheiten ausgegangen sei. Die Landwirtschaftskammer Weser-Ems hingegen lege in ihrer Stellungnahme vom 2. Oktober 2002 61,60 Großvieheinheiten zugrunde. Nach der VDI-Richtlinie 3472 „Emissionsminderung Tierhaltung-Hühner“ Tabelle 1 „Tierzahlen pro Großvieheinheit“ entspreche aber eine Großvieheinheit 420 Masthähnchen, so dass bei 39.996 Tieren von 95,22 Großvieheinheiten auszugehen sei. Dementsprechend seien die von der Landwirtschaftskammer Weser-Ems auf der Grundlage von 60 Großvieheinheiten errechneten Mindestabstände anzupassen. Zudem sei unberücksichtigt geblieben, dass hinter dem Wohnhaus der Antragstellerin zu 1) der Außenwohnbereich beginne, in dem ihre Kinder jedenfalls im Sommer ihren Lebensmittelpunkt hätten, so dass ein Außenwohnbereich von mindestens 10 m mit zu berücksichtigen sei und damit der Lebens- und Wohnbereich der Antragstellerin zu 1) und ihrer Familie im Mindestabstandsbereich liege. Gleiches gelte auch für den Antragsteller zu 4) und seinen Gärtnereibetrieb. Die Pflanzen reagierten besonders empfindlich auf die zu erwartenden hohen Ammoniakimmissionen. Hinsichtlich der Antragsteller zu 2) und 3) sei nicht berücksichtigt worden, dass ihr Sohn J. an allergischer Rhinoconjunctivitis leide, weshalb davon auszugehen sei, dass er durch die zu erwartenden Immissionen des Hähnchenmaststalles besonders stark und damit unverhältnismäßig betroffen werde. Der Antragsgegner habe überdies die Be- und Entladevorgänge bei Ausstallung der Tiere und Entmistung des Stallgebäudes unberücksichtigt gelassen. Diese Vorgänge würden bei geöffneten Türen stattfinden, wobei davon auszugehen sei, dass die Türen sich am nördlichen Stallende befinden und deshalb hier ein weiterer Emissionsschwerpunkt zu bilden gewesen wäre. Bei voraussichtlich 8 Hähnchenmastvorgängen würden bei jeweiliger Öffnung der Tore erheblich höhere Konzentrationen an Staub- und Ammoniakanteilen an die Umgebung abgegeben, als dies von den Gutachtern berücksichtigt worden seien. Schließlich sei unberücksichtigt geblieben, ob der Beigeladenen ein Alternativstandort zur Verfügung stehe, auf den diese hätte verwiesen werden können.
Die Antragsteller beantragen,
die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche vom 2. Juni 2003 und 17. Juni 2003 gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung der Beigeladenen vom 19. Mai 2003 wiederherzustellen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er ist der Auffassung, dass es sich bei dem genehmigten Vorhaben um ein privilegiertes Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB handelt. Eine Alternative zur Errichtung der Stallanlage im Außenbereich sei nicht gegeben. Der Hähnchenmaststall sei wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung und seines störenden Charakters nur in Außenbereichen zuzulassen, weil das Vorhaben bei seiner bestimmungsgemäßen Benutzung im innerstädtischen Bereich nicht (mehr) hinzunehmende Belästigungen auslösen könnte. Auch sei die Erschließung des Baugrundstückes hinreichend gesichert. So habe das Straßenverkehrsamt des Antragsgegners unter Beteiligung der Gemeinde E... der Beigeladenen mit Bescheid vom 10. Juni 2003 eine Ausnahmegenehmigung nach § 45 Abs. 1 StVO für das Befahren eines Teilstücks der H... mit Fahrzeugen von mehr als 5 t Gewicht zur Bewältigung des ersten Abschnitts der Bauphase erteilt. Darüber hinaus habe die Gemeinde mitgeteilt, dass es gerade in einer Flächengemeinde mit einer Vielzahl von landwirtschaftlichen Betrieben, Gartenbau- und Gewerbebetrieben in den Außenbereichen üblich sei, derartige Ausnahmegenehmigungen bei Bedarf zu erteilen. So solle auch hier verfahren werden. Zudem sei bei jährlich maximal 8 Mastdurchgängen die Zahl der Lkw-Bewegungen überschaubar.
Auf der Grundlage der eingeholten Gutachten von Prof. Dr. Schirz und der Landwirtschaftskammer Weser-Ems sei davon auszugehen, dass von der Anlage schädliche Umwelteinwirkungen nicht in einem für die Antragsteller unzumutbaren Ausmaß verursacht werden. Die von den Gutachtern zugrunde gelegten unterschiedlichen Großvieheinheiten seien damit zu erklären, dass sich bei einer Tierplatzzahl von 39.996 mit 1,5 kg Endgewicht 60 Großvieheinheiten errechneten (39.996 Tierplätze x 0,0015 GV/Tier = 59,994 => ca. 60 GV), dies sei bei der Bestallung von 29.997 Tierplätzen für Masthähnchen mit 2,0 kg Endgewicht ebenso der Fall (29.997 Tierplätze x 0,002 GV/Tier = 59,994 => ca. 60 GV). Die von Prof. Dr. Ing. Schirz im Geruchsgutachten zugrunde gelegte Zahl von 96 Großvieheinheiten dagegen entspreche nicht den tatsächlich beantragten und genehmigten Tierplatzzahlen, da hier von einer mittleren Einzeltiermasse von 2,4 kg und damit von 39.996 Tierplätzen x 0,0024 GV/Tier = 95,99 => 96 GV ausgegangen worden sei. Da aber nach den Berechnungen von Prof. Dr. Schirz auch bei dieser Anzahl von 96 Großvieheinheiten die Grenzwerte eingehalten würden, sei bei der beantragten und genehmigten niedrigeren Anzahl einzustallender Hähnchen von einer für die Antragsteller erheblich besseren Geruchssituation auszugehen. Den Forderungen des Gutachters nach einer Verschiebung des Standortes um 20 m Richtung Süden und einer zentralen Abluftführung mit 10 m über dem Boden gelegenem Abluftschacht sei in den Genehmigungsunterlagen entsprochen worden. Demgegenüber führten die 8 mal jährlich stattfindenden Ausstallungs- und Entmistungsvorgänge lediglich zu punktuellen Belastungen, die zudem kaum messbar seien, da ein unmittelbarer Abtransport des Stalldungs vorgesehen sei. Zudem finde die Entmistung und Ausstallung im wesentlichen im Stallgebäude statt, in dem zu diesem Zweck drei Container aufgestellt werden würden. Nur für den vernachlässigbar kurzen Zeitraum der Aufstellung und des Abtransportes dieser Container würden die Stalltore geöffnet werden müssen. Aus dem Gutachten der Landwirtschaftskammer vom 9. April 2003 ergebe sich, dass die Anlage auch den erforderlichen Mindestabstand von gegenüber Stickstoffverbindungen empfindlichen Pflanzen und Ökosystemen einhalte.
Soweit die Antragsteller zu 2) und 3) auf die besondere gesundheitliche Problematik ihres Sohnes hinwiesen, sei dem entgegenzuhalten, dass gesundheitliche Vorbelastungen nach gefestigter Rechtsprechung außer Betracht zu bleiben hätten.
Schließlich sei zu erwarten, dass die Geruchs- und Staubemissionen der Anlage noch erheblich unterhalb der von den Gutachtern berechneten Werte liegen würden, weil die Beigeladene sich dafür entschieden habe, eine Anlage der Firma NEMA zur Abluftbehandlung einbauen zu lassen. Dies sei auch Bestandteil der Genehmigung geworden. Es gebe zwar noch keine hinreichenden wissenschaftlichen Daten über den Wirkungsgrad einer solchen Anlage, jedoch sei von einer erheblichen Verbesserung der Abluftsituation auszugehen. Bei Messungen in einem vergleichbaren Stall seien gegenüber dem nach den sogenannten Cloppenburger Leitlinien zulässigen Emissionsausstoß bei Anlagen mit Biofiltern oder Biowäscher von 300 GE/m3 durch die NEMA-Anlage Werte von 130 bis 180 GE/m3 erreicht worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen, die auch Gegen-stand des Erörterungstermins waren.
II. Der nach §§ 80 a Abs.1 und 3, 80 Abs. 5 VwGO zu beurteilende, zulässige Antrag bleibt ohne Erfolg.
Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung mit Bescheid des Antragsgegners vom 17. Juli 2003 genügt zunächst den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO. Nach diesen Vorschrift ist in den Fällen der §§ 80 a Abs.1 Nr.1, 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Die Begründung muss erkennen lassen, dass die anordnende Behörde die öffentlichen Interessen oder das überwiegende Interesse eines Beteiligten am sofortigen Vollzug gegenüber den privaten oder öffentlichen Interessen des Betroffenen, vom Vollzug des Verwaltungsakts zunächst verschont zu bleiben, abgewogen hat. Da das Gesetz ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung verlangt, sind von der Behörde anhand der konkreten Besonderheiten des Einzelfalles die Umstände darzulegen, die über den Inhalt und den Ausspruch des betreffenden Verwaltungsaktes hinaus, es gebieten oder jedenfalls rechtfertigen, die grundsätzlich (§ 80 Abs. 1 VwGO) vorgesehene aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs ausnahmsweise nicht eintreten zu lassen. Die Begründungspflicht hat einerseits den Zweck, der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollzugsanordnung vor Augen zu führen und sie zu veranlassen, mit Sorgfalt zu prüfen, ob tatsächlich ein öffentliches oder privates Vollzugsinteresse die Anordnung der sofortigen Vollziehung rechtfertigt. Andererseits soll der Betroffene oder auch Drittbetroffene in die Lage versetzt werden, durch Kenntnis der Gründe, welche die Behörde zur Anordnung der sofortigen Vollziehung veranlasst haben, seine Rechte wirksam wahrzunehmen und die Erfolgsaussichten eines Antrages auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abschätzen zu können. Diesen Anforderungen genügen die Darlegungen des Antragsgegners. Er hat sich hier nämlich nicht allein mit der Feststellung der Tatsachen und Rechtsgrundlagen begnügt, sondern darüber hinaus in Einzelheiten mit den Einwendungen der Antragsteller auseinandergesetzt.
Darüber hinaus spricht nach der in diesem Verfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage Überwiegendes dafür, dass die angefochtene immissionsschutzrechtliche Genehmigung rechtmäßig ist und nicht in nachbarschützende Rechte der Antragsteller eingreift.
Rechtlicher Ausgangspunkt der Betrachtung ist § 6 Abs. 1 des Bundesimmissionsschutzgesetzes - BImSchG - in der Fassung vom 26. September 2002 (BGBl. I S. 3830). Danach ist die gemäß § 4 Abs. 1 BImSchG i.V.m. §§ 1, 2 und lfd. Nr. 7.1 der 4. BImSchV erforderliche Genehmigung für den Hähnchenmaststall der Beigeladenen zu erteilen, wenn u.a. sichergestellt ist, dass sich die aus § 5 BImSchG ergebenden Pflichten erfüllt werden (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG) und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG). Das Vorliegen dieser Genehmigungsvoraussetzungen hat der Antragsgegner aller Voraussicht nach zu Recht bejaht.
Zu den in § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG benannten öffentlich-rechtlichen Vorschriften gehört auch die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit, denn die immissionsschutzrechtliche Genehmigung nach § 4 BImSchG schließt die erforderliche Baugenehmigung ein (vgl. Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Kommentar, Stand 2003, § 6 Rdnr. 6 m.w.N.). Ob die Antragsteller als Nachbarn überhaupt befugt sind, die bauplanungsrechtliche Entscheidung des Antragsgegners zu rügen, ist zumindest zweifelhaft. Die Kammer neigt dazu dies zu verneinen (ebenso Nds.OVG, B.v.19.08.1999 - 1 M 2711/99 - NVwZ-RR 2000, S.91). Dies kann jedoch dahinstehen, weil der Antragsgegner aller Voraussicht nach zutreffend angenommen hat, dass es sich bei dem Vorhaben der Beigeladenen um ein nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB im Außenbereich bevorzugt zuzulassendes Vorhaben handelt. Denn auch Betriebe der Intensiv-Hühnerhaltung können, auch wenn insoweit der Begriff der Landwirtschaft nicht erfüllt sein mag, wegen ihrer Gerüche, Geräusche oder Gefährlichkeit auf eine Außenbereichslage angewiesen sein, da ihre nachteiligen Auswirkungen auf die Umgebung eine Ansiedlung in planerisch ausgewiesenen Gewerbe- oder Industriegebieten nicht zulassen (vgl. Roeser in Berliner Kommentar zum BauGB § 35 Rdnrn. 40, 42 m.w.N.; für die Privilegierung von Großställen ebenso: BVerwG, Beschluss vom 27.06.1983 - 4 B 201.82 - DÖV 1984, S. 294 [BVerwG 27.06.1983 - BVerwG 4 B 206.82]).
Auch die Erschließung des Vorhabens ist - im Gegensatz zur Auffassung der Antragsteller - hinreichend gesichert. Für die Baumaßnahmen hat der Antragsgegner im Einvernehmen mit der Gemeinde eine Ausnahmegenehmigung zum Befahren des Straßenabschnitts mit Fahrzeugen eines Gewichts von mehr als 5 t erteilt. Die Gemeinde hat überdies mitgeteilt, dass eine solche Ausnahmegenehmigung auch für den Betrieb erteilt werde, da bei 8 Mastperioden nur wenige Fahrzeugbewegungen im Jahr zu erwarten seien und solche Genehmigungen nach ihrer Praxis bei derartigen Betrieben im Außenbereich regelmäßig erteilt würden. Ob die nach §§ 45, 46 StVO erforderliche Ausnahmegenehmigung zu Recht erteilt wurde oder erteilt werden wird, hat die Kammer hier nicht zu prüfen. Jedenfalls diese Fragestellung entzieht sich dem Rügerecht der Antragsteller, das sich auf die Prüfung nachbarschützender Rechtsnormen beschränkt.
Die Kammer ist auch nach der ihr in diesem Verfahren obliegenden summarischen Überprüfung zu der Überzeugung gelangt, dass das Vorhaben der Beigeladenen den in § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG aufgestellten Anforderungen gerecht wird. Die Kammer geht davon aus, dass sowohl die vom Vorhaben ausgehenden Geruchs- und Staubbelästigungen, wie auch die für den Gärtnereibetrieb des Antragstellers zu 4) bedeutsamen Ammoniak- und Schwefelwasserstoff-Immissionen das für die Antragsteller als Nachbarn im Außenbereich zumutbare Maß nicht überschreiten werden. Dies ergibt sich insbesondere aus den gutachterlichen Stellungnahmen zu den Geruchs- und Staubemissionen von Prof. Dr. Ing. Schirz vom 5. November 2002 und 17. Februar 2003 sowie aus der ausführlichen Stellungnahme der Landwirtschaftskammer Weser-Ems vom 9. April 2003, deren Ergebnisse das Gericht für schlüssig und nachvollziehbar ansieht.
Grundlage der erstellten Gutachten sind jeweils die technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft - TA Luft - vom 24.07.2002 (g. MBl. 2002, S. 511), die VDI-Richtlinie zur Luftreinhaltung Nr. 3472 „Tierhaltung-Hühner“ vom Juni 1986 und die Geruchsemissionsrichtlinie - GIRL - in der Fassung vom 13. Mai 1998 (Nds. MBl. 2001, S. 225). Dabei haben die Gutachter in nicht zu beanstandender Weise zunächst einmal die Grundlagen der TA Luft 2002 und in diesem Zusammenhang die diese für die spezifischen Besonderheiten bei der Geflügelhaltung modifizierenden VDI-Richtlinien Nr. 3472 angewandt und sodann zur praktischen Lösung der Problemkonstellation die Verfahrensschritte der GIRL herangezogen. Dazu waren zunächst einmal die im Stall zur Verfügung stehenden Tierplätze für Masthähnchen in die für die Berechnung der Abstände maßgeblichen Großvieheinheiten - GV - umzurechnen. Die Antragsteller haben in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, dass der Gutachter Prof. Dr. Schirz im Geruchsgutachten vom 05.11.2002 von 96 Großvieheinheiten ausgegangen ist, während in den anderen Gutachten eine Anzahl von jeweils 60 Großvieheinheiten zugrunde gelegt wurde. Der Antragsgegner hat diese Differenz jedoch hinreichend erklärt. Sie ergibt sich daraus, dass der Gutachter Prof. Dr. Schirz im Geruchsgutachten von einer höheren Einzeltiermasse nämlich einem Gewicht der Masthähnchen bis zu 2,4 kg ausgegangen ist, wodurch sich bei 39.996 Tierplätzen eine Anzahl von 96 Großvieheinheiten errechnet. Diese Werte entsprechen jedoch nicht den genehmigten Tierplatzzahlen. Danach sind 39.996 Tierplätze für Masthähnchen mit 1,5 kg Endgewicht (=> 59,994 GV) oder 29.997 Tierplätze für Masthähnchen mit 2,0 kg Endgewicht (=> 59,994 GV) genehmigt worden. Da aber die Vorgaben von Prof. Dr. Schirz im Gutachten vom 06.11.2002, nämlich die Verschiebung des Stalls um 20 m nach Süden und die Einrichtung eines zentralen Abluftschachts am Südende, eingehalten wurden und Bestandteil der Genehmigung geworden sind, und der Gutachter unter diesen Bedingungen für die Einstallung von 96 Großvieheinheiten ermittelt hat, dass die zulässigen Grenzwerte und damit die zulässigen Abstände zu den nächstgelegenen Wohnhäusern eingehalten werden, liegt auf der Hand, dass bei einer Einstallung von über einem Drittel weniger Großvieheinheiten (60 GV) die maßgeblichen Grenzwerte hinsichtlich der Geruchsemissionen erst recht eingehalten werden können. Anhaltspunkte dafür, dass die Grundwerte des Gutachters für den speziellen Geruchsstoffstrom von 57 Geruchseinheiten je Sekunde und Großvieheinheit unrealistisch sein könnten, vermag das Gericht nicht zu erkennen. Die bloße Behauptung der Antragsteller „alle Veröffentlichungen gehen von einem durchschnittlichen Wert von 75 Geruchseinheiten aus“ lässt sich nicht nachvollziehen und ist auch in keiner Weise belegt. Ebenso wenig lässt sich die Folgerung der Antragsteller nachvollziehen, dass sich aus dem Staubgutachten von Prof. Dr. Ing. Schirz vom 17.02.2003 ergebe, dass eine Vorsorgeprognose nicht getroffen und eine gesundheitliche Gefährdung nicht ausgeschlossen werden könne. Vielmehr kommt der Gutachter zu dem Schluss, dass die Staubbelastung selbst dann unter den vorgegebenen Grenzwerten liege, wenn im Rahmen einer “worst-case-Betrachtung“ der alveolengängige, d.h. in den innersten Teil der Atemwege gelangende Staub als zusätzliche Emissionsrate eingesetzt würde, obgleich dieser üblicherweise bei dem einatembaren Staub bereits enthalten ist (vgl. S. 3 des Gutachtens).
In diesem Zusammenhang ist insbesondere auch darauf hinzuweisen, dass der Vortrag der Antragsteller zu 2) und 3), die Immissionen des Hähnchenmaststalles verstärkten die allergische Erkrankung ihres Kindes und verschlimmerten sein Asthma, dem Aussetzungsantrag nicht zu Erfolg verhelfen kann. Das Immissionsschutzrecht regelt die Nutzbarkeit der Grundstücke unter Berücksichtigung der objektiven Gegebenheiten. Soweit es auf Fragen der Zumutbarkeit ankommt, stellt es auf das Empfinden „durchschnittlicher“ Bewohner ab. Besondere Empfindlichkeiten einzelner Grundstücksnachbarn können deshalb nicht zu Lasten des Vorhabensträgers gehen (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 19.08.1999 - 1 M 2711/99 - NVwZ-RR 2000, S. 91, 92; BVerwG, Beschluss vom 05.03.1984 - 4 B 20.84 - NVwZ 1984, S. 647).
Es ist auch nicht davon auszugehen, dass der Gärtnereibetrieb des Antragstellers zu 4) durch den Hähnchenmaststall unzumutbar beeinträchtigt wird. Insoweit hat die Landwirtschaftskammer Weser-Ems mit Stellungnahme vom 09.04.2003 mitgeteilt, dass auf der Grundlage des von ihr durchgeführten Ausbreitungsmodells nach Anhang 3 i.V.m. Anhang 1 zur TA Luft 2000 (Ermittlung des Mindestabstands zu empfindlichen Pflanzen und Ökosystemen) die zulässigen Grenzwerte (Zusatzbelastung von bis zu 3 (g/m³) eingehalten werden.
Die Kammer vermag auch nicht der Argumentation der Antragsteller zu folgen, die Vorgänge der Ein- und Ausstallung der Tiere und des Entmistens bei geöffneten Stalltoren seien in unzulässiger Weise nicht berücksichtigt worden. Dies ist zum einen bereits deshalb nicht zutreffend, weil die Gutachter übereinstimmend von den Grundlagen der TA Luft 2002, der GIRL und der VDI-Richtlinie 3472 ausgegangen sind, wobei insbesondere bei letzterer VDI-Richtlinie die Vorgänge der Ein- und Ausstallung in die Gesamtbetrachtung einbezogen sind, wie sich indirekt aus den Ausführungen zu Nr.3.2.1 ergibt. Im Übrigen ist in diesem Zusammenhang auch darauf zu verweisen, dass nach der GIRL Zusatzbelastungen unberücksichtigt bleiben, wenn sie weniger als 2 % der Geruchsstunden pro Jahr ausmachen (Nr.3.3 der GIRL: sogenannte Irrelevanzklausel, vgl. auch Nr.3.3 der Auslegungshinweise zur GIRL i. d. F: Niedersachsens vom Nov.2000, Nds.MBl.2001, S.230 [232]). Das wiederum ist hier der Fall. Die Ein- und Ausstallungs- bzw. Entmistungsvorgänge treten maximal 8 mal im Jahr auf, wie sich aus den Genehmigungsunterlagen ergibt. Selbst wenn die zulässigen Geruchsbelastungen an diesen Tagen überschritten werden sollten, wovon die Kammer allerdings nicht ausgeht, handelte es sich um eine Überschreitung an weniger als 2 % der Geruchsstunden im Jahr, die nach der TA Luft 2002 noch als zumutbar anzusehen ist. Zudem werden die Entmistungs- und Ausstallungsvorgänge nach Auskunft des Antragsgegners nicht bei geöffneten Stalltoren stattfinden, sondern es werden drei Container in das Gebäude gebracht, dort bei geschlossenen Toren befüllt und anschließend wieder abtransportiert. Damit aber reduziert sich die bei diesen Vorgängen frei werdende Geruchsbelästigung lediglich auf die Zeitpunkte der Toröffnung und bleibt damit vernachlässigbar gering.
Schließlich weist das Gericht darauf hin, dass die Beigeladene ausweislich der Genehmigungsunterlagen in dem Hähnchenmaststall eine Abluftbehandlungsanlage der Firma NEMA einbauen wird. Es ist nach der Produktbeschreibung der Firma davon auszugehen, dass dies zu einer erheblichen Reduzierung der Geruchs- und Staubemissionen führen wird. Die Anlage funktioniert nach dem Prinzip, dass die Stallluft mittels unter der Decke angebrachter Hochdruckdüsen kontinuierlich mit einer hochverdünnten Enzymlösung behandelt wird. Diese Enzyme bewirken, dass geruchsintensive Stoffe, wie Ammoniak und Schwefelwasserstoff zu geruchsneutralen Stoffen abgebaut werden. Die so gereinigte Abluft wird über Lüfter in die Umgebung entlassen. Zusätzlich wird durch den Wassernebel ein Großteil des Staubes gebunden. Spitzenbelastungen z.B. in der Sommerzeit werden durch die gesondert zuschaltbare Bedüsung im Stall vermieden. Diese Anlage wird nach Überzeugung der Kammer dazu führen, dass die von der Stallanlage ausgehenden Emissionen, die ohnehin die gesetzlichen Grenzwerte einhalten, dermaßen weiter reduziert werden, dass die für die Antragsteller bedeutsame Schwelle der Zumutbarkeit auch nicht annähernd erreicht werden wird. Dafür sprechen auch die Ergebnisse von Messungen des Antragsgegners an einer anderen vergleichbaren Stallanlage mit NEMA-Einbau, wonach die von den Cloppenburger Leitlinien empfohlenen Richtwerte für Biofilter- und Biowäscheranlagen von 300 GE/m3 durch die NEMA-Anlage erheblich unterschritten werden (zwischen 130 und 180 GE/m3).