Sozialgericht Stade
v. 02.11.2012, Az.: S 19 SO 76/11

Anspruch auf Erstattung von Bestattungskosten

Bibliographie

Gericht
SG Stade
Datum
02.11.2012
Aktenzeichen
S 19 SO 76/11
Entscheidungsform
Gerichtsbescheid
Referenz
WKRS 2012, 34980
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGSTADE:2012:1102.S19SO76.11.0A

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Bestattungskosten nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).

Der Kläger ist der Bruder des am 19. Dezember 2010 verstorbenen A., der zuletzt im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Beklagten gewohnt und dort Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bezogen hat. Am 14. Januar 2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Übernahme von Bestattungskosten und überreichte eine Rechnung der Stiftung D., wonach sich die Kosten der Bestattung seines Bruders auf insgesamt 3.139,40 EUR beliefen. In dem Rechnungsbetrag enthalten waren ua Fremdkosten iHv 1.919,00 EUR für die Überlassung eines Reihengrabes über fünf Jahre einschließlich des Herrichtens, Schließens und Aufhügelung des Grabes, für die Benutzung von Leichenhalle und Kirche, für die Ausgestaltung der Trauerfeier sowie iHv 26,00 EUR für die Ausstellung einer Todesbescheinigung. Ferner legte er eine Ruhegehaltsbescheinigung vor, nach welcher er ein monatliches Nettoruhegehalt iHv 2.333,45 EUR bezieht.

Mit Bescheid vom 11. Februar 2011 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der Kontostand auf dem Girokonto des Verstorbenen habe am Todestag 1.304,24 EUR betragen, so dass ein Teil der Bestattungskosten aus dem Nachlass aufgebracht werden könne. Im Übrigen könne dem Kläger die Tragung der Bestattungskosten aus seinem Einkommen zugemutet werden, da er nach den vorgelegten Unterlagen über einzusetzendes Einkommen iHv 2.908,20 EUR verfüge.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 21. Februar 2011 Widerspruch ein und führte aus, bei der Berechnung des bereinigten Einkommens seien die als Altersvorsorgebeiträge zu berücksichtigenden Aufwendungen für das ihm und seiner Ehefrau gehörende Hausgrundstück außer Betracht geblieben. Hierbei handele es sich um zwei Bauspardarlehensverträge, aus der sich eine monatliche Belastung iHv 295,75 EUR ergebe. Weitere 23,01 EUR habe er für einen Bausparvertrag zu zahlen. Zu berücksichtigen sei zudem eine Unterhaltsverpflichtung gegenüber seiner Ehefrau, die über ein eigenes Renteneinkommen iHv 825,65 EUR monatlich verfüge. Schließlich seien ergänzende Unterhaltsansprüche über monatlich 252,00 EUR zu berücksichtigen. Die Sparkasse E. habe das Konto des Verstorbenen zwischenzeitlich aufgelöst und 1.618,10 EUR an ihn überwiesen, so dass nur noch die Erstattung des Differenzbetrages beansprucht werde.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Tragung von Bestattungskosten iHv 1.521,30 EUR sei dem Kläger aus seinem Einkommen zuzumuten. Einer nachfragenden Person und ihrem nicht getrennt lebenden Ehegatten sei die Aufbringung der Mittel nicht zuzumuten, wenn das monatliche Einkommen eine Einkommensgrenze, die sich aus einem Grundbetrag in Höhe des zweifachen Eckregelsatzes, den Kosten der Unterkunft und einem Familienzuschlag iHv 70 % des Eckregelsatzes ergebe, nicht übersteige. Für den Kläger betrage die sich ergebende Einkommensgrenze 1.134,00 EUR. Das bereinigte Einkommen von ihm und seiner Ehefrau belaufe sich auf monatlich 2.939,77 EUR und übersteige die Einkommensgrenze damit um 1.805,77 EUR. Da sogar der Einsatz des übersteigenden Einkommens für drei Monate gerechtfertigt sei, könne dem Kläger die Kostentragung iHv 1.521,30 EUR aus seinem Einkommen zugemutet werden.

Hiergegen hat der Kläger am 14. Juni 2011 Klage vor dem Sozialgericht Stade erhoben. Zur Begründung führt er aus, die Zumutbarkeit der Kostentragung sei auch von subjektiven Momenten wie zB der sozialen Nähe eines Verpflichteten zum Verstorbenen abhängig. Der Verstorbene habe seit 1956, als er -der Kläger- erst 9 Jahre alt gewesen sei, in einer Einrichtung in D. gelebt. Weder die räumliche Entfernung bereits im frühen Alter noch der Altersunterschied von sechs Jahren noch der Umstand, dass sein Bruder behindert gewesen sei, seien angeführt und berücksichtigt worden, obwohl die Gesamtumstände dazu geführt hätten, dass eine enge persönliche Nähe zwischen den Brüdern nicht habe aufgebaut werden können. Schließlich habe er bereits die Kosten für die Unterbringung seiner Mutter im Altersheim mitgetragen, weil sein verstorbener Bruder durch die Behinderung hierzu nicht in der Lage gewesen sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2011 aufzuheben und die ihm anlässlich der Bestattung seines Bruders F. entstandenen Bestattungsrestkosten iHv 1.521,30 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist insbesondere auf ihre Ausführungen in angefochtenen Bescheid sowie im Widerspruchsbescheid.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Das Gericht kann gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden zuvor angehört; sie haben keine Einwendungen gegen die Entscheidung durch Gerichtsbescheid erhoben.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger ist durch die angefochtene Entscheidung nicht beschwert iSv § 54 SGG, da ihm ein Anspruch auf Übernahme von Bestattungskosten nicht zusteht.

Die Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch befindet sich in § 74 SGB XII. Nach dieser Vorschrift werden vom zuständigen Träger der Sozialhilfe die erforderlichen Kosten einer Bestattung übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen. Der Kläger ist - auch wenn er das Erbe seines Bruders ausgeschlagen hat - Verpflichteter iSv § 74 SGB XII. Die Verpflichtung, die Kosten einer Bestattung zu tragen, ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dieser Vorschrift, kann aber erbrechtlich oder unterhaltsrechtlich begründet sein oder sich aus landesrechtlichen Bestattungspflichten ergeben (vgl dazu: Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 29. September 2009, Az: B 8 SO 23/08 R - [...], Rdz 13 mwN). Nach § 8 des Gesetzes für das Friedhofs- und Bestattungswesen in Nordrhein-Westfalen (BestG NRW) sind Ehegatten, Lebenspartner, volljährige Kinder, Eltern, volljährige Geschwister, Großeltern und volljährige Enkelkinder in genannter Reihenfolge zur Bestattung verpflichtet. Da vorrangig Verpflichtete nicht vorhanden waren, trifft nach der landesrechtlichen Regelung den Kläger als Bruder des Verstorbenen die Bestattungspflicht.

Die Beklagte ist hinsichtlich der Bestattungskosten örtlich zuständiger Träger der Sozialhilfe gemäß § 98 Abs 3 SGB XII. Danach ist der Träger örtlich zuständig, der bis zum Tod einer leistungsberechtigten Person Sozialhilfe leistete, in anderen Fällen der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich der Sterbeort liegt. Der Verstorbene hat nach Aktenlage bis zuletzt von der Beklagten Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII bezogen, was deren Zuständigkeit begründet.

Der Anspruch auf Kostenübernahme scheitert daran, dass es dem Kläger zugemutet werden kann, die aus dem Nachlass nicht gedeckten Kosten der Bestattung aus eigenem Einkommen zu tragen. Auch wenn der Anspruch auf Kostenübernahme nicht zwingend an die Bedürftigkeit des Anspruchsinhabers (des zur Bestattung Verpflichteten) knüpft, sondern die Unzumutbarkeit als eigenständige Leistungsvoraussetzung verwendet, kommt den wirtschaftlichen Verhältnissen des Verpflichteten im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit eine besondere Bedeutung zu. Dies ergibt sich aus § 2 Abs 1 i.V.m. § 19 Abs 3 SGB XII, wonach die Hilfen in anderen Lebenslagen nach dem Neunten Kapitel (§§ 70 bis 74 SGB XII) nur geleistet werden, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des 11. Kapitels des SGB XII nicht zugemutet werden kann. Daher ist, soweit der Einsatz von Einkommen betroffen ist, vorrangig auf die Einkommensgrenze von § 85 SGB XII abzustellen (vgl dazu: BSG aaO, [...], Rdz 17 mwN).

Nach § 85 Abs 1 SGB XII (hier in der bei Fälligkeit der Bestattungskosten noch anzuwendenden, bis 31. Dezember 2011 geltenden Fassung) ist der nachfragenden Person und ihrem nicht getrennt lebenden Ehegatten die Aufbringung der Mittel nicht zuzumuten, wenn eine Einkommensgrenze nicht überschritten wird, die sich ua ergibt aus einem Grundbetrag in Höhe des zweifachen Eckregelsatzes, den Kosten der Unterkunft sowie einem Familienzuschlag in Höhe des auf volle Euro aufgerundeten Betrages von 70 vom Hundert des Eckregelsatzes für den nicht getrennt lebenden Ehegatten. Dementsprechend ist die von der Beklagten im Widerspruchsbescheid ermittelte Einkommensgrenze von 1.134,00 EUR nicht zu beanstanden, zumal sich unter Berücksichtigung des maßgebenden Eckregelsatzes von 359 EUR sogar eine (zu Ungunsten des Klägers) niedrigere Einkommensgrenze iHv 1.121,00 EUR ergeben würde (zweifacher Eckregelsatz 718,00 EUR, Familienzuschlag 252,00 EUR, nachgewiesene Kosten der Unterkunft 151,00 EUR). Weitere zu berücksichtigende Kosten der Unterkunft sind nicht ersichtlich, da Zahlungen für Wohngeld und zur Tilgung von Krediten bzw Bauspardarlehen sozialhilferechtlich nicht zu berücksichtigen sind, da es sich insoweit um Zahlungen handelt, die in das Vermögen des Leistungsberechtigten fließen (Gutzler in: jurisPK-SGB XII, § 85 SGB XII Rz 33 mwN). Entsprechendes gilt für Heizkosten, die nach der klaren gesetzlichen Regelung bei der Einkommensgrenze nach § 85 Abs 1 SGB XII nicht in Ansatz gebracht werden können (Lücking in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 85 Rn 17, Stand: Dezember 2005; Schellhorn in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18 Aufl 2006, § 85 Rn 22). Andere mit der Unterkunft zusammenhängende Kosten werden vom Kläger hingegen nicht vorgetragen und auch nicht belegt.

Aus den Angaben des Klägers ergibt sich ein monatliches Gesamteinkommen für ihn und seine Ehefrau iHv 3.348,49 EUR, das sich aus seinem Ruhegehalt (2.333,45 EUR netto) und dem Krankenversicherungszuschuss (189,39 EUR) sowie dem Renteneinkommen seiner Ehefrau (825,65 EUR) zusammensetzt. Hiervon abzuziehen sind nachgewiesene Versicherungsbeiträge iHv 408,72 EUR, so dass sich das bereinigte Einkommen auf 2.939,77 EUR beläuft. Abzustellen ist - wie in den angefochtenen Bescheiden auch zutreffend erkannt - auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers und seiner lebenden Ehefrau, da es sozialhilferechtlich auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Leistungsberechtigten und des nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern ankommt, §§ 19 Abs 3, 85 Abs 1 SGB XII.

Auch wenn das einzusetzende Einkommen die maßgebende Einkommensgrenze um 1.805,77 EUR monatlich überschreitet, rechtfertigt dies allein noch nicht zwingend den Einsatz des die Einkommensgrenze überschießenden Teils des Einkommens. Bei der Prüfung, ob und ggf in welcher Höhe ein Einsatz angemessen ist, sind insbesondere die Art des Bedarfs, die Art oder Schwere der Behinderung oder der Pflegebedürftigkeit, die Dauer und Höhe der erforderlichen Aufwendungen sowie besondere Belastungen der nachfragenden Person und ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen - vorliegend also des Klägers und seiner Ehefrau - zu berücksichtigen, § 87 Abs 1 Satz 2 SGB XII. Derartige Umstände, welche den Einsatz des die Einkommensgrenze überschießenden Teils ganz oder teilweise ausschließen könnten, sind vorliegend jedoch nicht ersichtlich. Besondere wirtschaftliche oder persönliche Belastungen, welche den Kläger in der Verfügbarkeit seines Einkommens wesentlich einschränken, sind nicht ersichtlich und werden von ihm auch nicht benannt. Der von ihm angegebene Selbstbedarf iHv 1.250,00 EUR für sich bzw iHv 427,10 EUR für seine Ehefrau ist - ohne dass nähere Ausführungen zur Notwendigkeit und zur Höhe dieses Bedarfs gemacht werden - nicht nachvollziehbar und findet im Gesetz keine Grundlage; er kann schon deswegen nicht berücksichtigt werden. Zudem mag es zutreffen, dass der Kläger nur wenig Kontakt zu seinem Bruder hatte und er für Kosten der Unterbringung der Mutter im Seniorenheim aufgekommen ist, zumal der verstorbene Bruder hierzu nicht in der Lage war. Dies schließt aber weder einen Einkommenseinsatz des Klägers generell aus noch ergeben sich daraus derart zerrüttete Familienverhältnisse, welche im Ausnahmefall ggf zur Annahme einer Unzumutbarkeit führen könnten.

Vorliegend kann dahinstehen, ob -wie von der Beklagten angenommen - in entsprechender Anwendung von § 87 Abs 3 SGB XII die Berücksichtigung des Einkommens von bis zu drei Monaten in Betracht kommt (ebenso: Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand: April 2010, § 74 Rz 12 mwN; ablehnend: Schellhorn aaO § 74 Rz 12). Da nach Einsatz des Nachlasses die verbleibenden Bestattungsrestkosten deutlich hinter dem die Einkommensgrenze übersteigenden Betrag für einen Monat zurückbleiben, kann die vollständige Übernahme der restlichen Bestattungskosten dem Kläger im Ergebnis durchaus zugemutet werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.