Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 25.10.2010, Az.: 18 B 4525/10

Aussetzung; vorläufige Dienstenthebung; Dienstenthebung; Dienstvergehen; Kinderpornografie; Suspendierung

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
25.10.2010
Aktenzeichen
18 B 4525/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 47885
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die vorläufige Dienstenthebung des Antragstellers durch den Bescheid vom 26.08.2010 wird ausgesetzt.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen seine vorläufige Dienstenthebung.

Er ist als D. im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit bei der Antragsgegnerin tätig. Disziplinarrechtlich ist er nicht vorbelastet. Der Antragsteller räumt ein pädophilies Problem ein und ist seit Jahren deshalb in ärztlicher therapeutischer Behandlung.

Ende des Jahres 2004 zeigte der Kläger sich selbst an, weil er sich über seinen dienstlichen Internetanschluss kinderpornografische Daten verschafft hatte. Die Staatsanwaltschaft stellte ein Ermittlungsverfahren seinerzeit jedoch ein, weil sich herausstellte, dass der Antragsteller zwar einschlägige Internet-Seiten aufgerufen, jedoch keine Daten heruntergeladen und gespeichert hatte. Disziplinarrechtlich wurden seinerzeit keine Konsequenzen gezogen.

Im Frühjahr des Jahres 2009 fiel auf der Dienststelle des Antragstellers auf, dass vom Dienst-PC des Antragstellers Seiten wegen pornografischer Inhalte geblockt worden waren. Ermittlungen der Antragsgegnerin ergaben über einen längeren Zeitraum eine erhebliche Anzahl von Seitenaufrufen unter der Kennung des Antragstellers, die in keinem dienstlichen Zusammenhang mit der Tätigkeit des Antragstellers standen. Zudem wurde auf dem Dienst-PC des Antragstellers 17 Bilddateien mit kinderpornografischem Inhalt gefunden. Wegen des Inhalts der Bilddateien wird auf die Beiakte C Bl. 17a f. Bezug genommen.

Eine Strafanzeige der Antragsgegnerin führte zu einer Hausdurchsuchung beim Antragsteller. Auf dessen heimatlichen PC konnten ebenfalls einschlägige Bilddateien festgestellt werden. Das Amtsgericht E. verurteilte den geständigen Antragsteller am 22.09.2010 wegen des Besitzes von 28 einschlägigen Bilddateien, gespeichert auf den eigenen heimatlichen PC, zu einer Freiheitsstrafe von 2 Monaten, die auf Bewährung ausgesetzt wurde. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Bereits mit Verfügung vom 26.08.2010 enthob die Antragsgegnerin den Antragsteller mit sofortiger Wirkung vorläufig des Dienstes.

Sie begründete ihre Entscheidung damit, dass auf den heimatlichen Rechner 148 Dateien einschlägigen Inhalts festgestellt worden seien. Zudem seien mindestens 18 Dateien kinderpornografischen Inhalts auf dem Dienst-PC festgestellt worden. Der Antragsteller müsse aus dem Dienst entfernt werden und durch einen Verbleib des Antragstellers im Dienst würde der Dienstbetrieb beeinträchtigt werden. Von dem Personenkreis, mit der der Antragsteller dienstlich zusammenarbeiten würde, werde eine umfassende Integrität erwartet, die beim Antragsteller nicht gegeben sei. Außerdem sei mit einer Störung des Betriebsklimas in erheblichem Umfange zu rechnen. Bei der Ermessenserwägung sei auch eingestellt worden, dass die Dienstbezüge des Antragstellers bis auf Weiteres in unveränderter Höhe weitergezahlt würden.

Der Antragsteller hat am 21.09.2010 die Aussetzung seiner vorläufigen Dienstenthebung beantragt.

Er trägt vor, eine Entfernung aus dem Dienst sei jedenfalls nicht überwiegend wahrscheinlich. Die 148 Bilddateien auf seinen heimatlichen PC habe er nicht vorsätzlich in seinem Besitz gehabt. Er habe zwar ein pädophiles Problem, es aber im Rahmen einer Therapie in den Griff bekommen.

Der Antragsteller beantragt,

die vorläufige Dienstenthebung auszusetzen.

Die Antragsgegnerin stellt keinen ausdrücklichen Antrag.

Sie tritt dem Antrag des Antragstellers entgegen. Die Mehrheit ihrer Mitarbeiter könnten sich eine weitere Zusammenarbeit mit dem Antragsteller nicht mehr vorstellen. Zudem habe der Antragsteller schon einmal 2004 seinen Dienst-PC einschlägig genutzt.

Die Kammer hat die Sache mit Beschluss vom 25.10.2010 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

II.

Die Entscheidung ergeht gemäß § 6 Abs. 1 VwGO durch den Einzelrichter.

Der zulässige Antrag ist begründet.

Nach § 58 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 NDiszG kann der Beamte die Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung beim Verwaltungsgericht beantragen. Die vorläufige Dienstenthebung ist auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen.

Derartige Zweifel liegen hier vor.

Die Rechtmäßigkeit der vorläufigen Dienstenthebung richtet sich nach § 38 NDiszG.

Nach § 38 Abs. 1 Ziffn. 1 und 2 NDiszG kann die Klagebehörde (§ 34 Abs. 2 NDiszG) einen Beamten gleichzeitig mit oder nach der Einleitung des Disziplinarverfahrens vorläufig des Dienstes entheben, wenn,

- im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt werden wird oder

- durch ein Verbleiben im Dienst der Dienstbetrieb oder die Ermittlungen wesentlich beeinträchtigt würden und die vorläufige Dienstenthebung zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis steht.

Bei der nach § 38 Abs. 1 Ziff. 1 NDiszG zu treffenden Prognoseentscheidung hat die Klagebehörde die erheblichen belastenden und entlastenden Umstände für die Entscheidung über die voraussichtliche Entfernung vom Dienst zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen.

Die Entscheidungen nach § 38 Abs. 1 und 2 NDiszG stehen im pflichtgemäßen Ermessen der Klagebehörde. Sie hat ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 4 NDiszG i. V. m. § 40 VwVfG).

Ausgehend von diesen Prüfungsmaßstäben hat die Antragsgegnerin den Antragsteller zu Unrecht gemäß § 38 Abs. 1 Ziff. 1 NDiszG vorläufig des Dienstes enthoben. Im Disziplinarverfahren gegen den Beamten wird voraussichtlich nicht auf Entfernung aus dem Dienst erkannt werden können.

Zwar hat der Antragsteller durch sowohl durch sein außerdienstliches Verhalten (Besitz von mindestens 28 kinderpornografischen Darstellungen auf seinem häuslichen PC) als auch innerhalb des Dienstes (Besitz von 17 entsprechenden Dateien auf dem Dienst-PC) ein schweres Dienstvergehen iSd. § 47 Abs. 1 BeamtStG (früher § 85 Abs. 1 NBG a.F.) begangen. Wer sich den Besitz kinderpornografischer Dateien verschafft, trägt durch seine entsprechende Nachfrage dazu bei, dass die unmittelbaren Täter solche Bilder überhaupt erst herstellen und damit zum Kindesmissbrauch veranlasst werden. ´Der Besitz entsprechender Bilddateien auf den Heim-PC und dem Dienst-PC ist unstreitig, auch wenn das Strafurteil vom 22.09.2010 noch nicht rechtskräftig ist und es hinsichtlich der auf den Dienst-PC vorgefundenen Daten keine Aussage trifft. Keiner Klärung bedarf es an dieser Stelle, ob auf den privaten PC nun 148 Dateien oder „nur“ 28 Dateien und auf dem Dienst-PC nun 17 oder doch 18 Dateien gespeichert waren. Darauf kommt es letztendlich nicht mehr an, ein schwerwiegendes Dienstvergehen ist auch schon bei Berücksichtigung nur der geringeren Anzahl von Dateien gegeben. Es liegen weiterhin keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Antragsteller bei Begehung des Dienstvergehens in einem Schuld ausschließenden Zustand gehandelt hat. Soweit es um den außerdienstlichen Besitz derartiger Bilddateien geht, hat schon das Strafurteil keine entsprechenden Feststellungen getroffen und der Beamte hat sich auch nicht auf derartige Gründe berufen.

Welche konkrete Disziplinarmaßnahme bei derartigen Dienstvergehen angemessen ist, hängt indes von dem Einzelfall ab. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg hat mit Urteil vom 22.06.2010 - 20 LD 3/08 - die Entfernung eines Lehrers aus dem Dienst bestätigt, der sich außerhalb des Dienstes auf seinen häuslichen PC entsprechende Daten heruntergeladen hatte, allerdings derartige Bilder nicht nur erworben und besessen, sondern auch weiter verbreitet hatte. Auch der Entscheidung des VG Wiesbaden (Beschluss vom 04.05.2010 - 28 L 1489/09.WI.D -), in der die Entfernung aus dem Dienst prognostiziert wurde, lag zu Grunde, dass der dortige Beamte die Bilder nicht nur besessen, sondern darüber hinaus öffentlich zugänglich gemacht hatte. Soweit ist der Antragsteller hier jedoch nicht gegangen. Im Fall des außerdienstlichen Besitzes kinderpornografischer Bilder eines Lokomotivbetriebsinspektors stufte der BayVGH in seinem Urteil vom 14.10.2009 - 16b D 08.3009 - den betreffenden Beamten jedoch „nur„ zum Hauptlokomotivführer zurück, obwohl das Fehlverhalten des Beamten durchaus als „gravierend“ eingestuft wurde. Das VG Ansbach (AN 6b 09.01393, Urteil v. 08.01.2010) degradierte einen Steueramtmann wegen des außerdienstlichen Besitzes kinderpornografischer Darstellung (Fotos und Videos) um zwei Stufen. Das Bundesverwaltungsgericht hat nach entsprechenden Pressemitteilungen des Gerichts in zwei Entscheidungen vom 19.08.2010 (2 C 5.10 und 2 C 13.10) bei außerdienstlichen Besitz kinderpornografischer Darstellungen ausgeführt, dass von einem Bewertungsrahmen auszugehen sein, der regelmäßig nur unter besonderen Umständen über eine Gehaltskürzung hinausgeht und selbst bei einem Lehrer auch nur unter besonderen Umständen die Entfernung aus dem Dienst rechtfertige (Pressemitteilungen zit. n. juris).

Im vorliegenden Fall des Antragstellers ist zwar zu berücksichtigen, dass er nicht nur Bilder auf seinen häuslichen PC, sondern auch 17 entsprechende Bilddateien auf seinem Dienst-PC gespeichert und schon einmal in der Vergangenheit unstreitig den Dienstcomputer zum Anschauen derartiger Aufnahmen missbraucht hatte. Es liegt damit nicht nur ein außerdienstliches Fehlverhalten, sondern auch eine innerdienstliche Pflichtverletzung vor. Andererseits hat der Gesetzgeber Straftatbestände, wie sie vom Antragsteller verwirklicht wurden, nach § 184b Abs. 4 StGB lediglich mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren strafbewehrt. Darüber hinaus ist das Amtsgericht in Celle sehr deutlich im unteren Bereich der Freiheitsstrafe (2 Monate auf Bewährung) geblieben und hat im Strafurteil ausgeführt, die Sozialprognose des Antragstellers sei günstig. Zu berücksichtigen ist daneben, dass der Antragsteller bislang disziplinarisch nicht vorbelastet ist, bei der Aufklärung des Falles mitgewirkt hat, Einsicht zeigt, sich bereits seit längerem in einer Therapie befindet und nach dem „Rückfall“ einen neuen Therapeuten mit einem anderen Therapieansatz aufgesucht hat.

Unter Berücksichtigung all dieser Aspekte und dem vom Bundesverwaltungsgericht aktuell vorgezeichneten Tendenz, vermag das Gericht nicht mehr mit hinreichender Sicherheit die Prognose zu treffen, dass der Antragsteller voraussichtlich aus dem Dienst entfernt werden wird.

Eine Suspendierung des Antragstellers rechtfertigt sich ebenfalls nicht nach § 38 Abs. 1 Nr. 2 NDiszG. Die Ermittlungen sind abgeschlossen, der Antragsteller hat bislang uneingeschränkt kooperiert. Es ist nicht davon auszugehen, das evtl. weitere, zur Zeit jedoch noch gar nicht absehbare, Ermittlungen durch ein Verbleiben des Beamten wesentlich beeinträchtigt würden. Es ist ferner nicht erkennbar, dass durch ein Verbleiben des Antragstellers im Dienst der Dienstbetrieb wesentlich beeinträchtigt werden würde. Dienstlich wurde dem Antragsteller nach Aktenlage der Internetanschluss gesperrt. Mit Kindern und Jugendlichen hat der Antragsteller dienstlich keinen Umgang. Das Mitarbeiter Vorbehalte gegen die pädophilen Neigungen des Antragstellers geäußert haben, ist zwar nachzuvollziehen, rechtfertigt aber noch keine vorläufige Dienstenthebung. Es ist zu erwarten, dass gleichwohl eine reibungslose dienstliche Kommunikation zwischen dem Antragsteller und den übrigen Mitarbeitern stattfinden kann, wenn die anderen Kollegen den dienstlichen Belangen Vorrang gegenüber ihren Vorbehalten gegen die Person des Antragstellers einräumen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 69b Abs. 1 NDiszG, 154 Abs. 1 VwGO.