Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 15.09.2009, Az.: 13 A 4320/08
PKK; Türkei; Widerruf; Zeitraum
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 15.09.2009
- Aktenzeichen
- 13 A 4320/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 44171
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2009:0915.13A4320.08.0A
Rechtsgrundlagen
- 73 I AsylVfG
- 51 I AuslG
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckungsschuldnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen den Widerruf der Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG bei ihr vorliegen.
Sie ist türkische Staatsbürgerin, kurdischer Volkszugehörigkeit.
Ende 1996 verließ die Klägerin die Türkei und beantragte Anfang 1997 ihre Anerkennung als Asylberechtigte. Zur Begründung ihres Antrages gab die Klägerin seinerzeit an: Ihr Ehemann und ihr Kind seien bereits seit 2 Jahren (also 1994/95) in Deutschland. Sie habe sich, als ihr Mann nach Deutschland gegangen sei, dann im Haus ihres Schwagers aufgehalten. Sie sei nach Deutschland gekommen, weil ihr Schwager nicht mehr für sie habe aufkommen können, und ihr Mann und ihr Kind seien auch hier. Auf Nachfrage: Jeden Abend seien ihre Häuser von der PKK überfallen worden und es sei Geld gefordert worden, weil ihr Mann sich ja in Deutschland aufhalte und Geld schicken könne. Mit Bescheid vom 30.01.1997 lehnte das damalige Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zunächst den Antrag der Klägerin ab.
Die Klägerin erhob Klage und berief sich zunächst auf eine Gruppenverfolgung von Kurden. Im Termin zur mündlichen Verhandlung trug die Klägerin dann erstmals vor, sie sei mit anderen etwa drei oder vier Monate nach der Ausreise ihres Mannes verhaftet und misshandelt worden. Sie sei zu diesem Zeitpunkt im 7. Monat schwanger gewesen. Aufgrund der Schläge habe sie ihr Kind verloren. Sie sei immer wieder gefragt worden, warum ihr Mann nicht Dorfschützer werden wolle. Auf weitere Nachfrage erklärte sie, sie sei darüber hinaus noch zweimal festgenommen worden. Man habe sie auch "als Frau belästigt". Man habe ihr vorgeworfen, die PKK zu unterstützen. Auf Nachfrage, weshalb sie dies nicht gleich erzählt habe: Ihr sei von anderen Asylbewerbern gesagt worden, dass sie nicht alles erzählen dürfe. Aus Angst habe sie nicht alles gesagt, was tatsächlich passiert sei. Daraufhin verpflichtete das Verwaltungsgericht Oldenburg die Beklagte mit Urteil vom 15.02.2000 - 13 A 609/97 -, festzustellen, dass bei der Klägerin die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Sie sei wegen vermuteter Sympathie und Unterstützung der PKK festgenommen und misshandelt worden. Mit Bescheid vom 21.03.2000 kam die Beklagte der Verpflichtung nach.
Anfang August 2007 teilte die Ausländerbehörde der Beklagten mit, die Klägerin habe vom türkischen Konsulat einen neuen Nüfus erhalten. Ein Bekannter der Kläger habe geäußert, die Klägerin habe das Konsulat nicht betreten, sondern nur ihr Ehemann.
Ende April 2008 leitete die Beklagte ein Widerrufsverfahren ein und hörte die Klägerin dazu an. Sie äußerte sich mit Schreiben ihrer jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 12.06.2008.
Mit Bescheid vom 27.08.2008 des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge widerrief die Beklagte die Feststellungen zu § 51 Abs. 1 AuslG und verneinte das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufEnthG. Die Verhältnisse in der Türkei hätten sich gebessert, eine erneute Verfolgung sei mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen. Zu Abschiebehindernissen nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufEnthG wurde ausdrücklich keine Entscheidung getroffen. Der Bescheid wurde am 28.08.2008 als Einschreiben zur Post gegeben.
Die Klägerin hat am 12.09.2008 Klage erhoben.
Sie trägt vor, die Verhältnisse in der Türkei hätten sich nicht verändert.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 27.08.2008 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
Sie tritt der Klage entgegen.
Alle Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung des Berichterstatters anstelle der Kammer einverstanden erklärt.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung gemäß § 87a Abs. 2 und 3 VwGO durch den Berichterstatter.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Rechtsgrundlage des Widerrufs ist § 73 Abs. 1 AsylVfG. Die Voraussetzungen der früheren §§ 51 Abs. 1, 53 Abs. 4 AuslG liegen nicht mehr vor. Auch können die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufEnthG nicht festgestellt bzw. der Klägerin nicht die Rechtsstellung eines Flüchtlings nach den Abkommen vom 28.07.1951 zuerkannt werden.
Die Einwände der Klägerin gegen den angefochtenen Bescheid greifen nicht durch.
Um Wiederholungen zu vermeiden, wird auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Bescheid Bezug genommen, denen das Gericht folgt, § 77 Abs. 2 AsylVfG. Der Klägerin ist es nicht gelungen, diese Gründe zu entkräften.
Aus Ihrer Anhörung vor dem Bundesamt Anfang 1997 lassen sich keine Gründe ersehen, dass die Klägerin überhaupt vor ihrer Ausreise aus ihrer Heimat politisch verfolgt war. Allerdings hat sich entsprechend in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg vorgetragen. Zwar handelt es sich um einen gesteigerten Vortrag, der nach Ansicht des erkennenden Gerichts sehr unglaubwürdig ist, jedoch hat das erkennende Gericht die damaligen Feststellungen im Urteil vom 15.02.2000 nicht mehr in Zweifel zu ziehen. Die Klägerin ist deshalb als vorverfolgt anzusehen. Hier ist nach alledem allein entscheidend, ob die Klägerin heute bei einer unterstellten Rückkehr in ihre Heimat eine weitere bzw. erneute Verfolgung zu befürchten hat oder nicht.
Die Vorfälle, die das Verwaltungsgericht zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht haben, liegen bereits eine sehr lange Zeit zurück. Selbst nach eigener Einlassung ist die Klägerin nicht mit nennenswerten politischen Aktivitäten in Erscheinung getreten. Eine irgendwie geartete Verfolgungsgefahr - eine Rückkehr der Kläger in ihre Heimat einmal unterstellt - vermag das Gericht nicht zu erkennen. Im übrigen hat sich die Klägerin wider unter den Schutz ihres Heimatstaates gestellt, in dem sie sich einen neuen Personalausweis (Nüfus) hat ausstellen lassen.
Ob die Beklagte in Fällen, in denen ein Widerruf der Asylanerkennung oder der Feststellungen zu § 51 Abs. 1 AuslG bzw. zu § 60 Abs. 1 AufEnthG an sich angebracht wäre, entsprechende Maßnahmen gleichwohl unterlassen hat oder nicht, entzieht sich der Kenntnis des Gerichts. Darauf kommt es aber nicht an. Es gibt keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht. Es kommt für die Entscheidung im Fall der Klägerin allein darauf an, dass der Widerruf der Feststellungen ihr gegenüber rechtmäßig ist.
Die Frage von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 2 AufEnthG, insbesondere nach Absatz 7 der Vorschrift, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits und war nicht weiter zu prüfen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.