Sozialgericht Stade
Beschl. v. 22.11.2012, Az.: S 28 AS 781/12 ER

Anspruch eines Grundschülers auf ergänzende Lernförderung bei Gefährdung der Lernentwicklung in den Fächern Mathematik und Deutsch

Bibliographie

Gericht
SG Stade
Datum
22.11.2012
Aktenzeichen
S 28 AS 781/12 ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 35352
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGSTADE:2012:1122.S28AS781.12ER.0A

Fundstellen

  • SchuR 2013, 143
  • ZfSH/SGB 2013, 115-118
  • info also 2013, 142

Tenor:

Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin seit Antragstellung am 21.09.2012 bis zum 26.06.2013 (letzter Schultag vor den Sommerferien) gegen entsprechenden Nachweis Kosten in Höhe von maximal 10,- EUR pro Stunde für jeweils 2 Wochenstunden außerschulische Einzelförderung bei E., F., in den Fächern Deutsch und Mathematik (zusammen 4 Wochenstunden) zu erstatten. Die Leistungsgewährung erfolgt vorläufig und steht unter dem Vorbehalt der Rückforderung.

Es wird klargestellt, dass die Leistungen durch den Antragsgegner nur solange erbracht werden, wie vorgehende Leistungen nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch durch den zuständigen Träger nicht erbracht werden.

Es wird weiterhin klargestellt, dass der Antragsgegner Leistungen nur insoweit erbringt, wie die Förderung tatsächlich in Anspruch genommen worden ist.

Der Antragsgegner hat der Antragstellerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten in vollem Umfang zu erstatten.

Gründe

I.

Die am 12.08.2000 geborene Antragstellerin besucht derzeit die 4. Klasse der Grundschule G ... Bereits bei der Einschulung wurde sie um ein Jahr zurückgestellt. Im Jahr 2009 sprach die Grundschule G. die Empfehlung aus, bei der Antragstellerin sonderpädagogischen Förderbedarf nicht festzustellen, da trotz Auffälligkeiten in Teilbereichen der Sprache, der Motorik und eingeschränkt im Lernbereich Mathematik eine umfassende, langandauernde und schwerwiegende Beeinträchtigung zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zu beschreiben sei. Die Auffälligkeiten könnten bei entsprechender Förderung in der Grundschule und im Elternhaus ausgeglichen werden. Im Schuljahr 2010/2011 durchlief die Antragstellerin die dritte Klasse. Im Zeugnis vom 06.07.2011 erhielt sie aufgrund eines Nachteilsausgleichs im Fach Mathematik keine Note. Im Fach Deutsch wurden ihr schwach ausreichende Leistungen bescheinigt. Auf Antrag ihrer Eltern wiederholte die Antragstellerin das 3. Schuljahr. Im Halbjahreszeugnis 2011/2012 vom 27.01.2012 erhielt die Antragstellerin im Fach Deutsch die Note 4 und im Fach Mathematik die Note 5. Im Jahreszeugnis vom 20.07.2012 erhielt sie im Fach Deutsch die Note 4 und im Fach Mathematik ebenfalls die Note 4, wobei sich die Bewertung in diesem Fach im Rahmen eines Nachteilsausgleichs an den Unterrichtsinhalten des 2. Schuljahres orientierte.

Derzeit läuft ein Verfahren zur Feststellung eines sonderpädagogischen Förderbedarfs bei der Antragstellerin. Am 19.11.2012 sprach die Förderkommission der Grundschule einstimmig die Empfehlung aus, sonderpädagogischen Förderbedarf im Förderschwerpunkt Lernen bei der Antragstellerin festzustellen und eine lernzieldifferente Beschulung an der Grundschule G. durchzuführen Bereits am 13.02.2012 beantragte die Antragstellerin durch ihre Mutter ergänzende Lernförderung beim Antragsgegner. Sie legte einen von ihrer Klassenlehrerin ausgefüllten Vordruck über die Empfehlung von Lernförderung im Fach Mathematik im Umfang von 2 Wochenstunden für 3 Monate vor. Der Zeitraum "3 Monate" ist der längste auf dem Vordruck vermerkte Zeitraum. Der Antragsgegner lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 02.03.2012 ab.

Er begründete seine Ablehnung damit, dass die beantragte Lernförderung nicht dazu dienen könne, eine vorübergehende Lernschwäche zu beheben. Denn es liege kein vorübergehendes Defizit im Fach Mathematik vor, sondern es bestünden seit Beginn der Schulzeit Schwierigkeiten. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies der Antragsgegner mit Bescheid vom 24.04.2012 zurück. Gegen diesen Widerspruchsbescheid erhob die Antragstellerin am 30.04.2012 Klage (S 28 AS 337/12). Zu Beginn des 4. Schuljahres (August 2012) stellte die Antragstellerin nach eigenem, vom Antragsgegner unwidersprochenen Bekunden erneut einen Antrag auf ergänzende Lernförderung beim Antragsgegner. Diesen Antrag hat der Antragsgegner nach Kenntnis der Kammer bis dato nicht beschieden. Am 21.09.2012 hat die Antragstellerin vorliegenden Antrag auf Erlass einer gerichtlichen einstweiligen Anordnung auf Übernahme der Kosten für eine Lernförderung durch E. gestellt. Im Rahmen des gerichtlichen Eilrechtsschutzverfahrens hat die Antragstellerin eine Bescheinigung ihrer Klassenlehrerin zur Notwendigkeit außerschulischer Lernförderung in den Fächern Deutsch und Mathematik vorgelegt. Verwendet wurde der Vordruck des Antragsgegners. Die Antragstellerin trägt zur Begründung vor, dass nur mit Hilfe einer unverzüglich einsetzenden außerschulischen Lernförderung dauerhafte Nachteile in Form einer Schulempfehlung für die Sonderschule vermieden werden könnten. Der Antragsgegner tritt dem Antrag auf Erlass einer gerichtlichen einstweiligen Anordnung entgegen. Er wendet ein, dass der Antrag zu unpräzise gestellt sei und weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund dargelegt worden seien. Es sei nicht dargelegt worden, welche wesentlichen Lernziele durch ergänzende Lernförderung erreicht werden sollten. Eine Ermittlung der entscheidungserheblichen Fragen zur Anspruchsfeststellung sei vor diesem Hintergrund nicht geboten. Im Rahmen eines Erörterungstermins am 20.11.2012 hat die Kammer die Klassenlehrerin der Antragstellerin, H., und die mit der Erstellung des Gutachtens zur Frage des sonderpädagogischen Förderbedarfs beauftragte Förderlehrerin, I., als sachverständige Zeuginnen vernommen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte zu diesem Verfahren, zum Hauptsacheverfahren S 28 AS 337/12 und auf die vorgelegten Verwaltungsvorgänge sowie auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

II.

Der Antrag auf Übernahme der Kosten für eine außerschulische Lernförderung ist zulässig. Ein Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin besteht. Es ist unschädlich, dass der (erneute) Antrag der Antragstellerin auf Kostenübernahme einer außerschulischen Lernförderung beim Antragsgegner zum Zeitpunkt der Antragstellung bei Gericht noch nicht beschieden worden war. Denn der Antragsgegner hat durch seinen Ablehnungsbescheid vom 02.03.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.04.2012 deutlich gemacht, dass er die Voraussetzungen für die begehrte Kostenübernahme aufgrund der lange bestehenden und anhaltenden Lernschwierigkeiten der Antragstellerin für nicht gegeben erachtet.

Da sich die Situation der Antragstellerin auch bei der erneuten Antragstellung nach Eintritt in die 4. Klasse nicht geändert hat und da der Antragsteller von sich aus weitere Ermittlungen nicht angestellt hat, konnte die Antragstellerin nicht davon ausgehen, dass ihr erneuter Antrag auch bei weiterem Zuwarten positiv beschieden werden würde. Insofern war sie zur effektiven Durchsetzung ihres Anspruchs auf gerichtlichen Eilrechtsschutz angewiesen. Der gestellte Antrag ist überdies hinreichend bestimmt. Aus der Antragstellung geht hervor, dass die Kostenübernahme für eine außerschulische Lernförderung bei einer bestimmten Person begehrt wird. Umfang und Ziel der begehrten Förderung ergeben sich aus dem von der Klassenlehrerin beigefügten Vordruck sowie den Ausführungen der Klassenlehrerin im Rahmen ihrer Zeugenaussage. Es ist deutlich geworden, dass eine kontinuierliche Förderung bis zum Ende des Schuljahres begehrt und auch befürwortet wird, dies aber nur deshalb im Vordruck nicht zum Ausdruck gebracht worden ist, weil dort ein entsprechendes Freitextfeld fehlt. Die Kammer weist darauf hin, dass die Geltendmachung von Ansprüchen auf ergänzende außerschulische Lernförderung nach § 28 Abs 5 SGB II auch bei anwaltlicher Vertretung nicht mit letzter Präzision erfolgen kann, wenn - wie hier - die pädagogische Bewertung der Antragstellerin aufgrund eines laufenden schulrechtlichen Verfahrens zur Feststellung sonderpädagogischen Förderbedarfs "in Fluss" ist und wenn durch die verwendeten Vordrucke gleichsam eine Bindungswirkung erzeugt wird. Der Antrag auf Übernahme der Kosten für eine außerschulische Lernförderung ist zudem begründet. Die Einzelheiten sind dem Tenor zu entnehmen.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis gemäß § 86b Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist stets, dass sowohl ein Anordnungsgrund (d. h. die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile) als auch ein Anordnungsanspruch (d. h. die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs) glaubhaft gemacht werden, § 86b Abs 2 Satz 4 SGG iVm. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO). Ein Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen überwiegend wahrscheinlich sind. Dies erfordert, dass mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht (LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 21.12.2011 - L 6 AS 190/11 B ER -, [...]). Diese Voraussetzungen liegen vor.

1. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

Nach §§ 19 Abs. 2, 28 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in der Fassung des Gesetzes ab dem 1. April 2011 wird bei Schülerinnen und Schülern eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Diese gesetzliche Neuregelung ist vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010 (BVerfGE 125, 175) ergangen. Es soll sichergestellt werden, dass notwendige Aufwendungen zur Erfüllung schulischer Pflichten, die zum existenziellen Bedarf schulpflichtiger Kinder gehören, auch tatsächlich getätigt werden können. In der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 17/3404, Seite 104 ff. - abgedruckt bei Hohm, GK-SGB II, VI - 1 § 28) wird ausgeführt, dass auch außerschulische Lernförderung als Sonderbedarf vom Anspruch auf Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums erfasst werde. Dieser Bedarf sei allerdings nur in Ausnahmefällen geeignet und erforderlich und damit notwendig.

In der Regel sei die außerschulische Lernförderung nur kurzzeitig notwendig, um vorübergehende Lernschwächen zu beheben. Die Geeignetheit und Erforderlichkeit der Lernförderung beziehe sich auf das wesentliche Lernziel, das sich wiederum im Einzelfall je nach Schulform und Klassenstufe aus den schulrechtlichen Bestimmungen des jeweiligen Landes ergebe. Das wesentliche Lernziel in der jeweiligen Klassenstufe sei regelmäßig die Versetzung in die nächste Klassenstufe bzw. ein ausreichendes Leistungsniveau.

Die Antragstellerin ist eine Schülerin. Aufgrund der Ausführungen der Zeuginnen im Rahmen des Erörterungstermines hält es die Kammer für überwiegend wahrscheinlich, dass die beantragten Nachhilfestunden bei E. eine die schulischen Angebote ergänzende angemessene Lernförderung darstellt, die geeignet und erforderlich ist, damit die Antragstellerin die wesentlichen Lernziele nach § 6 Abs 1 Satz 1 und 2 Niedersächsisches Schulgesetz (NSchG) erreicht. Gemäß § 6 Abs 1 Satz 1 und 2 NSchG werden in der Grundschule Grundlagen für die Lernentwicklung und das Lernverhalten aller Schülerinnen und Schüler geschaffen. Es werden verschiedene Fähigkeiten entwickelt, insbesondere sprachliche Grundsicherheit in Wort und Schrift, Lesefähigkeit, mathematische Grundfertigkeiten und erste fremdsprachliche Fähigkeiten. Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 28.02.2012 - L 7 AS 43/12 B ER -, [...]) hat klargestellt, dass zu den wesentlichen Lernzielen nicht nur die Versetzung in die nächste Klassenstufe gehört, sondern auch das Erreichen eines ausreichenden Leistungsniveaus im Sinne der schulrechtlichen Bestimmungen. Gerade dieses ist gemessen an § 6 Abs 1 Satz 1 und 2 NSchG bei der Antragstellerin gefährdet. Sowohl die Förderlehrerin J. als auch die Klassenlehrerin K. haben anschaulich dargelegt, dass die grundlegende Lernentwicklung der Antragstellerin in den Fächern Mathematik und Deutsch gefährdet ist. Die Antragstellerin verfügt im mathematischen Bereich gemessen an anderen Schülern ihrer Altersgruppe über deutlich unterdurchschnittliche Fähigkeiten. Insbesondere stehen ihr Kompetenzen wie Substraktionen und Zuordnung einfacher Brüche nicht sicher zur Verfügung.

Hierbei handelt es sich um Alltagsfähigkeiten, ohne die ein verständiger Umgang insbesondere mit Geld kaum möglich erscheint. Überdies kann die Antragstellerin die Uhr nicht sicher lesen, sich also zeitlich nicht sicher orientieren. Das Textverständnis der Antragstellerin liegt ebenfalls im deutlich unterdurchschnittlichen Bereich. Die von der Klassenlehrerin befürwortete Förderung ist jedenfalls für die Dauer des Grundschulbesuchs der Antragstellerin geeignet und erforderlich, die wesentlichen Lernziele im oben ausgeführten Sinne zu erreichen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei der Antragstellerin gemäß der Empfehlung der Förderkommission vom 19.11.2012 aller Voraussicht nach ein sonderpädagogischer Förderbedarf im Förderschwerpunkt Lernen festgestellt werden wird. Ebenfalls ist zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin aller Voraussicht nach zieldifferent beschult werden wird bzw. ein Nachteilsausgleich im Fach Mathematik bereits angewendet wird. Dieser Umstand dürfte zwar dazu führen, dass die Antragstellerin nicht mehr an den üblichen Lernzielen für die jeweilige Klassenstufe gemessen werden wird. Vielmehr werden ihren Fähigkeiten angepasste Lernziele gewählt. Gleichwohl werden auch und gerade dadurch die Grundlagen für die Lernentwicklung gerade der Antragstellerin iS des § 6 Abs 1 Satz 1 NSchG geschaffen und ihre Fähigkeiten iS des § 6 Abs 1 Satz 2 NSchG entwickelt.

Diese individuelle Betrachtungsweise ist erstens deshalb geboten, weil die öffentlichen Schulen als inklusive Schulen grundsätzlich allen Schülerinnen und Schülern einen barrierefreien und gleichberechtigten Zugang ermöglichen, § 4 Abs 1 Satz 1 NSchG. Dies beinhaltet eine sonderpädagogische Unterstützung durch individuell angepasste Maßnahmen, wobei die Leistungsanforderungen von denen der besuchten Schule abweichen können (§ 4 Abs 2 Satz 2 NSchG).

Zweitens trägt die individuelle Betrachtungsweise den Anforderungen des § 6 Abs 1 Satz 1 NSchG Rechnung, wonach in der Grundschule Grundlagen für die Lernentwicklung und das Lernverhalten aller Schülerinnen und Schüler geschaffen werden. Daraus geht hervor, dass die Grundschule grundsätzlich allen Schülerinnen und Schülern unabhängig von einem bestimmten Leistungsstand offen stehen und die genannten Grundfertigkeiten vermitteln soll. Dies ergibt sich auch aus Ziffer I.7.4. "Sonderpädagogische Grundversorgung" des Erlasses des Niedersächsischen Kultusministeriums vom 01.02.2005 - 32 - 81027 VORIS 22410 - "Sonderpädagogische Förderung", wonach eine Überweisung in die Förderschule für Schülerinnen und Schüler, die einen sonderpädagogischen Förderbedarf haben, während der Grundschulzeit in der Regel nicht erforderlich ist. Drittens wird durch die Berücksichtigung individueller Lernziele sichergestellt, dass auch diejenigen Schüler mit dem objektiv größten Förderbedarf Zugang zu Bedarfen für Bildung und Teilhabe im Rahmen von § 28 Abs 5 SGB II erhalten. Eine andere Sichtweise wäre mit dem Charakter des Anspruchs auf außerschulische Lernförderung als einer zur Sicherung des Existenzminimums notwendigen Leistung nicht vereinbar. Es ist auch bei Berücksichtigung des dem Antragsgegners zukommenden Beurteilungsspielraums (dazu O. Loose, in: Hohm, GK-SGB II, VI - 1 § 28, Rn. 105; Leopold in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 28 Rn. 103) nicht ersichtlich, dass die von den Lehrerinnen befürwortete Förderung nicht geeignet und erforderlich ist, um die im Falle der Antragstellerin maßgeblichen Lernziele zu erreichen.

Der Antragsgegner hat es aufgrund seines engen Verständnisses der im Rahmen von § 28 Abs 5 SGB II relevanten Lernziele unterlassen, weitere Ermittlungen anzustellen. Insofern sind für das Gericht die eigenen Ermittlungen, insbesondere die Aussagen der Lehrerinnen im Rahmen des Erörterungstermins, maßgeblich. Nach Angaben der Klassenlehrerin hat L. die Antragstellerin im Rahmen der schulischen Einzelförderung bereits erfolgreich unterrichtet. Die Antragstellerin ist nach Aussage ihrer Klassenlehrerin und der Förderschullehrerin eine fleißige Schülerin, die sich ihren Lernwillen trotz einer bislang eher frustrierend verlaufenden schulischen Laufbahn erhalten hat. Die Klassenlehrerin hat betont, dass die Antragstellerin speziell in einer Einzelfördersituation Chancen auf einen nachhaltigen Lernfortschritt im Rahmen ihrer Möglichkeiten hat.

Sie hat im Übrigen dargelegt, dass die Antragstellerin sämtliche schulischen Angebote der weiteren Förderung nutzt, diese aber aufgrund der nur begrenzt zur Verfügung stehenden Kapazitäten den Bedarf der Antragstellerin nicht sicherstellen können. Die befürwortete Förderung ist mit einem zusätzlichen finanziellen Aufwand von 40,- EUR in der Woche auch angemessen. Der Angemessenheit steht nicht entgegen, dass die von den Lehrerinnen im Erörterungstermin bis Schuljahresende befürwortete Förderung längerfristig angelegt ist. Ausweislich der Gesetzesbegründung ist die kurzzeitige Notwendigkeit zwar der Regelfall. Allerdings können bei entsprechender ernsthafter Erfolgsprognose auch längerfristige Fördermaßnahmen angezeigt sein (vgl. SG Itzehoe, Beschluss vom 03.04.2012 - S 11 AS 50/12 ER -, [...]).

Eine solche ernsthafte Erfolgsprognose hat die Klassenlehrerin abgegeben, indem sie deutlich gemacht hat, dass im Falle der Antragstellerin die berechtigte Hoffnung bestehe, dass bei einer kontinuierlichen Einzelförderung die dringlichsten der bestehenden Lerndefizite bis zum Ende der Grundschulzeit behoben oder zumindest deutlich verbessert werden können. Die Kammer weist bereits jetzt darauf hin, dass § 28 Abs 5 SGB II eine dauerhafte schulbegleitende Einzelförderung nicht vorsieht. Es ist grundsätzlich Aufgabe der Schule, die pädagogisch notwendige Förderung für alle Schülerinnen und Schüler vorzuhalten. Der in diesem Verfahren glaubhaft gemachte Anordnungsanspruch besteht nur bis zum Ende des laufenden Schuljahres und ergibt sich aus der spezifischen Situation der Antragstellerin als Grundschülerin und den entsprechenden schulrechtlichen Bestimmungen. Im Falle eines Übertritts in die weiterführende Schule sind Sach- und Rechtslage neu zu bewerten.

2. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Der Antragstellerin ist die Durchführung des Hauptsacheverfahrens nicht zumutbar. Die begehrte Lernförderung kann ihr Ziel nur erreichen, wenn sie zeitnah einsetzt.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.