Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 14.12.2023, Az.: 2 W 159/23

Beschwerde gegen die Gebührenberechnung der Gerichtsvollzieherin für die elektronische Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
14.12.2023
Aktenzeichen
2 W 159/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 53001
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG Bückeburg - AZ: 41 M 199/23
LG Bückeburg - 10.10.2023 - AZ: 4 T 44/23

Fundstelle

  • NJW-RR 2024, 343-344

In dem Verfahren der weiteren Beschwerde
betreffend den Kostenansatz der Obergerichtsvollzieherin D. M. in der Kostenrechnung vom 14. Juli 2023 <DR ...> hinsichtlich der abgerechneten Gebühr "KV 100-102/600 Gebühren" in Höhe von 14,30 EUR, wobei anteilige 11,- EUR nach KV 100 streitig sind,
in der Zwangsvollstreckungssache
pp.
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Landgericht ... am 14. Dezember 2023 beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde der Landeskasse vom 13. Oktober 2023 gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bückeburg <4 T 44/23> vom 10. Oktober 2023 wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

Die gemäß § 5 Abs. 2 S. 2 GvKostG in Verbindung mit § 66 Abs. 4 S. 1 GKG zulässige weitere Beschwerde der Landeskasse ist unbegründet und war zurückzuweisen. Zu Recht hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Bückeburg die Kostenrechnung der Obergerichtsvollzieherin D. M. vom 14. Juli 2023 <DR ...> bestätigt. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Gerichtsvollzieherin für die elektronische Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gemäß KV 100 GvKostG eine Gebühr in Höhe von 11,- EUR berechnet hat. Auch nach Auffassung des Senats war die Obergerichtsvollzieherin berechtigt, die tatsächlich erfolgte elektronische Zustellung wie eine persönliche Zustellung abzurechnen. Zur Vermeidung von Wiederholungen, insbesondere zur Darstellung des Meinungsstandes, wird auf die zutreffenden und ausführlichen Ausführungen des Amtsgerichts Bückeburg <41 M 199/23> in dem Beschluss vom 6. September 2023 und der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bückeburg <4 T 44/23> im Beschluss vom 10. Oktober 2023 Bezug genommen, denen sich der Senat nach einer kritischen Überprüfung unter besonderer Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens aus den nachstehenden Gründen vollinhaltlich anschließt:

Die Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an den Drittschuldner und an den Schuldner liegt gemäß § 829 Abs. 2 S. 1 und 2 ZPO im Zuständigkeitsbereich der Gerichtsvollzieher [Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Auflage, Bearbeiter Herget zu § 829 Rn. 14]. Die Zustellung erfolgt gemäß §§ 193, 193 a ZPO [ders., a. a. O.], wobei es sich hierbei um eine Amtspflicht des Gerichtsvollziehers handelt und die elektronische Zustellung ermöglicht ist [Zöller-Herget, § 829 Rn. 15a; Anders/Gehle, Zivilprozessordnung, 82. Auflage, Bearbeiter Nober zu § 829 Rn. 40; BTDrs. 19/31119, S. 7]. § 193 a ZPO verfolgt nach dem Willen des Gesetzgebers das Ziel, einen weiten Anwendungsbereich für die elektronische Zustellung elektronischer Dokumente zu ermöglichen [BTDrs. 19/31119, S. 5;

Musielak/Voit, Zivilprozessordnung, 20. Auflage. Bearbeiter Wittschier zu § 193 a Rn. 2]. Nach § 193 a Abs. 2 S. 2 ZPO überträgt der Gerichtsvollzieher das vom Auftraggeber übermittelte Schriftstück in ein elektronisches Dokument und nach § 193 a Abs. 2 S. 3 ZPO erfolgt eine Verbindung mit der automatisierten Eingangsbestätigung. Dabei wird die Authentizität des übermittelten Dokuments dem Empfänger allein dadurch garantiert, dass der Transfer in elektronischer Form und die Verwendung des sicheren Übertragungsweges in einer Hand, nämlich der des Gerichtsvollziehers liegen [Zöller-Schultzky, § 193 a Rn. 4; Schröder-Kay, Das Kostenwesen der Gerichtsvollzieher, 15. Auflage, Bearbeiter Eggers zu Nr. 100-102 Rn. 28]. Die Zusammenführung des zuzustellenden Dokuments mit der automatisierten Eingangsbestätigung in einem sog. "Container" muss seitens des Gerichtsvollziehers mit einer qualifizierten Signatur versehen werden [BTDrs., 19/31119, S. 5; Zöller-Schultzky, § 193 a Rn. 6; Anders/Gehle-Vogt-Beheim, § 193 a Rn. 6]. Auf diese Weise kommt der Tätigkeit des Gerichtsvollziehers eine die Richtigkeit und Sicherheit des Zustellungsvorganges kontrollierende und schützende Funktion zu.

Darüber hinaus ist zu beachten, dass gemäß § 15 Abs. 2 S. 1 GVGA (Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher vom 6. Dezember 2022) der Gerichtsvollzieher zwischen der persönlichen Zustellung und der Zustellung durch die Post nach pflichtgemäßem Ermessen die Wahl hat [Zöller-Schultzky, § 192 Rn. 4; Schröder-Kay/Eggers, Nr. 100 - 102 Rn. 19]. Soweit dem Gerichtsvollzieher die Wahl der Zustellungsart in sein Ermessen gestellt ist, kann dieses Ermessen nicht im Hinblick auf die Kosten eingeschränkt werden [Schneider/Volpert/Fölsch (Hrsg.),

NomosKommentar Gesamtes Kostenrecht, 3. Auflage, Bearbeiter Kawell zu Nr. 100 - 102 KV GvKostG Rn. 14; Schröder-Kay/Eggers, Nr. 100 - 102 Rn. 21 m. w. N.]. Folglich darf ein Gerichtsvollzieher auch frei entscheiden, ob er ein Dokument elektronisch statt persönlich zustellt.

Die Argumentation der Landeskasse zur gebührenrechtlichen Einordnung der elektronischen Zustellung unter die Nr. 101 statt unter die Nr. 100 KV GvKostG berücksichtigt nach Auffassung des Senats die vorstehenden Gesichtspunkte nicht hinreichend. Mit den beiden Vorgerichten vertritt der Senat die Meinung, dass die persönliche Garantie des Gerichtsvollziehers für die Richtigkeit und Sicherheit des elektronischen Zustellungsvorganges gerade die Vergleichbarkeit der elektronischen Zustellung mit der persönlichen Zustellung nahelegt und nicht mit der Zustellung durch Aufgabe zur Post. Maßgebend kommt es nicht auf die generellen Dienste eines Telekommunikationsdienstleisters - vergleichbar mit der Aufgabe zur Post - an, sondern auf die Kontroll- und Sicherungspflichten des Gerichtsvollziehers persönlich bei der Übertragung des Schriftstücks in ein elektronisches Dokument bzw. der Erstellung der neuen, einheitlichen elektronischen Datei und deren Versendung. Hierdurch wird wie bei einem persönlichen Einwerfen eines Dokuments in den Briefkasten des Empfängers am Zustellungsort durch die Person des Gerichtsvollziehers gewährleistet, dass der richtige Adressat das zuzustellende Schriftstück erhält. Dies stellt eine persönliche Leistung des Gerichtsvollziehers dar, die der persönlichen Zustellung durch ihn vor Ort ähnelt, wenn er den Empfänger dort nicht antrifft. Da § 15 Abs. 2 S. 2 GVGA nur zwischen der persönlichen Zustellung und derjenigen durch die Post entscheidet, kommt es als maßgebliches Unterscheidungskriterium allein auf die Frage an, ob der Gerichtsvollzieher die Zustellung persönlich bewirkt oder nicht [Toussaint, Kostenrecht, 53. Auflage, Bearbeiter Uhl zu KV GvKostG Nr. 101 Rn. 3]. Das ist bei der elektronischen Zustellung aus den vorstehenden Gründen der Gewähr von Kontrolle und Sicherheit des Zustellungsvorganges der Fall. Der Aufwand des Gerichtsvollziehers, den Ort des Empfängers aufzusuchen, wird durch das gesondert zu erhebende Wegegeld (Nr. 711 KV GvKostG) aufgefangen, und kann mithin kein überzeugendes Argument sein.

Demzufolge bleibt der weiteren Beschwerde der Landeskasse der Erfolg versagt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 5 Abs. 2 S. 2 GvKostG in Verbindung mit § 66 Abs. 8 GKG.

Da eine Beschwerde zu einem Obersten Gerichtshof des Bundes gemäß § 5 Abs. 2 S. 2 GvKostG in Verbindung mit § 66 Abs. 3 S. 3 GKG nicht stattfindet, ist dieser Beschluss unanfechtbar.