Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 20.03.2024, Az.: 7 U 287/22

Weiterer Fall im Rahmen des Dieselabgasskandals

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
20.03.2024
Aktenzeichen
7 U 287/22
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 13157
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2024:0320.7U287.22.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 27.04.2022 - AZ: 73 O 48/21

Amtlicher Leitsatz

Durch ein Software-Update, durch das ein Thermofenster dergestalt aufgeweitet wird, dass bis zu einer Temperatur von +40 °C im oberen Bereich und -10°C im unteren Bereich keine außentemperaturabhängige Reduzierung der Emissionsminderung eintritt, wird gewährleistet, dass die Abgasrückführung als Teil des Emissionskontrollsystems unter normalen Betriebsbedingungen im Sinne von Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 1 VO (EG) 715/2007 gewährleistet ist. Denn normale Betriebsbedingungen in diesem Sinne umfassen unter Berücksichtigung von Art. 3 Abs. 9 Unterabs. 2 VO (EG) 692/2008, dessen Inhalt als Auslegungshilfe herangezogen werden kann, im unteren Bereich Temperaturen von bis zu -7°C.

In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle im schriftlichen Verfahren gem. § 128 Abs. 2 ZPO mit Erklärungsfrist zum 28. Februar 2024 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Oberlandesgericht ... für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Einzelrichterin der 73. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 27. April 2022 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist ebenso wie das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf bis zu 35.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger macht Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem sog. "Diesel-Abgasskandal" geltend.

Der Kläger erwarb von einem am hiesigen Rechtsstreit nicht beteiligten Händler am 8. Juni 2017 einen Gebrauchtwagen Mercedes Benz GLK 350 CDI 4matic zum Kaufpreis von 37.600 €. Das Fahrzeug ist mit einem Motor des Typs OM 642 der Schadstoffnorm Euro 5 ausgestattet. Für das Fahrzeug liegt kein verbindlicher Rückruf des Kraftfahrtbundesamts (KBA) vor. Für das Fahrzeug steht aber ein freiwilligen Software-Update im Rahmen des Nationalen Forum Diesel zur Verfügung, das der Kläger indes bislang nicht auf das Fahrzeug hat aufspielen lassen.

Das Fahrzeug verfügte zum Zeitpunkt seines Erwerbs durch den Kläger über verschiedene Funktionen der Steuerung der Abgasrückführung, so über ein sog. Thermofenster, das die Abgasrückführung jedenfalls ab Umgebungslufttemperaturen von unter 10 °C reduzierte, und ein "Geregeltes Kühlmittelthermostat" (im Folgenden: KSR). Das Aufspielen des Software-Updates hätte zur Folge, dass die KSR "ausbedatet", also beseitigt, und die Abgasrückführungsrate bei betriebswarmem Motor jedenfalls zwischen -10°C und +40°C nicht in Abhängigkeit von der Umgebungslufttemperatur reduziert würde.

Das Landgericht, auf dessen Urteil vom 27. April 2022 (Bl. 155 ff. d. A.) wegen der tatsächlichen Feststellungen und erstinstanzlich gestellten Anträge verwiesen wird, hat die auf Rückabwicklung, Feststellung von Annahmeverzug sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage abgewiesen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er zunächst sein erstinstanzliches Begehren auf sog. "großen Schadensersatz" weiterverfolgt hat.

Mit Schriftsatz vom 18. September 2023 (Bl. 477 ff. d. A.) hat der Kläger auf die unter Berücksichtigung der amtlichen Auskunft des KBA vom 7. August 2023 (Bl. 424 ff d. A.) erteilten Hinweise des Senats sein Schadensersatzverlangen auf Ersatz des sog. "Differenzschadens" umgestellt und beantragt nunmehr,

unter Änderung des angefochtenen Urteils,

  1. 1.

    die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.640 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 9. Oktober 2021 zu zahlen;

  2. 2.

    die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger die durch die Beauftragung seiner Prozessbevollmächtigten entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 825,15 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 9. Oktober 2021 zu zahlen.

Seine darüberhinausgehende Berufung hat der Kläger zurückgenommen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung, u.a. unter Verweis darauf, dass ein etwaiger Differenzschaden jedenfalls durch das von ihr entwickelte und seitens des KBA genehmigte Software-Update kompensiert sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vortrag der Parteien in den zur Akte gereichten Schriftsätzen mit Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.

Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen Dem Kläger stehen im Zusammenhang mit dem Erwerb des streitgegenständlichen Fahrzeugs keine Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu.

Im Einzelnen:

1. Ein Anspruch des Klägers auf sog. "großen Schadensersatz", der sich lediglich aus §§ 826, 31 BGB ergeben könnte, wird vom Kläger nach der auf die Hinweise des Senats vom 7. August 2023 hin erfolgten Antragsumstellung nicht mehr geltend gemacht.

2. Dem Kläger steht auch kein Anspruch auf Ersatz des Differenzschadens gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV gegen die Beklagte zu. Ein etwaiger Differenzschaden ist durch anzurechnende Vorteile ausgeglichen.

a) Auf den Differenzschaden finden die von der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe des Vorteilsausgleichs zum "kleinen Schadensersatz" Anwendung. Beruft sich der Fahrzeughersteller auf die nachträgliche Verbesserung des Fahrzeugs durch ein Software-Update, kann damit eine Schadensminderung nur verbunden sein, wenn und soweit das Software-Update die Gefahr von Betriebsbeschränkungen signifikant reduziert. Das wiederum kann nur dann der Fall sein, wenn es nicht seinerseits eine unzulässige Abschalteinrichtung beinhaltet (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 80 mit Verweis auf BGH, Urteil vom 6. Juli 2021 - VI ZR 40/20, juris Rn. 23 f.; Urteil vom 24. Januar 2022 - VIa ZR 100/21, juris Rn. 17).

Die Darlegungs- und Beweislast für die Vorteilsausgleichung, welche anspruchsmindernd zu berücksichtigen ist, trägt der Schädiger (vgl. BGH, Urteil vom 24. September 2021 - V ZR 272/19, juris Rn. 24; Beschluss vom 25. Juli 2022 - VIa ZR 622/21, juris Rn. 10; Urteil vom 23. März 2023 - V ZR 97/21, juris Rn. 7; Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 80).

b) Nach diesen Grundsätzen ist der Schaden des Klägers durch anzurechnende Vorteile vollständig ausgeglichen. Zwar hat der Kläger das Software-Update nicht installiert. Die Beklagte hatte es ihm jedoch angeboten, weshalb er sich die hierdurch erlangten Vorteile entsprechend § 254 BGB anrechnen lassen muss.

aa) Das Software-Update hätte zu einer relevanten Aufwertung des Fahrzeugs des Klägers geführt.

Ein Vorteilsausgleich durch das Software-Update setzt voraus, dass das Risiko behördlicher Maßnahmen signifikant reduziert wird, woran es fehlt, wenn die festgestellten unzulässigen Abschalteinrichtungen nicht beseitigt oder neue Abschalteinrichtungen implementiert werden (vgl. Senat, Urteil vom 20. Dezember 2023 - 7 U 1742/19, juris Rn. 143).

(1) Vorliegend läge durch das Aufspielen des Updates eine signifikante Reduzierung vor.

Nach dem insoweit unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten aus dem Schriftsatz vom 29. Januar 2024 (Bl. 548 ff. d. A.) hat sie mit dem Software-Update die ehemals vorhandene KSR entfernt und das Thermofenster so aufgeweitet, dass nunmehr bei betriebswarmem Motor innerhalb eines Temperaturbereichs von -10°C bis +40°C in Abhängigkeit von der Umgebungstemperatur keine Reduzierung der Abgasrückführungsrate mehr erfolgt.

Diesen Vortrag hat der Senat seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Soweit der Kläger erstinstanzlich (vgl. S. 31 f. d. Klageschrift, Bl. 17, 17R d. A.) lediglich pauschal angeführt hat, dass "technisch nicht nachvollziehbar" sei, "wie der Eingriff in die Motorsteuerung durch das "Software-Update" die Abschalteinrichtung beseitigen" solle, stellt dies in Bezug auf die seitens der Beklagten nunmehr konkret dargelegten Veränderungen an der Motorsteuerungssoftware kein hinreichendes Bestreiten dar mit der Folge, dass der Beklagtenvortrag aus dem Schriftsatz vom 29. Januar 2024 als zugestanden gilt, § 138 Abs. 3 ZPO.

(2) Nach Überzeugung des Senats wird durch die seitens der Beklagten im Rahmen des Software-Updates vorgenommene Änderung an der Motorsteuerungssoftware unter vernünftigerweise zu erwartenden normalen Betriebsbedingungen im Sinne von Art. 3 Nr. 10 VO (EG) 715/2007 keine Minderung des Emissionskontrollsystems mehr bewirkt.

(a) In Bezug auf die ehemals vorhandene KSR ist dies evident, da diese Funktion im Rahmen des Software-Updates gänzlich beseitigt wurde.

(b) Entsprechendes gilt indes auch in Bezug auf das nach wie vor vorhandene Thermofenster.

(aa) Grundsätzlich muss die Abgasrückführung als Teil des Emissionskontrollsystems unter Betriebsbedingungen, die beim normalen Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, uneingeschränkt wirksam sein. Anderenfalls liegt eine Abschalteinrichtung vor. Dabei umfassen die normalen Betriebsbedingungen im Sinne von Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 1 VO (EG) 715/2007 die tatsächlichen Fahrbedingungen, wie sie im Unionsgebiet üblich sind (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Juli 2022, C-128/20, Rn. 40; EuGH, Urteil vom 14. Juli 2022 - C-134/20, juris Rn. 47), so dass zu ihnen auch der Außentemperaturbereich gehört, wie er im Gebiet der Europäischen Union üblicherweise vorkommt (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 50).

Welchen Temperaturbereich die normalen Betriebsbedingungen im Sinne von Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 1 VO (EG) 715/2007 genau umfassen, ist dabei durch die Rechtsprechung bislang nicht abschließend geklärt. Während ein Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OLG Stuttgart, Urteil v. 22. Februar 2024 - 24 U 254/21, juris Rn. 75; OLG Frankfurt, Urteil v. 29. November 2023 - 19 U 185/22, juris Rn. 14, jeweils unter Verweis auf die Entscheidung des VG Schleswig v. 20. Februar 2023 - 3 A 113/18, juris Rn. 267, 274) davon ausgeht, dass hierzu Außentemperaturen zwischen -15°C und +40°C zählen, sollen nach einem anderen Teil der Rechtsprechung "zweistellige Minusgrade - etwa in Skandinavien - und Temperaturen um 40 °C - etwa in Südeuropa" zu den üblichen, im Unionsgebiet üblichen Temperaturen gehören (vgl. OLG Schleswig, Urteil v. 8. Dezember 2023 - 1 U 105/20, juris Rn. 91). Nach der Auffassung eines anderen Senats des OLG Schleswig sollen die "normalen Betriebsbedingungen" im Gebiet der Europäischen Union sogar lediglich einen Temperaturbereich von 0°C bis +30°C umfassen (OLG Schleswig, Urteil v. 10. Oktober 2023 - 7 U 100/22, juris Rn. 65).

(bb) Nach der Auffassung des Senats gehören - für den hier interessierenden unteren Temperaturbereich - zwar auch deutlich unter 0°C liegende Temperaturen zu den üblichen Betriebsbedingungen. Dies ändert aber nichts daran, dass das streitgegenständliche Thermofenster, das nach dem Software-Update bis -10°C und damit bis in den zweistelligen Minusbereich hinein keine außentemperaturabhängige Reduzierung der Emissionsminderung vornimmt, es gewährleistet, dass die Abgasrückführung als Teil des Emissionskontrollsystems unter normalen Betriebsbedingungen im Sinne von Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 1 VO (EG) 715/2007 uneingeschränkt wirksam ist.

In seiner Entscheidung vom 14. Juli 2022 hat der EuGH zur ersten Vorlagefrage (Rechtssache C 134-20, juris Rn. 52 f.) folgendes ausgeführt:

"Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die Verordnung Nr. 692/2008, die auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbar ist und in der Maßnahmen zur Durchführung der Art. 4, 5 und 8 der Verordnung Nr. 715/2007 festgelegt werden, in ihrem Art. 3 Abs. 9 Unterabs. 2 vorsieht, dass die Hersteller der Genehmigungsbehörde belegen, dass die Stickstoffoxid (NOx)-Nachbehandlungseinrichtung nach einem Kaltstart bei -7 Grad Celsius innerhalb von 400 Sekunden eine für das ordnungsgemäße Arbeiten ausreichend hohe Temperatur erreicht. Nach Art. 3 Abs. 9 Unterabs. 5 erteilt die Genehmigungsbehörde keine Typgenehmigung, wenn die vorgelegten Angaben nicht hinreichend nachweisen, dass die Nachbehandlungseinrichtung tatsächlich innerhalb des genannten Zeitraums eine für das ordnungsgemäße Funktionieren ausreichend hohe Temperatur erreicht. Die letztgenannte Bestimmung bestätigt die Auslegung, wonach die in der Verordnung Nr. 715/2007 vorgesehenen Emissionsgrenzwerte einzuhalten sind, wenn die Temperaturen deutlich unter 15 Grad Celsius liegen.

Daher ist davon auszugehen, dass eine Software wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems "unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind," im Sinne von Art. 3 Nr. 10 der Verordnung Nr. 715/2007 einschränkt und daher eine Abschalteinrichtung im Sinne dieser Bestimmung darstellt." (Hervorhebungen durch den Senat)

Damit hat der EuGH klargestellt, dass der Inhalt von Art. 3 Abs. 9 Unterabs. 2 der VO (EG) 692/2008 jedenfalls als Auslegungshilfe für die Bestimmung des zu den "normalen Fahrbedingungen" gehörenden Temperaturbereichs herangezogen werden kann und der Wille des EU-Verordnungsgebers in Bezug auf die an die Fahrzeughersteller gestellten Anforderungen hinsichtlich ihrer Abgasrückführungssysteme bei niedrigen Temperaturen für diese Frage mit zu berücksichtigen ist.

Nach dessen Intention musste ein sicheres Funktionieren der NOx-Nachbehandlung binnen einer Frist von 400 Sekunden nach einem Kaltstart jedoch lediglich bei einer Minustemperatur von bis zu -7°C sichergestellt sein. Da die vorgenannte Temperaturangabe für die Kaltstartbedingungen seitens des EU-Verordnungsgebers im Zweifel nicht willkürlich gewählt wurde, sind nach seinem Verständnis Temperaturen bis zu dieser Höhe - jedenfalls im unteren Bereich - im Unionsgebiet regelmäßig zu erwarten; denn andernfalls wäre eine andere (negative) Maximaltemperatur vorgeschrieben worden, bis zu der der Hersteller ein ordnungsgemäßes Arbeiten des Abgasnachbehandlungssystems hätte sicherstellen müssen.

Vor diesem Hintergrund umfassen "normale Betriebsbedingungen" im Sinne von Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 1 VO (EG) 715/2007 nach den Vorstellungen des Verordnungsgebers - was den unteren Bereich betrifft - ganz ersichtlich Temperaturen bis zu dieser Höhe.

Bei -7°C und selbst noch deutlich darunter gewährleistete jedoch im Streitfall das im Klägerfahrzeug implementierte Thermofenster - für den Fall des Aufspielens des Software-Updates - eine nicht reduzierte Abgasrückführung. Damit ist es unter normalen Betriebsbedingungen im Sinne von Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 1 VO (EG) 715/2007 uneingeschränkt wirksam.

Dies hat zur Folge, dass nach dem Sachverhalt, wie er dem Senat zur Beurteilung unterbreitet wurde, nach dem Aufspielen das Software-Updates keine unzulässigen Abschalteinrichtungen in der Motorsteuerung des Klägerfahrzeugs mehr vorhanden sind, weshalb ein Rückrufrisiko nicht mehr besteht. Vielmehr steht der Kläger nicht anders da als er bei Erwerb eines von vornherein ohne unzulässige Abschalteinrichtungen ausgestatteten Fahrzeugs gestanden hätte. Unter diesen Voraussetzungen ist ein Schaden in seinem Vermögen jedoch nicht mehr vorhanden.

bb) Einer Vorteilsausgleichung stehen auch die mit dem Software-Update etwaig verbundenen Nachteile - der Kläger hatte sich in der Klageschrift hier u.a. auf einen erhöhten Kraftstoffverbrauch und schnelleren Verschleiß berufen - nicht entgegen.

(1) Der Geschädigte wird durch die Gewährung des Differenzschadens wegen der Enttäuschung des Käufervertrauens so behandelt, als wäre es ihm in Kenntnis der wahren Sachlage und der damit verbundenen Risiken gelungen, den Vertrag zu einem niedrigeren Preis abzuschließen. Sein Schaden liegt daher in dem Betrag, um den er den Kaufgegenstand mit Rücksicht auf die mit der unzulässigen Abschalteinrichtung verbundenen Risiken zu teuer erworben hat. Insofern unterscheidet sich der Anspruch auf Ersatz eines Differenzschadens gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV nicht von dem unter den Voraussetzungen der §§ 826, 31 BGB zu gewährenden "kleinen" Schadensersatz (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 40). Allerdings ist ein ersatzfähiger Differenzschaden nicht mit einem Minderwert des Fahrzeugs gleichzusetzen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Januar 2024 - VIa ZR 1136/22, juris Rn. 13).

Die mit der Möglichkeit behördlicher Maßnahmen einhergehende, zeitlich nicht absehbare Unsicherheit, das erworbene Kraftfahrzeug jederzeit seinem Zweck entsprechend nutzen zu dürfen, setzt den objektiven Wert des Kaufgegenstands im maßgeblichen Zeitpunkt der Vertrauensinvestition des Klägers bei Abschluss des Kaufvertrags herab, weil schon in der Gebrauchsmöglichkeit als solcher ein geldwerter Vorteil liegt. Die Verfügbarkeit eines Kraftfahrzeugs ist geeignet, Zeit und Kraft zu sparen und damit das Fortkommen unabhängig von der Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel im allgemeinsten Sinne zu fördern. Anschaffung und Unterhaltung eines Kraftfahrzeugs erfolgen vor allem um des wirtschaftlichen Vorteils willen, der in der Zeitersparnis liegt. Liegt der wirtschaftliche Wert eines Kraftfahrzeugs nicht nur für den klagenden Käufer, sondern ebenso für als spätere Erwerber in Frage kommende Dritte darin, jederzeit über ein für die Teilnahme am Straßenverkehr zugelassenes Fortbewegungsmittel zu verfügen, und hat diese jederzeitige Verfügbarkeit einen Geldwert, lässt sich eine Verringerung des objektiven Werts des Kraftfahrzeugs infolge seiner Ausrüstung mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Vergleich zu einem Kraftfahrzeug der betreffenden Baureihe und Motorisierung ohne unzulässige Abschalteinrichtung nicht ohne Verletzung des § 287 Abs. 1 ZPO verneinen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 41). Mit Rücksicht auf den geldwerten Vorteil der jederzeitigen Verfügbarkeit eines Kraftfahrzeugs genügt schon die rechtliche Möglichkeit einer Nutzungsbeschränkung, die mit der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung gegeben ist (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21, juris Rn. 42).

(2) Für die deliktische Haftung ist zu beachten, dass diese nicht das Erfüllungsinteresse oder positive Interesse erfasst, weil sie nicht an das Bestehen einer Verbindlichkeit und deren Nicht- oder Schlechterfüllung anknüpft. Sie beschränkt sich vielmehr auf das "Erhaltungsinteresse" und damit das negative Interesse. Der durch eine unerlaubte Handlung Geschädigte hat grundsätzlich keinen Anspruch darauf, besser zu stehen, als er stünde, wenn der Schädiger die unerlaubte Handlung nicht begangen hätte (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 2021 - VI ZR 40/20, BGHZ 230, 224 Rn. 14 mwN). Wird ein Schaden geltend gemacht, der lediglich den auf der Mangelhaftigkeit beruhenden Unwert der Sache für das Nutzungs- und Äquivalenzinteresse des Käufers ausdrückt, ist für deliktische Schadensersatzansprüche kein Raum. Denn die deliktischen Verkehrspflichten sind grundsätzlich nicht darauf gerichtet, die Erwartung des Käufers zu schützen, Wert und Nutzungsmöglichkeit einer mangelfreien Sache zu erhalten (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2020 - VIII ZR 315/19, juris Rn. 25 mwN).

(3) Nach diesen Grundsätzen stehen die vom Kläger geltend gemachten Nachteile einem Vorteilsausgleich nicht entgegen. Das Risiko behördlicher Maßnahmen wird durch das Software-Update vollständig beseitigt, weshalb eine Beeinträchtigung der jederzeitigen Nutzungsmöglichkeit nicht mehr gegeben ist.

Zwar liegt eine ordnungsgemäße Nachbesserung (§ 439 Abs. 1 BGB) nur dann vor, wenn hierdurch auch (nicht zu vernachlässigende) Folgemängel nicht hervorgerufen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juli 2022 - VIII ZR 347/20, juris Rn. 17 mwN), woran es fehlt, wenn die vom Kläger behaupteten Nachteile eintreten. Das beruht jedoch darauf, dass die Nachbesserung darauf abzielt, die gekaufte Sache in einen vertragsgemäßen Zustand zu versetzen, wie er nach § 433 Abs. 1 Satz 2, § 434 Abs. 1 BGB geschuldet ist (vgl. BGH, Urteil vom 6. Februar 2013 - VIII ZR 374/11, juris Rn. 12). Damit geht es um das Erfüllungsinteresse, auf das der durch eine unerlaubte Handlung geschädigte Kläger gegenüber der Beklagten keinen Anspruch hat.

3. Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten kann der Kläger mangels Erfolgs in der Sache nicht verlangen und könnte dies selbst dann nicht, wenn er mit seinem Anspruch auf Ersatz des Differenzschadens in der Hauptsache durchdränge. Denn da sich die Ersatzpflicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit §§ 6, 27 EG-FGV auf eine Bandbreite zwischen 5 % und 15 % des gezahlten Kaufpreises beschränkt und - wie der BGH mit Urteil vom 26. Juni 2023 (VIa ZR 335/21, Rn. 75) ausgeführt hat - ein allein nach den vorgenannten Normen geschuldeter Schadensersatz nicht höher sein kann als 15 % des gezahlten Kaufpreises, ist Gegenstand des Differenzschadensersatzanspruchs ausschließlich der Betrag, um den der geschädigte Käufer das Fahrzeug mit Rücksicht auf die mit der unzulässigen Abschalteinrichtung verbundenen Risiken zu teuer erworben hat (BGH, aaO, Rn. 40) - der sogenannte Differenzschaden. Demgegenüber sind etwaige sonstige Schäden wie etwaig angefallene Finanzierungskosten oder vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von der Ersatzpflicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit §§ 6, 27 EG-FGV von vornherein ausgeschlossen (vgl. BGH, Urteil v. 18. September 2023 - VIa ZR 632/22, Rn. 14 in Bezug auf Finanzierungskosten und Urteil v. 16. Oktober 2023 - VIa ZR 14/22, Rn. 13 in Bezug auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten).

III.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 708 Nr. 10, 713 ZPO.