Landgericht Hildesheim
Urt. v. 20.11.2007, Az.: 3 O 298/06

Bibliographie

Gericht
LG Hildesheim
Datum
20.11.2007
Aktenzeichen
3 O 298/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 71766
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
OLG Celle - 13.11.2008 - AZ: 5 U 1/08
BGH - 23.02.2010 - AZ: VI ZR 331/08

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Gegen die Berufungsentscheidung des OLG Celle (5 U 1/08) ist beim BGH eine Nichtzulassungsbeschwerde (VI ZR 331/08) eingelegt worden.

Tenor:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 34.433,90 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.12.2005 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

1

Die Klägerin macht als Trägerin der Unfallversicherung aus übergegangenem Recht Ansprüche nach einem Verkehrsunfall ihrer Versicherten ... geltend.

2

Am 9.6.2004 kam es auf der ... Straße in ... zu einem Auffahrunfall, bei dem das von der Spedition ... aus ... gehaltene, von Herrn ... geführte und bei der Beklagten haftpflichtversicherte Kraftfahrzeug auf das von der Versicherten ... geführte Kraftfahrzeug auffuhr.

3

Die volle Eintrittspflicht der Beklagten für die durch den Unfall verursachten Schäden ist unstreitig.

4

Die Parteien streiten um die von der Versicherten ... erlittenen Verletzungen und um die Erforderlichkeit der von der Klägerin erbrachten Aufwendungen für Heilbehandlungen, Verletztengeld und Sozialversicherungsbeiträge.

5

Die Beklagte hat außer einem Betrag von 70,00 € für stationäre Behandlungskosten lediglich nach Rechtshängigkeit die Kosten für den Rettungswagen am Unfalltag in Höhe von 403,92 € gezahlt.

6

Die Klägerin behauptet:

7

Die Versicherte ... habe bei dem Unfall eine Schädelprellung, eine HWS-Distorsion, eine Thoraxprellung, eine Prellung der rechten Schulter und ein stumpfes Bauchtrauma sowie eine posttraumatische Belastungsstörung erlitten. Diese Verletzungen hätten sämtliche Seite 2 bis 4 der Klagschrift vom 28.7.2006 aufgeführten Aufwendungen erforderlich gemacht. Insbesondere seien auch die stationären Behandlungsaufenthalte im ... sowie in der Klinik ... in ... unfallbedingt und zur Heilung der Versicherten erforderlich gewesen. Notwendig sei wegen der durch den Unfall verursachten posttraumatischen Belastungsstörung auch die Durchführung von therapeutischen Fahrstunden gewesen.

8

Die Parteien haben den Rechtsstreit hinsichtlich eines Teilbetrages von 403,92 € (Kosten des Rettungswagens) übereinstimmend für erledigt erklärt.

9

Die Klägerin beantragt jetzt,

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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 34.433,90 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.12.2005 zu zahlen.

11

Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

13

Sie erklärt sich zu den behaupteten Verletzungen der Versicherten der Klägerin mit Nichtwissen und bestreitet, dass die von der Klägerin aufgewendeten Kosten für Heilbehandlungen, Verletztengeld und Sozialversicherungsbeiträge sowie für Transport- und Reisekosten durch Verletzungen der Versicherten und die dadurch erforderlichen Behandlungen verursacht worden seien. Sie meint, eine Rechtsgrundlage für die Erstattung des Verletztengeldes und der Sozialversicherungsbeiträge bestehe nicht.

14

Das Gericht hat aufgrund der Beschlüsse vom 31.10.2006 (Blatt 108 der Akten) und 16.5.2007 (Blatt 144 der Akten) Beweis erhoben durch Einholung schriftlicher Gutachten der Sachverständigen Dr. med. ... und Prof. Dr. med. .... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen Gutachten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

15

Die Klage ist - auch soweit sie über den für erledigt erklärten Teilbetrag von 403,92 € nebst Zinsen hinausgeht - begründet aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 116 SGB X.

16

Die Klägerin kann Erstattung sämtlicher mit der Klage geltend gemachter Aufwendungen, die sie im Zusammenhang mit der Heilbehandlung ihrer Versicherten ... gehabt hat, verlangen.

17

Die Klägerin hat durch die Gutachten der Sachverständigen Dr. ... und Prof. Dr. ... bewiesen, dass auch die Krankenhausaufenthalte im ... und in der Klinik ... in ... sowie die Behandlungen durch Dr. ... in den Zeiträumen vom 16.8.2004 bis 4.1.2005 und 7.1.2005 bis 8.2.2005 durch den Verkehrsunfall vom 9.6.2004 verursacht und veranlasst waren. Die Beklagte schuldet deshalb Erstattung auch dieser Kosten sowie der damit zusammenhängenden Kosten der Fahrten zu den Klinikaufenthalten und zurück.

18

Das Gericht hat keine Bedenken, den Feststellungen der Sachverständigen hinsichtlich der Unfallbedingtheit der ärztlichen Behandlungen zu folgen. Beide Sachverständigen haben Frau ... sorgfältig untersucht und gelangen aufgrund ihrer dabei getroffenen Feststellungen zu gut nachvollziehbaren Ergebnissen. Insbesondere hat der Sachverständige Dr. med. ... die nach dem Unfall bei der Geschädigten erhobenen Befunde berücksichtigt und hieraus und aus der von ihm selbst durchgeführten körperlichen Untersuchung plausible Schlüsse gezogen. Unzutreffend ist deshalb der Einwand der Beklagten, der Sachverständige sei den Angaben der Geschädigten kritiklos gefolgt.

19

Auch die vom Sachverständigen Prof. Dr. med. ... gefundenen Ergebnisse sind gut nachvollziehbar und überzeugend. Der Sachverständige hat aufgrund seiner Exploration der Geschädigten das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung festgestellt und hierbei auch die dem Unfallereignis zeitlich näheren Befunde der Klinik ... in ... berücksichtigt. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Erkrankung der Geschädigten durch eine histrionische Persönlichkeitsstruktur verkompliziert und unterhalten worden wäre, würde dies an der Ursächlichkeit des Unfalls für die psychischen Krankheitserscheinungen nichts ändern.

20

Auch gegen die Kosten der stationären Behandlung (Position 1 der Aufstellung Blatt 2 der Akten) und gegen die Kosten der Krankengymnastik (Position 16 der Aufstellung Blatt 3 der Akten) hat die Beklagte nichts Erhebliches eingewandt.

21

Der Anspruchsübergang hinsichtlich des Verletztengeldes sowie der Sozialversicherungsbeiträge bei Zahlung von Verletztengeld (9.732,36 € beziehungsweise 2.459,25 €) folgt aus § 116 Abs. 1 SGB X. Die Klägerin war zur Zahlung von Kranken- und Verletztengeld gem. §§ 44 ff SGB V beziehungsweise 45 ff SGB VII verpflichtet. Auch hierbei handelt es sich um einen unfallbedingten Schaden; die Zahlungen der Klägerin waren Sozialversicherungsleistungen mit Lohnersatzfunktion (vgl. BGH NJW 1984, 1811, 1813 [BGH 20.03.1984 - VI ZR 14/82]).

22

Der Zinsanspruch der Klägerin folgt aus aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB i. V. m. dem eine Zahlung ablehnenden Schreiben vom 14.12.2005.

23

Die Kostenentscheidung richtet sich nach §§ 91 Abs. 1, 91 a Abs.1 ZPO. Gegen die Kosten des Rettungswagens am Unfalltag in Höhe von 403,92 €, die sie nachträglich gezahlt hat, hat die Beklagte nichts Erhebliches eingewandt, so dass die Klage auch insoweit ursprünglich zulässig und begründet war.

24

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.