Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 26.10.2010, Az.: 4 B 3729/10

Zulässigkeit einer Stellplatzanlage eines im Gewerbegebiet liegenden Gewerbebetriebes im benachbarten Mischgebiet

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
26.10.2010
Aktenzeichen
4 B 3729/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 33305
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2010:1026.4B3729.10.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
OVG Niedersachsen - 07.04.2011 - AZ: 1 ME 241/10

Fundstelle

  • BauR 2011, 303

Amtlicher Leitsatz

Die Stellplatzanlage eines im Gewerbegebiet liegenden Gewerbebetriebs ist im benachbarten Mischgebiet planungsrechtlich unzulässig.

Tenor:

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 18.08.2010 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 11.08.2010 wird angeordnet.

Der Antragsgegner und die Beigeladene tragen jeweils die Hälfte der Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes beträgt 7.500 EUR.

Gründe

1

I .

Die Antragstellerin wendet sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Errichtung eines Parkplatzes.

2

Das Grundstück der Antragstellerin und das Baugrundstück, Gemarkung F., Flur G., Flurstücke H. und I. liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans "J. ", der den betroffenen Bereich östlich des K. s als Mischgebiet festsetzt. Die Antragstellerin besitzt in dem Gebiet ein Wohngrundstück. Dieses liegt, von der Straße L. aus gesehen, hinter dem Baugrundstück. Auf der gegenüberliegenden westlichen Seite des L. s hat die Beigeladene ihr Firmengelände. Sie produziert mit 200 Mitarbeitern am Standort F. Ersatzteile für Lastkraftwagen. Das Firmengelände liegt in einem beplanten Gewerbegebiet. In diesem vertreibt die Beigeladene Ersatzteile für Nutzfahrzeuge. Diese werden auf dem Betriebsgelände mit Lkw angeliefert, entladen, sortiert, kommissioniert und anschließend per Lkw wieder ausgeliefert. Auf dem Betriebsgelände stellt die Beigeladene die von dem Antragsgegner für den derzeitigen Betrieb als notwenig angesehenen 129 Stellplätze bereit.

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Unter dem 05.07.2010/13.07.2010 beantragte die Beigeladene neben der - mittlerweile erteilten - Genehmigung der Erweiterung des Produktions-/Lagerbereichs und Aufstockung ihres Verwaltungsgebäudes im Gewerbegebiet die Genehmigung von 122 Einstellplätzen auf dem Baugrundstück. Diese sollen nur in der Zeit zwischen 6 und 22 Uhr genutzt werden. Zu den Bauvorlagen gehört eine fachtechnische Stellungnahme des Ingenieurbüros M. vom 15.06.2010 zu Schallemissionen. Danach soll der Parkplatz ausschließlich von Mitarbeitern der Beigeladenen genutzt werden.

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Die Antragstellerin widersprach den Planungen.

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Mit Bescheid vom 11.08.2010 erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen die Genehmigung zur Errichtung eines Parkplatzes mit 122 Einstellplätzen. Die Genehmigung regelt u.a. in den immissionsschutzrechtlichen Nebenbestimmungen (Nr. 6), dass die fachtechnische Stellungnahme vom 15.06.2010 Bestandteil der Genehmigung sei. Die hierin getroffenen Annahmen seien einzuhalten.

6

Die Antragstellerin erhob hiergegen unter dem 18.08.2010 Widerspruch, über den noch nicht entschieden ist. Ihren zugleich gestellten Antrag an den Antragsgegner, die sofortige Vollziehung der Baugenehmigung vorläufig auszusetzen, lehnte der Antragsgegner mit Schreiben vom 24.08.2010 ab.

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Am 30.08.2010 hat die Antragstellerin um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Die Anlage eines Parkplatzes für die Beigeladene sei nicht mit dem Charakter ihres Baugebiets vereinbar. Der Parkplatz diene der Erweiterung des Betriebes der Beigeladenen. Der Zu- und Abgangsverkehr zu dem Parkplatz beeinträchtige die Wohnnutzung und sei rücksichtslos. Außerdem entstünden durch die Art der Anlage des Parkplatzes Beeinträchtigungen des Grundstücks der Antragstellerin.

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Die Antragstellerin beantragt,

die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 18.08.2010 gegen die Baugenehmigung vom 11.08.2010 anzuordnen.

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Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen,

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denn die Einstellplätze seien im Mischgebiet zulässig. Der Parkplatz erfülle dort einen eigenen Nutzungszweck und sei nicht an den Betrieb der Beigeladenen gebunden. Diese erfülle die Pflicht nach § 47 Abs. 2 NBauO, die notwendigen Einstellplätze für ihren Betrieb bereitzustellen, bereits außerhalb des Baugebiets der Antragstellerin. Eine Bindung an den Betrieb sei auch nicht (wegen der Genehmigungsverfahren zur Erweiterung des Betriebs der Beigeladenen) beabsichtigt. In einem Mischgebiet sei ein Parkplatz nach § 12 Abs. 1 BauNVO planungsrechtlich zulässig und verletze deshalb nicht den Gebietserhaltungsanspruch der Antragstellerin. Zulässig sei in einem Mischgebiet jede gewerbliche Nutzung, die das Wohnen nicht störe. Dies sei nicht der Fall.

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Genauso wenig sei das Rücksichtnahmegebot verletzt. Denn nach dem vorgelegten Lärmschutzgutachten sei der Parkplatzlärm während der Tagzeit von der Antragstellerin hinzunehmen. Nachts sei der Betrieb des Parkplatzes nicht genehmigt. Die Befürchtungen der Antragstellerin, das beplante Mischgebiet werde zu einem Gewerbegebiet umgewandelt, seien unberechtigt.

12

Die Beigeladene beantragt ebenfalls,

den Antrag abzulehnen,

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und stützt die Erwägungen des Antragsgegners. Die planungsrechtliche Zulässigkeit von Stellplätzen mit kfz-gebundenen Gewerbebetrieben richte sich danach, ob die Hauptnutzung in dem jeweiligen Gebietstyp zulässig sei. Ausgenommen hiervon seien aber "private" Stellplatzbedürfnisse, z.B. für Mitarbeiter und Kunden. Derartige Nutzungen entsprächen in ihrem Störpotential gerade typischerweise nicht dem der Hauptnutzung. Die Stellplatzanlage werde aus praktischen Gründen für Kunden und Mitarbeiter angelegt. Die Fläche befinde sich gegenüber dem Verwaltungsgebäude der Beigeladenen. Parken würden deshalb vorwiegend Verwaltungsmitarbeiter und Kunden. Hierbei handele es sich nicht um den mit der Hauptnutzung verbundenen gewerblichen Verkehr.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin und den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

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II .

Der Antrag ist zulässig. Die Antragstellerin hat einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Baugenehmigung gestellt, den der Antragsgegner abgelehnt hat.

16

Der Antrag ist auch begründet. Nach §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise anordnen, wenn das Interesse des Nachbarn, von der Vollziehung der angegriffenen Baugenehmigung verschont zu bleiben, das Interesse des Bauherrn an ihrer Ausnutzung überwiegt. Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung ist das Risiko des Nachbarn, die Folgen der Verwirklichung der angegriffenen Maßnahme trotz möglichen späteren Erfolges in der Hauptsache dulden zu müssen, mit dem Risiko des Bauherrn abzuwägen, die Verwirklichung seines Vorhabens trotz möglicher späterer Klagabweisung aufschieben zu müssen. Bei der zwischen beiden Folgeabschätzungen vorzunehmenden Abwägung spielt die Erfolgsaussicht des eingelegten Rechtsbehelfs in der Regel eine entscheidende Rolle. Bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung lässt sich hier absehen, dass der von der Antragstellerin eingelegte Widerspruch Erfolg haben wird. Die Anfechtung einer Baugenehmigung durch einen Nachbarn kann nur dann zum Erfolg führen, wenn die Genehmigung rechtswidrig ist und der Nachbar dadurch in seinen Rechten verletzt wird (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Die Zulassung des Bauvorhabens durch die Bauaufsicht verletzt einen Nachbarn dann in seinen Rechten, wenn sie mit Vorschriften nicht vereinbar ist, die - zumindest auch - die Funktion haben, nachbarliche Rechte zu schützen. Das ist hier der Fall.

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Als Nachbarin kann die Antragstellerin verlangen, dass kein Vorhaben im Bereich des für ihr Grundstück geltenden Bebauungsplans genehmigt wird, das dessen Gebietsfestsetzungen widerspricht, denn auf die Bewahrung der festgesetzten Gebietsart hat sie einen Anspruch.

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Unter einem Gebietserhaltungsanspruch wird im Kern verstanden, dass die Festsetzung von Baugebieten durch einen Bebauungsplan nachbarschützende Wirkung zu Gunsten aller Grundstückseigentümer im jeweiligen Baugebiet entfaltet, da sämtliche Eigentümer der innerhalb eines festgesetzten Baugebiets gelegenen Grundstücke eine "bau- und bodenrechtliche Schicksalsgemeinschaft" bilden, die ein wechselseitiges Austauschverhältnis begründet. Es bewirkt einerseits eine Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten des eigenen Grundstücks nach näherer Maßgabe der jeweiligen Baugebietsfestsetzung. Dieser Nachteil wird andererseits dadurch ausgeglichen, dass auch alle anderen Grundstückseigentümer innerhalb desselben Baugebiets diesen Beschränkungen unterworfen sind. Der Abwehranspruch wird bereits durch die Zulassung eines mit der Gebietsfestsetzung unvereinbaren Vorhabens ausgelöst, weil bereits hierdurch das nachbarliche Austauschverhältnis gestört und eine (schleichende) Verfremdung des Gebiets eingeleitet wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.09.1993 - 4 C 28/91 -, BVerwGE 94, 151 ). Die Antragstellerin hat einen Anspruch darauf, dass die durch § 6 BauNVO i.V.m. § 12 Abs. 1 BauNVO geschützte Art der baulichen Nutzung ihres Baugebiets erhalten bleibt.

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Hier ist der Gebietserhaltungsanspruch der Antragstellerin verletzt, weil das Bauvorhaben von den Festsetzungen des Bebauungsplanes zur Art der baulichen Nutzung nicht gedeckt wird. Zu den nachbarschützenden Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung gehören nicht nur die Baugebietsfestsetzung als Mischgebiet i.S.d. § 6 BauNVO, sondern auch die Festsetzungen nach § 12 Abs. 1 BauNVO (vgl. VG München, Urteil vom 15.12.2009 - M 1 K 09.2849 -, [...]; Stock, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 2. Auflage 2003, § 12 BauNVO, Rn 47; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 94. Ergänzungslieferung 2010, § 12 BauNVO, Rn 130), wonach Stellplätze und Garagen vorbehaltlich einiger Einschränkungen in allen Baugebieten zulässig sind.

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Entgegen der Auffassung des Antragsgegners lässt der Wortlaut des § 12 Abs. 1 BauNVO eine planungsrechtliche Betrachtung von Einstellplatzanlagen, die die mit den Einstellplätzen verbundene Hauptnutzung nicht in den Blick nimmt, nicht zu. Stellplätze, die als Nebenanlagen einer anderen Hauptnutzung zugeordnet sind, können nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes, der die Kammer folgt, nur im gleichen Baugebiet wie die Hauptnutzung bzw. in einem eigens für Stellplatzanlagen geschaffenen Sondergebiet i.S.d. § 11 BauNVO zugelassen werden (so Beschluss vom 18.12.1990 - 4 NB 19/90 -, NVwZ 1991, 778). Das Bundesverwaltungsgericht führt dazu aus:

"Im Gegensatz zu öffentlichen Parkplätzen, die die Gemeinde nach § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB im Bebauungsplan festsetzen darf, sind (private) Stellplätze als Nebenanlagen anderen Grundflächen mit einer Hauptnutzung zugeordnet (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. April 1970 - BVerwG 4 C 53.67 - Buchholz 406.11§ 9 BBauG Nr. 6). Ihre städtebauliche Erforderlichkeit ergibt sich aus dem Stellplatzbedarf der Hauptnutzung. Sie sind nach§ 12 Abs. 1 BauNVO grundsätzlich in allen Baugebieten zulässig und können deshalb sogar innerhalb eines Sondergebietes festgesetzt werden, soweit sie nämlich der Hauptnutzung des Sondergebietes dienen. Dagegen ist die ausschließliche Festsetzung von Stellplätzen in einem Baugebiet nach den §§ 2 bis 10 BauNVO nicht möglich. Ein Baugebiet, in dem allein Stellplätze festgesetzt sind, kann kein Baugebiet im Sinne dieser Vorschriften sein, weil seine allgemeine Zweckbestimmung nicht gewahrt wäre. Allerdings kann innerhalb eines einzelnen Baugebiets durch die Festsetzung von Gemeinschaftsstellplätzen nach § 9 Abs. 1 Nr. 22 BauGB eine geschlossene Stellplatzanlage geplant werden. Auch mag es im Einzelfall zulässig sein, eine Stellplatzanlage über die Gliederungsmöglichkeiten des § 1 Abs. 4 bis 9 BauNVO innerhalb eines bestimmten Baugebietes festzusetzen. Mit diesen Mitteln ist die Ausweisung von Stellplätzen in den allgemeinen Baugebieten nach den §§ 2 bis 10 BauNVO aber nicht möglich, wenn der Stellplatzbedarf nicht innerhalb des jeweiligen Baugebietes selbst, sondern an anderer Stelle befriedigt werden soll. Hierfür kann vor allem dann ein legitimes Bedürfnis bestehen, wenn die erforderlichen Stellplatzflächen für die Kraftfahrzeuge der Bewohner oder der Arbeitnehmer aus mehreren Baugebieten auf einen einzigen Platz konzentriert werden sollen. In einem solchen Fall kommt nur die Festsetzung eines Sondergebietes für Stellplätze in Betracht."

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Danach ist das Bauvorhaben der Beigeladenen im Mischgebiet unzulässig. Denn der Betrieb der Beigeladenen, und damit die Hauptnutzung, liegt in einem Gewerbegebiet; der Bauplatz, und damit der Ort, wo der Stellplatzbedarf der Hauptnutzung befriedigt werden soll, befindet sich in einem Mischgebiet. Hauptnutzung und Bauplatz liegen somit nicht in demselben Baugebiet. Der Bauplatz liegt auch nicht in einem Sondergebiet (§ 11 BauNVO), in dem eine Stellplatzanlage zugelassen werden könnte, die einer in einem angrenzenden Gebiet liegenden Hauptnutzung dienen soll.

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Die streitige Einstellplatz-Anlage ist der Hauptnutzung der Beigeladenen zuzurechnen. Sie ist keine selbständige, isoliert zu betrachtende Anlage, sondern ein dem Betrieb der Beigeladenen dienender Betriebsbestandteil. Für diese Zuordnung genügt es, dass die Einstellplätze räumlich und funktional in den Betriebsprozess eingegliedert und damit Teil des Gesamtbetriebes sind (vgl. die Rechtsprechung zur "Lagerhalle": BVerwG, Urteil vom 15.11.1991 - 4 C 17/88 -, BRS 52 Nr. 52; Urteil vom 08.11.2001 - 4 C 18/00 -, NVwZ 2002, 730). Die angegriffene Baugenehmigung vom 11.08.2010 regelt selbst nicht ausdrücklich, ob die Einstellplatz-Anlage dem Betrieb der Beigeladenen zugeordnet sein soll, oder ob dies nicht der Fall ist und die Anlage wie ein Parkhaus betrieben werden soll. Die genehmigte Betriebsbeschreibung enthält hierzu auch keine Angaben. Allerdings nimmt die Baugenehmigung die fachtechnische Stellungnahme des Ingenieurbüros Peter Gerlach vom 15.06.2010 zu Schallemissionen in Bezug (Anlage 1) und bestimmt in den immissionsschutzrechtlichen Nebenbestimmungen (Nr. 6), dass die Annahmen der fachtechnische Stellungnahme vom 15.06.2010 einzuhalten seien. Nach der fachtechnischen Stellungnahme soll der Parkplatz ausschließlich von Mitarbeitern der Beigeladenen genutzt werden. Außerdem deutet der von der Beigeladenen beim Bauantrag gewählte Begriff "Einstellplatz" auf eine privatnützige, einer anderen Nutzung dienende Funktion des Vorhabens und nicht auf einen selbstständigen (Gewerbe-)Betrieb, wie z.B. einen öffentlichen - evtl. auch gewerblich betriebenen - Parkplatz, hin. Damit kann sich bei der Genehmigungserteilung der Antragsgegner nur die Vorstellung gebildet haben, die Einstellplatz-Anlage diene ausschließlich dem Bedarf der Beigeladenen, zumal für einen Parkplatz mit 122 Plätzen am Dorfrand von F. ein sonstiger Bedarf nicht erkennbar ist. Diese Vorstellung haben der Antragsgegner und die Beigeladene im gerichtlichen Verfahren bekräftigt. Der Antragsgegner hat dargetan, dass die Einstellplatz-Anlage dem Betrieb der Beigeladenen Einstellplätze zur Verfügung stellen soll, die diese jenseits der Erfüllung der Verpflichtung nach § 47 Abs. 2 NBauO bereitstellen möchte. Die Beigeladene hat ausgeführt, dass die Einstellplatz-Anlage "private" Stellplatzbedürfnisse, z.B. von Mitarbeitern und Kunden, erfüllen soll.

23

Private Einstellplätze können entgegen der Auffassung des Antragsgegners keine bauplanungsrechtlich beachtensbedürftige eigene "Hauptnutzung" ohne Bezug zu einer dienenden Funktion für eine eigentliche Hauptnutzung erfüllen. Es kommt planungsrechtlich nicht darauf an, ob es sich um bauordnungsrechtlich notwendige Stellplätze handelt, weil die Beurteilung einer Nutzungszuordnung in der BauNVO, also Bundesrecht, nicht durch landesrechtliche Vorgaben gesteuert werden kann. Kann der Stellplatzbedarf nicht innerhalb des Baugebietes befriedigt werden, in dem sich die Hauptnutzung befindet, kommt nur die Festsetzung eines Sondergebietes in Betracht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.12.1990, a.a.O.).

24

Abweichendes folgt entgegen der Auffassung der Beigeladenen auch nicht aus § 12 Abs. 1 BauNVO. Die von § 12 BauNVO erfassten privaten Stellplätze und Garagen können nur entweder Zubehör-Anlagen, die einen bestimmten Bedarf und insoweit eine Hauptnutzung voraussetzen, oder Nebenanlagen sein, die anderen Grundflächen mit einer Hauptnutzung zugeordnet sind, sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.04.1970 - IV C 53.67 -, BRS 23, Nr. 6; BVerwG, Beschluss vom 18.12.1990, a.a.O.; VG München, Urteil vom 15.12.2009, a.a.O.). § 12 Abs. 1 BauNVO löst die Koppelung der Zulässigkeit privater Stellplätze an die Zulässigkeit der Hauptnutzung nicht.

25

Diese Verknüpfung löst auch die Regelung des § 12 Abs. 2 BauNVO nicht, sondern unterstreicht sie vielmehr (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.04.1970, a.a.O..). Im Gegenschluss aus der Bestimmung, dass nur der "durch das Baugebiet verursachte Bedarf" die Anlagen von Stellplätzen im Baugebiet rechtfertigt, kann für § 12 Abs. 1 BauNVO nicht geschlossen werden, dass in anderen als den in § 12 Abs. 2 BauNVO genannten Gebieten, wie hier dem Mischgebiet, jedweder Bedarf aus anderen Baugebieten befriedigt werden kann.§ 12 Abs. 2 BauNVO setzt genauso wie § 12 Abs. 1 BauNVO die Abhängigkeit von Stellplätzen und Garagen von einer im gleichen Baugebiet zulässigen Nutzung voraus, "deckelt" aber die Anzahl dieser Stellplätze durch den baugebietsgebotenen Bedarf (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.09.1993, a.a.O..).

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Selbst wenn man der Auffassung, Einstellplätze seien nur in dem gleichen Baugebiet wie die Hauptnutzung oder in einem Sondergebiet planungsrechtlich zulässig, nicht folgen würde, erwiese sich das Vorhaben der Beigeladenen als unvereinbar mit den Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (zur "Lagerhalle": BVerwG, Urteil vom 15.11.1991 - 4 C 17/88 -, BRS 52 Nr. 52) richtet sich die planungsrechtliche Zulässigkeit von baulichen Anlagen, die räumlich und funktional in den Betriebsprozess eingegliedert und damit Teil des Gesamtbetriebes sind, nach der planungsrechtlichen Zulässigkeit des Betriebes, dem sie dienen sollen. Der Betrieb der Beigeladenen ist aber in einem Mischgebiet nicht zulässig.

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Ein Mischgebiet dient dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören (§ 6 Abs. 1 BauNVO). Die Zulässigkeit von Einstellplätzen regelt § 6 BauNVO - anders als z.B. § 7 Abs. 2 Nr. 5 BauNVO für das Kerngebiet - ausdrücklich nicht. Die Regelung, dass nicht störende Gewerbebetriebe in einem Mischgebiet zulässig sind, besagt aber, dass nicht die Zulässigkeit einzelner baulicher Anlagen eines Gewerbebetriebes isoliert zu prüfen ist, sondern es vielmehr darauf ankommt, ob das zur Genehmigung gestellte Vorhaben Teil eines nicht wesentlich störenden Gewerbebetriebes sein wird (vgl. die Rechtsprechung zur "Lagerhalle":

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BVerwG, Urteil vom 15.11.1991 - 4 C 17/88 -, BRS 52 Nr. 52). Der "eigentliche" Gewerbebetrieb der Beigeladenen wäre im Mischgebiet aber nicht zulässig, da er das Wohnen wesentlich stört (und deshalb zu Recht selbst nicht in einem Mischgebiet untergebracht ist). Dies ist für den im Gewerbegebiet liegenden Betriebsteil der Beigeladenen schon wegen des Umfangs der gewerblichen Betätigung bislang von keinem Beteiligten in Frage gestellt worden, Zweifel daran hat die Kammer auch nicht. Wäre aber der Gewerbebetrieb der Beigeladenen im Mischgebiet planungsrechtlich unzulässig, so sind es auch die ihm zugeordneten Einstellplätze.

29

Die Zuordnung der Einstellplätze zum Betrieb der Beigeladenen wird weder dadurch aufgelöst, dass der Bauantrag allein auf die Genehmigung einer Einstellplatz-Anlage gerichtet ist, noch dass die hergestellten Einstellplätze nicht dazu dienen, den bauordnungsrechtlich geforderten Stellplatzbedarf des Betriebs der Beigeladenen zu befriedigen. Es ist zwar grundsätzlich Sache des Bauantragstellers, durch seinen Antrag festzulegen, worauf sich das Genehmigungsverfahren beziehen soll und was "das Vorhaben" im Sinne von § 29 Satz 1 BauGB ist. Allerdings bewirkt das keine isolierte Betrachtung des Vorhaben, sondern maßgeblich bleibt, ob unter Berücksichtigung der Gesamtanlage nicht allein die bauliche Anlage, sondern immer auch die ihr zugedachte Funktion zulässig ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.11.1991, a.a.O..).

30

Die von dem Antragsgegner genehmigten Einstellplätze dienen der Nutzung einer nur in einem Gewerbegebiet zulässigen Nutzung der Beigeladenen. Ist Zuordnungsobjekt von den Einstellplätzen eine nach den Festsetzungen des Bebauungsplans "J. " unzulässige Hauptnutzung, so könnten diese allenfalls im Befreiungswege nach § 31 Abs. 2 BauGB zugelassen werden. Diesen Weg hat der Antragsgegner nicht beschritten. Die Kammer hat deshalb nicht geprüft, ob die Befreiungsvoraussetzungen vorliegen.

31

Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine selbständige, der Öffentlichkeit dienende Einstellplatz-Anlage genehmigungsfähig wäre, bedarf hier keiner Erörterung.

32

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 3, § 162 Abs. 3 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf§ 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.

33

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Die Höhe des festgesetzten Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 2 GKG. Dabei legt die Kammer den Streitwertkatalog der Bausenate des Nds. OVG nach dem 01.01.2002 zugrunde und bewertet die von der Antragstellerin geltend gemachte Beeinträchtigung ihres Wohnhauses mit 15.000 EUR. Dieser Wert ist für das Eilverfahren zu halbieren.