Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 30.09.2009, Az.: 1 B 4146/09

Bestehen eines vorbeugenden Rechtsanspruch auf die Aufhebung einer Ratssitzung wegen der berufsbedingten Verhinderung des Antragstellers

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
30.09.2009
Aktenzeichen
1 B 4146/09
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2009, 24415
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2009:0930.1B4146.09.0A

Verfahrensgegenstand

Einladung zu einer Ratssitzung - Antrag nach § 123 VwGO -

In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Hannover - 1. Kammer -
am 30. September 2009
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

1

Der am 29.09.2009 bei Gericht eingegangene Antrag mit dem Begehren,

im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO die Einladung des Antragsgegners zur Sitzung des Rates der Gemeinde D. am 02.10.2009 aufzuheben,

2

hilfsweise

den Antragsgegner zu verpflichten, die Einladung zur Ratssitzung des Rates der Gemeinde D. am 02.10.2009 aufzuheben,

3

hat keinen Erfolg.

4

Nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Anordnungsgrund) und der Antragsteller glaubhaft macht, dass ihm ein entsprechender Abwehranspruch zusteht (Anordnungsanspruch).

5

Vorliegend hat der Antragsteller, der Ratsherr in der Gemeinde D. ist, einen Anordnungsanspruch auf Aufhebung des Termins der Ratssitzung am 02.10.2009 nicht glaubhaft gemacht.

6

Aus der niedersächsischen Gemeindeordnung (NGO) ergibt sich kein "vorbeugender" Rechtsanspruch auf die Aufhebung einer Ratssitzung wegen der berufsbedingten Verhinderung des Antragstellers.

7

§ 39 a NGO beschränkt ihn auf das Recht, im Rat und in den Ausschüssen Anträge zu stellen. § 41 Abse. 2 und 3 NGO räumt ihm die Möglichkeit ein, mit der jeweils erforderlichen Mehrheit die unverzügliche Einberufung des Rates bzw. die Erweiterung der Tagesordnung zu Beginn der Sitzung verlangen zu können. Wegen dieser eindeutigen Regelungen kommt ein Umkehrschluss, vorher die Aufhebung einer Ratssitzung oder die Absetzung eines bestimmten Tagesordnungspunktes durchsetzen zu können, nicht in Betracht.

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Ebenso wenig begründen die Regelungen in § 46 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 und Abs. 3 NGO einen Rechtanspruch des Antragstellers auf Vertagung der Ratssitzung am 02.10.2009 wegen seiner berufsbedingten Verhinderung (vgl. Beschl. des erkennenden Gerichts v. 21.12.2006 - 1 B 8861/06 -, Rathaus und Recht 2007, S. 10 mit zustimmender Anmerkung von Thiele; VG Aachen, Beschluss vom 19.10.2004 - 4 L 974/04 -, veröffentlicht in [...]).

9

Dem aus beruflichen Gründen zur Teilnahme an der Ratssitzung verhinderten Antragsteller bleibt die Möglichkeit der Inanspruchnahme nachrangigen Rechtschutzes, indem er ggfs. später Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Beschlussfassung zu dem umstrittenen Tagesordnungspunkt erhebt.

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Es wird allerdings darauf hingewiesen, dass die Kammer nach summarischer Prüfung keine durchgreifenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung bei der Einladung des Antragsgegners zur Ratssitzung am 02.10.2009 hat. Nachdem mehrfach Wünschen auf Neuterminierung der Sitzung entsprochen wurde (auch von Seiten des Antragstellers), auf die rechtlich nach dem oben Gesagten kein Anspruch bestand, erscheint es nicht ermessenswidrig, wenn auch im Interesse der Notwendigkeit einer baldigen Wahl nunmehr an dem seit Anfang September bekannten Termin festgehalten wird. Dies erscheint umso mehr sachgerecht, als die Fraktionsvorsitzenden im Rat der Gemeinde D. offenbar nicht in der Lage waren, einvernehmlich einen Ausweichtermin zu bestimmen. Im Übrigen kommt auch einem Landesminister der Vorrang zugute, den der Gesetzgeber in § 39 Abs. 2 NGO im Falle einer Interessenkollision - berufliche Zwangslage einerseits und Amtspflichten des Ratsherren andererseits - eindeutig der Ausübung der Ratsherrentätigkeit eingeräumt hat (vgl. Beschl. d. OVG Lüneburg v. 06.06.1982 - 2 B 27/82 - dng 1982, S. 359).

11

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß § 52 Abs. 1, 2 GKG. Nach Nr. 22.7 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit - Fassung 7/2004 -, NVwZ 2004, S. 1327, dem die Kammer folgt ( vgl. Beschluss vom 31.10.2006 - 1 A 7800/06 und 1 B 7801/06 - ), beträgt der Streitwert in einem Kommunalverfassungsstreitverfahren im Regelfall 10.000,00 EUR. Unter Berücksichtigung der von dem Antragsteller der streitigen Einladung zur Ratssitzung am 02.10.2009 beigemessenen Bedeutung ist er auch hier in dieser Höhe festzusetzen.

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Rechtsmittelbelehrung

13

Soweit über den Sachantrag entschieden worden ist, steht den Beteiligten die Beschwerde gegen diesen Beschluss an das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht, Uelzener Straße 40, 21335 Lüneburg, zu.

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...

Makus
Döpp
Peters