Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 17.12.2003, Az.: 1 K 10543/00

Voraussetzungen der steuerlichen Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen; Einschränkung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise durch das Erfordernis der Einhaltung der gesetzlichen Form

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
17.12.2003
Aktenzeichen
1 K 10543/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 26760
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2003:1217.1K10543.00.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 07.06.2006 - AZ: IX R 4/04

Fundstellen

  • DStR 2004, VIII Heft 40 (Kurzinformation)
  • DStRE 2004, 1193-1194 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZAP 2005, 69 (Kurzinformation)
  • ZAP EN-Nr. 64/2005
  • ZEV 2005, 36 (amtl. Leitsatz)

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Zu den Voraussetzungen der steuerlichen Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen.

  2. 2.

    Großeltern und Kinder sind nahe Angehörige i.S.d. BFH-Rspr. zu Verträgen zwischen nahen Angehörigen. Denn auch im Verhältnis Großeltern-Kinder besteht vielfach eine wirtschaftliche Interessenidentität.

Tatbestand

1

Streitig ist die steuerliche Anerkennung von Angehörigendarlehen.

2

Die Klägerin errichtete in den Jahren 1991 bis 1993 in M, J-Straße, drei Mehrfamilienhäuser. Zur Finanzierung der Herstellungskosten schloss sie mit ihren Enkeln MV jun., MV und FV am 28. August 1991 jeweils Darlehensverträge ab. Die Darlehenssumme belief sich im Falle von MV jun. auf 68.410,- DM, von MV auf 123.430,- DM und FV auf 65.650,- DM. Die Rückzahlung war für den 28. August 2001 vorgesehen. Verzinst wurde das Darlehen mit 8 % p.a., die Zinsen waren jeweils zum 31.12. eines jeden Jahres fällig. Die Geldmittel der Enkel stammen im Wesentlichen aus Schenkungen ihres Großvaters, des 1987 verstorbenen Ehemannes der Klägerin.

3

Die Enkel waren damals alle noch minderjährig, MV jun. ist am 2. September 1982 geboren, MV am 16. Februar 1984 und FV am 23. März 1985. Unterzeichnet wurden die Verträge jeweils durch den Vater MV sen. als gesetzlicher Vertreter seiner Söhne. Ein Ergänzungspfleger wurde in den Vertragsabschluss nicht eingeschaltet.

4

Mit Datum vom 2. April 1992 erfolgte eine Vertragsänderung, wiederum auf Seiten der Darlehensgeber vom Vater als Vertreter unterzeichnet. Danach gewähren die Enkel der Klägerin weitere Kredite in variabler Höhe. In der Folgezeit erfolgten verschiedentlich Aufstockungen der Darlehenssumme, Tilgungen wurden nicht vorgenommen. Zur Entwicklung der Darlehenssummen wird auf die Aufstellung in der Klageschrift, Bl. 7 der Klageakte verwiesen.

5

Mit notarieller Urkunde vom 9. November 1998 genehmigte der jetzt eingeschaltete Ergänzungspfleger die Darlehensverträge, am 16. November 1998 wurden Grundschulden zur Sicherung der Darlehenssumme bestellt.

6

Die Zinsen für die Zinsperiode vom 28. August bis zum 31. Dezember 1991 in Höhe von 6.980,- DM hat die Klägerin am 15. Januar 1992, die Zinsen für die Zinsperiode vom 1. Januar 1992 bis zum 31. Dezember 1992 in Höhe von 21.385,- DM hat sie am 30. Dezember 1992 an die Enkel gezahlt.

7

Die Klägerin reichte die Einkommensteuererklärung 1992 im Jahre 1994 beim Beklagten ein. Dieser veranlagte die Klägerin zunächst erklärungsgemäß mit Einkommensteuerbescheid 1992 vom 19. April 1995 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

8

In der Zeit vom 26. Januar bis zum 22. Juni 1998 fand bei der Klägerin eine Außenprüfung statt. Der Betriebsprüfer stellte sich auf den Standpunkt, dass die Darlehen der Enkel steuerlich nicht anzuerkennen seien und erhöhte mit nach § 164 Abs. 2 AO geändertem Einkommensteuerbescheid 1992 vom 19. August 1998 die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung um die 1992 gezahlten Darlehenszinsen für 1991 und 1992 in Höhe von 28.366,- DM. Der dagegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg.

9

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Darlehenszinsen, die sie auf die Darlehensverträge mit ihren Enkeln geleistet hat, als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abzuziehen seien. Die Darlehensverträge mit den minderjährigen Enkeln seien zunächst schwebend unwirksam gewesen. Da die Vertragsparteien das wirtschaftliche Ergebnis der Verträge gleichwohl hätten eintreten und bestehen lassen, sei die schwebende Unwirksamkeit nach § 41 AO unerheblich. Zudem seien die Verträge durch Genehmigung durch den Ergänzungspfleger rückwirkend wirksam geworden.

10

Soweit der BFH einmal entschieden habe, dass vom Erfordernis der bürgerlich-rechtlichen Wirksamkeit des Vertrages nicht nach§ 41 AO abgesehen werden könne, könne dieses nicht auf den Streitfall übertragen werden. In diesem Falle habe der BFH darauf abgestellt, dass eine klare Trennung des Vermögens der Eltern und der Kinder gewährleistet sein müsse. Eine Vermischung des Vermögens von Großmutter und Enkeln sei hingegen nicht zu besorgen.

11

In einer anderen Entscheidung habe der BFH ausgeführt, dass Verträge zwischen nahen Angehörigen, bei denen Formvorschriften nicht beachtet worden sind, dennoch steuerlich zu beachten seien, wenn die Geltung der Formvorschriften unsicher und ungeklärt sei und die Angehörigen nach Auftauchen von Zweifeln an der Wirksamkeit des Vertrages alles tun, um den Formmangel zu beheben. Im Streitfall sei den Beteiligten das Erfordernis der Bestellung eines Ergänzungspflegers nicht bewusst gewesen. Nach Kenntnis von diesem Umstand hätten sie unmittelbar die notwendigen Schritte eingeleitet, um den Mangel zu beheben.

12

Aber selbst, wenn der Genehmigung der Verträge steuerrechtlich keine Rückwirkung zuzumessen sei, seien die Aufwendungen der Klägerin anzuerkennen. In diesem Falle wären die Zahlungen der Klägerin als Ausgleichszahlungen für die unbefugte Nutzung fremden Kapitals zu beurteilen. Die Nutzung fremden Kapitals ohne Legitimation führe zu Schadensersatzansprüchen des Kapitaleigners. Zumindest in Höhe der Zinsen, die die Enkel bei einer alternativen 10-jährigen Geldanlage hätten erzielen können, bestände ein Ausgleichsanspruch gegen die Klägerin. Im übrigen hätte die Klägerin, wenn ihr das Darlehen von den Enkeln nicht gewährt worden wäre, ein entsprechendes Darlehen von einem Dritten aufnehmen müssen.

13

Die Rechtsgrundsätze zu Verträgen zwischen Eltern und Kindern könnten nicht ohne weiteres auf das Verhältnis von Großeltern und Enkeln angewandt werden, da diese einander nicht unterhaltsverpflichtet seien.

14

Der Einwand, dass die Darlehensverträge deshalb einem Fremdvergleich nicht standhielten, weil die Vertragsparteien aus Kostengründen auf die Eintragung einer Grundschuld als Sicherheit verzichtet hätte, greife nicht durch. Die Klägerin habe zur Finanzierung ihrer Immobilien auch Darlehen bei Bausparkassen und Kreditinstituten aufgenommen. Auch diese hätten wegen des umfangreichen unbelasteten Vermögens der Klägerin auf die Besicherung durch Grundpfandrechte verzichtet.

15

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Einkommensteuerbescheides 1992 vom 19. August 1998 und der Einspruchsentscheidung vom 17. August 2000 die Einkommensteuer 1992 auf 6.446,- DM herabzusetzen.

16

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

17

Der Beklagte hält die Darlehenszinsen für nicht abzugsfähig. Verträge zwischen nahen Angehörigen seien steuerlich nur anzuerkennen, wenn sie zivilrechtlich wirksam vereinbart worden seien. Daran fehle es im Streitfall. Nach § 1626 Abs. 2 i.V.m.§§ 1795 Abs. 1 Nr. 1 und 1909 Abs. 1 BGB hätte der Vater als gesetzlicher Vertreter der Enkel diese nicht wirksam beim Abschluss eines Vertrages mit einem Verwandten in gerader Linie vertreten können; erforderlich wäre eine Zustimmung eines Ergänzungspflegers gewesen. Die nach Ablauf des Streitjahrs erfolgte Genehmigung durch einen Ergänzungspfleger entfalte steuerlich keine Rückwirkung, und zwar auch dann, wenn die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis des Rechtsgeschäftes eintreten und bestehen ließen. Der Ausnahmefall einer ungeklärten Zivilrechtslage läge im Streitfall nicht vor, weil sich das Erfordernis der Einschaltung eines Ergänzungspflegers eindeutig aus dem Gesetz ergebe.

Gründe

18

Die Klage ist unbegründet.

19

Die Darlehensverträge, die die Klägerin am 28. August 1991 mit ihren Enkeln geschlossen hat, können für die Streitjahre steuerlich keine Berücksichtigung finden.

20

Verträge zwischen nahen Angehörigen können steuerlich nur berücksichtigt werden, wenn die Vereinbarung in der gesetzlich vorgeschriebenen Form zustande gekommen und sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen FremdenÜblichen entspricht (BFH Urteil vom 18. Dezember 1990 VIII R 138/85, BFHE 163, 431, BStBl. II 1991, 581). Diesen Anforderungen genügen die Verträge vom 28. August 1991 nicht.

21

1. Entgegen der Annahme der Klägerin sind Großeltern und Kinder nahe Angehörige im Sinne der Rechtsprechung zu Verträgen zwischen nahen Angehörigen. Auch wenn der Kreis derjenigen Personen, die als nahe Angehörige in diesem Sinne anzusehen sind, enger gefasst werden muss als diejenigen, die nach § 15 AO als Angehörige gelten, gehören Großeltern noch zum Kreis der engsten Angehörigen. Hintergrund der Angehörigenrechtsprechung ist, dass zwischen nahen Angehörigen ein natürlicher Interessengegensatz wie zwischen fremden Dritten, der bewirkt, dass der Vertragsinhalt einen vernünftigen Kompromiss der entgegengesetzten Interessen der Vertragsparteien darstellt, typischer Weise nicht besteht. Vielmehr besteht unter Angehörigen mit gleichgerichteten wirtschaftlichen Interessen die Versuchung, Regelungen zu Lasten eines Dritten, nämlich des Finanzamts, zu schließen, auf die sie sich im Verhältnis zu einem Fremden niemals eingelassen hätten. Ob solche nur durch das persönliche Näheverhältnis zu erklärende Vereinbarungen getroffen wurden, ist anhand der oben genannten Kriterien zu prüfen. Das Motiv für die besondere Prüfung der zwischen Angehörigen geschlossenen Verträge besteht aber auch im Verhältnis Großeltern - Kinder, weil auch hier vielfach eine wirtschaftliche Interessenidentität besteht. Das zeigt sich zum einen an dem Umstand, dass Großeltern und Enkeln einander nach§ 1601 BGB unterhaltsverpflichtet sind, andererseits an der Tatsache, dass Vermögensübertragungen von einer Generation auf die nachfolgende, mitunter aber auch unmittelbar von den Großeltern auf ihre Enkel im Familienverband regelmäßig vorgenommen werden.

22

2. Die Verträge vom 28. August 1991 genügen nicht den Anforderungen für die steuerliche Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen, weil sie seinerzeit nicht formwirksam geschlossen wurden.

23

a) Die drei Enkel waren zum Zeitpunkt des Abschlusses der Darlehensverträge am 28. August 1991 allesamt minderjährig; insofern waren deren Eltern nach § 1629 Abs. 1 BGB befugt, für ihre Kinder rechtsgeschäftlich zu handeln. Allerdings ist gem. § 1626 Abs. 2 i.V.m.§ 1795 Nr. 1 BGB eine Vertretung ausgeschlossen bei einem Rechtsgeschäft zwischen dem Kind und einem Verwandten in gerader Linie. In diesem Falle erhält das Kind nach § 1909 Abs. 1 BGB einen Ergänzungspfleger. Die Einschaltung eines Ergänzungspflegers für die Enkel ist im Streitfall bei Abschluss der Darlehensverträge verabsäumt worden mit der Folge, dass die Verträge zunächst schwebend unwirksam waren.

24

b) Allerdings ist es nach § 41 AO für die Besteuerung unerheblich, ob ein Rechtsgeschäft zivilrechtlich unwirksam ist, soweit und solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten und bestehen lassen. Diese sog. wirtschaftliche Betrachtungsweise wird aber gerade im Falle von Verträgen zwischen nahen Angehörigen durch das Erfordernis der Einhaltung der gesetzlichen Form eingeschränkt (BFH Urteile vom 31. Oktober 1989 IX R 216/84, BFHE 159, 319; BStBl. II 1992, 506; vom 13. Juli 1999 VIII R 29/97, BFHE 191, 250, BStBl. II 2000, 386); diese Voraussetzung für die Anerkennung von Verträgen hat gerade ihre Bedeutung in der Durchbrechung der Regelung des§ 41 AO.

25

c) Es ist für die steuerrechtliche Beurteilung des Falles nicht erheblich, dass im Jahre 1998 doch noch ein Ergänzungspfleger eingeschaltet worden ist. Auch wenn dessen Genehmigung der Rechtsgeschäfte gem. § 184 Abs. 1 BGB zivilrechtlich zurückwirkt, so gilt dieses nicht für das Steuerrecht (BFH Urteil vom 23. April 1992 IV R 46/91, BFHE 168, 140, BStBl. II 1992, 1024). Steuerrechtlich können aus den Verträgen erst vom Zeitpunkt der Genehmigung an steuerrechtliche Folgerungen gezogen werden.

26

Allerdings hat der BFH in jüngerer Zeit entschieden, dass ausnahmsweise vertragliche Abreden zwischen nahen Angehörigen auch dann steuerlich berücksichtigt werden könnten, wenn die zivilrechtlichen Formvorschriften nicht beachtet worden sind (Urteil vom 13. Juli 1999 VIII R 29/97 a.a.O.). Dies hat er jedoch darauf gestützt, dass in dem Urteilsfall, in dem der Vertrag zwischen einer Personengesellschaft und Kindern der Gesellschafter geschlossen wurde, den Vertragspartnern die Nichtbeachtung der Formvorschriften nicht habe angelastet werden können. So habe sich die Notwendigkeit der Einschaltung eines Pflegers in diesem Fall nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, sondern habe nur im Wege einer erweiternden Gesetzesauslegung bestehen können; zu dieser Rechtsfrage hätte keine veröffentlichte Zivilrechtsprechung existiert. Ein derartiger Ausnahmetatbestand liegt im Streitfall jedoch eindeutig nicht vor, weil sich der Ausschluss der Eltern von der Vertretung der Enkel unmittelbar aus dem Gesetz ergibt.

27

d) Es kann dahin stehen, ob bei Unwirksamkeit der Darlehensverträge zivilrechtlich tatsächlich ein Ausgleichsanspruch wegen unbefugter Kapitalnutzung bestehen würde. Darauf kommt es im Fall nicht an, da es hier allein um die steuerliche Anerkennung der Verträge nach den Kriterien der Angehörigenrechtsprechung geht, nicht aber um eine zivilrechtliche Würdigung des Sachverhaltes. Im übrigen dürften die meisten Verträge, die den Maßstäben der Rechtsprechung für die steuerliche Anerkennung nicht genügen, zivilrechtlich durchaus wirksam sein und die Vertragsparteien verpflichten.

28

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

29

4. Die Zulassung der Revision erfolgt nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO im Hinblick auf die Frage, ob der BFH im Rahmen der Fortentwicklung seiner Rechtsprechung zu Verträgen zwischen nahen Angehörigen noch an den Rechtsgrundsätzen der Entscheidung vom 23. April 1992 IV R 46/91 a.a.O. festhält.