Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 26.10.2007, Az.: 2 W 102/07

Zulässigkeit des Beschwerderechts eines Sachverständigen/Berechtigten für den Fall der isolierten Anfechtung der Vorabentscheidung über die Zuordnung der Leistungen zu einer bestimmten Honorargruppe; Recht zur Beschwerde gegen die gerichtliche Festsetzung der Vergütung; Vorabentscheidung über die Einordnung in eine Honorargruppe; Zuordnung der Tätigkeit einer Honorargruppe nach billigem Ermessen

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
26.10.2007
Aktenzeichen
2 W 102/07
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2007, 45077
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2007:1026.2W102.07.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 27.09.2007 - AZ: 2 O 322/05

Fundstellen

  • BauR 2008, 144 (amtl. Leitsatz)
  • BauR 2008, 562-563 (Volltext mit amtl. LS)
  • DS 2008, 75-76
  • OLGReport Gerichtsort 2008, 224-225

Amtlicher Leitsatz

§ 9 Abs. 1 Satz 6 JVEG schränkt die Zulässigkeit des Beschwerderechts des Sachverständigen/Berechtigten nur für den Fall der isolierten Anfechtung der Vorabentscheidung über die Zuordnung der Leistungen zu einer bestimmten Honorargrupe ein und lässt das Recht zur Beschwerde gegen die gerichtliche Festsetzung der Vergütung gemäß § 4 Abs. 3 JVEG unberührt.

In der Beschwerdesache
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht R.,
den Richter am Amtsgericht Dr. L. und
den Richter am Oberlandesgericht Dr. L.
am 26. Oktober 2007
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Sachverständigen H. vom 6. Oktober 2007 gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 27. September 2007 wird zurückgewiesen.

Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

1

1.

Das Landgericht hat nach § 4 Abs. 1 JVEG durch den angefochtenen Beschluss die dem Sachverständigen zu zahlende Vergütung auf insgesamt 3.918,43 EUR festgesetzt und hierbei die Tätigkeit des Sachverständigen der Honorargruppe 8 zugewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Sachverständigen ist nach § 4 Abs. 3 JVEG zulässig. Der Zulässigkeit steht insbesondere nicht entgegen, dass der Sachverständige unter dem 23. Juni 2006 eine Rechnung erteilt und um Überweisung des Rechnungsbetrages gebeten hat. Zwar regelt § 9 Abs. 1 Satz 6 JVEG, dass "die Beschwerde" nur zulässig ist, solange der Anspruch auf Vergütung noch nicht geltend gemacht worden ist. § 9 Abs. 1 Satz 6 JVEG regelt jedoch nicht den hier zu entscheidenden Fall.

2

§ 9 Abs. 1 Satz 5 JVEG bestimmt durch den Verweis auf § 4 JVEG, dass der Sachverständige die Möglichkeit hat, eine Vorabentscheidung über die Einordnung in eine Honorargruppe herbeizuführen. Diese Regelung soll es dem Sachverständigen ermöglichen, schon sehr frühzeitig - unter Umständen sogleich nach seiner Ernennung und damit schon vor Aufnahme der ihm übertragenen Aufgaben - Klarheit über die kostenmäßige Bewertung der von ihm erwarteten Leistungen und damit gleichzeitig über einen für seinen Gesamtanspruch wesentlichen Bemessungsfaktor zu erlangen (BundestagsDrucksache 15/1971, Seite 182). Da in diesem Zeitpunkt eine Beschwer noch nicht feststehen kann, regelt § 9 Abs. 1 Satz 5 JVEG weiter, dass es in diesem Fall einer Kostenbeschwer nicht bedarf. In diesem Zusammenhang ist die Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 6 JVEG zu sehen: wenn der Sachverständige bereits über seine Vergütung abgerechnet hat, besteht kein Rechtsschutzbedürfnis mehr für eine Vorabentscheidung über die Einordnung in eine Honorargruppe, insbesondere soll der Sachverständige nicht neben der Betreibung des Verfahrens nach § 4 Abs. 1 und 2 JVEG auf Festsetzung der gesamten von ihm zu beanspruchenden Vergütung die Möglichkeit haben, eine Vorabentscheidung nach § 9 Abs. 1 Satz 5 JVEG herbeizuführen. Insofern bezieht sich der Beschwerdeausschluss in § 9 Abs. 1 Satz 6 JVEG lediglich auf das Vorabentscheidungsverfahren in § 9 Abs. 1 Satz 5 JVEG, nicht aber auf das in § 4 Abs. 3 JVEG geregelte Beschwerdeverfahren gegen die gerichtliche Festsetzung nach § 4 Abs. 1 JVEG (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 22. Juni 2005, 4 Ws 115/05, zitiert nach [...] Rdnr. 10).

3

2.

Die Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Dass das Landgericht der Vergütungsfestsetzung die Honorarstufe 8 zu Grunde gelegt hat und nicht die der Abrechnung des Sachverständigen zu Grunde liegende Honorarstufe 10, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Da die Tätigkeit des Sachverständigen (Erstellung des versicherungsmathematischen Gutachtens) keine der in Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG genannten Honorargruppe betrifft, hatte das Landgericht gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 JVEG die Tätigkeit einer Honorargruppe nach billigem Ermessen zuzuordnen. Dass das Landgericht sein Ermessen verletzt hat, insbesondere ein Ermessensmissbrauch vorliegt, ist nicht ersichtlich.

4

Maßgeblich ist die konkrete Gutachtertätigkeit, mit der der Sachverständige beauftragt worden ist. Entgegen der Ausführungen des Sachverständigen in seinem Schreiben vom 6. August 2007 ist nicht das Fachgebiet seiner Tätigkeit als Basis für die Eingruppierung in einer Honorarstufe relevant. Die Grundlage der Ermessensentscheidung muss vielmehr sein, wie die konkrete Tätigkeit des Sachverständigen innerhalb der in der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG aufgelisteten Tätigkeiten einzuordnen ist. In der Begründung zum Gesetzesentwurf ist ausdrücklich hervorgehoben, dass "die Leistungen" des Sachverständigen maßgebliches Kriterium für die Einordnung sein soll (BundestagsDrucksache a. a. O.). Diese Einordnung der Leistungen des Sachverständigen hat das Landgericht mit zureichenden Erwägungen vorgenommen, wobei sich das Landgericht insbesondere mit der vom Sachverständigen in seiner Abrechnung angesetzten Honorarstufe 10 auseinander gesetzt hat, der nach der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG die gutachterliche Tätigkeit für Unternehmensbewertungen zugewiesen ist. Hierbei ist ergänzend zu den Ausführungen des Landgerichts zu berücksichtigen, dass der maßgebliche Teil bei Unternehmensbewertungen in der jeweilig schwierigen Bewertung liegt, wohingegen im Streitfall der Sachverständige zur Erstellung des versicherungsmathematischen Gutachtens eine komplizierte mathematische Formel anzuwenden, Bewertungen aber, soweit ersichtlich, nicht vorzunehmen hatte.

5

Auch die Ausführungen des Sachverständigen in seinem Schriftsatz vom 24. Oktober geben keinen Anlass zu anderer Beurteilung, bestätigen vielmehr die Einordnung der Tätigkeit des Sachverständigen in die Honorargruppe 8 als richtig.

6

Im Ausgangspunkt zutreffend weist der Sachverständige darauf hin, dass nach § 9 Abs. 1 Satz 3 JVEG die Leistung unter Berücksichtigung der auf dem freien Markt üblichen Sätze einzuordnen ist. Da die in § 9 Abs. 1 Satz 1 JVEG genannten Stundensätze deutlich unter den üblichen Sätzen im außergerichtlichen Bereich liegen und der Gesetzgeber sich dessen durchaus bewusst war, ist die Regelung nicht dahin zu verstehen, dass wenn im außergerichtlichen Bereich für die konkrete Gutachtertätigkeit Stundensätze von mehr als 95 EUR gezahlt werden, die Gutachtertätigkeit stets der Honorargruppe 10 zuzuordnen ist. Vielmehr ist die konkrete Leistung in das Gefüge der in der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG genannten Sachgebiete unter Berücksichtigung der außergerichtlichen Vergütungssätze einzuordnen. Im Streitfall hat der Sachverständige ausgeführt, für sein Sachgebiet je nach Art und Umfang der Aufträge Stundensätze von 100 - 200 EUR netto zu veranschlagen. Außergerichtliche versicherungsmathematische Gutachten habe er noch nicht erstellt, Dritte hätten ihm Stundensätze von 160 - 180 EUR genannt. Daraus folgt, dass, bezogen auf das Fachgebiet des Sachverständigen derartige Gutachten nicht zu denjenigen gehören, für deren Erstellung Höchstsätze zu erzielen sind. Vielmehr liegen derartige Stundensätze der Gutachten innerhalb der von dem Sachverständigen genannten Spanne für seine gutachterlichen Tätigkeiten etwa zu Beginn des oberen Drittels. Überträgt man dies auf die Eingruppierungen des JVEG erscheint die Einstufung in die Honorarstufe 8 angemessen.

7

3.

Die Ausführungen des Sachverständigen in seiner Beschwerde, eine Festsetzung sei bereits durch eine Mitarbeiterin der Rechnungsstelle erfolgt, die Entscheidung des Landgerichts sei mithin unnötig und hinfällig, ist so nicht zutreffend. Richtig ist, dass offenbar die Kostenbeamtin die Rechnung des Sachverständigen geprüft hat, auf der Rechnung vermerkt hat, wegen der z.T. unberechtigten Kopiekosten mit dem Sachverständigen telefoniert zu haben, und sodann die Kosten angewiesen hat. Hierin liegt aber keine gerichtliche Festsetzung im Sinne des § 4 Abs. 1 JVEG. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 JVEG hat die Festsetzung der Vergütung durch gerichtlichen Beschluss zu erfolgen. Diese Festsetzung ist durch die Zivilkammer mit dem angefochtenen Beschluss erfolgt. Eine etwaige vorangegangene oder noch laufende Festsetzung durch den Kostenbeamten wird dadurch wirkungslos (vgl. Hartmann, Kostgesetze, 36. Aufl., § 4 JVEG Rdnr. 12). Mithin ist allein entscheidend die angefochtene Entscheidung des Landgerichts.

8

4.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 4 Abs. 8 JVEG.