Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 11.09.2009, Az.: 1 A 3719/08

Beitragsfreies Kindergartenjahr; Benutzungsgebühr; Geschwisterrabatt; Kindergarten

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
11.09.2009
Aktenzeichen
1 A 3719/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 44164
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2009:0911.1A3719.08.0A

Tenor:

  1. Die Klage wird abgewiesen.

  2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

  3. Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

  4. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich gegen ihre Heranziehung zu Gebühren für die Betreuung ihres Kindes E. in der von der Beklagten betriebenen Kindertagesstätte F. in G..

2

Die Kläger haben drei Kinder, nämlich H. (geboren 16. Februar 2003), E. (geboren 27. April 2001) und I. (geboren 27. September 1999). H., die seit dem 01. Februar 2006 den Kindergarten besuchte, befand sich mit Beginn des Kindergartenjahres 2008 im dritten Kindergartenjahr, dessen Besuch nach § 21 Abs. 1 KiTaG beitragsfrei ist.I. und E. besuchen seit dem 01. November 2007 in der Einrichtung F. den Hort. Zuvor besuchten sie vom 01. August 2003 bis 31. Juli 2005 (I.) bzw. vom 01. August 2005 bis 31. Juli 2007 (E.) den Kindergarten.

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Für den Besuch des Kindes E. mit 5-stündiger Betreuung setzte die Beklagte mit Bescheid vom 09. Juli 2008 die von den Klägern monatlich zu zahlende Gebühr unter Hinweis auf ihre Satzung über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung der Kindergarten-, Kinderspielkreis-, Krippen- und Hortplätze vom 06. März 2008 (veröffentlicht im Gemeinsamen Amtsblatt für die Region Hannover und die Landeshauptstadt Hannover vom 10. April 2008, Seite 129) - im Folgenden: KiGebS - auf 63,75 EUR/Monat fest. Dabei ging sie von einer Benutzungsgebühr in Höhe von 127,50 EUR aus, die sie in Anwendung des § 4 KiGebS um die Geschwisterermäßigung (50 %) verringerte. Für das Kind I. wurde mit gesondertem - hier nicht streitigen - Bescheid eine Gebühr in Höhe von 127,50 EUR festgesetzt.

4

Die Kläger haben am 01. August 2008 Klage erhoben. Sie machen zur Begründung geltend: Die Beklagte hätte E. als drittes Kind einstufen und gemäß § 4 KiGebS eine Ermäßigung in Höhe von 75 % einräumen müssen, so dass nur 27,- EUR/Monat zu zahlen wären. Sinn und Zweck des Gesetzes zur Einführung der Beitragsfreiheit im letzten Kindergartenjahr sei es, die Eltern von der Zuzahlung eines Beitrages oder von dem gesamten Beitrag zu befreien. Das habe die Satzung auch so geregelt. Statt 95,62 EUR müssten sie nun 191,25 EUR (127,50 EUR + 63,75 EUR) entrichten. Die Satzungsregelungen der Beklagten bedürften einer Überprüfung.

5

Die Kläger beantragen,

  1. den Bescheid der Beklagten vom 09. Juli 2008 aufzuheben.

6

Die Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

7

Zur Begründung trägt sie vor: Die in § 4 KiGebS geregelte Gebührenermäßigung finde nur auf Kinder Anwendung, die gebührenpflichtig eine Einrichtung besuchten. Das treffe auf die Kinder nicht zu, die aufgrund des Gesetzes zur Einführung der Beitragsfreiheit im letzten Kindergartenjahr von der Entrichtung von Gebühren befreit seien. Die finanzielle Belastung der Eltern entstehe erst durch eine die Gebührenpflicht auslösende Inanspruchnahme der Einrichtung. Werde die Einrichtung nicht in Anspruch genommen oder sei dieses nicht gebührenpflichtig, bedürfe es keiner weiteren Entlastung der Eltern.

8

Die Kammer hat den Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

9

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.

11

Der Bescheid der Beklagten vom 09. Juli 2008 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Zu Recht hat die Beklagte die Kläger zur Zahlung einer Benutzungsgebühr in Höhe von 63,75 EUR/Monat für die Betreuung ihres Sohnes E. in dem Hort F. in G. herangezogen.

13

Rechtsgrundlage für die Heranziehung ist die KiGebS der Beklagten vom 06. März 2008. Nach § 1 Satz 2 KiGebS ist die Benutzung der Elementarerziehungseinrichtungen in der Stadt Neustadt gebührenpflichtig. Die Höhe der Benutzungsgebühren richtet sich nach § 2 KiGebS, wonach bei einer Betreuungszeit von bis zu 5 Stunden im Hort nach der Tarifgruppe 2 monatlich eine Gebühr von 127,50 EUR zu entrichten ist.

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§ 4 KiGebS sieht folgende Ermäßigungen vor:

"Besuchen mehrere in einer Haushaltsgemeinschaft lebende Kinder gebührenpflichtig eine Kindertagesstätte im Bereich der Stadt Neustadt a. Rbge., werden die Betreuungsgebühren nach § 2 für das zweite Kind um 50 % monatlich, für das dritte Kind um 75 % und für das vierte und jedes weitere Kind um 100 % ermäßigt. Die Reihenfolge der Ermäßigung richtet sich nach dem Eintrittsdatum in die Kindertagesstätte. Bei gleichem Eintrittsdatum ist für das jeweils ältere Kind die höhere Gebühr zu zahlen."

15

Zwischen den Beteiligten ist im Ergebnis streitig, welchen Einfluss die Regelung des § 21 Abs. 1 KiTaG, wonach Kinder einen Anspruch auf unentgeltlichen Besuch einer Tageseinrichtung in dem Kindergartenjahr haben, dass der Schulpflicht gemäß § 64 Abs. 1 NSchG unmittelbar vorausgeht, auf die Anwendung dieser Ermäßigungsregelung hat.

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Dem Wortlaut des § 21 Abs. 1 KiTaG ist zu entnehmen, dass diese Regelung sich alleine mit den Elternbeiträgen der Kinder befasst, die sich im letzten Kindergartenjahr vor ihrer Einschulung befinden. Welche Auswirkungen sich daraus für Geschwisterkinder ergeben oder in welchem Umfang die Freistellung wirtschaftlich betrachtet erfolgt, bestimmt das KiTaG nicht. Der Gesetzgeber hat es insoweit im Übrigen bei der Regelung des § 20 KiTaG belassen, wonach die Gemeinden bei der satzungsmäßigen Ausgestaltung des Kindergartenentgelts einen weiten Gestaltungsspielraum haben ( NdsOVG, Urteile vom 07. November 2007, - 9 LA 336/06   NJW 2008, 933; vom 7. September 1999, - 9 L 1171/99 - NdsRPfl 2000, 78 = NdsVBl 2000, 87 = KStZ 2000, 135 = FEVS 51, 411 -; ähnlich bereits Urteil vom 23. November 1994 - 9 L 2038/94 - = NdsRpfl 1995, 172 = NdsVBl 1995, 164 = NVwZ-RR 1995, 468 = NdsMinBl 1995, 871[nur Leitsatz]; so auch Nds LT, 15. Wahlperiode, 122. Plenarsitzung am 10. Juli 2007, S. 14463).

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Von diesem durch § 21 Abs. 1 KiTaG begrenzten Gestaltungsspielraum hat die Beklagte hier in der KiGebS Gebrauch gemacht. Die Gebührenordnung übernimmt in § 2 Abs. 5 die Regelung des § 21 Abs. 1 KiTaG und bestätigt den schon aus dem Gesetz folgenden Anspruch, dass keine Benutzungsgebühren für den begünstigten Personenkreis erhoben werden dürfen.

18

Das hat die Beklagte hier in vorliegenden Fall beachtet, indem sie für H., die Tochter der Kläger, eine Gebührenpflicht verneint hat.

19

Dass sich die Kläger aus dem nach § 21 Abs. 1 KiTaG verheißenen Beitragsfreiheit im Ergebnis für die Betreuung aller drei Kinder eine höhere finanzielle Entlastung versprochen haben, ist zwar nachvollziehbar. Sie haben aber keinen Anspruch auf eine konkret vorhersehbare Ersparnis. Denn der tatsächliche Umfang der Entlastung hängt von vielen Faktoren ab. So wirken sich neben der jeweiligen satzungsrechtlichen Regelung der Gemeinde Umstände wie u.a. die Betreuungszeit, die besuchte Einrichtungsform der Geschwister, die Anzahl der die Einrichtung besuchenden Kinder der Haushaltsgemeinschaft und die Reihenfolge des Eintritts in die Kindertagesstätte auf die Ersparnis aus, die das beitragsfreie Kindergartenjahr hervorruft. Angesichts der Vielschichtigkeit der Lebenssachverhalte wäre der Satzungsgeber überfordert, die Folgen der Beitragsfreiheit über den vom Gesetzgeber begünstigten Personenkreis hinaus exakt vorherzubestimmen.

20

Die Gebührenfreiheit steht im vorliegenden Falle darüber hinaus nicht nur auf dem Papier. Sie hat sich für die Kläger auch substanziell bemerkbar gemacht. Nach der von der Beklagten vorgenommenen Gebührenfestsetzung führt das bei wirtschaftlicher Betrachtung im Ergebnis zu einer Entlastung der Kläger in Höhe von etwa 25 % der nach Spalte 3 der Tabelle zu § 2 Abs. 2 KiGebS für den Besuch des Kindergartens zu zahlenden Benutzungsgebühr. Das räumen die Kläger letztlich auch selbst ein.

21

Die Kläger können nicht verlangen, dass die Beklagte in der Satzung bzw. deren konkreter Anwendung über die Regelung des § 21 Abs. 1 KiTaG hinaus beim sog. "Geschwisterrabatt" nach § 4 KiGebS zusätzliche Vergünstigungen einräumt. Wenn sich die Beklagte in § 4 KiGebS nicht dafür entschieden hat, für die Gewährung einer Ermäßigung alleine darauf abzustellen, dass mehrere Kinder gleichzeitig eine Kindertagesstätte besuchen mit der Folge, dass auch das Kind mitzurechnen ist, das die Einrichtung beitragsfrei besucht, ist das rechtlich nicht zu beanstanden. Sie durfte stattdessen als einschränkendes Kriterium die Gewährung der Ermäßigung daran knüpfen, dass die begünstigten Geschwister auch gebührenpflichtig sind (vgl. Rosenzweig/Freese, NKAG, Kommentar, § 5 NKAG, Rdnr. 451d). Denn - wie ausgeführt - erschöpft sich die Regelung des § 21 Abs. 1 KiTaG in der Beitragsfreiheit des Kindes, welches das letzte Kindergartenjahr vor seiner Einschulung besucht. Die Regelung zum Geschwisterrabatt in § 4 KiGebS begründet dementsprechend hier auch keine Gebührenpflicht dieses nicht gebührenpflichtigen Kindes, sondern schließt es lediglich bei der Zählung der Kinder aus die in den Genuss einer Ermäßigung kommen können.

22

Der Satzungsgeber befindet sich bei der Regelung des Geschwisterrabatts damit insoweit alleine auf den von der Rechtsprechung behandelten Pfaden des § 20 KiTaG und den entschiedenen Fragen, der (zu verneinenden) Notwendigkeit der Berücksichtigung von Geschwistern sowie der Beschränkung einer Ermäßigung auf Geschwister, die dieselbe Einrichtung besuchen (vgl. hierzu die ausführliche Darstellung in der Entscheidung des NdsOVG vom 7. November 2007, a.a.O.). Dass der Satzungsgeber als Gesichtspunkt die Zahlung eines Entgeltes als weiteres Kriterium für die Gewährung einer Ermäßigung gewählt hat, hält sich im Rahmen dieser bisherigen Rechtsprechung. Eine Beschränkung des Geschwisterrabattes auf den Personenkreis der tatsächlich Gebührenpflichtigen, ist sachlich gerechtfertigt, angemessen und lässt einen Verstoß gegen höherrangige Rechtsvorschriften - insbesondere den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG - nicht erkennen. Denn nur hinsichtlich der gebührenpflichtigen Kinder, die eine Kindertagesstätte besuchen, sind die Eltern durch Kindergartengebühren belastet. Das sachgerechte Ziel einer derartigen Satzungsregelung, eine gleichzeitige und damit erhöhte Belastung der Eltern durch den gleichzeitigen Besuch mehrerer Kinder in einer Einrichtung zu berücksichtigen, bleibt unangetastet und wird sogar gerade durch die Regelung bekräftigt. Die Idee der Kläger, ihre Tochter H. müsse nach dem Kriterium des Eintrittsdatums (§ 4 Satz 2 KiGebS) den Platz als Vollzahlerin einnehmen mit der Folge, dass ihre Geschwister zu 50 % (I.) bzw. zu 75 % (E.) von der Ermäßigung profitieren könnten, entspricht nicht der Intention des Satzungsgebers. Sie ist auch rechtlich nicht geboten, weil die Kläger lediglich mit Familien gleich gestellt werden, die zwei Kinder in den Einrichtungen der Beklagten untergebracht haben und hierfür Gebühren entrichten. Die von den Klägern favorisierte Lösung würde somit gerade zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Besserstellung gegenüber diesem Personenkreis führen.

23

Im Übrigen hätte die Klage auch dann keinen Erfolg, wenn man der Rechtsauffassung der Kläger folgen wollte. Hätte die Beklagte in § 4 KiGebS für die Anwendung der Ermäßigungsregelung zu Unrecht auf das Kriterium der Gebührenpflichtigkeit abgestellt, wäre diese Vorschrift unwirksam, während die Satzung im Übrigen Bestand hätte. Ohne eine wirksame Ermäßigungsregelung müssten die Kläger für ihren Sohn E. aber sogar 100 % der nach § 2 Abs. 2 KiGebS anzusetzenden Benutzungsgebühren zahlen.

24

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 711 Satz 1 ZPO.