Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 30.10.2007, Az.: 2 W 107/07

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
30.10.2007
Aktenzeichen
2 W 107/07
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2007, 72019
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Verden - 23.07.2007 - AZ: 8 O 95/6

In der Beschwerdesache
pp.
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Richter am Amtsgericht ... als Einzelrichter am 30. Oktober 2007 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 21. August 2007 wird der am 7. August 2007 zugestellte Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin der 8. Zivilkammer des Landgerichts Verden vom 23. Juli 2007 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung über die Kostenfestsetzung an das Landgericht Verden zurückverwiesen, das auch über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden hat.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Gründe

Die gemäß den §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, 568 ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde, ist teilweise begründet.

I.

Erstattungsfähig sind gemäß § 91 Abs. 1 ZPO nur diejenigen Kosten, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung notwendig waren. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalles (vgl. OLG München NJW-RR 1998, 1692, 1693 [OLG München 29.05.1998 - 11 W 1388/98]). Indes ist jede Partei gehalten, die Kosten ihrer Prozessführung so niedrig zu halten, wie sich dies mit der vollen Wahrung ihrer berechtigten prozessualen Belange vereinbaren lässt (Zöller/Herget, a. a. O.). Mit Rücksicht darauf, sind die von der Beschwerdeführerin in Ansatz gebrachten Reisekosten nicht in voller Höhe erstattungsfähig. Insbesondere kann die Beschwerdeführerin nicht Erstattung der Kosten für Flugreisen in der geltend gemachten Höhe beanspruchen. Bei Beachtung des Gebots sparsamer Prozessführung (vgl. OLG Hamm MDP 1994, 103 f.) hätte es zweckentsprechender Rechtsverfolgung entsprochen, einen Tag vor dem jeweiligen Termin mit dem Pkw oder - sofern dies kostengünstiger wäre - mit der Bahn anzureisen, wobei allerdings wegen der Dauer der Reise (mehr als 1 Stunden für Hin- und Rückfahrt) zusätzlich die dann anfallenden Kosten für eine Übernachtung sowie eine Entschädigung für die Zeitversäumnis in Ansatz zu bringen wären. Bezüglich Letzterem hat das Landgericht übersehen, dass gem. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. §§ 19 JVEG ff. die Kostenerstattung auch eine Entschädigung des Gegners für die entstandene Zeitversäumnis umfasst. Erstattungsfähig sind insoweit auch Kosten, die durch die Wahrnehmung eines Termins durch einen Mitarbeiter der Partei entstehen (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO. 64. Auflage, § 91 Rdz. 294). Allerdings ist ein Erstattungsanspruch derzeit lediglich in Höhe von 3 € pro Stunde begründet (vgl. § 20 JVEG), weil weder ausreichend dargelegt noch glaubhaft gemacht worden ist, dass der Mitarbeiterin der Beklagten tatsächlich ein Verdienstausfall nach Maßgabe von § 22 JVEG entstanden ist, der die Zugrundelegung des Höchstsatzes von 17 € je Stunde rechtfertigen würde.

Eine andere Beurteilung ist auch nicht mit Rücksicht auf die bei der Durchführung einer Flugreise erzielte Zeitersparnis gerechtfertigt. Die Zeitversäumnis einer Partei stellt einen eigenständigen Kostenfaktor dar, der bei der vorzunehmenden Vergleichsberechnung Berücksichtigung findet. Wenn auch unter Berücksichtigung dieser Entschädigung geringere Kosten entstehen, sind nur die dadurch bedingten Kosten auch "notwendig" i. S. von § 91 ZPO. Auch das Interesse eines Prozessbevollmächtigten, die Zeit seiner Abwesenheit von der Kanzlei möglichst gering zu halten, stellt keinen berücksichtigungsfähigen Umstand bei der Wahl des Reisemittels dar. Dem wirtschaftlichen Interesse des Rechtsanwalts, der nicht selbst Partei eines Prozesses ist, kann nicht dadurch Rechnung getragen werden, dass die dadurch bedingten Kosten dem Prozessgegner zur Last fallen. Anders als die Parteien, die sich dem Prozess nicht entziehen können, steht es dem Rechtsanwalt nämlich frei, das ihm angetragene Mandat anzunehmen oder davon (aus wirtschaftlichen Gründen) abzusehen. Im Übrigen wird dem Interesse des Rechtsanwalts auch durch die Gewährung eines Abwesenheitsgeldes nach Maßgabe von Nr. 7005 VV-RVG ausreichend Rechnung getragen.

Ferner ist zu berücksichtigen, dass vorliegend allein die in Ansatz gebrachten Reisekosten (in Höhe von 3.840,61€) 40 % der Klageforderung ausmachen. Schon angesichts dieses Missverhältnisses kommt eine Erstattungsfähigkeit der Flugreisekosten nur dann in Betracht, wenn ausnahmsweise ganz besondere Gründe vorgetragen und auch glaubhaft gemacht sind, die es notwendig erscheinen lassen, den durch die Terminsanreise bedingten Zeitverlust auf ein Minimum zu reduzieren. Da sich zudem die bei der Anreise mit einem PKW und Übernachtung ergebenden Kosten auch unter Berücksichtigung einer Zeitentschädigung für 20 Stunden je Reise (vgl. § 19 Abs. 2 JVEG) deutlich (und nicht nur 5%) unter den in Ansatz gebrachten Kosten liegen, ist auch die vom Beschwerdeführer zitierte Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Dresden nicht einschlägig. Die bei einem sparsameren Vorgehen entstehenden (fiktiven) Kosten bilden daher im vorliegenden Fall die Obergrenze für die erstattungsfähigen Auslagen.

Für die durchzuführende Vergleichsberechnung hält der Senat einen Ansatz in Höhe von 75 € pro Person und Nacht für die anfallenden Übernachtungskosten für angemessen und auch ausreichend. Erstattungsfähig sind ferner die in V. entstandenen Parkgebühren in Höhe von 1 €, die anlässlich des Termins am 23. Juni 2006 angefallen sind. Das Landgericht wird daher nach Maßgabe der obigen Ausführungen erneut über die Höhe der zu erstattenden Kosten zu entscheiden haben, wobei es bei der Berechnung der Reisekosten neben der Kilometerpauschale, eine Entschädigung für die Zeitversäumnis für die Mitarbeiterin der Beklagten, (fiktive) Übernachtungskosten in Höhe von 75 € pro Person sowie ggf. Parkgebühren in Höhe von 1 € in Ansatz zu bringen haben wird.

II.

Soweit es die Reisekosten für den Ortstermin am 19. September 2006 betrifft, hat das Landgericht ebenfalls übersehen, dass gemäß § 91 Abs. 1 ZPO auch solche Reisekosten erstattungsfähig sind, die aus Anlass der Anreise zu einem vom gerichtlich bestellten Sachverständigen angesetzten Ortstermin entstanden sind. Zu den "notwendigen" Kosten gemäß § 91 ZPO gehören alle Kosten der Teilnahme an einem Beweistermin /vgl. OLG Frankfurt Rechtspfleger 1980, 156, 157). Insoweit ist auch ohne Belang, ob das Erscheinen der Parteien angeordnet worden ist oder nicht. Entscheidend ist alleine, dass den Parteien gemäß § 357 Abs. 1 ZPO gestattet ist, der Beweisaufnahme beizuwohnen. Da auch der Ortstermin, der vom gerichtlich bestellten Sachverständigen angesetzt worden ist, eine Beweisaufnahme i. S. von § 357 Abs. 1 ZPO darstellt, können auch die dadurch bedingten "notwendigen" Reisekosten im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich in Ansatz gebracht werden. Die gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als das Gericht in Ziffer 3 seines Beweisbeschlusses vom 23. Juni 2006 ausdrücklich angeordnet hat, dass der Sachverständige eine Ortsbesichtigung durchzuführen hat, zu der auch die Parteien und deren Prozessbevollmächtigte rechtzeitig zu laden seien. Es sind auch keine Gründe ersichtlich oder sonst vorgetragen, die eine Teilnahme des Beklagten an diesem Ortstermin ausnahmsweise als rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen würden (vgl. OLG Frankfurt a. a. O.). Das Landgericht wird daher auch insoweit erneut über die Höhe der (erstattungsfähigen) Reisekosten nach Maßgabe der zu I. dargelegten Erwägungen zu entscheiden haben.

III.

Nicht erstattungsfähig sind hingegen die Kosten, welche die Beschwerdeführerin als Reisekosten bzw. als Zeitentschädigung für den Mitarbeiter G. in Ansatz gebracht hat. Der Zeuge G. ist als Zeige zu dem Gerichtstermin am 15. Dezember 2006 erschienen. Die dadurch bedingten Auslagen sind daher Zeugenauslagen, die zu den Gerichtskosten zählen. Solche Kosten stellen nur dann erstattungsfähige Auslagen einer Partei dar, wenn die Sistierung des (nicht vom Gericht geladenen) Zeugen erforderlich war (vgl. Zöller/Herget, a. a. O., § 91 Rdz. 13 "Zeugenauslagen"). Ein solcher Fall ist jedoch nicht gegeben. Ausweislich der Gerichtsakte ist der Zeuge vom Landgericht prozessleitend geladen worden. Wenn aber der Zeuge vom Gericht geladen worden ist, bestand von vorneherein kein Anlass für die Partei, dem Zeugen seine Aufwendungen zu ersetzen, so dass ein Erstattungsanspruch ausscheidet (vgl. OLG Hamburg, MDR 2000,666, 667, 1987 [OLG Hamburg 16.02.2000 - 8 W 18/00], 147). Da der Zeuge gegenüber dem Gericht auch keine Zeugenverzichtserklärung abgegeben hat, obliegt es allein dem Zeugen, dem Gericht gegenüber die ihm entstandenen Aufwendungen nach Maßgabe des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes geltend zu machen. Um notwenige Parteiauslagen handelt es sich insoweit jedoch nicht.