Sozialgericht Stade
Urt. v. 10.05.2012, Az.: S 30 R 355/11
freie Träger der Jugendhilfe; Jugendhilfe; Selbständigkeit; Sozialversicherungspflicht; Statusfeststellungsverfahren
Bibliographie
- Gericht
- SG Stade
- Datum
- 10.05.2012
- Aktenzeichen
- S 30 R 355/11
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2012, 44305
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 1 SGB 6
- § 20 SGB 11
- § 25 SGB 3
- § 29 SGB 8
- § 5 SGB 5
- § 7 SGB 4
- § 79 SGB 8
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Ein Familien- und Jugendbetreuer ist bei einen freien Träger der Jugendhilfe abhängig beschäftigt, auch wenn er ein eigenes Gewerbe angemeldet hat und mit dem freien Träger einen Kooperationsvertrag wie ein Selbständiger geschlossen hat, wenn er gegenüber dem Jugendamt nur über den anerkannten Träger abrechnen kann.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger zu 1. trägt die Kosten des Verfahrens. Kosten des Klägers zu 2. sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten über den sozialversicherungsrechtlichen Status des Klägers zu 2. zwischen Oktober 2008 und Dezember 2010.
Der Kläger zu 1. ist Fachkraft für Familientherapie und Diplom-Sozialpädagoge und unter der Firma „Lebensweltorientierter Familienkrisendienst“ im Bereich der ambulanten Betreuungsarbeit in Kooperation mit den zuständigen staatlichen Trägern der Jugendhilfe tätig. Die Zusammenarbeit mit den staatlichen Behörden erfolgt auf Grundlage einer Leistungsvereinbarung auf Grundlage des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII). Zur Wahrnehmung seiner Aufgaben beschäftigt der Kläger zu 1. mehrere Angestellte im Rahmen abhängiger Beschäftigungsverhältnisse. Diese Angestellten bezogen bis 2010 Festgehälter. Danach erfolgte eine Umstellung auf eine lohn- und umsatzabhängige Bezahlung. Seit dem 01. Januar 2011 ist auch der Kläger zu 2. als abhängig Beschäftigter beim Kläger zu 1. angestellt.
Der Kläger zu 2. ist gelernter Erzieher, Sozialpädagoge und Familientherapeut sowie Fachkraft für die Arbeit mit Kindergruppen und Einzelförderung. Im Jahre 2008 arbeitete er für eine Einrichtung zur stationären Unterbringung Jugendlicher, für die er drei Jugendliche im Außenbereich betreute.
Am 15. September 2008 meldete der Kläger zu 2. bei der Gemeinde I. zum 01. Oktober 2008 ein Gewerbe an. Die angemeldete Tätigkeit beschrieb er darin als „Tätigkeit als sozialpädagogische Fachkraft in der Familienhilfe im Rahmen des § 29 SGB VIII“ sowie „IT-Berater für Hard- und Softwareanwendungen“. Mit Bescheid vom 16. Oktober 2008 bewilligte die Agentur für Arbeit J. dem Kläger zu 2. einen Existenzgründungszuschuss von Oktober bis einschließlich Juni 2009.
Seit dem 01. Oktober 2008 ist der Kläger zu 2. für den Kläger zu 1. im Zusammenhang mit der Erfüllung ambulanter Familien-, Einzel- bzw Gruppenbetreuung im Rahmen der Jugendhilfeleistung nach den §§ 29, 30, 31 SGB VIII tätig. Am 10. September 2009 schlossen die Kläger untereinander diesbezüglich eine Vereinbarung, mit der die Regelungen des seit dem 01. Oktober 2008 bestehenden Auftragsverhältnisses nachträglich schriftlich fixiert werden sollten. Gemäß dieser Vereinbarung sollte der Kläger zu 2. selbstständig als Freiberufler und Erzieher/Sozialpädagoge Aufträge für den Familienkrisendienst des Klägers zu 1. übernehmen. Vereinbart wurde ein Honorar in Höhe von anfangs 28,00 EUR, ab September 2009 29,00 EUR unter monatlicher Abrechnung nach Stunden. Außerdem wurde vereinbart, dass der Kläger zu 2. seine Arbeitszeiten selbstständig in Abstimmung mit seinen Klienten regele, ebenso seine Urlaubszeiten (§§ 4 und 5 der Vereinbarung). Eine Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfalle sollte entfallen und eine eigenständige Versicherung abgeschlossen werden (§ 7 der Vereinbarung). Im Rahmen der Sorgfaltspflichten wurde in § 8 der Vereinbarung aufgenommen, dass alle die dienstliche Tätigkeit betreffenden Schriftstücke und Daten und Datenträger alleiniges Eigentum des Familienkrisendienstes seien. Im § 16 wurde vereinbart, dass dem „Arbeitnehmer“ ein nummerierter Hausschlüssel für die Räume des Familienkrisendienstes ausgehändigt werde und er mit diesem sowie den Fahrzeugen des Familienkrisendienstes sorgfältig umzugehen habe und diesbezügliche Pläne und Dienstanweisungen zu beachten habe.
Am 08. April 2010 stellte der Kläger zu 1. einen Antrag auf Statusfeststellung gemäß § 7a ff des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) bezüglich des Klägers zu 2. und reichte dazu das von beiden Klägern und unterzeichnete Formblatt mit den erforderlichen Angaben ein. Die Beklagte hörte daraufhin beide Kläger unabhängig voneinander zum Sachverhalt an und erließ unter dem 24. Januar 2011 zwei gleichlautende Bescheide gegenüber den Klägern, in denen sie feststellte, dass die Tätigkeit des Klägers zu 2. als sozialpädagogischer Kinder- und Familienhelfer beim Lebensweltorientierten Familienkrisendienst des Klägers zu 1. seit dem 01. Oktober 2008 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. Es bestehe Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Die Versicherungspflicht beginne am 01. Oktober 2008. Mit Schreiben vom 27. Januar 2011 legte der Kläger zu 1. gegen den ihm gegenüber ergangenen Bescheid Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 22. Februar 2011 legte auch der Kläger zu 2. gegen den gleichlautenden, ihm gegenüber ergangenen Bescheid Widerspruch ein. Beide Widersprüche wies die Beklagte jeweils mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juni 2011 als unbegründet zurück und blieb bei ihrer bisherigen Einstufung des Tätigkeitsverhältnisses. Am 22. Juli 2011 erhob der Kläger zu 1. Klage. Am 26. Juli 2011 erhob getrennt davon auch der Kläger zu 2. Klage, die zunächst unter dem Aktenzeichen S 31 R 366/11 geführt wurde. Das erkennende Gericht hat beide Verfahren mit Beschluss vom 14. Dezember 2011 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Die Kläger tragen vor, der Kläger zu 2. habe seine Tätigkeit für den Kläger zu 1. im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit ausgeübt. Er habe aus den Vorschlägen des Klägers zu 1. selbst auswählen können, welche Familien er betreute. Er habe keine Vorgabe zur Umsetzung des jeweiligen Hilfeplans bekommen und sei in der Zeiteinteilung frei gewesen. Es habe kein Anspruch auf Urlaubsgeld, Urlaub und Lohnfortzahlung bei Krankheit bestanden.
Der Kläger zu 1. trägt vor, ihm sei wichtig gewesen, dem Kläger zu 2. bei der Aufgabenwahrnehmung größtmögliche Freiheit zur Umsetzung der eigenen Vorstellungen und der eigenen Methoden zu lassen.
Die Kläger tragen vor, der Kläger zu 2. habe die von ihm zu betreuenden Familien eigenständig betreut und auch die erforderlichen Berichte gegenüber dem Jugendamt geschrieben. Diese seien unter dem Briefkopf des Familienkrisendienstes an die Behörde gegangen. Die Abrechnungen gegenüber den Behörden seien ebenfalls durch den Kläger zu 1. erfolgt, nachdem der Kläger zu 2. dem Kläger zu 1. den stundenmäßigen Umfang seiner Tätigkeiten mitgeteilt habe.
Der Kläger zu 2. teilt mit, er habe keine eigene Leistungsvereinbarung mit dem Jugendamt geschlossen. In Bezug auf die Festeinstellung ab Januar 2011 habe er den Schritt in die eigene Selbstständigkeit unter eigener Firma noch nicht gehen wollen, um zunächst für sich den eigenen Tätigkeitsbereich weiter zu klären. Im Bereich der Familienbetreuung sei er dabei, unabhängig vom Kläger zu 1. eine Selbstständigkeit aufzubauen.
Die Kläger beantragten übereinstimmend,
die Bescheide der Beklagten vom 24. Januar 2011 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 24. Juni 2011 aufzuheben und festzustellen, dass zwischen dem 01. Oktober 2008 und dem 31. Dezember 2010 der Kläger zu 2. nicht im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung für den Kläger zu 1. tätig war.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie weist darauf hin, dass im Rahmen der Jugendhilfe die Gesamtverantwortung letztlich beim öffentlichen Träger verbleibe. Die Kläger seien an Auftrag und Hilfeplan gebunden. Ein Unternehmerrisiko bestehe nicht. Nach Gesamtwürdigung aller zu beurteilenden der Tätigkeit relevanten Tatsachen überwögen die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis.
Zum Vorbringen der Beteiligten im Übrigen und zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie den Verwaltungsvorgang, der auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung am 10. Mai 2012 war, sowie auf die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung mit ausführlicher Vernehmung der beiden Kläger Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige und als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß §§ 54 Abs 1 Satz 1 Erste Alternative, 55 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Klage hat keinen Erfolg.
Die angegriffenen Bescheide über die Feststellung des versicherungsrechtlichen Status des Klägers zu 2. und seine Versicherungspflicht ab dem 01. Oktober 2008 bezüglich seiner Tätigkeit für den Kläger zu 1. erweisen sich als rechtmäßig und beschweren die Kläger daher nicht im Sinne des § 54 Abs 2 SGG. Zutreffend hat die Beklagte festgestellt, dass der Kläger zu 2. im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig war und Versicherungspflicht zur Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung bestand.
Die Versicherungspflicht des Klägers zu 2. in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung ergibt sich aus dem Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses im streitgegenständlichen Zeitraum (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 1 Nr 1 SGB VI, § 20 Abs 1 Nr 1 SGB XI, § 25 Abs 1 SGB III).
Gemäß § 7 Abs 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind demnach eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Eine Beschäftigung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (vgl BAG, Urteil vom 6. Mai 1989 - 5 AZR 347/97 -).
Demgegenüber ist derjenige selbständig erwerbstätig, bei dem objektive Merkmale fremdbestimmter Tätigkeit nach dem Gesamtbild der Verrichtungen fehlen. Die selbständige Tätigkeit wird vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Abzustellen ist dabei vor allem auf die tatsächliche Ausgestaltung und weniger auf die getroffenen Vereinbarungen (vgl Urteil des BSG v 17. Mai 2001 - B 12 KR 34/00 R -).
In einer Entscheidung vom 28. Januar 1999 (BSGE 83 S. 246 ff. [BSG 28.01.1999 - B 3 KR 2/98 R]) hat das BSG außerdem betont, dass ein Arbeitsverhältnis (nur) dann anzunehmen sei, wenn die betroffenen Personen innerhalb eines bestimmten zeitlichen Rahmens ihre Arbeitsleistung verfügbar halten müssten. Selbständig Erwerbstätige unterscheiden sich von den Beschäftigten insbesondere dadurch, dass sie ein unternehmerisches Risiko tragen, indem sie eigenes Kapital mit der Gefahr des Verlustes einsetzen und der Erfolg des Einsatzes ihrer Kapitalien oder sonstiger sächlicher oder persönlicher Mittel ungewiss ist (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 13). Als weiteres Indiz für die Bewertung einer Tätigkeit kommt in Betracht, ob in dem jeweiligen Tätigkeitsbereich ein Beschäftigungsverhältnis oder der Abschluss eines Vertrages über eine selbständige Dienstleistung allgemein üblich und sachlich berechtigt ist (BSG SozR 2200 § 165 Nr 36).
Nach Überzeugung des erkennenden Gerichts im Ergebnis der Befragung der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung sowie unter Berücksichtigung der vorliegenden Unterlagen überwiegen die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung des Klägers zu 2. beim Kläger zu 1. gegenüber den Merkmalen für eine Selbstständigkeit des Klägers zu 2.
Es ist dabei grundsätzlich zu beachten, dass der Bereich der Jugend- und Familienbetreuung im Rahmen der Jugendhilfe nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) von Besonderheiten geprägt ist. Da eine reine Dienstleistung in Form der Betreuung und Begleitung von Menschen gefordert und erbracht wird, kommt klassischen Merkmalen der Selbständigkeit, nämlich Kapitaleinsatz mit Verlustrisiko und Ungewissheit des Erfolgs, keine unmittelbare Bedeutung zu, ebensowenig eigenen Betriebsstätten und dem Einsatz von Produktionsmitteln, denn die Vergütung richtet sich nach dem zuvor den betroffenen Familien oder Jugendlichen bewilligten Leistungsumfang und ist für den Ausführungen als sicher zu erwarten. Eine weitere Besonderheit ist, dass die staatlichen Behörden im Rahmen ihrer Aufgabenwahrnehmung wegen § 79 Abs 1 SGB VIII immer letztverantwortlich bleiben, auch wenn sie sich freier Träger der Jugendhilfe bedienen. Dies schließt eine Selbständigkeit privater Träger nicht aus, führt aber zu eine relativen Unfreiheit in der Aufgabenwahrnehmung aufgrund von einzuhaltenden Hilfeplänen und Berichtspflichten (vgl LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22. September 2010 - L 9 KR 232/07 -, Rn 23, veröffentlicht bei juris.de).
Der staatliche Träger der Jugendhilfe kann seine Leistungen durch eigene Mitarbeiter erbringen, sich freier Träger bedienen oder aber auch auf freie Mitarbeiter zurückgreifen, wobei das SGB VIII keine expliziten Aussagen darüber trifft, in welchen arbeits- und sozialrechtlichen Verhältnissen diese freien Mitarbeiter stehen könnten (vgl BSB, Urteil vom 25. April 2012, zitiert nach Terminsbericht Nr 21/12). Mit freien Trägern werden Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen geschlossen. Die anerkannten freien Träger können sich zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen gegenüber dem Jugendamt fachlich geeigneter Mitarbeiter bedienen. Weitere Besonderheit ist, dass die konkrete Betreuung eines Jugendlichen oder einer Familie im Regelfall durch eine bestimmte Fachkraft erfolgt, zu der ein Vertrauensverhältnis aufgebaut werden kann. Da die einzelnen Kräfte sich durch ihre Persönlichkeit, ihre Fähigkeiten und Methoden unterscheiden, kann es vorkommen, dass seitens des Jugendamts in einem konkreten Fall eine bestimmte ihr bekannte Fachkraft für besonders geeignet gehalten und direkt angesprochen wird, diese dann aber nicht aufgrund einer eigenen Vereinbarung mit der Behörde tätig wird, sondern mit einem bereits anerkannten Träger kooperiert oder unter dessen Firma tätig wird.
Vor diesem Hintergrund spricht zwar auf den ersten Blick für eine selbstständige Tätigkeit des Klägers zu 2., dass er im Rahmen seiner konkreten Betreuungstätigkeit und hinsichtlich seiner angewandten Methoden und Zeiteinteilung frei war und nur durch die gesetzlichen Vorgaben bezüglich der Berichtspflicht gegenüber dem Jugendamt und den Vorgaben des Hilfeplans eingeschränkt war. Auf den zweiten Blick ist diese Freiheit in der Aufgabenwahrnehmung den Besonderheiten der Branche geschuldet und ersetzt nicht das Erfordernis einer staatlichen Anerkennung als Träger der Jugendhilfe und entsprechende Leistungs- und Kostenvereinbarungen.
Von den klassischen Merkmalen für eine abhängige Beschäftigung ist im Falle des Klägers zu 2. erfüllt, dass er gegenüber dem zuständigen staatlichen Träger der Jugendhilfe nicht unter eigenem Namen oder eigener Firma auftrat, sondern unter dem Briefkopf des Familienkrisendienstes des Klägers zu 1.. Auch rechnete allein der Kläger zu 1. gegenüber dem Jugendamt ab, dh auch in Bezug auf Leistungen des Klägers zu 2. In diesem Zusammenhang ist außerdem relevant, dass der Kläger zu 2. nur solche Fälle betreute, mit deren Betreuung der Kläger zu 1. im Rahmen seiner Leistungsvereinbarung mit dem Jugendamt verpflichtet war. Der Kläger zu 2. war damit im Aufgabenbereich des Klägers zu 1. tätig. Da er keine eigene Leistungsvereinbarung mit dem staatlichen Träger der Jugendhilfe abgeschlossen hatte und somit gar nicht selbst als freier Träger der Jugendhilfe tätig sein konnte, war es ihm unmöglich, seine konkrete Tätigkeit der Familienbetreuung im Sinne der §§ 29 ff SGB in Kooperation mit dem Jugendamt ohne den Kläger zu 1. auszuüben.
Zwar stellten die Kläger dar, dass das Jugendamt auch direkt an den Kläger zu 2. herantrat, wenn es Fälle gab, für die die Arbeitsmethode und Person des Klägers zu 2. passend erschien. Sie stellten aber auch dar, dass der Kläger zu 2. den Kläger zu 1. von solchen direkten Kontakten in Kenntnis setzte und ja auch über ihn gegenüber dem Jugendamt abrechnete. Wenn eine Eingliederung in den Betrieb des Klägers zu 1. nicht bestand, kann auch dies nicht als Argument für eine Selbständigkeit durchgreifen, denn aufgrund der Besonderheiten der Branche erscheint eine enge Einbindung weder möglich noch geboten.
Ein besonderes unternehmerisches Risiko lag ebenfalls nicht vor, denn der Kläger zu 2. konnte jeweils seine geleisteten Stunden abrechnen und durch die Abrechnung unter der Firma des Klägers zu 1. auch sicher sein, dass die vorgesehene Vergütung fließen würde, und zwar aufgrund der Kostenvereinbarung des Klägers zu 1. mit dem staatlichen Träger der Jugendhilfe. Auch den die Kläger im Innenverhältnis einen Stundensatz vereinbart hatten, trat nach außen nur der Kläger zu 1. auf.
Ein weiteres und aus Sicht des Gerichts sehr starkes Indiz gegen Annahme einer Selbstständigkeit des Klägers zu 2. ab Oktober 2008 bis Dezember 2010 ist außerdem der Umstand, dass der Kläger zu 2. zum Januar 2011 formell in ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis beim Kläger zu 1. wechselte und dies im Rahmen der mündlichen Verhandlung damit begründete, dass er sich erst noch darüber klar werden müsse, in welchem Bereich er eine eigene selbstständige Tätigkeit aufbauen wolle und unter den Bedingungen des Marktes überhaupt könne. Dies spricht sehr gegen eine vorherige Selbständigkeit, denn zu einen wäre nicht nachvollziehbar, warum der Kläger zu 2. zum Januar 2011 seine Selbständigkeit dann auf einmal hätte aufgeben sollen. Zum anderen spricht die vom Kläger zu 2. gegebene Begründung für die Aufnahme der abhängigen Beschäftigung ab Januar 2011 dafür, dass zuvor gerade noch keine echte Selbständigkeit bestanden hatte, denn ansonsten wäre nicht erforderlich gewesen, sich zunächst darüber klar werden zu müssen, ob und in welchem Betätigungsfeld eine Selbständigkeit aufgebaut werden könnte.
Die Kostenentscheidung beruht bezüglich des Klägers zu 1. auf § 197a SGG und bezüglich des Klägers zu 2. auf § 193 SGG. Denn der Kläger zu 2. gehört zum Kreis der Kostenprivilegierten gemäß § 183 SGG, der Kläger zu 1. jedoch nicht (vgl Leitherer in: Meyer-Ladewig u.a., SGG, 10. Aufl 2012, § 183, Rn 5). Würde es sich um eine subjektive Klagehäufung bei einheitlichem Streitgegenstand handeln, wären beide Kläger kostenprivilegiert. Bei auch objektiver Klagehäufung, dh wenn beide Verfahren auch getrennt werden könnten, muss hingegen eine getrennte Kostenentscheidung ergehen (vgl LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30. März 2012 - L 4 R 2043/10 - Rn 41, veröffentlicht bei juris.de). Vorliegend handelte es sich ursprünglich um zwei getrennte Klageverfahren des Klägers zu 1. als Arbeitgeber und des Klägers zu 2. als mutmaßlicher Arbeitnehmer bzw Versicherter, die erst durch das Gericht zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden wurden, sodass eine getrennte Kostenentscheidung erforderlich war.