Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 11.12.2002, Az.: 11 A 2992/02
Ausweisung; Erwerbstätigkeit; handwerkliche Renovierungsarbeiten; Pole; polnischer Arbeitgeber; Privilegierung; Renovierungsarbeiten; unselbständige Tätigkeit; Verstoß gegen Aufenthaltsrecht
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 11.12.2002
- Aktenzeichen
- 11 A 2992/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 42107
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 46 Nr 2 AuslG
- § 12 Abs 2 Nr 1 AuslGDV
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Renovierungsarbeiten im Bundesgebiet an einem künftigen Werkstatt- und Lagerraum eines ausländischen Unternehmens mit eigenem Personal sind keine nach § 12 II NR. 1 DVAuslG privilegierten Tätigkeiten, sondern Erwerbstätigkeit, für die eine Aufenthaltsgenehmigung erforderlich ist.
Tatbestand:
Der Kläger, ein polnischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen den Bescheid des Beklagten vom 19. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Weser-Ems vom 5. Juni 2002, mit dem dieser unter gleichzeitiger Anordnung der sofortigen Vollziehung die Ausweisung des Klägers verfügt, die Sperrwirkung der Ausweisung auf 4 Jahre befristet und ihm die Abschiebung in seine Heimatland Polen angedroht hat.
Sein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes blieb erfolglos (Beschluss der Kammer vom 29. Mai 2002 - 11 B 1698/02 -).
Mit seiner am 10. Juli 2002 erhobenen Klage verfolgt der zwischenzeitlich ausgereiste Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, die Ausweisungsverfügung sei rechtswidrig. Der Vorwurf, er sei illegal einer Erwerbstätigkeit nachgegangen, als man ihn am 19. April 2002 in verschmutzter Arbeitskleidung bei Renovierungsarbeiten auf der Baustelle „A. F.“, in Ostgroßefehn angetroffen habe, sei haltlos. Vielmehr habe er ausschließlich Tätigkeiten für seinen polnischen Arbeitgeber, das Unternehmen „N.“, geleistet. Dieser habe dort von der Ehefrau des Geschäftsführers ihres deutschen Vertragspartners, der „P.“ GmbH, einen Werkstatt- und Lagerraum angemietet, der - wegen der Dringlichkeit bevorstehender Klavier-Lieferungen - aufgrund mündlicher Zusatzabrede mit eigenem Personal renoviert und fertiggestellt werden sollte. Zu der Raumanmietung sei es kurzfristig gekommen, weil die ursprüngliche Konzeption, Lager- und Werkstatträume an einer geplanten Betriebsstätte Leerer Landstraße in Aurich einzurichten, nicht habe realisiert werden können. In dem ersatzweise angemieteten Werkstatt- und Lagerraum sollten Endarbeiten an den aus Polen angelieferten Klavieren und Klavierteilen vor ihrer Auslieferung im Bundesgebiet von Mitarbeitern des polnischen Unternehmens „N.“ durchgeführt werden. Laut Gewerbemietvertrag vom 16. März 2002 sei die Anmietung eines Schlafraums im ersten Obergeschoss unter Bad- und Küchenmitbenutzung mitumfasst. Wegen der Dringlichkeit bevorstehender Klavierlieferungen des polnischen Unternehmens „N.“ an die deutsche „P.“ GmbH zum 24. April 2002 sei mündlich vereinbart worden, dass das Unternehmen „N.“ kleinere Restarbeiten (u.a. Elektroanschlüsse) an dem angemieteten Raum selbst und auf eigene Rechnung erledige. Aus diesem Grunde seien er - der Kläger - und der Kläger im Parallelverfahren 11 A 2994/02 bereits am 10. April 2002 ins Bundesgebiet eingereist. Obwohl sie mittlerweile nach Polen zurückgekehrt seien, bestehe ein Interesse an der Aufhebung der Verfügung, da ihre baldige Wiedereinreise zur Fertigstellung der Arbeiten und der Endarbeiten an gelieferten Klavieren sowie weiteren legalen Tätigkeiten für ihren polnischen Arbeitgeber erforderlich sei. Die geschilderten Arbeiten seien als den in § 12 Abs. 2 Nr. 1 DVAuslG genannten Tätigkeiten vergleichbare Dienstleistungen anzusehen, die keine Erwerbstätigkeit darstellten. Die betroffenen Räumlichkeiten dienten jedenfalls zum Teil auch Messeveranstaltungen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Beklagten 19. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Weser-Ems vom 5. Juni 2002 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er bezieht sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide und den Beschluss der Kammer vom 29. Mai 2002 - 11 B 1698/02 -.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakten 11 A 2994/02, 11 B 1697/02 und 11 B 1698/02 sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage, über die im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist zwar zulässig, aber unbegründet.
Die Ausweisung des Klägers und die Abschiebungsandrohung in den angefochtenen Bescheiden sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Maßgebend ist hierbei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 29. September 1998 - 1 C 8.96 - InfAuslR 1999, 54).
Auch unter Berücksichtigung des Klagevorbringens hält die Kammer an ihrer bereits im vorläufigen Rechtsschutz vertretenen Auffassung fest. Der rechtliche Ausgangspunkt der Ausländerbehörden ist nicht zu beanstanden. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Begründung in dem Beschluss der Kammer vom 29. Mai 2002 - 11 B 1698/02 - und ergänzend auf den nachträglich ergangenen Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Weser-Ems vom 5. Juni 2002 Bezug genommen (Feststellung gemäß § 117 Abs. 5 VwGO). Das Klagevorbringen rechtfertigt eine andere Entscheidung nicht.
Die Ausländerbehörden gehen zunächst zu Recht davon aus, dass die Ausweisung ihre Rechtsgrundlagen in §§ 45 Abs. 1, 46 Nr. 2 AuslG findet. Danach kann ein Ausländer insbesondere dann ausgewiesen werden, wenn er einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen hat. Rechtsvorschriften im Sinne des § 46 Nr. 2 AuslG sind auch die Regelungen des Ausländergesetzes und entsprechender Verordnungen über die Einreise in das Bundesgebiet. Gegen diese Vorschriften hat der Kläger nicht nur geringfügig verstoßen.
Als polnischer Staatsangehöriger benötigt der Kläger gem. § 3 AuslG für die Einreise und den Aufenthalt zwecks Ausübung einer Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet eine entsprechende Aufenthaltserlaubnis. Erwerbstätigkeit im Sinne des Ausländergesetzes ist jede selbstständige und unselbstständige Tätigkeit, die auf Erzielung von Gewinn gerichtet oder für die ein Entgelt vereinbart oder üblich ist oder für die eine Arbeits- oder sonstige Berufsausübungserlaubnis erforderlich ist (§ 12 DVAuslG).
Der Kläger ist nach eigenem Vorbringen am 10. April 2002 ins Bundesgebiet eingereist, um Renovierungsarbeiten in dem von seinem polnischen Arbeitgeber angemieteten Werkstatt- und Lagerraum im „A. F.“ in Ostgroßefehn durchzuführen. Selbst wenn trotz verbleibender Zweifel (etwa wegen des Verhaltens auf der Baustelle, der Nähe zum Wohnsitz des Geschäftsführers des deutschen Partnerunternehmens, dem Charakter der Baulichkeiten, der Unüblichkeit der mündlichen Renovierungsabrede, der Dauer der „kleineren Endarbeiten“, der fragwürdigen Dringlichkeit, gerade diesen Raum für anstehende Lieferungen fertig stellen zu müssen) davon ausgegangen wird, dass er ausschließlich Arbeiten in den von seinem Arbeitgeber von der Ehefrau des Geschäftsführers des deutschen Vertragsunternehmens angemieteten Raum (vgl. Gewerbemietvertrag vom 16. März 2002) vorgenommen hat, um wegen der Dringlichkeit durch bevorstehende Klavier-Lieferungen diesen in einen für die erforderlichen Endarbeiten an Musikinstrumenten erforderlichen Endzustand zu versetzen, handelt es sich um eine Erwerbstätigkeit im Sinne von § 12 DVAuslG. Denn es liegt - wie § 12 Abs. 1 DVAuslG voraussetzt - eine unselbstständige Tätigkeit vor, für die ein Entgelt üblich ist, wenngleich dieses hier wegen der geschilderten Vertragsgestaltung von dem ausländischen Arbeitgeber an den Kläger gezahlt wird.
Entgegen seiner Auffassung kann sich der Kläger nicht auf den Ausnahmetatbestand des § 12 Abs. 2 Nr. 1 DVAuslG berufen. Danach übt im Bundesgebiet keine Erwerbstätigkeit aus, wer als Arbeitnehmer im Dienst eines Unternehmens mit Sitz im Ausland unter Beibehaltung seines gewöhnlichen Aufenthalts im Ausland längstens insgesamt 3 Monate innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten im Bundesgebiet für das ausländische Unternehmen Besprechungen und Verhandlungen führt, Verträge schließt, unternehmenseigene Messestände aufbaut, abbaut und betreut oder vergleichbare Dienstleistungen erbringt, die für keinen Geschäftspartner im Bundesgebiet entgeltliche Leistungen sind. Eine der ausdrücklich aufgeführten Dienstleistungen für den ausländischen Arbeitgeber liegt nicht vor. Das Renovieren und Fertigstellen eines späteren Werkstatt- und Lagerraums, in dem angelieferte Musikinstrumente endmontiert, gestimmt und für die Auslieferung im Bundesgebiet vorbereitet werden, stellt auch keine den genannten Tätigkeiten vergleichbare Dienstleistung dar.
§ 12 Abs. 2 Nr. 1 DVAuslG ist als Ausnahmevorschrift restriktiv auszulegen. Hiervon ausgehend sind handwerkliche Renovierungsarbeiten schon vom äußeren Erscheinungsbild mit den genannten Besprechungen, Verhandlungen und Vertragsabschlüssen für ein ausländisches Unternehmen nicht vergleichbar. Sie erfordern zudem keine vergleichbare kompetenz- oder vertrauensmäßige Nähe des Dienstleistungserbringers zu dem ausländischen Unternehmen, sondern sind vertretbare Handlungen, die auch ohne Weiteres durch deutsche Dienstleister erbracht werden könnten. Ebenso fehlt die Vergleichbarkeit zu dem genannten Aufbauen, Abbauen und Betreuen von unternehmenseigenen Messeständen. Hier ist die kompetenz- oder vertrauensmäßige Nähebeziehung zwischen ausländischem Unternehmen und Dienstleister zwar nicht ganz so stark ausgeprägt wie bei den auf Vertraganbahnung gerichteten Tätigkeiten. Dafür hat der Verordnungsgeber die aufenthalts- und arbeitsgenehmigungsrechtliche Privilegierung auf besondere temporäre Ereignisse begrenzt. Die privilegierten Tätigkeiten finden an den hierfür gewidmeten Messestandorten nur zu bestimmten Anlässen und zu festgelegten Zeiten statt. Sie dienen im Übrigen dem Aufbau, der Betreuung und dem Abbau lediglich vorübergehender Ausstellungs- und Verkaufsflächen. Hiermit soll Firmen, die aus Ländern mit geringer Wirtschaftskraft kommen und anderenfalls finanziell nicht in der Lage wären, am Messeplatz Deutschland an einer Ausstellung teilzunehmen, die Teilnahme an einer Messe ermöglicht werden (vgl. Amtliche Begründung zu Art. 1 Nr. 5 der 10. ÄnderungsVO v. 2. Dezember 2000 - BR-Drucks. 572/00). Demgegenüber sind die geschilderten Renovierungstätigkeiten nicht nur auf die Herstellung einer kurzzeitig genutzten Ausstellungs- und Verkaufsfläche, sondern auf die ordnungsgemäße Herstellung von Räumlichkeiten gerichtet, die nach dem Vorbringen des Klägers dauerhaft Endarbeiten an anzuliefernden Musikinstrumenten ermöglichen sollen. Folglich unterscheiden sich sowohl der Charakter der durchzuführenden Arbeiten als auch der Nutzungsanlass und die Nutzungszeit der betreffenden Räumlichkeiten. Ausgehend von dem aus den Lichtbildern zu erschließenden Gesamteindruck der Baulichkeit und der angemieteten Räumlichkeiten vermag nicht nachvollzogen zu werden, dass letztere jedenfalls zum Teil auch für Messeveranstaltungen, die durch die Ausnahmevorschrift privilegiert werden sollen, dienen sollten. Auch der systematische Vergleich mit anderen Ausnahmetatbeständen des § 12 Abs. 2 DVAuslG, die jeweils nur eng begrenzte Unternehmungen aufenthaltsrechtlich privilegieren, bestätigt die Unvergleichbarkeit von derartigen Renovierungstätigkeiten mit den in § 12 Abs. 2 Nr. 1 DVAuslG genannten Dienstleistungen. Fehlt es bereits an einer vergleichbar privilegierten Dienstleistung, kommt es nicht mehr darauf an, ob die weitere Voraussetzung vorliegt, dass es sich nicht um entgeltliche Leistungen für einen Geschäftspartner im Bundesgebiet handelt.
Da der Kläger nach eigenem Vorbringen bereits seit dem 10. April 2002 - also seit mehreren Tagen - die geschilderten Renovierungstätigkeiten durchgeführt hat, handelt es sich auch nicht um einen nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften.
Die Ausländerbehörden haben auch das nach § 45 AuslG auszuübende Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Sie haben sämtliche bedeutsamen Belange des Klägers gesehen und mit den öffentlichen Interessen der Bundesrepublik Deutschland an effektiver Bekämpfung illegaler Erwerbstätigkeit abgewogen. Nach § 114 Satz 1 VwGO bedeutsame Ermessenfehler sind weder ersichtlich noch hinreichend vom Kläger benannt. Das Interesse an erneuter Wiedereinreise und erneutem Aufenthalt im Bundesgebiet dürfte in erster Linie ein Interesse des polnischen Arbeitgebers des Klägers sein. Ein besonders eigenes Interesses des Klägers an Erfüllung seiner Arbeitsverpflichtung gerade im Bundesgebiet ist hingegen weder hinreichend dargetan noch sonst ersichtlich.
Die gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG erfolgte Befristung der Sperrwirkung der Ausweisung auf 4 Jahre - die vom Kläger nicht gesondert angegriffen wird - gibt keinen Anlass zu rechtlichen Bedenken.
Die Abschiebungsandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 49, 50 AuslG. Der Antragsteller ist - infolge der sofort vollziehbaren Ausweisung und mangels eines anderweitigen Aufenthaltsrechts - nach § 42 AuslG vollziehbar zur Ausreise verpflichtet gewesen, so dass ihm die Abschiebung angedroht werden durfte.