Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 05.12.2023, Az.: 8 U 138/23
Medizinische Notwendigkeit von Radiofrequenz-Tiefenhyperthermie-Applikationen und insulinpotenzierter Chemotherapie
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 05.12.2023
- Aktenzeichen
- 8 U 138/23
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2023, 50845
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Stade - 01.06.2023 - AZ: 3 O 317/21
Rechtsgrundlagen
- § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO
- § 192 VVG
- § 1 Abs. 2 Satz 1 AVB
- § 4 Abs. 6 AVB
Redaktioneller Leitsatz
Ein Versicherer muss nicht für die vom Versicherungsnehmer gewählte alternative Behandlungsmethode aufkommen, wenn eine schulmedizinische Standardtherapie erhältlich und diese nicht weniger erfolgversprechend war.
In dem Rechtsstreit
C. M., ...,
Klägerin und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt F. H., ...,
gegen
... Krankenversicherung a. G., ...,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
Anwaltsgesellschaft B., ...,
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Oberlandesgericht ... am 5. Dezember 2023 beschlossen:
Tenor:
- 1.
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 1. Juni 2023 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Stade durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
- 2.
Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.
- 3.
Der auf den 15. Januar 2024 bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung wird aufgehoben.
- 4.
Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf bis 19.000 € festzusetzen.
Gründe
Die Voraussetzungen, unter denen der Senat die Berufung der Klägerin gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch Beschluss zurückweisen soll, liegen vor. Die bereits erfolgte Terminbestimmung durch den Senat steht dem Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO nicht entgegen (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 35. Aufl., § 522 Rn. 31 mwN).
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und eine Entscheidung des Berufungsgerichts ist weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 und 3 ZPO). Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO).
Die Berufung der Klägerin bietet auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO, noch rechtfertigen die gemäß § 529 Abs. 1 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung.
Jedenfalls im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht einen Anspruch des verstorbenen Versicherungsnehmers auf Erstattung der Kosten der durchgeführten Radiofrequenz-Tiefenhyperthermie-Applikationen und insulinpotenzierter Chemotherapie mit den Präparaten Mitomycin, Carboplatin, Vinblastin und Cardioxane aus § 192 VVG in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Satz 1, § 4 Abs. 6 AVB verneint.
1. Die Klägerin hat nicht bewiesen, dass die vom Versicherungsnehmer zur Behandlung seines lymphogen metastasierten Zungengrundkarzinoms durchgeführte Therapie im Strahlenzentrum Hamburg MVZ gemäß Rechnungen vom 14. und 20. Februar sowie 8. Mai 2021 (Anlage K2, Anlagenband Kläger) und vom 1. Oktober 2021 (Anlage K9, Bl. 50 d. A.) medizinisch notwendig im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 AVB war.
a) Soweit die Beklagte nach dieser Bestimmung nur für eine medizinisch notwendige Heilbehandlung leistungspflichtig ist, liegt eine solche Behandlung jedenfalls dann vor, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der ärztlichen Behandlung vertretbar war, sie als notwendig anzusehen. Von der medizinischen Notwendigkeit einer Behandlung ist im Allgemeinen dann auszugehen, wenn sich eine Behandlungsmethode dazu eignet, die Krankheit zu heilen, zu lindern oder ihrer Verschlimmerung entgegenzuwirken (vgl. BGH, Urteil vom 30. Oktober 2013 - IV ZR 307/12, VersR 2013, 1558, juris Rn. 13 f.). Auf der Grundlage des schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. K. vom 6. März 2023 (lose bei den Akten) hat das Landgericht das Vorliegen dieser Voraussetzungen nicht feststellen können. An diese Feststellungen ist der Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO grundsätzlich gebunden. Soweit dies nur dann nicht gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten, fehlt es vorliegend an solchen Zweifeln.
Der vom Landgericht beauftragte Sachverständige Prof. Dr. K. hat in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt, bei dem seinerzeit 70 Jahre alten Versicherungsnehmer sei im Jahre 2020 ein lymphogenes metastasiertes Zungengrundkarzinom mit einem klinischen Stadium T4 N2 M0 diagnostiziert worden. Nach den im März 2021 veröffentlichten S3 Leitlinien Mundhöhlenkarzinom, die auch bereits 2020 gegolten hätten, solle die Behandlung des Mundhöhlenkarzinoms für jeden individuellen Fall innerhalb eines interdisziplinären Tumorbords festgelegt werden. Ein solcher Beschluss einer Tumorkonferenz liege im Streitfall nicht vor. Bei Patienten mit fortgeschrittenem, nicht operablem, metastasiertem Mundhöhlenkarzinom, besonders in den Altersgruppen bis 70 Jahren, solle eine primäre Radiochemotherapie einer alleinigen Strahlentherapie vorgezogen werden. Dabei sei das Cisplatin die am besten gesicherte Substanz. In den Leitlinien heiße es, dem Cisplatin komme im Vergleich zu anderen Chemotherapeutika die größte Bedeutung zu, da eine Polychemotherapie ohne Cisplatin zu signifikant schlechteren Ergebnissen führe. Die Verwendung von Cisplatin stelle den medizinischen Standard dar und sei in zahlreichen Studien auf ihre Effektivität in Kombination mit Bestrahlung geprüft worden. Dort habe sich auch bei über 70-jährigen Patienten in gutem Allgemeinzustand ein Überlebensvorteil gezeigt.
Wie der Sachverständige weiter ausgeführt hat, erhielt der verstorbene Ehemann der Klägerin insofern eine korrekte und leitlinienbasierte Behandlung, als eine primäre volumenmodulierte Strahlentherapie der Tumorregion und der Lymphgefäße durchgeführt worden sei. Soweit der Versicherungsnehmer eine leitliniengerechte Strahlentherapie erhielt, sei dies ohne ersichtlichen Grund aber nicht in Kombination mit Cisplatin erfolgt, obwohl diese Kombination die wirksamste Therapie darstelle. Für eine etwaige Kontraindikation gegen eine Therapie mit Cisplatin sei nichts ersichtlich.
Soweit eine einstündige Radiofrequenz-Hyperthermie-Applikation auf die Halslymphknoten des Zungengrundkarzinoms sowie eine insulinpotenzierte Chemotherapie mit 5 mg Mitomycin C, 50 mg Carboplatin, 2 mg Vinblastin und 50 mg Cardioxane durchgeführt und dem Patienten dazu regelmäßige Glukose-Infusionen verabreicht worden seien, entspreche dies nicht dem medizinischen Standard. Eine solche Therapie sei nicht evidenzbasiert und nicht nachweisbar erfolgversprechend. Für eine Hyperthermie gebe es in dieser Situation keinerlei Evidenzen. Das Medikament Cardioxane sei indiziert zur Vermeidung einer Kardiotoxizität im Rahmen einer Therapie mit Anthrazyklinen. Dafür habe hier keine Indikation bestanden, weil der Patient keine Anthrazykline erhalten habe. Der Therapie mit Insulin und Glukose komme keinerlei Stellenwert in der Primärbehandlung von Patienten mit Zungengrundkarzinom zu. Die Therapie mit Carboplatin sei unterdosiert und nicht indiziert bei Patienten, die - wie der verstorbene Versicherungsnehmer - im Rahmen der Primärtherapie Cisplatin hätten erhalten können.
Nach den überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen, denen sich auch der Senat in vollem Umfang anschließt, bot die dem Versicherungsnehmer verabreichte Hyperthermie-Therapie sowie auch die insulinpotenzierte Chemotherapie mit den dabei angewendeten Substanzen keine nachweisbare Erfolgsaussicht bei der Behandlung des lymphogen metastasierten Zungengrundkarzinoms. Die im Rahmen der insulinpotenzierten Chemotherapie verabreichten Präparate waren zur Behandlung des Zungengrundkarzinoms nicht indiziert. Demnach hat die Klägerin den Beweis einer Eignung der Hyperthermie-Therapie und/oder der insulinpotenzierten Chemotherapie zur Heilung oder Linderung des Zungengrundkarzinoms ihres verstorbenen Ehemannes nicht erbracht.
b) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der Bestimmung des § 4 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 1 AVB sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur medizinischen Notwendigkeit einer alternativen Behandlungsmethode bei der Therapie einer lebensbedrohlichen Erkrankung.
aa) Nach der genannten Bestimmung leistet der Versicherer über die schulmedizinisch anerkannten Behandlungsmethoden hinaus für Methoden, die sich in der Praxis als ebenso erfolgversprechend bewährt haben oder die angewandt werden, weil keine schulmedizinischen Methoden zur Verfügung stehen. Beide Leistungsvoraussetzungen lagen im Streitfall nicht vor. Denn für die Erkrankung des Versicherungsnehmers stand eine schulmedizinische Behandlungsmethode in Form der Strahlentherapie kombiniert mit Cisplatin zur Verfügung, die eine wissenschaftlich fundierte Effektivität auch bei über 70-jährigen Patienten bietet. Nach dem Vorgesagten kann auch nicht angenommen werden, dass sich die vom Versicherungsnehmer gewählte Behandlung mittels Radiofrequenz-Hyperthermie und insulinpotenzierter Chemotherapie als ebenso erfolgversprechend bewährt hätte wie die schulmedizinische Methode. Denn wie der Sachverständige ausgeführt hat, ist diese Therapie in keiner Weise evidenzbasiert und es gibt keinerlei Daten zu ihrer Erfolgsaussicht. Als Therapie mit der höchsten Wirksamkeit hat der Sachverständige demgegenüber die leitlinienbasierte Strahlentherapie in Kombination mit Cisplatin bezeichnet. Daraus folgt, dass die schulmedizinische Behandlungsmethode der vom Versicherungsnehmer gewählten Therapie in ihrer Wirksamkeit sogar überlegen war.
bb) Zwar hat sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Bestimmung der Leistungspflicht des Versicherers in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung des Versicherungsnehmers daran zu orientieren, was einerseits anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlungen zu leisten vermögen und andererseits die alternative, vom Versicherungsnehmer gewünschte Behandlung zu leisten vorgibt. Insoweit hat ein am konkreten Behandlungsziel ausgerichteter Vergleich der infrage stehenden Behandlungsmethoden stattzufinden. Bietet die Schulmedizin nur noch palliative, d. h. auf eine Reduzierung der Krankheitsfolgen gerichtete, Therapien an, weil sie jede Möglichkeit kurativer Behandlung als aussichtslos erachtet, kommt die Notwendigkeit einer Alternativbehandlung schon dann in Betracht, wenn sie eine durch Indizien gestützte Aussicht auf einen über die palliative Standardtherapie hinausreichenden Erfolg bietet. Der an einer schweren lebensbedrohlichen oder lebenszerstörenden Krankheit leidende Versicherte kann nicht auf lediglich der Eindämmung oder Linderung von Krankheitsbeschwerden dienende Standardtherapien verwiesen werden, wenn eine Alternativbehandlung die nicht ganz entfernte Aussicht auf weitergehende Heilung bietet (vgl. BGH, Urteile vom 30. Oktober 2013 - IV ZR 307/12, VersR 2013, 1558, Rn. 23 f. und vom 10. Juli 1996 - IV ZR 133/95, BGHZ 133, 208, juris Rn. 21).
Diese Voraussetzungen lassen sich für die vorliegend vom Versicherungsnehmer durchgeführte Therapie nicht feststellen. Soweit der verstorbene Versicherungsnehmer an einer lebensbedrohlichen, bereits metastasierten Krebserkrankung litt, standen seitens der Schulmedizin nämlich nicht nur palliative Maßnahmen zur Verfügung, sondern die Behandlungsmethode einer Strahlentherapie kombiniert mit Cisplatin. Diese Therapie bot den Ausführungen des Sachverständigen zufolge auch bei über 70-jährigen Patienten einen Überlebensvorteil und besaß damit nicht lediglich palliative, sondern vielmehr kurative Wirkung. Dass die vom Versicherungsnehmer gewählte alternative Behandlungsmethode eine Aussicht auf weitergehende Heilung als die schulmedizinische Standardtherapie geboten hätte, ist ebenfalls nicht bewiesen. Vielmehr weist die Strahlentherapie mit Cisplatin nach den Ausführungen des Sachverständigen eine höhere Wirksamkeit auf als die nicht evidenzbasierte Alternativbehandlung.
Dass geeignete schulmedizinische Behandlungsmethoden zur Verfügung standen, nimmt die Klägerin selbst nicht in Abrede (Bl. 33, 142 d. A.). Auch hat sie eingeräumt, dass mit der alternativen Therapiemethode höhere Rückfallrisiken verbunden waren (Bl. 33 d. A.). Soweit sie darauf abstellt, die Schulmedizin habe nur "Chemie und Strahlen" vorgesehen (Bl. 142 d. A.), lässt sie außer Betracht, dass ihr verstorbener Ehemann sich einer schulmedizinischen Strahlentherapie (allerdings ohne das empfohlene Medikament Cisplatin) unterzog und auch die alternative Therapie unter anderem eine Chemotherapie mit den Präparaten Mitomycin, Carboplatin, Vinblastin und Cardioxane beinhaltete. Eine höhere Wirksamkeit der "alternativen" Chemotherapie gegenüber der schulmedizinischen Behandlung behauptet die Klägerin dabei selbst nicht. Ihre jetzigen Angriffe gegen das Sachverständigengutachten, die innerhalb der erstinstanzlich dafür gesetzten Frist (§ 411 Abs. 4 ZPO) im Übrigen nicht vorgebracht worden sind, vermögen von daher die vom Sachverständigen gefundenen Ergebnisse nicht infrage zu stellen.
2. Ohne Erfolg wendet sich die Klägerin gegen die Person des Sachverständigen und dessen Haltung gegenüber alternativen Behandlungsmethoden im Sinne einer Befangenheit.
Vor seiner Beauftragung im vorliegenden Rechtsstreit hat der Sachverständige Prof. Dr. K. auf Anfrage des Landgerichts mitgeteilt, eine Unvoreingenommenheit gegenüber alternativen Behandlungsformen als problematisch einzuschätzen. Er werde die Begutachtung als Onkologe, der sich an evidenzbasierter Medizin orientiere, vornehmen (Bl. 86 f. d. A.). Nachdem die Klägerin daraufhin den (noch nicht bestellten) Sachverständigen "abgelehnt" hatte (Bl. 89 d. A.), hat das Landgericht mit Beschluss vom 29. Dezember 2022 (Bl. 92 d. A.) Prof. Dr. K. zum Sachverständigen ernannt und zugleich das Ablehnungsgesuch der Klägerin zurückgewiesen, weil eine Befangenheit des Sachverständigen nicht zu besorgen sei. Die Einschätzung des Sachverständigen in Hinblick auf alternative Behandlungsmethoden stelle eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Beweisthema und daher keinen Befangenheitsgrund dar.
Das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. K. ist (auch in zweiter Instanz) verwertbar. Eine erfolgreiche Ablehnung des Sachverständigen, die zu einer Unverwertbarkeit des Gutachtens führen würde (§ 412 Abs. 2 ZPO), liegt nicht vor. Diesbezüglich ist schon fraglich, ob das Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz vom 27. Dezember 2022 (Bl. 89 d. A.), der Sachverständige müsse abgelehnt werden, als Ablehnungsantrag im Sinne des § 406 ZPO zu verstehen war (und nicht, was angesichts der zum damaligen Zeitpunkt noch nicht erfolgten Ernennung des Sachverständigen näher lag, als Stellungnahme dahingehend, mit einer Ernennung des Sachverständigen nicht einverstanden zu sein). Soweit das Landgericht das klägerische Vorbringen als Ablehnungsgesuch aufgefasst hat, wäre der Antrag allerdings unzulässig gewesen, weil er schon vor der Ernennung des Sachverständigen gestellt worden ist und sich aus der Formulierung des Antrags nicht ergibt, dass er nur für den Fall der bereits stattgehabten Ernennung des Sachverständigen gestellt werden solle (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 20. Mai 1998 - 1 W 15/98, BeckRS 1998, 16111 Rn. 5). Das Landgericht hätte den Antrag mithin als unzulässig verwerfen müssen, was allerdings nicht im Bestellungsbeschluss hätte geschehen dürfen (vgl. OLG Frankfurt, aaO Rn. 1; Zöller/Greger, ZPO, 35. Aufl., § 406 Rn. 13a). Letztlich hat sich der Fehler des Landgerichts aber nicht ausgewirkt, weil eine Ablehnung des Sachverständigen auch bei zutreffender Verfahrensweise keinen Erfolg gehabt hätte. Sofortige Beschwerde (§ 406 Abs. 5 ZPO) gegen den landgerichtlichen Beschluss vom 29. Dezember 2022 hat die Klägerin nicht eingelegt und auch kein (erneutes) Ablehnungsgesuch angebracht. Ihre Berufung kann sie nunmehr nicht darauf stützen, dass der Sachverständige vom Landgericht fälschlich als nicht befangen angesehen worden sei (vgl. BGH, Urteil vom 6. November 1958 - III ZR 147/57, NJW 1959, 434 f.; Saenger/Siebert, ZPO, 10. Aufl., § 406 Rn. 14).
An der Sachkunde des Sachverständigen Prof. Dr. K. bestehen angesichts dessen Spezialisierung als Facharzt für Innere Medizin mit Gebietsbezeichnung Hämatologie und Internistische Onkologie keine Zweifel. Der Sachverständige ist Chefarzt der Medizinischen Klinik ... - Abteilung für Hämatologie, Onkologie, Immunologie -, einem akademischen Lehrkrankenhaus der Universität G. Soweit der Sachverständige auf schulmedizinischem Gebiet tätig ist, ist es einer Beweiserhebung wie der vorliegenden naturgemäß immanent, dass ein zu bestellender Sachverständiger entweder der Schulmedizin oder der alternativen Medizin angehört bzw. aufgeschlossener gegenübersteht. Daraus allein ergeben sich keine Bedenken gegen seine Sachkunde, zumal die Fragestellung des Beweisbeschlusses auch schulmedizinische Kenntnisse erforderte, indem die beim Versicherungsnehmer durchgeführte Behandlung gegenüber den schulmedizinischen Methoden abzuwägen war. Dass der Sachverständige im Streitfall einer schulmedizinischen Behandlung gegenüber den vom Ehemann der Klägerin angewandten alternativen Behandlungsmethoden den Vorzug gab, hat er sachlich durch die höhere Evidenz und Wirksamkeit der leitliniengerechten Therapie begründet.