Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 22.10.2010, Az.: 7 B 4486/10

Einstweiliger Rechtschutz auf Unterlassung von Bauarbeiten zur Errichtung eines dauerhaften Sicherungszaunes auf dem Gelände eines Schleusenbereichs

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
22.10.2010
Aktenzeichen
7 B 4486/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 32418
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2010:1022.7B4486.10.0A

Verfahrensgegenstand

Stilllegung von Bauarbeiten (Wasserstraßenrecht) - Antrag nach § 123 VwGO -

In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Hannover - 7. Kammer -
am 22. Oktober 2010
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerinnen tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldnerinnen.

Der Streitwert wird auf 3.750,- EUR festgesetzt.

Gründe

Der am 08. Oktober 2010 bei dem erkennenden Gericht angebrachte Antrag der Antragstellerinnen,

die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu verpflichten, die Bauarbeiten zur Errichtung eines dauerhaften Sicherungszaunes auf dem Gelände des Schleusenbereichs der Schleuse D., entlang des E.-ufer, Weser-Fließrichtung linksseitig, bis zum Abschluss eines rechtskräftigen Hauptverfahrens einzustellen, bleibt ohne Erfolg.

Die Antragstellerinnen tragen zur Begründung ihres Antrages im Wesentlichen vor:

Die Antragstellerin zu 1.) sei Eigentümerin zweier Einfamilienhäuser in der F.-straße in G. mit Fensterblick auf den betroffenen Schleusenbereich. Die Antragstellerin zu 2.) sei deren Mutter und Mitbewohnerin; letztgenannte sei 90 Jahre alt, schwerbehindert, pflegebedürftig und dauerhaft an den Rollstuhl gefesselt. Sie seien langjährige Bewohner und Anlieger des Außenbereiches E.-ufer. Dieses Ufer im Außenbereich der Schleuse "D." sei bisher durch einen 82 cm hohen Drahtzaun nebst einer ursprünglichen Hecke seit über 50 Jahren gesichert. Mit der zweiten Septemberwoche 2010 sei ohne Vorankündigung der bezeichnete Altzaun abgerissen und sodann mit der Erstellung eines neuen engmaschigen grell-blauen Begrenzungszaunes begonnen worden, dessen Gesamterstellung noch nicht vollendet sei. Durch diese noch nicht vollendete Zaunerrichtung würden die Antragstellerinnen schon jetzt erheblich beeinträchtigt. Bedingt durch die Höhe des Zaunes sei zum einen der bisherige freie Blick auf die Weser verwehrt, zum anderen vermittele die Engmaschigkeit des Zaunes das Gefühl der Einkerkerung. Verschärft durch die grell-blaue Farbe führe dies auf die Gesamtfläche gesehen zu Sehbeschwerden und Kopfschmerzen. Sie befürchteten, dass der Zaun - sofern er in dieser Form fertig gestellt werde - erhebliche Störungen ihres physischen und psychischen Wohlbefindens hervorrufen werde. Der Wohn- und Freizeitgenuss sei stark eingeschränkt. Der Eigentumswert der Wohnanlage werde sich langfristig durch diese Maßnahme mindern. Eine Wertsteigerung durch die bisherige schöne Aussicht zur Weser ist bei einem Weiterverkauf der Häuser stark gefährdet.

In direkter oder analoger Anwendung des § 29 WaStrG dürfe eine Maßnahme nicht zu einem Schaden führen, der zu dem beabsichtigten Erfolg erkennbar außer Verhältnis stehe. Dem Betroffenen sei auf Antrag zu gestatten, an Stelle eines durch Verfügung angedrohten oder festgesetzten Mittels ein von ihm, dem Betroffenen, angebotenes anderes Mittel anzuwenden, dass die Gefahr ohne Beeinträchtigung der Allgemeinheit ebenso wirksam abwehren könne.

Diese gesetzliche Vorschrift sei in diesem Fall von der Antragsgegnerin in keiner Weise berücksichtig worden ist. Es sei illusorisch, dass ungebetene Besucher nunmehr durch einen erhöhten Zaun von geplanten Untaten abgehalten werden sollten. Unterstelle man jedoch die Notwendigkeit der Schleusensicherungsmaßnahmen, so seien diese bei Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens unverhältnismäßig.

Die Eilbedürftigkeit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ergebe sich daraus, dass die Bauarbeiten noch nicht abgeschlossen und die behördliche Maßnahme noch nicht vollzogen ist.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie hält dem Antrag entgegen, es könne eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren abgewartet werden, weil der Zaun gegebenenfalls wieder zurückgebaut werde könne. Es sei nicht ersichtlich, in welche eigenen geschützten Rechte der Antragstellerinnen eingegriffen werde.

Der Antrag bleibt ohne Erfolg.

Dies bereits deshalb, weil der Antrag unschlüssig ist. Denn die gegen die Errichtung des streitgegenständlichen Zaunes seitens der Antragstellerinnen vorgebrachten Einwendungen - Gesundheitsbeeinträchtigungen durch die optische Wirkung des Zaunes, Wertverlust ihrer Immobilien, Unverhältnismäßigkeit der Höhe und der Gestaltung des Zaunes - würden auch dann nicht beseitigt, wenn dem Antrag stattgegeben würde. Denn der streitgegenständliche Zaun ist - wie die von den Antragstellerinnen eingereichten Fotografien zeigen - jedenfalls in dem ihren Immobilien gegenüberliegenden Bereich bereits fertig gestellt; die von den Antragstellerinnen behaupteten negativen Wirkungen sind deshalb bereits eingetreten. Es ist nicht ersichtlich, dass eine Einstellung der Bauarbeiten zum jetzigen Zeitpunkt (oder auch zu demjenigen der Antragstellung) an den behaupteten negativen Auswirkungen etwas ändern würde. Dies könnte lediglich durch einen Abriss der bereits errichteten Teile des Zaunes geschehen; einen dahingehenden Antrag haben die Antragstellerinnen jedoch nicht gestellt.

Weiterhin fehlt es an einem Anordnungsgrund.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes im Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen; wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen ebenso gewichtigen Gründen. Voraussetzung ist, dass das behauptete strittige Recht (der Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr der Beeinträchtigung dieses Rechts (der Anordnungsgrund) glaubhaft gemacht werden, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO. Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.

Der vorliegende Antrag kann danach bereits deshalb keinen Erfolg haben, weil der Erlass der ersuchten Regelung eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache bedeutete. Wie sich schon aus der Bezeichnung der Maßnahme als einer einstweiligen Anordnung und aus der Vorläufigkeit des zu regelnden Zustandes ergibt, dient sie ihrem Wesen nach dem vorläufigen Rechtschutz. Es ist daher grundsätzlich nicht Sinn des summarischen Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, dem Antragsteller schon diejenige Rechtsposition zu verschaffen, die er nur im Verfahren zur Hauptsache, also aufgrund einer Verpflichtungs- oder Leistungsklage, erstreiten könnte. Eine solch unzulässige Vorwegnahme des Ergebnisses der Hauptsache liegt nicht nur bei irreparablen Regelungen vor. Sie kann auch dann gegeben sein, wenn die begehrte Regelung nur vorübergehend, das heißt unter dem Vorbehalt einer anderweitigen gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache ergehen soll. Denn die Begriffe "einstweilig" und "vorläufig" sind nicht nur zeitlich, sondern auch inhaltlich zu verstehen. Die einstweilige Regelung darf grundsätzlich nur der Sicherung, nicht aber der Erfüllung des Anspruchs dienen (vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 08.02.2006 - 13 5 18/06-, ZAR 2006, 112 mit weiteren Nachweisen aus der Kommentarliteratur). Von diesen Grundsätzen hat die Rechtssprechung nur Ausnahmen zugelassen, wenn anders ein wirksamer Rechtsschutz nicht zu erreichen wäre. Ausnahmsweise kann die Hauptsacheentscheidung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorweg genommen werden, wenn dem Antragsteller anderenfalls ein unzumutbarer, nicht wieder gut zu machender Schaden drohte (vgl. VGH Mannheim, Beschl. vom 08.02.2006, a.a.O.).

Ausgehend hiervon besteht für den Erlass der von den Antragstellerinnen begehrten einstweiligen Anordnung kein Anordnungsgrund im Sinne § 123 Abs. 1 VwGO, weil nicht glaubhaft gemacht ist, dass die begehrte vorläufige Regelung notwendig im oben genannten Sinne ist. Aus dem Vorbringen der Antragstellerinnen ergibt sich nicht, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung nötig wäre, um wesentliche Nachteile von ihnen abzuwenden.

Zum einen fehlt es bereits deshalb an einem Anordnungsgrund, weil - wie bereits dargelegt - nicht ersichtlich ist, welche der aus Sicht der Antragstellerinnen bereits eingetretenen Nachteile durch einen Baustopp beseitigt werden könnten.

Zum anderen ist nicht dargelegt oder gar glaubhaft gemacht, dass gerade die vollständige Erstellung des Zaunes - und lediglich dies suchen die Antragstellerinnen mit ihrem Antrag zu verhindern - wesentliche unzumutbare Nachteile für sie mit sich bringen könnte.

Darüber hinaus bestehen erhebliche Zweifel daran, dass die Antragstellerinnen von der Antragsgegnerin die (vorläufige) Einstellung der Bauarbeiten zur Errichtung des streitgegenständlichen Zaunes beanspruchen können, die Antragstellerinnen mithin, einen Anordnungsanspruch erfolgreich geltend machen können.

Hierfür müsste die Verletzung einer die rechtlichen Interessen der Antragstellerinnen - insbesondere ihre Nachbarrechte - schützenden Rechtsvorschrift feststellbar sein. Dies ist nicht der Fall.

Da § 29 Wasserstraßengesetz (WaStrG) nicht die Vornahme von Unterhaltungsarbeiten sondern strompolizeiliche Maßnahmen regelt, kommt diese Vorschrift als Schutznorm vorliegend nicht in Betracht.

Die Verletzung einer - gerade auch - das (Nachbar)Eigentum der Antragstellerin zu 1.) schützenden bzw. der Abwehr von unzumutbaren Gesundheitsbeeinträchtigungen zu Lasten der Antragstellerinnen dienenden Vorschrift - insbesondere solcher des Bau- oder lmmissionsschutzrechts - ist nicht ersichtlich und wird auch nicht substantiiert vorgetragen. Eine Beeinträchtigung des Eigentums(rechts) der Antragstellerin zu 1.) kann sich insbesondere aus der behaupteten negativen Veränderung des Fensterausblicks auf den streitgegenständlichen Zaun aus Rechtsgründen nicht ergeben, weil die Unveränderbarkeit der Aussicht rechtlich nicht geschützt ist.

Im Übrigen ist nicht durch Vorlage eines (fach-)ärztlichen Attestes glaubhaft gemacht, dass die behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen Krankheitswert erreichen und darüber hinaus von dem streitgegenständlichen Zaun bzw. seiner Gestaltung herrühren.

Der Antragstellerinnen haben als Unterlegene gemäß § 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO die Kosten des Verfahrens gesamtschuldnerisch zu tragen.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr.

1

GKG.

Rechtsmittelbelehrung

Soweit über den Sachantrag entschieden worden ist, steht den Beteiligten die Beschwerde gegen diesen Beschluss

...

Schulz-Wenzel
Heidmann
Gonschior