Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 18.12.2023, Az.: 12 WF 184/23

Kostenhaftung des Entscheidungsschuldners gemäß § 24 Nr. 1 FamGKG; Wirksamwerden der ihr zugrundeliegenden Kostengrundentscheidung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
18.12.2023
Aktenzeichen
12 WF 184/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 46987
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2023:1218.12WF184.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
AG Neustadt am Rübenberge - 15.11.2023 - AZ: 31 F 252/20

Fundstellen

  • JurBüro 2024, 87-88
  • MDR 2024, 258-259
  • NJW-RR 2024, 276-277
  • NZFam 2024, 327

Amtlicher Leitsatz

Die Kostenhaftung des Entscheidungsschuldners gemäß § 24 Nr. 1 FamGKG kann erst geltend gemacht werden, wenn die ihr zugrundeliegende Kostengrundentscheidung wirksam geworden ist. Da Endentscheidungen in Familienstreitsachen (einschließlich der in ihnen enthaltenen Kostengrundentscheidungen) gemäß § 116 Abs. 3 S. 1, 2 FamFG erst mit Rechtskraft oder Anordnung der sofortigen Wirksamkeit wirksam werden, kann auch eine Entscheidungsschuldnerhaftung nach § 24 Nr. 1 FamGKG hierauf erst ab Rechtskraft oder Anordnung der sofortigen Wirksamkeit gestützt werden. Die Inanspruchnahme als Entscheidungsschuldner gemäß § 24 Nr. 1 FamGKG setzt auch voraus, dass die ihr zugrundeliegende Kostengrundentscheidung weiterhin wirksam ist. Mit einem in zweiter Instanz geschlossenen Vergleich, mit dem die erstinstanzliche Kostengrundentscheidung geändert wird, sind Rechtskraft bzw. sofortige Wirksamkeit der erstinstanzlichen Kostengrundentscheidung außer Kraft gesetzt.

In der Familiensache
pp.
hat der 12. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle durch die Richter am Oberlandesgericht W. und S. und die Richterin am Oberlandesgericht W. am 18.12.2023 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Neustadt a. Rbge. vom 15.11.2023 geändert. Die Kostenrechnung der Kostenbeamtin des Amtsgerichts - Familiengericht - Neustadt a. Rbge. vom 04.09.2023 wird aufgehoben.

  2. 2.

    Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (vgl. § 57 Abs. 8 FamGKG).

Gründe

I.

Im vorliegenden Unterhaltsverfahren hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 22.12.2022 erstinstanzlich abschließend entschieden. Es hat den Antragsgegner unter Ziffer 1 des Tenors zur Zahlung laufenden (monatlich 5.361,00 € ab März 2022) und rückständigen (66.909,00 € bis einschließlich Februar 2022 abzüglich geleisteter Zahlungen) Trennungsunterhalts an die Antragstellerin verpflichtet, unter Ziffer 2 des Tenors die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet und unter Ziffer 3 des Tenors bestimmt, dass von den Kosten des Rechtsstreits der Antragsgegner 9/10 und die Antragstellerin 1/10 trägt.

Auf die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss vom 22.12.2022 hat der Senat den Beteiligten - mit Beschluss vom 07.06.2023 - vorgeschlagen, sich dahin zu vergleichen, dass der Antragsgegner der Antragstellerin - bei Aufhebung der Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen - laufenden Trennungsunterhalt ab Juli 2023 von monatlich 3.560,89 € und rückständigen Trennungsunterhalt bis einschließlich Juni 2023 in Höhe von 31.253,67 € zahlt.

Nachdem die Beteiligten diesem Vergleichsvorschlag zugestimmt hatten, ist der entsprechende Vergleichsschluss im schriftlichen Verfahren mit Senatsbeschluss vom 14.06.2023 festgestellt worden.

Mit Kostenrechnung vom 04.09.2023 hat die zuständige Kostenbeamtin des Amtsgerichts dem Antragsgegner sodann aufgegeben, 2.847,07 € (9/10 der erstinstanzlichen Gerichtskosten in Höhe von insgesamt 5.205,07 €, mithin 4.684,56 €, abzüglich eines bereits geleisteten Vorschusses von 1.837,49 €) an die Landeskasse zu zahlen.

Mit Schreiben vom 14.09.2023 hat die Kostenbeamtin auf Nachfrage des Antragsgegners mitgeteilt, dass die Kostenrechnung vom 04.09.2023 - trotz des vor dem Senat geschlossenen Vergleichs mit einer anderen Kostenquote für die erste Instanz - Bestand habe. Eine durch gerichtliche Entscheidung begründete Zahlungspflicht erlösche gemäß § 25 FamGKG nur dann, wenn die Entscheidung durch eine andere gerichtliche Entscheidung - nicht durch einen sich anschließenden Vergleich - aufgehoben oder abgeändert werde. Der Vergleich wirke aus kostenrechtlicher Sicht nur im Verhältnis zwischen den Beteiligten selbst.

Der Erinnerung des Antragsgegners gegen den Kostenansatz hat die Kostenbeamtin dann mit Verfügung vom 12.10.2023 nicht abgeholfen.

Mit Schreiben vom 19.10.2023 hat die Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Hannover die Zurückweisung der Erinnerung des Antragsgegners beantragt und sich der Argumentation der Kostenbeamtin angeschlossen.

Mit Beschluss vom 15.11.2023 hat der zuständige Richter des Amtsgerichts die Erinnerung des Antragsgegners als unbegründet zurückgewiesen. Als Maßstab für die hier gestellte Kostenrechnung gelte weiter die amtsgerichtliche Entscheidung. Die vor dem Senat geschlossene Vergleichsregelung tauge nicht als neue Kostenregelung. Als Konsequenz hieraus habe der Antragsgegner als Entscheidungsschuldner nach wie vor die Kosten des Verfahrens zu 9/10 gemäß §§ 24, 25 FamGKG zu tragen.

Auf die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss vom 15.11.2023 hat der zuständige Richter des Amtsgerichts die Akten dem Senat vorgelegt.

II.

Die Beschwerde des Antragsgegners ist gemäß § 57 Abs. 2 FamGKG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt die Wertgrenze des § 57 Abs. 2 FamGKG von 200,00 €. Der Antragsgegner akzeptiert lediglich eine Inanspruchnahme in Bezug auf die erstinstanzlichen Gerichtskosten in Höhe von (5.205,07 €: 2 =) 2.602,54 €. Er wird mit der Kostenrechnung vom 04.09.2023 aber auf einen um (2.847,07 € - 2.602,54 € =) 244,53 € höheren Betrag in Anspruch genommen.

III.

Die Beschwerde des Antragsgegners hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung der Kostenrechnung der Kostenbeamtin vom 04.09.2023.

Der Antragsgegner kann nicht als Entscheidungsschuldner gemäß § 24 Nr. 1

FamGKG auf 9/10 der erstinstanzlichen Gerichtskosten in Anspruch genommen werden.

Die Kostenhaftung des Entscheidungsschuldners gemäß § 24 Nr. 1 FamGKG kann erst geltend gemacht werden, wenn die ihr zugrundeliegende Kostengrundentscheidung wirksam geworden ist (vgl. BeckOK KostenR/Siede, 42. Ed. 01.07.2023, § 24 FamGKG, Rn 32; Binz/Dörndorfer/Zimmermann/Dörndorfer, 5. Aufl. 2021, § 24 FamGKG, Rn 2; Schneider/Volpert/Fölsch/Hans-Jochem Mayer, 3. Aufl. 2019, § 24 FamGKG, Rn 6). Die Vorschrift des § 24 Nr. 1 FamGKG knüpft zwar nach ihrem Wortlaut für die Kostenschuldnerschaft allein an die Auferlegung der Kosten des Verfahrens durch gerichtliche Entscheidung an. Damit kann aber - unter Berücksichtigung allgemeiner verfahrensrechtlicher Grundsätze - nur eine Entscheidung gemeint sein, die dem Beteiligten gegenüber wirksam geworden ist, dem die Kosten auferlegt worden sind (so auch KG Berlin NJW-RR 2000, 1239 zu der früheren entsprechenden Vorschrift zur Entscheidungsschuldnerhaftung im GKG; vgl. auch OLG Bamberg FamRZ 2020, 1213: kein Kostenfestsetzungsbeschluss vor Wirksamkeit der Kostengrundentscheidung). Aus einer gegenüber dem Betroffenen nicht wirksam gewordenen Entscheidung können keine Rechtsfolgen zu dessen Lasten hergeleitet werden, auch nicht aus § 24 Nr. 1 FamGKG.

Zwar werden Beschlüsse in Familiensachen gemäß § 40 Abs. 1 FamFG grundsätzlich bereits wirksam mit Bekanntgabe an den Beteiligten, für den sie ihrem wesentlichen Inhalt nach bestimmt sind. Für Familienstreitsachen - und damit auch Unterhaltssachen - enthält § 116 Abs. 3 S. 1, 2 FamFG in Bezug auf das Wirksamwerden von Endentscheidungen indes eine Spezialvorschrift. Wirksamkeit tritt in diesen Verfahren gemäß § 116 Abs. 3 S. 1, 2 FamFG erst mit Rechtskraft oder Anordnung der sofortigen Wirksamkeit ein. Auch die Entscheidungsschuldnerhaftung gemäß § 24 Nr. 1 FamGKG gegenüber der Landeskasse kann damit in diesen Verfahren erst mit Rechtskraft oder Anordnung der sofortigen Wirksamkeit in Bezug auf die zugrundeliegende Kostengrundentscheidung geltend gemacht werden.

Im vorliegenden Unterhaltsverfahren ist die Kostenregelung im Beschluss vom 22.12.2022 nicht wirksam geworden. Weder ist die erstinstanzliche Endentscheidung vom 22.12.2022 rechtskräftig geworden noch ist in Bezug auf die in ihr enthaltene Kostenentscheidung die sofortige Wirksamkeit angeordnet worden. Die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit in Ziffer 2 des Tenors des Beschlusses vom 22.12.2022 bezieht sich ersichtlich nur auf die (laufende) Unterhaltsverpflichtung in Ziffer 1 des Tenors und nicht auf die Kostenregelung in Ziffer 3 des Tenors. Dies folgt zum einen aus der systematischen Stellung der Anordnung der sofortigen Wirksamkeit nicht am Ende des Tenors im Anschluss auch an die Kostenregelung, sondern in der Mitte des Tenors im Anschluss an die Unterhaltsverpflichtung und vor der Kostenregelung, zum anderen auch aus der Begründung der Anordnung der sofortigen Wirksamkeit in den Gründen der Entscheidung. Dort heißt es hierzu lediglich: "Die Entscheidung über die sofortige Wirksamkeit resultiert aus § 116 FamFG, womit der Beschluss hinsichtlich des laufenden Unterhalts gemäß § 120 Abs. 2 FamFG vollstreckbar ist."

Aber selbst wenn man annehmen wollte, dass sich die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit auch auf die Kostenregelung der Entscheidung vom 22.12.2022 bezieht, könnte der Antragsgegner - zeitlich nach dem Vergleichsschluss vor dem Senat mit einer abweichenden Kostenregelung - nicht als Entscheidungsschuldner gemäß § 24 Nr. 1 FamGKG zu 9/10 der Gerichtskosten der ersten Instanz herangezogen werden. Denn die Inanspruchnahme als Entscheidungsschuldner gemäß § 24 Nr. 1 FamGKG setzt auch voraus, dass die fragliche Kostengrundentscheidung weiterhin wirksam ist (vgl. auch BeckOK KostenR/Siede, 42. Ed. 01.07.2023, § 24 FamGKG, Rn 35), was hier nicht der Fall wäre. Mit der vergleichsweise getroffenen Regelung in zweiter Instanz ist nicht nur die Rechtskraft, sondern auch die sofortige Wirksamkeit der erstinstanzlichen Entscheidung zivilprozessual außer Kraft gesetzt worden (vgl. auch OLG Brandenburg, Beschluss vom 26.01.2011 zum Az. 9 WF 9/11, juris, Rn 9).

Es ist zwar richtig, dass gemäß § 25 S. 1 FamGKG die durch gerichtliche Entscheidung begründete Verpflichtung zur Zahlung von Kosten (§ 24 Nr. 1 FamGKG) nur erlischt, soweit die Entscheidung durch eine andere gerichtliche Entscheidung (nicht nur durch einen nachfolgenden Vergleich) aufgehoben oder abgeändert wird. Hierauf kommt es im vorliegenden Unterhaltsverfahren indes - mangels Wirksamwerden bzw. fortbestehender Wirksamkeit der erstinstanzlichen Kostenregelung vom 22.12.2022 - nicht an.

Als Grundlage einer Kostenhaftung des Antragsgegners hinsichtlich der erstinstanzlichen Gerichtskosten zu Gunsten der Landeskasse kommt daher im vorliegenden Fall allein der in zweiter Instanz geschlossene Prozessvergleich in Betracht, wonach der Antragsgegner lediglich die Hälfte der erstinstanzlichen Gerichtskosten zu tragen hat. Der Antragsgegner haftet insoweit als Übernahmeschuldner gemäß § 24 Nr. 2 FamGKG. Auf dieser Grundlage ist eine neue Kostenrechnung zu erstellen.