Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 13.12.2023, Az.: 5 W 72/23
Unterlassung von Äußerungen in einem Presseartikel bzgl. des Vorwurfs der Begehung von Straftaten
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 13.12.2023
- Aktenzeichen
- 5 W 72/23
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2023, 53277
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Stade - 09.11.2023 - AZ: 6 O 257/23
Rechtsgrundlage
- § 823 Abs. 1 BGB
Redaktioneller Leitsatz
Im Rahmen einer Unterlassungsklage wegen Äußerungen in einem Presseartikel bezüglich des Vorwurfs der Begehung von Straftaten können nicht gesamte Passagen eines Medienberichtes oder eines privaten Textes mit äußerungsrechtlichen Sanktionen belegt werden; dies ist vielmehr ausschließlich bezüglich der rechtswidrigen Bestandteile der jeweiligen Passage möglich.
In der Beschwerdesache
pp.
hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... sowie den Richter am Amtsgericht ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13. Dezember 2023 beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Verfügungsklägerin wird - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - der Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 9. November 2023 abgeändert.
Dem Verfügungsbeklagten wird es bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung untersagt,
in Bezug auf die Verfügungsklägerin zu behaupten und/oder zu verbreiten und/oder behaupten oder verbreiten zu lassen:
"Damals, als ich von Leuten wie T. C. v. M. zu "Fuchsbeobachtungen" nach N. eingeladen wurde - vermutlich um dort aus jagdlichen Einrichtungen Brennholz zu machen",
wenn dies geschieht, wie seit dem 22. Oktober 2023 in dem Artikel mit der Überschrift "Was wurde aus soulreflections? Meine Antwort auf versuchte Diskreditierung;-)" unter https://copperfield-irt.org/2023/10/22/22-10-2023-waswurde-aus-soulreflections-meine-antwort-auf-versuchte-diskreditierung/(Anlage MK 1).
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Verfügungsbeklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren sowie - insoweit unter Abänderung der Wertfestsetzung in dem Beschluss vom 9. November 2023 - für das erstinstanzliche Verfahren wird auf 4.000 € festgesetzt.
Gründe
A.
Von einer Darstellung des Sach- und Streitstands wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
B.
Die zulässige sofortige Beschwerde der Verfügungsklägerin hat zum ganz überwiegenden Teil Erfolg. Die Verfügungsklägerin hat in dem tenorierten Umfang gegen den Verfügungsbeklagten einen Anspruch auf Unterlassung gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i. V. m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG.
I.
Bei seiner Tenorierung hat der Senat aus dem Antrag der Verfügungsklägerin die Passage "vermutlich wegen der vorhandenen Nachtsichtgeräte" herausgenommen. Denn insoweit macht die Verfügungsklägerin schon selber nicht geltend, dass diese Textpassage in ihr Persönlichkeitsrecht eingreift und rechtswidrig ist. Nach dieser Maßgabe war es aber nicht möglich, auch diese Textpassage mit in den Unterlassungstenor mit aufzunehmen. Denn nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung können nicht gesamte Passagen eines Medienberichtes oder - wie hier - eines privaten Textes mit äußerungsrechtlichen Sanktionen belegt werden, sondern allein die rechtswidrigen Bestandteile der jeweiligen Passage (vgl. z. B. - für einen Löschungsantrag - BGH, Urteil vom 28. Juli 2015 - VI ZR 340/14, juris Rn. 17; Korte, Praxis des Presserechts, 2. Aufl., § 5 Rn. 53). Das als solches scheint auch die Verfügungsklägerin nicht verkannt zu haben (vgl. Seite 5, erster Absatz der Beschwerdeschrift, Bl. 39 d. A.), ist dann aber von dieser "technisch" nicht richtig umgesetzt worden. Im Hinblick auf die Vorschrift des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO wirkt sich dies allerdings kostenrechtlich nicht zu Lasten der Verfügungsklägerin aus.
II.
Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts ist nicht richtig.
1. Insoweit nimmt der Senat zunächst zwecks Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf seine Ausführungen unter Ziffer 1 des Beschlusses vom 30. November 2023 Bezug.
2. Wegen der weiteren Einwendungen, die der Prozessbevollmächtigte des Verfügungsbeklagten in der mündlichen Verhandlung vom 13. Dezember 2023 erhoben hat, gilt Folgendes:
a) An dem Fehlen eines Verfügungsgrundes scheitert der Erfolg des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht. Zwar wird - wie der Prozessbevollmächtigte des Verfügungsbeklagten im Termin als solches zu Recht argumentiert hat - in der obergerichtlichen Rechtsprechung teilweise vertreten, dass ein Verfügungsgrund - trotz bestehender Wiederholungsgefahr - nicht schon allein wegen der vergangenen Zuwiderhandlung bestehe und die Gegenauffassung, wonach sich regelmäßig bereits aus der Wiederholungsgefahr zugleich die Dringlichkeit ergebe, außer Acht lasse, dass es sich bei der Wiederholungsgefahr um eine materiell-rechtliche Anspruchsvoraussetzung handele, die vom prozessualen, eine Eilentscheidung rechtfertigenden Erfordernis des Verfügungsgrunds zu unterscheiden sei (z. B. OLG Nürnberg, Beschluss vom 13. November 2018 - 3 W 2064/18, juris Rn. 19; OLG Düsseldorf, Urteil vom 10. September 2015 - 16 U 120/15, juris Rn. 7). Indes geht der Senat - als der beim OLG Celle für Ehrenschutzsachen zuständige Fachsenat - im Rahmen seiner ständigen Spruchrichterpraxis von der - in der obergerichtlichen Rechtsprechung wohl überwiegend vertretenen (vgl. z. B. KG, Beschluss vom 22. März 2019 - 10 W 172/18, juris Rn. 9; OLG Stuttgart, Urteil vom 23. September 2015 - 4 U 101/15, juris Rn. 86) - Gegenauffassung aus, wonach im Anwendungsbereich des Presse- und Äußerungsrechts ein Verfügungsgrund zumindest im Regelfall ohne weiteres zu bejahen ist, soweit keine sogenannte Selbstwiderlegung der Dringlichkeit anzunehmen ist. Anhaltspunkte, die dafür sprechen könnten, vorliegend ausnahmsweise von diesem Regelfall abzuweichen, oder die eine "Selbstwiderlegung der Dringlichkeit" belegen könnten, sind nicht ersichtlich und sind von Seiten des Verfügungsbeklagten auch nicht vorgebracht worden.
b) Der Prozessbevollmächtigte des Verfügungsbeklagten hat argumentiert, dass der streitgegenständliche Textbeitrag des Verfügungsbeklagten inhaltlich nicht so zu verstehen sei, dass damit der Verfügungsbeklagte der Verfügungsklägerin Straftaten vorgeworfen hätte. Das greift nicht durch. Unabhängig davon, dass aus Sicht des Senats der streitgegenständliche Wortbeitrag im Gegenteil sogar recht eindeutig in dem von der Verfügungsklägerin reklamierten Sinn ist, verkennt der Verfügungsbeklagte in jedem Fall die sogenannte "Stolpe-Rechtsprechung" des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 25. Oktober 2005 - 1 BvR 1696/98, juris Rn. 28 ff; im Anschluss dann auch BGH, Urteil vom 4. Juni 2019 - VI ZR 440/18, juris Rn. 19; im Überblick: Erman/ Klass, BGB, 16. Aufl., Anhang zu § 12 - Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, Rn. 112 ff.), wonach jedenfalls bei einem- wie hier - Unterlassungsanspruch bei einer - unterstellt - mehrdeutigen Äußerung der Entscheidung diejenige von mehreren vertretbaren Auslegungsalternativen zugrunde zu legen ist, die für den Äußernden am nachteiligsten ist.
c) Soweit der Prozessbevollmächtigte des Verfügungsbeklagten mit dem "Update" des Verfügungsbeklagten argumentiert hat (unter Bezugnahme auf die entsprechenden Ausführungen des Landgerichts in dem ersten Absatz auf Seite 5 des angefochtenen Beschlusses sowie in der zweiten Hälfte auf Seite 2 des Nichtabhilfebeschlusses vom 20. November 2023), greift das nicht durch.
Der Verfügungsbeklagte wie auch das Landgericht verkennen insoweit, dass eine solche nachträgliche "Klarstellung" nicht geeignet ist, der - tatsächlich einmal nach außen hin erklärten - Äußerung nachträglich wieder die Rechtswidrigkeit zu nehmen. Vielmehr entspricht eine solche "nachträgliche Klarstellung" wertungsmäßig einer nachträglichen Erklärung eines Äußernden, eine einmal geäußerte (rechtswidrige) Erklärung nicht erneut tätigen zu wollen. Auch das ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung unerheblich und lässt insbesondere nicht die Wiederholungsgefahr entfallen, vielmehr bedarf es dafür regelmäßig der Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung (vgl. z. B. BGH, Urteil vom 4. Dezember 2018 - VI ZR 128/18, juris Rn. 9), die der Verfügungsbeklagte vorliegend allerdings gerade nicht abgegeben hat.
C.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Bei der Bemessung des Streitwerts hat sich der Senat an den diesbezüglich vom Bundesgerichtshof aufgestellten Kriterien orientiert (z. B. Beschluss vom 17. Januar 2023 - VI ZB 114/21, juris Rn. 10). Gemessen daran erscheint dem Senat - gerade auch angesichts des aller Vermutung nach nur geringen Verbreitungsgrads des Blogs des Verfügungsbeklagten - in der Hauptsache ein Wert von 6.000 € als angemessen. Hiervon nimmt der Senat in ständiger Rechtsprechung für einstweilige Verfügungsverfahren noch einen Abschlag von 1/3 vor.