Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 20.10.2010, Az.: 13 A 3013/10

Behandlung; ambulante Beihilfe; Fahrtkosten

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
20.10.2010
Aktenzeichen
13 A 3013/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 41091
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGHANNO:2010:1020.13A3013.10.0A

Tenor:

  1. Die Klage wird abgewiesen.

    Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

    Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt eine Beihilfe auf Taxikosten in Höhe von insgesamt 21 Euro zu einer ambulanten Arztbehandlung. Er ist mit einem Bemessungssatz von 70 v.H. beihilfeberechtigt.

2

Am 13.03.2010 lies sich der Kläger ambulant im St. Bernward-Krankenhaus in Hildesheim wegen Schulterschmerzen untersuchen. Er fuhrt mit einem Taxi zur Behandlung und auch wieder zu seiner Wohnung zurück und wendete hierfür 11,00 € (Hinfahrt) bzw. 10,00 € (Rückfahrt) auf.

3

Der Kläger beantragte auch

  1. für die Taxikosten eine Beihilfe.

4

Mit Bescheid vom 29.03.2010 (der Abdruck in den Verwaltungsvorgängen der Beklagten trägt das Datum 30.03.2010) lehnte die Beklagte eine Beihilfe hierfür ab. Fahrtkosten zu ambulanten Behandlungen seien nur noch in Ausnahmefällen nach vorheriger Anerkennung der Beihilfestelle beihilfefähig.

5

Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein. Es habe sich um einen Notfall an einem Wochenende gehandelt.

6

Mit Widerspruchsbescheid vom 01.06.2010, zugestellt am 04.06.2010, wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.

7

Der Kläger hat am 02.07.2010 Klage erhoben.

8

Er trägt vor: Es sei ein Notfall gewesen, es habe abgeklärt werden müssen, ob ein Herzinfarkt vorliege. Er, der Kläger, habe das Angebot, eine Nacht im Krankenhaus zu bleiben, abgelehnt. Dadurch habe er der Beklagten sogar Kosten erspart.

9

Die Fragen des Gerichts nach einer etwaigen Pflegestufe und ggf. einen Schwerbehindertenausweis mit bestimmten Merkzeichen beantwortete der Kläger nicht.

10

Einen ausdrücklichen Klageantrag hat der Kläger nicht gestellt.

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Die Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen

12

Sie nimmt Bezug auf die Gründe ihres Widerspruchsbescheides. Sofern der Kläger einen Schwerbehindertenausweis mit dem Merkzeichen aG habe, solle er dies nachweisen.

13

Die Kammer hat die Sache mit Beschluss vom 20.10.2010 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

14

Alle Beteiligten haben sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

15

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

16

Die Entscheidung ergeht gemäß § 6 Abs. 1 VwGO durch den Einzelrichter.

17

Im Einverständnis der Beteiligten ergeht die Entscheidung weiterhin ohne mündliche Verhandlung, § 101 Abs. 2 VwGO.

18

Der Kläger hat keinen ausdrücklichen Klageantrag gestellt. Das Gericht versteht sein Klagebegehren dahingehend, dass er sinngemäß beantragt, die Beklagte zu verpflichten, die Fahrtkosten mit dem Taxi am 13.03.2010 zum Krankenhaus St. Bernward und zurück zu seiner Wohnung in Höhe von insgesamt 21,00 € als beihilfefähig anzuerkennen, hierauf eine Beihilfe in Höhe des Bemessungssatzes von 70 v.H. zu gewähren und den Bescheid vom 29.03.2010 und den Widerspruchsbescheid vom 01.06.2010 aufzuheben, soweit sie dieser Verpflichtung entgegenstehen.

19

Die so verstandene Klage ist zulässig, jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Beihilfe.

20

Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch kommt nur § 87c Abs. 1 NBG in der bis März 2009 geltenden Fassung und iVm. mit § 6 Abs. 1 Nr. 9 der Beihilfevorschriften des Bundes (BhV) in Betracht, die bis zum Erlass einer neuen Beihilfeverordnung weiterhin anzuwenden sind, § 120 NBG n.F.

21

Nach Buchstabe a) dieser Vorschrift sind Aufwendungen für Fahrten zum Einen dann beihilfefähig, wenn sie im Zusammenhang mit stationären Leistungen erbracht werden. Der Kläger hat sich zwar in ein Krankenhaus fahren lassen. Er wurde aber dort nur ambulant behandelt. Der Kläger trägt selbst vor, eine stationäre Aufnahme habe er abgelehnt. Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 9 Buchst. a) BhV liegen nach alledem nicht vor. Darauf, dass der Kläger mit dem Verzicht auf eine stationäre Aufnahme weitere Krankheitsaufwendungen erspart hat, kommt es nach den Reglungen der BhV nicht an.

22

Es handelte sich im Weiteren nicht um eine Rettungsfahrt zum Krankenhaus iSd. des § 6 Abs. 1 Nr. 9 Buchst. b) (der Kläger wurde nicht mit einem Rettungswagen in das St. Bernward-Krankenhaus verbracht) oder eine Begleitfahrt iSd. des § 6 Abs. 1 Nr. 9 Buchst. c).

23

Für ambulante Behandlungen wie im Fall des Klägers ist eine Beihilfefähigkeit nur unter folgenden, hier aber nicht gegebenen, Voraussetzungen gegeben:

24

Zum Einen können die Fahrtkosten zu einer ambulanten Krankenbehandlung sowie zu einer vor- oder nachstationären Behandlung, zur Durchführung einer ambulanten Operation oder eines stationsersetzenden Eingriffs im Krankenhaus beihilfefähig sein, wenn dadurch eine an sich gebotene vollstationäre oder teilstationäre Krankenhausbehandlung vermieden oder verkürzt wird oder diese nicht durchführbar ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 9 Buchst. d) BhV). Dies war bei dem Kläger jedoch nicht der Fall. Er wurde lediglich wegen Schulterschmerzen untersucht.

25

Letztendlich kommt eine Beihilfefähigkeit bei Fahrten zu ambulanten Behandlungen in besonderen Ausnahmefällen nach vorheriger Genehmigung der Festsetzungsstelle in Betracht, § 6 Abs. 1 Nr. 9 Buchst. e) BhV. Eine vorherige Genehmigung lag schon nicht vor.

26

Der Einwand des Klägers, es hätte keine Zeit mehr bestanden, um eine vorherige Genehmigung nachzusuchen, greift nicht durch. Zum Einen geht es um eine Genehmigung dem Grunde nach. Wenn der Kläger der Ansicht ist, grundsätzlich zu ambulanten Behandlungen auf einen Krankentransport angewiesen zu sein, hätte er eine entsprechende Genehmigung für derartige Fahrten dem Grunde nach längst bei der Beklagten beantragen können.

27

Zum Zweiten wären - bei vorherigem Antrag - die hier umstrittenen Fahrten aber auch mangels eines Ausnahmefalles nicht genehmigungsfähig gewesen.

28

Es ist sachgerecht, für die Beantwortung der Frage, wann eine Genehmigung zu erteilen ist, die entsprechenden Regelungen für gesetzlich Versicherte heranzuziehen. Danach liegt beim Kläger kein Ausnahmefall vor.

29

Gem. § 60 Abs. 1 SGB V übernimmt die Krankenkasse Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung nur nach vorheriger Genehmigung in besonderen Ausnahmefällen, die der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 festgelegt hat. Danach liegen besondere Ausnahmefälle bei einer schweren Grunderkrankung, die eine hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum erfordert, vor. Dies kann insbesondere eine Dialysebehandlung, eine onkologische Strahlentherapie oder onkologische Chemotherapie sein. Daneben werden von den gesetzlichen Krankenkassen Fahrten zur ambulanten Behandlung von Personen, die im Schwerbehindertenausweis die Merkzeichen "aG", "Bl" oder "H" oder die einen Einstufungsbescheid gemäß SGB XI in die Pflegestufen 2 oder 3 haben, übernommen.

30

Die Untersuchung wegen Schulterschmerzen zählt nicht zu den o.g. Krankheitsbildern. Der Kläger hat - obwohl eine entsprechende Anfrage erfolgte - auch nicht dargelegt, dass er über einen Schwerbehindertenausweis mit den entsprechenden Merkzeichen verfügt oder in die Pflegestufe 2 oder 3 eingestuft ist.

31

Zwar wären wohl auch in anderen Fällen die Fahrtkosten zu ambulanten Behandlungen grundsätzlich beihilfefähig, wenn ein vergleichbarer Schweregrad und eine vergleichbare Behandlungsintensität der Erkrankung mit den o.g. Erkrankungen vorliegt. In einem solchen Fall wäre, wenn denn der Beihilfeberechtigte einen Antrag auf Genehmigung der Fahrten stellt - von der Festsetzungsstelle auf der Grundlage der ärztlichen Verordnung zu prüfen, ob eine vergleichbare Situation gegeben ist. Aber auch hiervon kann - unabhängig davon, dass der Kläger keinen entsprechenden Antrag zuvor bei der Beklagten gestellt hat - beim Kläger nicht ausgegangen werden. Schulterschmerzen sind keine mit einer die Dialyse erfordernden Nierenerkrankung oder einer Krebserkrankung vergleichbar.

32

Gründe für die Zulassung der Berufung gem. §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO sind nicht ersichtlich.

33

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.