Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 01.06.2010, Az.: 14 UF 45/10
Zulässigkeit einer Beschwerde gegen isolierte Kostenentscheidungen in Ehe- und Familiensachen; Erreichen eines festgesetzten Beschwerdewerts i.H.v. 600 Euro als Voraussetzung für die Anfechtung von Kostenentscheidungen
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 01.06.2010
- Aktenzeichen
- 14 UF 45/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 17682
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:2010:0601.14UF45.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Jever - 08.02.2010 - AZ: 3 F 447/09
Rechtsgrundlagen
- § 38 Abs. 1 FamFG
- § 58 Abs. 1 FamFG
- § 113 Abs. 1 FamFG
Fundstellen
- AGS 2011, 97-99
- FF 2010, 508
- FK 2010, 191-192
- FamRZ 2010, 1831-1832
- FuR 2010, 531-532
- NJW 2010, 2815-2816
Amtlicher Leitsatz
1. Isolierte Kostenentscheidungen in Ehe- und Familiensachen sind Endentscheidungen iSd. §§ 38 Abs. 1, 58 Abs. 1 FamFG.
2. Statthaftes Rechtsmittel gegen alle Endentscheidungen ist die Beschwerde nach § 58 FamFG. Dies gilt auch für die Anfechtung isolierter Kostenentscheidungen.
3. Auch bei der Anfechtung von Kostenentscheidungen ist muss der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigen.
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Jever vom 08. Februar 2010 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Beschwerdewert: bis zu 600 Euro.
Gründe
Die Antragsgegnerin ist die Mutter des Antragstellers. Nachdem die elterliche Sorge allein auf seinen Vater übertragen worden war, begehrte der Antragsteller Auskunft über die Höhe des Einkommens und stellte am 07. Januar 2010 beim Familiengericht einen entsprechenden Antrag. Nachdem die Antragsgegnerin anschließend außergerichtlich die begehrte Auskunft erteilt hatte, haben die Beteiligten das Verfahren in der Hauptsache mit gegenseitigen Kostenanträgen für erledigt erklärt.
Mit Beschluss vom 08 Februar 2010 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Jever dem Antragsteller gemäß § 91a ZPO die Kosten des Verfahrens auferlegt. Die Antragsgegnerin habe den Auskunftsanspruch sofort anerkannt und erfüllt. der Antragsteller habe einen vor Zustellung der Klageschrift liegenden Verzugseintritt nicht nachgewiesen.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsteller mit seiner fristgerecht beim Amtsgericht eingegangenen und zugleich begründeten "sofortigen Beschwerde".
Das innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses eingelegte Rechtsmittel ist nicht zulässig, da der Antragsteller durch den angefochtenen Beschluss mit weniger als 600 Euro beschwert ist.
Aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärung der Beteiligten war nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Dabei verdrängt die Vorschrift des § 243 FamFG die allgemeinen Vorschriften der ZPO, so dass entgegen der Auffassung des Amtsgerichts § 91a ZPO nicht anzuwenden ist.
Der vorliegende Beschluss ist als Endentscheidung iSv. § 38 FamFG ergangen (BTDRs 16/6308 S 195, 16/12717 S 60). Abweichend von den Zivilverfahren kennt das FamFG nur noch diese einheitliche Entscheidungsform für alle die Instanz endgültig beendenden Entscheidungen. Dazu gehören auch auf die Kostenregelung beschränkte Beschlüsse, sofern sich der Streit in der Sache auf andere Weise erledigt hat (Ulrici in MünchKomm ZPO, § 38 FamFG, Rn. 3. Oberheim in SchulteBunert/Weinreich, FamFG § 38 Rn. 6. SchulteBunert, Das neue FamFG Rn. 188). Diese Vorschrift ist auch in den Ehe und Familienstreitsachen anzuwenden (§ 113 Abs. 1 FamFG). Gegen eine Endentscheidung ist damit das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben, soweit durch das Gesetz nichts Anderes bestimmt ist (§ 58 Abs. 1 FamFG). Eine abweichende Bestimmung enthält das Gesetz für die Kostenentscheidung nicht.
Ob und unter welchen Voraussetzungen eine Kostenentscheidung in Ehe und Familienstreitsachen anfechtbar ist, ist umstritten. Teils wird vertreten, dass bei Erledigung der Hauptsache über § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG die Kostenbestimmungen der ZPO anzuwenden sind, so dass nach § 91 a Abs. 2 ZPO die sofortige Beschwerde gemäß §§ 567ff ZPO gegeben sei und ansonsten § 99 ZPO einer isolierten Anfechtung von Kostenentscheidungen entgegensteht (vgl. MeyerHoltz in Keidel FamFG 16. Aufl § 58 Rn. 95, 97. Unger in SchulteBunert/Weinreich FamFG § 58 Rn. 14. Zöller/Feskorn ZPO§ 58 FamFG Rn. 4). Nach anderer Ansicht handelt es sich bei § 243 FamFG um eine spezielle Norm, die eine Anwendung der §§ 91ff FamFG verdrängt (Musielak/Borth, FamFG 1. Auflage 2009. § 243 Rn. 1. Dötsch in Münch/Komm. ZPO 3 Auf.. FamFG § 243 Rn. 3, 4).
Folgt man dem Wortlaut des Gesetzes, erschließt sich diese Differenzierung bei der Anfechtbarkeit von Kostenentscheidungen nicht. § 58 FamFG regelt zunächst die Statthaftigkeit von Rechtsmitteln, nicht jedoch das im Einzelfall anzuwendende Verfahrensrecht. Gegen Endentscheidungen ist als Rechtsmittel die Beschwerde gegeben, sofern sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt. Solche abweichenden Bestimmungen finden sich insbesondere in § 57 FamFG, nicht aber in den §§ 111ff FamFG. Nur soweit § 113 Abs. 1 S. 1 die Vorschriften des FamFG verdrängt, treten an dessen Stelle die abweichenden Regeln der ZPO. Dies betrifft das Beschwerderecht nicht, da die §§ 58 - 69 FamFG gemäß § 113 Abs. 1 FamFG uneingeschränkt anzuwenden sind. Die in der BTDrs. 16/12712 S. 60 zum Ausdruck gekommene Ansicht, dass in Ehe und Familienstreitsachen über § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG für Kostenbeschwerden die §§ 91ff ZPO gelten, finden im Wortlaut des § 58 Abs. 1 FamFG keine Grundlage. Folgt man dieser Interpretation, ergäbe sich trotz einheitlicher Form der Entscheidung als ´Endentscheidung´ iSd. §§ 38, 58 FamFG in den Ehe und Familiensachen ein vom jeweiligen Verfahrensgegenstand abhängiges, unterschiedliches Beschwerderecht. Dies spricht dafür, den Anwendungsbereich des § 58 FamFG strikt auf die Statthaftigkeit der jeweiligen Rechtsmittel in End und Zwischenentscheidungen zu beschränken. Damit unterliegen Kostenentscheidungen als Endentscheidung dem allgemeinen Beschwerderecht, ohne dass zwischen den Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit und den Ehe und Familiensachen zu differenzieren wäre.
Aber selbst wenn man der Auffassung folgt, dass § 58 Abs. 1 2. Halbsatz FamFG einen Vorbehalt für das anzuwendende Verfahrensrecht enthält, ergibt sich jedenfalls in Unterhaltssachen kein anderes Ergebnis. Denn trotz der dann aus § 113 FamFG folgenden Verweisung auf die Anwendung der Vorschriften der ZPO und damit auf §§ 91ff ZPO, ist in Unterhaltssachen für die Anwendung dieser Vorschriften gleichwohl kein Raum. Denn § 243 FamFG verdrängt als lex specialis jedenfalls in diesen Verfahren das Kostenrecht der ZPO (Musielak/Borth, FamFG 1. Auflage 2009. § 243 Rn. 1. Dötsch in Münch/Komm. ZPO 3 Auf.. FamFG § 243 Rn. 3, 4). Die Vorschrift ersetzt nicht nur die Vorschriften zu den einzelnen Kostengrundentscheidungen (so aber Zöller/Feskorn ZPO§ 61 FamFG Rn. 7. § 58 FamFG Rn 4, Zöller/Herget § 243 FamFG Rn. 9), sondern tritt in Unterhaltssachen insgesamt an die Stelle der Kostenbestimmungen der Zivilprozessordnung.
Die Vorschrift des § 243 FamFG selbst geht in ihrem Anwendungsbereich über den bisherigen gesetzlichen Regelungsrahmen hinaus. Sie führt die Grundgedanken der §§ 91, 92, 93, 97 ZPO nur noch als Abwägungskriterien an. Diese Aufzählung ist dabei nicht abschließend ("insbesondere"), so dass das Gesetz dem Gericht bei der Kostenentscheidung einen weitreichenden Gestaltungsspielraum zubilligt - u.a. auch unter Beachtung des Verhaltens der Beteiligten im Verfahren und der Dauer der Ansprüche. In Unterhaltssachen sollen Kostenentscheidungen generell "flexibler und weniger formal" gehandhabt werden (BTDrs. 16/6308 S. 259). Mit der Vorschrift verbindet sich daher ein Systemwechsel, der sich grundlegend von dem Kostenrecht der ZPO unterscheidet, welches die Anfechtung von Kostenentscheidungen nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässt. Bei dessen Anwendung stünde § 99 Abs 1 ZPO in vielen Fällen einer isolierten Anfechtung der Kostenentscheidung entgegen (befürwortend Bumiller/Harders, Freiwillige Gerichtsbarkeit FamFG 9. Auflage 2009. § 243 Rn. 9. Bömelburg FPR 2010, 153. Maier in Johannsen/Henrich 5. Aufl. § 243 FamFG, Rn. 11. generell verneinend Kodal in Bork/Jacoby/Schwab FamFG Rn. 7. gegen eine Anwendung von § 99 ZPO ausführlich Viefhues in Friederici/Kemper, Familienverfahrensrecht § 243 FamFG, Rn. 34ff), obwohl in der Regel die Ermessensentscheidungen der ZPO einer Überprüfung durch das Beschwerdegericht unterliegen. Es wäre daher systemwidrig, die Kostenentscheidung in Unterhaltssachen dem auf anderen Regeln aufbauenden Rechtsmittelrecht der ZPO zu unterwerfen. Vielmehr enthält § 243 FamFG eine mit § 81 FamFG vergleichbare allgemeine Billigkeitsregel. Für diese hat der Gesetzgeber die isolierte Anfechtung ausdrücklich zugelassen, weil dessen Verbot (vgl. § 20a FGG) bei einer "am Verfahrensverhalten der Beteiligten" orientierten Kostenentscheidung nicht sachgerecht sei (BTDRs. 16/6308 S. 216). Für § 243 FamFG gelten keine anderen Erwägungen (zur Notwendigkeit eines effektiven Rechtsschutzes bei Kostenentscheidungen vgl. BVerfG NJW 2010, 1349 [BVerfG 17.11.2009 - 1 BvR 1964/09] sowie Viefhues aaO.). Zudem bezeichnet das Gesetz entgegen der sonstigen Verweisungspraxis (vgl. §§ 113 Abs. 1 S. 1. 117 Abs. 1 S. 4, Abs. 2 FamFG) die durch § 243 FamFG verdrängten Vorschriften nicht konkret, so dass sich aus dem Gesetzeswortlaut nicht erschließt, welche der durch § 113 Abs. 1 FamFG in Bezug genommenen Vorschriften durch § 243 FamFG ersetzt werden sollen. Einem Normverständnis, das von einer auf einzelne Vorschriften begrenzte Ausnahmeregel ausgeht, fehlt die notwendige Rechtsklarheit. Bei einer Überschneidung der beiden Rechtsgebiete lassen sich zudem die Voraussetzungen einer sofortigen Beschwerde (§§ 91a, 99 Abs. 2 ZPO) nicht eindeutig zu den auch in Ehe und Familienstreitsachen geltenden §§ 61, 62 FamFG abgrenzen (vgl. zum Beschwerdewert Bömelburg, FPR 2010, 158 m.w.N.).
Diese Erwägungen sprechen nach der Überzeugung des Senats dafür, § 243 FamFG zugleich als eine allgemein dem Kostenrecht der ZPO vorgehende Spezialvorschrift anzusehen. Mit einer "Mischregelung", bei der nicht eindeutig abgegrenzte Elemente des FamFG und der Kostenvorschriften der ZPO zusammenwirken, lassen sich die aufgezeigten Unklarheiten bei der Rechtsanwendung nicht beseitigen.
Folglich träte in Unterhaltssachen dann die allgemeine Beschwerde an die Stelle der sofortigen Beschwerde. Gegenteiliges folgt nicht aus dem Hinweis auf die Anwendung der ZPO in BTDrs. 16/12712 S. 60, da dort nur allgemein das Recht der sofortigen Beschwerde bei der Anwendung der ZPO verwiesen wird, die Reichweite der spezialgesetzlichen Vorschriften der §§ 150, 243 FamFG hiervon aber unabhängig zu beurteilen ist.
Die Zulässigkeit der Beschwerde richtet sich daher in jedem Fall nach §§ 58, 61, 117 FamFG. Damit muss bei der Anfechtung einer Kostenentscheidung auch der erforderliche Wert der Beschwer von mehr als 600 Euro erreicht werden (§ 61 Abs. 1 FamFG. vgl. OLG Stuttgart FamRZ 2010, 664. OLG Hamburg, FamRZ 2010, 665. OLG Oldenburg Beschluss vom 26.02.2010, 14 UF 175/09). Das Gesetz hat abweichend von den Regeln der ZPO für Kostenentscheidungen bewusst keine geringere Beschwer festgelegt, wie auch der Verweis auf § 61 FamFG in § 228 FamFG verdeutlicht. Dieser Wert ist vorliegend nicht erreicht.
Denn bei dem vom Amtsgericht zutreffend mit 1.000 Euro festgesetzten Streitwert sind nach Nr. 1220 KVFamGKG drei Gerichtsgebühren á 55 Euro = 165 Euro sowie mangels mündlicher Verhandlung für die jeden Anwalt nur 1,3 Verfahrensgebühr (85 x 1,3 = 110,50 Euro) zzgl. 20 Euro Auslagenpauschale und 19% Mehrwertsteuer (155,30 Euro x 2 = 310,60 Euro) angefallen. Die Summe aller Kosten erreicht mit 475,60 Euro nicht die für die Zulässigkeit des Rechtsmittels erforderliche Beschwer. Eine höhere Beschwer hat der Antragsteller auch auf den Hinweis des Senats nicht dargelegt.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 69 Abs. 3, 243 FamFG.
Der Senat lässt die Rechtsbeschwerde aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit zu.
Dieser Beschluss kann mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden. Diese ist innerhalb einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses beim Bundesgerichtshof einzulegen. Dies kann nur durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt geschehen. Die Rechtsbeschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses und die Erklärung enthalten, dass gegen diesen Beschluss Rechtsbeschwerde eingelegt wird. Sie ist innerhalb eines Monats nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses zu begründen.