Sozialgericht Stade
Urt. v. 10.05.2012, Az.: S 30 R 384/11
Vorliegen nichtselbstständiger Arbeit als Voraussetzung für die Bejahung eines abhängigen und sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses; Eigenes Unternehmerrisiko und das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte als mögliche Indizien für die Bewertung einer Tätigkeit als selbstständig
Bibliographie
- Gericht
- SG Stade
- Datum
- 10.05.2012
- Aktenzeichen
- S 30 R 384/11
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2012, 21938
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGSTADE:2012:0510.S30R384.11.0A
Rechtsgrundlage
- § 7 Abs. 1 SGB IV
Fundstelle
- BauR 2012, 1839
Redaktioneller Leitsatz
1.
Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist eine persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber gegeben, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt.
2.
Eine selbständige Tätigkeit liegt bei demjenigen vor, bei dem objektive Merkmale fremdbestimmter Tätigkeit nach dem Gesamtbild der Verrichtungen fehlen.
In dem Rechtsstreit
Firma A. ,
Klägerin,
Proz.-Bev.: Rechtsanwälte B. ,
gegen
Deutsche Rentenversicherung Bund vertreten durch das Direktorium, Ruhrstraße 2, 10709 Berlin,
Beklagte,
hat die 30. Kammer des Sozialgerichts Stade auf die mündliche Verhandlung vom 10. Mai 2012 durch den Vorsitzenden, Richter am Sozialgericht Dr. C. sowie die ehrenamtlichen Richter D. und E. ,
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob der Schweißer Herr S. im Jahr 2010 bei der Klägerin in einem abhängigen und sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stand oder nicht.
Die Klägerin, eine GmbH, ist Produktions- und Dienstleistungsbetrieb für Reparatur und Neubau im Bereich Anlagenbau, Rohrleistungsbau und Stahlbau für Industrie und Schifffahrt. Unter anderem werden Entöler und Kläranlagen für Schiffe hergestellt. Die Kläranlagen werden für einen Kunden gefertigt, der die Patentrechte hält und die Anlagen selbst vertreibt. Die Belegschaft der Klägerin umfasst nach Angaben der Klägerin derzeit neun Produktivkräfte, darunter auch Fachkräfte, die selbst Kläranlagen zusammenbauen können. Der Herr S. ist polnischer Staatsbürger und Schweißer.
Am 04. Januar 2010 schlossen die Klägerin und der Herr S. einen Werkvertrag, für den eine Laufzeit vom 04. Januar 2010 bis zum 31. Dezember 2011 vereinbart wurde. Gegenstand des Vertrags war die Erbringung von werkvertraglichen Leistungen durch den Auftragnehmer Herrn S., wobei die Leistungen in einem gesonderten Anhang definiert wurden. In § 3 Abs 1 des Vertrags wurde aufgenommen, dass der Herr S. seine Arbeitszeit für den Auftraggeber nach freiem, aber pflichtgemäßem Ermessen gestalte. Gem § 4 Abs 3 sollte der Auftragnehmer verpflichtet sein, sich bei der Leistungserbringung an den Rahmen der vom Auftraggeber festgelegten und genehmigten Kostenvorgaben zu halten. Zur Vergütung war in § 6 Abs 1 des Vertrags vereinbart, dass der Auftragnehmer (im Text wohl irrtümlich: Auftraggeber) für die Erbringung der beschriebenen Leistungen eine pauschale Festvergütung zzgl Umsatzsteuer für das Werk erhalte. Die Abrechnung sollte mit Rechnung nach Fertigstellung des Werks erfolgen. Nach Abs 2 sollten Spesen und Reisekosten nach Aufwand gegen Beleg abgerechnet werden. Gem § 7 Abs 1 sollte die Rechnungslegung nach Abnahme der Leistung durch den Auftraggeber erfolgen und die Zahlung innerhalb von 14 Tagen nach Rechnungseingang erfolgen. Zur Gewährleistung regelte § 9 Abs 1, dass der Auftraggeber in bestimmter Form und Frist zunächst nur eine Nachbesserung verlangen konnte, sofern das vom Auftragnehmer gelieferte Material mangelhaft sei. In Abs 2 war geregelt, dass der Auftraggeber nur das Honorar und die Kosten des beigestellten Materials einfordern könne, soweit eine Nachbesserung nicht möglich oder kostenmäßig unverhältnismäßig sei, weitergehende Schadensersatzansprüche waren ausdrücklich ausgeschlossen. Im Anhang zum Werkvertrag waren bzgl Leistungsumfang und Vergütung verschiedene Kläranlagen nach Modellen aufgeführt und die jeweiligen Nettopreise für die Erstellung einer Kläranlage niedergelegt. Aus Leistungen wurden einerseits der Zusammenbau bestimmter Kläranlagen und andererseits die Außenbeschichtung derselben Kläranlage genannt. Zum Leistungsumfang hinzu kamen außerdem Hilfsarbeiten in der Halle, die mit einem Stundenlohn von 16,00 EUR netto vergütet sein sollten.
Der Herr S. nahm die Arbeit im Januar vertragsgemäß auf, stellte der Klägerin jedoch -abweichend von der Regelung in der Vereinbarung - jeweils zum Monatsende eine Rechnung über die im jeweiligen Monat erbrachten Leistungen, wodurch auch erst halb fertiggestellte Anlagen abgerechnet wurden. Gemäß der Rechnung vom 31. Januar 2010 hatte er im Januar zwei Kläranlagen des Typs WWT3 zum Einzelpreis von 300,00 EUR gebaut und 5,75 Stunden Hilfsarbeiten in der Halle geleistet. Die Rechnung führte außerdem den Bau eines Wasserauffangbehälters und eines Hochregals zum Preis von 874,00 EUR bzw 675,00 EUR netto auf. Der Gesamtbetrag der Rechnung inkl Umsatzsteuer betrug 2.666,79 EUR. Mit Rechnung vom 28. Februar 2010 stellte der Herr S. der Klägerin die Kosten für den Bau von 2 1/2 Kläranlagen des Typs WWT3, einer halben Anlage des Typs WWT4 sowie weitere Arbeiten an Kläranlagen in Rechnung, da neben dem Bau eines Palettenregals für 130,00 EUR und 15,5 Stunden Hilfsarbeiten in der Halle. Die Rechnung belief sich inkl Umsatzsteuer auf insgesamt 2.561,48 EUR. Mit Rechnung vom 31. März 2010 rechnete der Herr S. den Bau verschiedener Kläranlagen im betreffenden Monat, darunter auch wieder nur halb abgerechnete Anlagen, zu einem Preis inkl Umsatzsteuer von 3.305,23 EUR in Rechnung.
Am 05. Mai 2010 stellte die Klägerin zusammen mit dem Herrn S. einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Herrn S. Die Beklagte führte daraufhin bei beiden Betroffenen schriftliche Anfragen durch und erließ schließlich unter dem 18. Oktober 2010 zwei gleichlautende Bescheide an die Klägerin und den Herr S.. Darin teilte sie darin mit, dass die Prüfung des versicherungsrechtlichen Status ergeben habe, dass die Tätigkeit des Herrn S. als Montierer und Schweißer bei der Klägerin seit 04. Januar 2010 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. In dem Beschäftigungsverhältnis bestehe Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Die Versicherungspflicht beginne am 04. Januar 2010. Mit Schreiben vom 09. November 2010 legte die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 18. Oktober 2010 ein, mit Schreiben vom 30. November 2010 auch der Herr S.. Beide wurden durch denselben Rechtsanwalt vertreten. Mit gleichlautenden Widerspruchsbescheiden vom 05. Juli 2011 wies die Beklagte beide Widersprüche als unbegründet zurück. Am 08. August 2011 hat nur die Klägerin Klage erhoben.
Eine Klage des Herrn S. ging nicht ein. Eine Beiladung zum Klageverfahren durch das Gericht konnte nicht erfolgen, da eine ladungsfähige Anschrift des Herrn S. nicht ermittelbar war.
Die Klägerin trägt zur Begründung der Klage vor, sie habe seit Dezember 2010 keinen Kontakt mehr zum Herrn S.. Zwischen Januar und Dezember 2010 habe entgegen der Auffassung der Beklagten kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis mit Versicherungspflicht bestanden. Die Vergütung sei ausgehandelt und vorkalkuliert worden. Den Herrn S. habe aufgrund des Nachbesserungsrechts der Klägerin auch ein wirtschaftliches Risiko getroffen. Er sei bei der Ausführung seiner Tätigkeit nicht weisungsgebunden gewesen. Sie habe dem Kläger die Materialien und auch Arbeitsgeräte zur Erstellung der Kläranlagen zur Verfügung gestellt, ebenso einen Platz in der Montagehalle einschließlich eines Krans. Der Herr S. habe jedoch auch eigene Geräte und Schutzkleidung genutzt und sei auch nicht verpflichtet gewesen, innerhalb der Halle der Klägerin das Werk zu erstellen. Dies sei jedoch wirtschaftlicher gewesen als ein Transport der Materialien und der fertigen Anlagen. Die Nähe am Betriebssitz sei deshalb nicht ausschlaggebend gewesen. Die Leistungen, die der Herr S. abgerechnet habe, die jedoch nicht im Leistungsumfang des Werkvertrags erfasst waren, seien auf gesonderte Vereinbarung nach Bedarf und Kapazitäten erstellt worden. Diese weiteren Arbeiten sowie auch die Hilfsarbeiten in der Halle seien beim Herrn S. in Auftrag gegeben worden, um diesen im Betrieb zu halten und auf seine Arbeitskraft zugreifen zu können, auch wenn der Kunde keine oder nur wenige Kläranlagen in Auftrag gegeben habe. Es habe keine Eingliederung in die Arbeitsorganisation und auch kein Weisungsrecht bestanden. Der Zusammenbau einer Kläranlage dauere je nach Typ zwei Tage bis zu einer Woche. Ihr sei nicht bekannt, ob der Herr S. zeitgleich bei anderen Firmen tätig war. Es sei auch nicht bekannt, ob er noch weitere Mitarbeiter hatte oder nicht.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 18. Oktober 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05. Juli 2010 aufzuheben und festzustellen, dass der Herr Stellmach im Zeitraum ab 4. Januar 2010 nicht im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung bei der Klägerin tätig war.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, es überwögen die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung gegenüber denen einer selbstständigen Tätigkeit. So habe die Tätigkeit des Herrn S. ausschließlich am Betriebssitz der Klägerin stattgefunden, die auch kostenlos Arbeitsmaterial wie ein spezielles Schweißgerät zur Verfügung gestellt habe. Der Herr S. sei in die Arbeitsorganisation eingegliedert gewesen und habe einem Weisungsrecht der Klägerin in Bezug auf Ort, Art und Weise der Tätigkeit unterlegen. Eine freie Zeitdisposition habe nicht bestanden, da Liefertermine und Kostenrahmen hätten eingehalten werden müssen. Der Herr S. habe kein eigenes unternehmerisches Risiko getragen.
Zum Vorbringen der Beteiligten im Übrigen und zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte, den Verwaltungsvorgang der Beklagten, der auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 10. Mai 2012 war, sowie auf die Sitzungsniederschrift der Verhandlung mit ausführlicher Vernehmung der Klägerin Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige und als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gem §§ 54 Abs 1 Satz 1, 55 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Klage hat keinen Erfolg.
Die angegriffene Entscheidung der Beklagten über die Statusfeststellung des Herrn S. bzgl seiner Tätigkeit bei der Klägerin ab Januar 2010 und die Feststellung der Versicherungspflicht ab dem 04. Januar 2010 erweisen sich als rechtmäßig und beschweren die Klägerin daher nicht iSd § 54 Abs 2 SGG. Zu Recht hat die Beklagte festgestellt, dass der Herr S. im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung bei der Klägerin tätig war und Versicherungspflicht zur Sozialversicherung bestand.
Die Versicherungspflicht des Herrn S. in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung ergibt sich aus dem Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses im streitgegenständlichen Zeitraum (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 1 Nr 1 SGB VI, § 20 Abs 1 Nr 1 SGB XI, § 25 Abs 1 SGB III).
Gemäß § 7 Abs 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind demnach eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Eine Beschäftigung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (vgl BAG, Urteil vom 6. Mai 1989 - 5 AZR 347/97 -).
Demgegenüber ist derjenige selbständig erwerbstätig, bei dem objektive Merkmale fremdbestimmter Tätigkeit nach dem Gesamtbild der Verrichtungen fehlen. Die selbständige Tätigkeit wird vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Abzustellen ist dabei vor allem auf die tatsächliche Ausgestaltung und weniger auf die getroffenen Vereinbarungen (vgl Urteil des BSG v 17. Mai 2001 - B 12 KR 34/00 R -).
In einer Entscheidung vom 28. Januar 1999 (BSGE 83 S. 246 ff.) hat das BSG außerdem betont, dass ein Arbeitsverhältnis (nur) dann anzunehmen sei, wenn die betroffenen Personen innerhalb eines bestimmten zeitlichen Rahmens ihre Arbeitsleistung verfügbar halten müssten. Selbständig Erwerbstätige unterscheiden sich von den Beschäftigten insbesondere dadurch, dass sie ein unternehmerisches Risiko tragen, indem sie eigenes Kapital mit der Gefahr des Verlustes einsetzen und der Erfolg des Einsatzes ihrer Kapitalien oder sonstiger sächlicher oder persönlicher Mittel ungewiss ist (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 13). Als weiteres Indiz für die Bewertung einer Tätigkeit kommt in Betracht, ob in dem jeweiligen Tätigkeitsbereich ein Beschäftigungsverhältnis oder der Abschluss eines Vertrages über eine selbständige Dienstleistung allgemein üblich und sachlich berechtigt ist (BSG SozR 2200 § 165 Nr 36).
Nach diesen Maßgaben war der Herr S. im Rahmen seiner Tätigkeit als Montierer und Schweißer bei der Klägerin entgegen der Darstellung der Klägerin und trotz des Werkvertrags vom 04. Januar 2010 bei der Klägerin abhängig beschäftigt und nicht als Selbstständiger tätig und unterlag damit auch der Sozialversicherungspflicht. Nach Überzeugung des erkennenden Gerichts überwiegen die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung gegenüber den auch vorhandenen Hinweisen auf eine Selbständigkeit. Der Herr S. hatte keine eigene Betriebsstätte, arbeite ohne relevantes wirtschaftliches Risiko und war in den Produktionsprozess der Klägerin dienend eingebunden. Im Einzelnen.
Es gibt keinen Hinweis auf eine eigene Betriebsstätte des Herrn S., vielmehr wurde er ausschließlich in der Werkshalle der Klägerin tätig.
Nach den Feststellungen der Kammer war Herr S. in die Arbeitsabläufe im Betrieb der Klägerin eingebunden, in dem er einen Abschnitt im Rahmen der Herstellung der vereinbarten Anlagen übernahm und sowohl davor als auch danach der Produktionsprozess von der Klägerin geführt wurde. So wurde zunächst das zu verarbeitende Material im Betrieb der Klägerin aufgearbeitet und bereitgestellt. Der Herr S. setzte das Material zur Kläranlage zusammen, und zwar in der Werkshalle der Klägerin unter Zuhilfenahme dortiger Geräte wie den Kran. Die Klägerin stellte ihm ein Spezialschweißgerät zur Verfügung. Die fertig zusammengeschweißten Kläranlagen wurden dann im Betrieb der Klägerin in Bezug auf Lackierung und Elektrik weiter verarbeitet. Der Herr S. nahm damit einen Abschnitt des Produktionsprozesses einer solchen Kläranlage vor. Die Anlagen wurden bei der Klägerin von Anfang an bis zum Ende hergestellt. Der Herr S. war in den Betriebsablauf eingebunden, da ohne seinen Arbeitsschritt die Produktion der Kläranlagen nicht durchgeführt werden konnte. Zwar kann eine Tätigkeit innerhalb eines Produktionsbetriebs grundsätzlich auch durch einen selbstständigen Subunternehmer durchgeführt werden. Als einfacher Schweißer, der offenbar keine besonderen Zusatzqualifikationen aufweisen konnte, die Grundlage eines eigenen Betriebs bei einer Selbstständigkeit bilden könnte, war der Herr S. jedoch im laufenden Produktionsprozess der hier in Frage stehenden Kläranlagen dienend tätig und konnte keine eigenen (unternehmerischen) Entscheidungen treffen, die über die Entscheidungen anderer Arbeitnehmer hinausgingen.
Den Herrn S. traf auch kein nennenswertes wirtschaftliches Risiko, wie es für einen Selbstständigen typisch wäre. Er brachte keine nennenswerten eigenen Betriebsmittel ein. Zwar wies die Klägerin darauf hin, dass der Herr S. eigene Schutzausrüstung und auch eigenes Werkzeug mitbrachte. Dies fällt nach dem Dafürhalten des Gerichts jedoch nicht ins Gewicht. Ein tatsächliches Risiko traf ihn nicht. Der Werkvertrag vom 04. Januar 2010 sah in § 9 zur Gewährleistung vor, dass die Klägerin Nachbesserung verlangen konnte, wenn die Arbeit des Herrn S. mangelhaft war. Der Herr S. war ansonsten jedoch keinerlei finanziellen Verpflichtungen ausgesetzt, denn Abs 2 sah vor, dass der Auftraggeber, also die Klägerin, allenfalls das Honorar und die Kosten des beigestellten Materials einfordern konnte, wenn eine Nachbesserung nicht möglich oder kostenmäßig unverhältnismäßig gewesen wäre. Weitergehende Schadensersatzansprüche wurden ausdrücklich ausgeschlossen. Der Herr S. haftete damit allein mit der Bezahlung seiner eingesetzten Arbeitskraft und dem Materialwert der zu verschweißenden Bleche. Wesentliche Kostenforderungen aufgrund mangelhafter Arbeit, insbesondere denkbare Konventionalstrafen, die die Klägerin treffen können, wenn sie ihre Verpflichtung gegenüber dem Kunden in Bezug auf die fristgerechte und qualitätsgerechte Erstellung der bestellten Kläranlagen befürchten muss, blieben für ihn irrelevant.
Auffällig war im Übrigen, dass der Werkvertrag vom 04. Januar 2010 zwischen den Vertragsparteien gar nicht vereinbarungsgemäß durchgeführt wurde. Denn vereinbart war eine Abrechnung nach Werk. Stattdessen stellte der Herr S. monatliche Rechnungen aus, die auch unfertige Kläranlagen beinhalteten (Abrechnung von 0,5 Anlagen), und bekam sie auch bezahlt. Außerdem stellte er offensichtlich Produkte her, die gar nicht im Werkvertrag vereinbart waren, so zB Regale und Paletten. Darüber hinaus wurde er offenbar monatlich auch für Hilfsarbeiten in der Halle der Klägerin eingesetzt. Diese drei Aspekte erscheinen für einen Selbstständigen eher ungewöhnlich. Für das Gericht ist der Eindruck entstanden, dass die zusätzlichen, über den vereinbarten Zusammenbau und die Beschichtung von Kläranlagen hinausgehenden Arbeiten sowie die Hilfsarbeiten in der Halle vor allem dazu dienten, einen relevanten Beschäftigungsumfang sicherzustellen. Denn die Berechnungen der Monate ab Januar 2010 bis zum Verschwinden des Herrn S. im Dezember 2010 weisen regelmäßig eine Vergütung von rund 3.000,00 EUR brutto monatlich, schwankend um ein paar 100,00 EUR nach oben oder unten, aus. Abrechnung und Bezahlung waren damit von jedem konkreten Werk abgelöst, sondern richteten sich offensichtlich allein nach der Zeit, wobei die Zeit der Tätigkeit mit anderen Tätigkeiten aufgefüllt und zu einem relevanten Umfang geführt wurde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193, 197a SGG. Die Klägerin gehört nicht zum Kreis der Kostenprivilegierten des§ 183 SGG.