Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 11.12.2002, Az.: 11 A 1784/01
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 11.12.2002
- Aktenzeichen
- 11 A 1784/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 35976
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGOLDBG:2002:1211.11A1784.01.0A
In der Verwaltungsrechtssache
des Herrn T.,
Kläger,
Zustellungs-Bev.: Frau T., ,
gegen
die Stadt ...
Beklagte,
Streitgegenstand: Ausweisung
hat das Verwaltungsgericht Oldenburg - 11. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 11. Dezember 2002 ... für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der am ... 1965 in Antakya/Türkei geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er reiste am 10. November 1974 im Wege des Familiennachzuges zu seinen im Bundesgebiet lebenden Eltern. Am 9. Oktober 1981 wurde ihm eine befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt, die nachfolgend mehrfach (zuletzt bis zum 14. Oktober 2000) verlängert wurde. Seit dem ... Juli 1989 ist der Kläger mit einer türkischen Staatsangehörigen verheiratet. Aus der Ehe sind zwei 1993 bzw. 1995 geborene Kinder hervorgegangen. Der Kläger besitzt keinen Schul- und Berufsabschluss und lebte von Sozialhilfe sowie zeitweise von Gelegenheitsarbeiten bzw. Arbeitslosengeld. Seit etwa 1991 ist er stark drogenabhängig (Heroin).
Seit seinem sechzehnten Lebensjahr trat der Kläger regelmäßig strafrechtlich in Erscheinung und wurde vorwiegend wegen Eigentums-, Vermögens- und Körperverletzungsdelikten verurteilt (vgl. im Einzelnen Aufstellung in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid). Nach Anhörung wies die Beklagte den Kläger durch Bescheid vom 3. November 2000 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung aus der Bundesrepublik Deutschland aus und drohte ihm seine Abschiebung aus der Haft heraus in die Türkei an. Zudem lehnte sie die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab.
Seinen Widerspruch vom 22. November 2000 wies die Bezirksregierung Weser-Ems durch am 4. Mai 2000 zugestellten Bescheid vom 27. April 2001 zurück. Der Kläger, dem kein besonderer Ausweisungsschutz nach § 48 AuslG oder höherrangigem Recht zukomme, sei gem. § 47 Abs. 1 Nr. 1 2.Alternative AuslG zwingend auszuweisen, da er innerhalb von fünf Jahren zu Freiheitsstrafen in Höhe von insgesamt vier Jahren und drei Monaten verurteilt worden sei. Den besonderen Ausweisungsschutz nach Art. 6, 7 und 14 ARB Nr. 1/80 könne er nicht in Anspruch nehmen. Art. 3 Abs. 3 ENA sowie Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK stünden der Ausweisung nicht entgegen. Seine Ehefrau und die Verantwortung für die gemeinsamen Kinder hätten ihn nicht von erneuten Straftaten abgehalten. Wegen der zwingend vorgesehenen Ausweisung könne das Vorhaben des Klägers, seine starke Drogenabhängigkeit durch eine erneute Therapiemaßnahme in den Griff zu bekommen, nicht berücksichtigt werden. Im Übrigen sei die im September 1999 beendete erste Therapiemaßnahme nicht erfolgreich gewesen. Auf fehlende Bindungen zu seinem Heimatland könne er sicht nicht mit Erfolg berufen, zumal er in der Türkei die ersten neun Jahre seines Lebens verbracht, danach in seinem türkischen Elternhaus gelebt habe und der türkischen Sprache durchaus mächtig sei. Wegen der verfügten Ausweisung könne nach § 8 Abs. 2 S. 2 AuslG die Aufenthaltserlaubnis nicht verlängert werden. Gem. § 49 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 50 Abs. 5 AuslG könne die Abschiebung des Klägers aus der Haft in die Türkei angedroht werden.
Der Kläger hat am 1. Juni 2001 Klage erhoben, die er auch nach seiner zwischenzeitlichen Abschiebung in die Türkei weiter verfolgt. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, die Ausweisung sei rechtwidrig. Das bei türkischen Staatsangehörigen zu beachtenden Assoziationsrecht lasse eine Ist-Ausweisung nicht zu. Wegen des Verschlechterungsverbots ("Stillhalteklausel") in Art. 41 des Zusatzprotokolls zum Assoziationsabkommen EWG/Türkei komme nicht die schärfere Vorschrift des § 47 Abs. 1 AuslG 1990 zur Anwendung, sondern allenfalls eine Ermessenausweisung nach §§ 45, 46 AuslG 1990, die der seinerzeit geltenden Vorgängervorschrift des § 10 AuslG 1965 ähnele (vgl. BayVGH, Urteil vom 12. Juli 2000 - 10 B 99.1889 - AuAS 2000, 231). Da die Bescheide von der falschen Ermächtigungsgrundlage ausgingen und keine Ermessenserwägungen enthielten, sei die Ausweisung rechtswidrig. Unabhängig davon sei sie auch unverhältnismäßig. Er sei faktisch zum Inländer geworden, da er seit seiner Einreise im Alter von neun Jahren im Bundesgebiet lebe, sich seine gesamte Familie auf Dauer hier niedergelassen habe und er überdies eine eigene Familie mit ebenfalls hier geborenen Kindern gegründet habe. Seine prägenden und persönlichkeitsbildenden Lebensjahre habe er in der Bundesrepublik verbracht. Demgegenüber spreche er nicht die türkische Sprache und habe keinerlei tatsächlichen Beziehungen zur Türkei. Bei einer solchen Lage müssten strafrechtlich relevante normabweichende Verhaltensweisen von der bundesdeutschen Gesellschaft ertragen werden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Bescheid der Beklagten vom 3. November 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Weser-Ems vom 27. April 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, seine Aufenthaltserlaubnis wie beantragt zu verlängern.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich auf die angefochtenen Bescheide und erwidert ergänzend, das assoziationsrechtliche Verschlechterungsverbot in Art. 41 des Zusatzprotokolls zum Assoziationsabkommen EWG/Türkei gelte lediglich im Rahmen der Ausübung der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit im Sinne des EG-Vertrages. Da der Kläger weder selbstständig tätig sei noch von der Dienstleistungsfreiheit Gebrauch mache, gelte es für ihn nicht. Bei einer Ist-Ausweisung nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 AuslG sei für Ermessens- und Verhältnismäßigkeitserwägungen kein Raum.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die übersandten Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Bei verständiger Würdigung seines Begehrens (§ 88 VwGO) geht die Kammer davon aus, dass der Kläger sich nicht nur gegen die Ausweisung und Abschiebungsandrohung wendet, sondern auch die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis erstrebt, die den in angefochtenen Bescheiden ebenfalls abgelehnt wurde.
Die so verstandene Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die Ausweisung, die Versagung einer Aufenthaltserlaubnis und die Abschiebungsandrohung in dem Bescheid der Beklagten vom 3. November 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Weser-Ems vom 27. April 2001 erweisen sich als rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO).
Soweit sich der Kläger gegen die Ausweisung wendet, ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Mai 2001 - 1 B 125.00 - InfAuslR 2001, 212, 213 und Urteil vom 29. September 1998 - 1 C 8.96 - InfAusR 1999, 54) mit der Folge maßgebend, dass nach Erlass des Widerspruchsbescheides eingetretene Umstände grundsätzlich außer Betracht zu bleiben haben und ggf. als Gründe für eine nachträgliche Befristung der Ausweisung vorgetragen werden müssten.
Zutreffend gehen die angefochtenen Bescheide zunächst davon aus, dass als rechtliche Grundlage für die Ausweisung des Klägers auf § 47 Abs. 1 Nr. 1 2. Alternative AuslG abzustellen ist. Denn der Kläger hat infolge seiner Verurteilungen durch das Landgericht Oldenburg vom 17. April 1996 (zu 2 Jahren und 9 Monaten Freiheitsstrafe wegen schwerer räuberischer Erpressung, Diebstahls sowie unerlaubter Veräußerung von Betäubungsmitteln) und das Amtsgericht Delmenhorst vom 9. August 2000 (Bildung einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten unter Einbeziehung früherer Verurteilungen) den Tatbestand einer zwingenden Ausweisung nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 2. Alternative AuslG verwirklicht, da er innerhalb von fünf Jahren zu Freiheitsstrafen in Höhe von nunmehr insgesamt vier Jahren und drei Monaten verurteilt wurde. Wegen der Einzelheiten wird gem. § 117 Abs. 5 VwGO auf die zutreffenden und ausführlichen Ausführungen im Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Weser-Ems vom 27. April 2001 verwiesen.
Das bei türkischen Staatsangehörigen zu beachtende Assoziationsrecht steht einer Anwendung der Vorschrift über die Ist-Ausweisung nicht entgegen. Auf das Verschlechterungsverbot ("Stillhalteklausel") in Art. 41 des Zusatzprotokolls zum Assoziationsabkommen EWG/Türkei vom 12. September 1963 (BGBl. 1972 II, S. 385), das Nachteile gegenüber der seinerzeit geltenden Rechtslage (hier der Ausweisungsvorschrift in § 10 AuslG 1965) verbietet, kann sich der Kläger nicht berufen. Die Bestimmungen dieses Zusatzprotokoll und des Assoziationsabkommens nehmen (etwa in Art. 13 und 14 des Abkommens) ausdrücklich Bezug auf die Bestimmungen über die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit des Vertrages zur Gründung der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EGV). Folglich können sich Einschränkungen bei der Anwendung des geltendenden Ausweisungsrechts lediglich für solche türkischen Staatsangehörigen ergeben, die während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet eine Tätigkeit ausgeübt haben, die der Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EGV) oder Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EGV) unterfällt (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2002 - 1 C 21.00 - InfAuslR 2002, 338; VGH Mannheim, Beschluss vom 15. Februar 2001 - 13 S 2500/00 - InfAuslR 2001, 262). Dies wird in dem vom Kläger benannten Urteil des Bayrischen VGH (Urteil vom 12. Juli 2000 - 10 B 99.1889 - AuAS 2000, 231) verkannt. Da nichts dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich ist, dass der Kläger im geforderten Sinne selbstständig tätig war oder von der Dienstleistungsfreiheit im Sinne von Art. 49 EGV Gebrauch machte, kann er im Hinblick auf Art. 41 des Zusatzprotokolls zum Assoziationsabkommen EWG/Türkei die herangezogene Rechtsgrundlage nicht beanstanden. Auf die Stillhalteklausel aus Art. 13 ARB 1/80 kann er sich in diesem Zusammenhang schon deshalb nicht mit Erfolg berufen, weil er - wie zutreffend im Widerspruchsbescheid ausgeführt - eine Rechtsstellung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 oder Art. 7 ARB 1/80 zum Zeitpunkt seiner Ausweisung nicht inne hatte.
In den angefochtenen Bescheiden wird ebenso zutreffend angenommen, dass sich der Kläger nicht auf einen besonderen Ausweisungsschutz berufen kann. Auch insoweit wird auf die Ausführungen des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Weser-Ems vom 27. April 2001 gem. § 117 Abs. 5 VwGO Bezug genommen. Darin wird zutreffend betont, dass er nicht zu dem in § 48 Abs. 1 AuslG genannten Personenkreis gehört, der besonderen Ausweisungsschutz genießt. Es ist seinem eigenen (strafrechtlich relevanten) Verhalten zuzuschreiben, dass er trotz langen Aufenthalts im Bundesgebiet nicht in den Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis gelangt ist, die ihm den besonderen Schutz nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 AuslG eröffnet hätte. Ohne Rechtsfehler ist auch die Feststellung, dass der Kläger nicht den besonderen Ausweisungsschutz des Art. 14 des Assoziationsbeschlusses Nr. 1/80 der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (ARB 1/80) genießt, weil er eine Rechtsstellung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 zum Zeitpunkt seiner Ausweisung nicht inne hatte. Nicht zu beanstanden ist ferner die Feststellung, dass die (spezialpräventiven) Ausweisungsgründen auch den Anforderungen aus Art. 3 Abs. 3 ENA genügen.
Schließlich gehen die angefochtenen Bescheide zutreffend davon aus, dass beim Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für eine zwingende Ausweisung nach § 47 Abs. 1 AuslG kein Raum für eine Verhältnismäßigkeitsprüfung (auch nicht nach Art. 8 Abs. 2 EMRK) verbleibt (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 25. Oktober 2001 - 8 LA 3301/00 - Inf-AuslR 2002, 118; OVG Rh/Pf, Beschluss vom 22. September 1998 - 10 B 11661/98 - NVwZ-RR 1999, 205; OVG NW, Urteil vom 20. September 1994 - 18 A 2945/92 - NVwZ-RR 1995, 353; Hess. VGH, Beschluss vom 23. September 1996 - 13 TG 1316/96 - NVwZ-RR 1997, 126; Sennekamp, ZAR 2002, 136, 144; a.A. VGH BW, Beschluss vom 14. Februar 2001 - 13 S 2501/00 - InfAuslR 2001, 286). Dies folgt nicht nur aus dem bindenden Handlungsauftrag des Gesetzgebers an die Ausländerbehörden, sondern daraus, dass die Verhältnismäßigkeitsprüfung bereits in dem differenziert angelegten Regelungssystem des Ausweisungsrechts beachtet wurde. Bei der Erfüllung des Ausweisungstatbestandes des § 47 Abs. 1 Nr. 1 AuslG, der eine strafgerichtliche Verurteilung (wie sie sich auch der erforderlichen Höhe der vorausgesetzten Verurteilung ergibt) wegen Straftaten, die der schweren und besonders schweren Kriminalität zuzuordnen sind, verlangt, ist stets ein nachdrückliches öffentliches Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung des Ausländer zur Verteidigung der öffentlichen Ordnung bzw. Verhinderung weiterer schwerer oder besonders schwerer Straftaten gegeben. Dieses besondere öffentliche Interesse ist derart hoch anzusiedeln, dass gleichwertige bedeutsame Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich des Ausländer, die ein Absehen von der Ergreifung aufenthaltsbeendender Maßnahmen gebieten könnten unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Gesetzgeber in § 47 Abs. 3 AuslG i.V.m. § 48 Abs. 1 AuslG die auch im Hinblick auf den Anspruch der Aufrechterhaltung des Familienlebens besonders schutzwürdigen Ausländergruppen vom Anwendungsbereich des § 47 Abs. 1 AuslG ausgenommen hat, nicht denkbar sind (vgl. Hess. VGH, a.a.O., m.w.N.). Folglich ist der ggf. mit der Ausweisung verbundene Eingriff in den sich aus Art. 8 Abs. 1 EMRK ergebenden Anspruch auf Achtung des Familienlebens stets im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK statthaft. Härten, die auftreten, können und müssen ggf. im Wege einer Duldung oder einer Befristung der Wirkungen der Ausweisungen gemildert werden (Nds. OVG, Beschluss vom 25. Oktober 2001, a.a.O.).
Die vorstehenden Grundsätze gelten nicht nur, soweit sich der Familienschutz aus Art. 8 Abs. 1 EMRK mit dem verfassungsrechtlichen Familienschutz aus Art. 6 GG deckt, sondern auch soweit Art. 8 Abs. 1 EMRK weitergehende Schutzwirkungen (etwa für Volljährige Kinder) entfaltet. Entsprechendes gilt für die Auswirkungen des in Art. 8 Abs. 2 EMRK verankerten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes für sog. faktische Inländer, auf den sich der Kläger offenbar bezieht. Danach kann bei Ausländer, die aufgrund ihrer gesamten Entwicklung faktisch zu Inländern geworden sind und denen wegen der Besonderheiten des Falles ein Leben im Staat ihrer Staatsangehörigkeit, zu dem sie keinen Bezug haben, nicht zuzumuten ist, im Einzelfall die Ausweisung zu beanstanden seien (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. September 1998 - 1 C 8.96 - InfAuslR 1999, 54). Auch solche Belange müssen aber im Rahmen der Ist-Ausweisung generell hinter den öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung zurückstehen. Im Übrigen spricht hier nichts dafür, dass der Kläger faktisch zu einem Inländer geworden ist. Der Kläger hat die ersten neun Lebensjahre in seinem Heimatland Türkei verbracht und dort vier Jahre die Schule besucht. Danach hat er jahrelang mit seinen türkischen Eltern und Geschwistern zusammengelebt. Schon von daher ist nicht nachzuvollziehen, dass er die türkische Sprache nicht beherrschen will. Im Übrigen ist einem Vermerk der Jugendanstalt Hameln vom 24. April 1995 zu entnehmen, dass er seinerzeit ein geführtes Gespräch in die türkische Sprache übersetzt hat. Der Kläger hat zudem eine türkische Staatsangehörige geehelicht. Insgesamt hat er sich also wenig vom türkischen Kulturkreis gelöst. Mangels eines Schul- und Berufsabschlusses hat er sich auch auf dem Arbeitsmarkt nicht integriert. Einen Teil seiner Straftaten beging er mit türkischen Landsleuten (etwa seinem Bruder Mehmet). Insgesamt vermag er daher nicht als faktischer Inländer angesehen zu werden.
Ein Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis steht dem Kläger - unabhängig von der Frage der weiteren örtlichen Zuständigkeit der Beklagten für das Verpflichtungsbegehren - im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht zu. Wegen der verfügten Ausweisung ist nach § 8 Abs. 2 S. 2 AuslG eine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ausgeschlossen.
Die gem. § 49 Abs. 2 S. 1 i.V.m § 5 Abs. 5 AuslG angedrohte Abschiebungsandrohung des Klägers aus der Haft in die Türkei gab ebenso wenig Anlass zu rechtlichen Beanstandungen.
Folglich war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO.
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