Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 20.12.1989, Az.: 18 L 11/89
Anforderungen an die Anfechtbarkeit einer Personalratswahl; Umfang der Rechte des Personalrats; Voraussetzungen für das Bestehen eines "sonstigen Dienstverhältnisses" im Sinne des Niedersächsischen Personalvertretungsgesetzes; Voraussetzungen für eine Wahlberechtigung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 20.12.1989
- Aktenzeichen
- 18 L 11/89
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1989, 20574
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:1989:1220.18L11.89.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Oldenburg - 06.12.1988 - AZ: PL 17/88
Rechtsgrundlagen
- § 3 Abs. 1 PersVG,NI
- § 26 PersVG,NI
- § 8 SGB IV
Verfahrensgegenstand
Wahlanfechtung
In der Personalvertretungssache
hat der 18. Senat - Fachsenat für Personalvertretungssachen des Landes Niedersachsen - des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein
auf die mündliche Anhörung vom 20. Dezember 1989
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Dembowski,
die Richter am Oberverwaltungsgericht Ladwig und Schwermer sowie
die ehrenamtlichen Richter Alf und Bruns
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Antragsteller gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Oldenburg - Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen - vom 6. Dezember 1988 wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Antragsteller fechten die am 8. und 9. März 1988 durchgeführte Personalratswahl bei den Berufsbildenden Schulen I.
An den Berufsbildenden Schulen I waren im Schuljahre 1987/88 etwa 60 hauptberufliche und 19 nebenberufliche Lehrkräfte beschäftigt. Die drei Antragsteller sind als Landwirte nebenberufliche Lehrkräfte. Das Land Niedersachsen hat mit ihnen Dienstverträge geschlossen, nach denen sie im Rahmen des Berufsgrundbildungsjahres Agrarwirtschaft stundenweise - bis zu vier oder sechs Stunden wöchentlich - Unterricht im Fach "Fachpraxis/Agrarwirtschaft" erteilen. Die Schüler werden in Gruppen in den Betrieben der Antragsteller unterrichtet. Die Vergütung der Antragsteller für die Einzelstunde betrug mit Wirkung vom 1. Januar 1987 bei mindestens vier Schülern 19,17 DM. Die Berufsbildenden Schulen I haben mitgeteilt, daß sich zur Zeit der Wahl zwei der Antragsteller in der Weise ablösten, daß jeder von ihnen 14-tägig im Wechsel an einem Tag der Woche vier Stunden Unterricht erteilte. Die drei Antragsteller waren im Wählerverzeichnis eingetragen und haben an der Wahl teilgenommen.
Die Antragsteller sind der Auffassung, daß vier andere nebenberufliche Lehrkräfte für das Fach "Fachpraxis/Agrarwirtschaft", denen zur Zeit der Wahl kein Schüler zugewiesen gewesen sei, zu Unrecht aus dem Wählerverzeichnis gestrichen worden seien. Sie haben die Wahl am 22. März 1988 angefochten und beantragt,
festzustellen, daß die am 8. und 9. März 1988 durchgeführte Wahl des Personalrats bei den Berufsbildenden Schulen I ... ungültig sei.
Der Beteiligte zu 1. hat beantragt,
den Antrag abzulehnen,
Der Beteiligte zu 2. hat keinen Antrag gestellt.
Das Verwaltungsgericht - Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen - hat den Antrag der Antragsteller durch Beschluß vom 6. Dezember 1988 abgelehnt und im wesentlichen ausgeführt: Zumindest zwei der drei Antragsteller seien nicht anfechtungsberechtigt, weil sie nicht wahlberechtigt gewesen seien. Wahlberechtigt seien alle Bediensteten, die am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet hätten und denen das Wahlrecht nicht entzogen sei. Bedienstete i.S. des Nds. Personalvertretungsgesetzes - Nds.PersVG - seien die Beamten, Angestellten und Arbeiter einschließlich der zu Ihrer Berufsausbildung Beschäftigten sowie sonstige in einem Dienstverhältnis stehende Personen. Die drei Antragsteller seien keine Beamten, Angestellte oder Arbeiter. Sie seien auch keine sonstigen in einem Dienstverhältnis stehende Personen i.S. des § 3 Abs. 1 Nds. PersVG. Denn darunter falle nicht jede Art eines Dienstverhältnisses. Nach dem Sinn des Nds. PersVG sei für die Bediensteteneigenschaft ein gewisser Grad von Eingliederung in die Dienststelle erforderlich. Diese sei zumindest bei zwei der Antragsteller im Hinblick auf ihre persönliche Unabhängigkeit bei dem Unterricht im eigenen Betrieb, auf die geringe Zahl nebenberuflich geleisteter Unterrichtsstunden und die wegen des Hauptberufs bestehende wirtschaftliche Unabhängigkeit zu verneinen. Dabei sei im Anschluß an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts darauf abzustellen, ob eine mehr als geringfügige Beschäftigung vorliege. Dies sei entsprechend der Regelung des§ 8 Abs. 1 SGB IVund desAbs. 2 SGB IV4. Buchs des Sozialgesetzbuchs - - zu bestimmen. Bei zumindest zwei der drei Antragsteller habe in diesem Sinne zur Zelt der Wahl nur eine geringfügige Beschäftigung vorgelegen. Sie hätten regelmäßig weniger als 15 Stunden in der Woche unterrichtet und ihre Vergütung habe unterhalb der Verdienstgrenze des § 8 Abs. 1 SGB IV gelegen. Damit seien sie weder wahlberechtigt gewesen, noch hätten sie das Recht, die Wahl anzufechten.
Gegen diesen ihnen am 4. März 1989 zugestellten Beschluß haben die Antragsteller am 31. März 1989 Beschwerde eingelegt, die sie am 11. April 1989 begründet haben. Sie machen geltend: Ihnen könne als sonstigen in einem Dienstverhältnis stehenden Personen i.S. von § 3 Abs. 1 Nds. PersVG die Wahlberechtigung nicht abgesprochen werden. Haupt- und nebenberuflich tätige Lehrkräfte seien gleichermaßen wahlberechtigt. Die restriktive Auslegung des Verwaltungsgerichts, daß nebenberufliche Lehrkräfte erst ab einer gewissen Mindeststundenzahl wahlberechtigt seien, finde im Gesetz keine Stütze. Eine entsprechende Regelung sei allein dem Gesetzgeber vorbehalten. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, daß eine mehr als geringfügige Beschäftigung vorliegen müsse, sei für die Auslegung des Nds. PersVG ebenfalls nicht einschlägig, da sie im Zusammenhang mit der Bestimmung des in einem anderen Landespersonalvertretungsgesetz verwendeten Arbeitnehmerbegriffs entwickelt worden sei; auf die Arbeitnehmereigenschaft komme es jedoch nach dem Nds. PersVG für die Wahlberechtigung nicht an.
Die Antragsteller beantragen,
den angefochtenen Beschluß zu ändern und nach ihrem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.
Der Beteiligte zu 1. stellt keinen Antrag und macht geltend: Die Tätigkeit der Lehrkräfte für Fachpraxis im Rahmen des Berufsgrundbildungsjahres Agrarwirtschaft sei nach ihrer Bedeutung mit der Tätigkeit hauptberuflich tätiger Lehrer vergleichbar. Dies vor allem deshalb, weil eine schlechte Note im fachpraktischen Teil der Ausbildung nicht durch andere Noten ausgeglichen werden könne und daher für die Gesamtnote in dem Fach von entscheidendem Gewicht sei.
Der Beteiligte zu 2. stellt ebenfalls keinen Antrag und führt aus: Auch bei den in Rede stehenden nebenberuflichen Lehrkräften bestehe eine enge Bindung an die Schule. Sie hätten z.B. die Möglichkeit, an Konferenzen teilzunehmen. Auch müsse ein Beauftragter der Schule ihre Höfe aufsuchen und diese auf ihre Geeignetheit für den Unterricht prüfen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten mit den Schriftsätzen der Beteiligten und den von ihnen überreichten Unterlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Wahlanfechtung zu Recht abgelehnt.
Nach § 26 Nds. PersVG könne u.a. mindestens drei Wahlberechtigte eine Personalratswahl anfechten. Diese Voraussetzung erfüllt die vorliegende Wahlanfechtung jedoch nicht, da die Antragsteller bei der in Rede stehenden Wahl nicht wahlberechtigt waren. Nebenberufliche Lehrkräfte wie die Antragsteller gehören nicht zu den wahlberechtigten Bediensteten i.S. der § 9 Abs. 1 Nds. PersVG§ 3 Abs. 1. Das gilt unabhängig davon, ob ihnen im Zeitpunkt der Wahl Schüler für den fachpraktischen Unterricht in ihren Betrieben der Landwirtschaft und des Gartenbaus zugewiesen waren und ob ihre Unterrichtstätigkeit i.S. des § 8 SGB IV so geringfügig war, daß sie aus diesem Grunde keine Wahlberechtigung auslöste (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 11.2.1981 - 6 P 14.80 -, PersV 1982, 110). Denn das Wahlrecht der Landwirte und Gärtner, die nebenberuflich als Lehrkräfte im Berufsgrundbildungsjahr Agrarwirtschaft fachpraktischen Unterricht erteilen, ist schon deshalb ausgeschlossen, weil sie nicht in einem von der Dienststelle abhängigen Arbeitsverhältnis stehen, sondern ihre Unterrichtstätigkeit in ihren Betrieben selbständig wahrnehmen.
Wahlberechtigt sind gemäß § 9 Abs. 1 Nds. PersVG alle über 18 Jahre alten Bediensteten, soweit sie ihr Wahlrecht nicht durch eine strafgerichtliche Verurteilung verloren haben. Sonderregelungen bestehen Insoweit nur gemäß § 9 Abs. 2 PersVGund § 9 Abs. 3 PersVGsowie§ 94 a) Abs. 3 Nds. PersVG für Abgeordnete, im Vorbereitungsdienst befindliche und beurlaubte Bedienstete; diese Fälle sind hier nicht von Interesse. Der vom Gesetz verwendete Begriff des Bediensteten wird im Nds. PersVG nur unvollkommen näher bestimmt, nämlich in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nds. PersVG dahin, daß es sich dabei um Beamte, Angestellte, Arbeiter sowie sonstige in einem Dienstverhältnis stehende Personen handelt. Um Beamte, Angestellte oder Arbeiter i.S. der § 4 Nds. PersVG§ 5 geht es hier unstreitig nicht; bei den hier in Rede stehenden Lehrkräften könnte es sich allenfalls um sonstige in einem Dienstverhältnis stehende Personen handeln. Was darunter zu verstehen ist, sagt das Gesetz nicht. Wie das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) in diesem Zusammenhang dargelegt hat, kommt es für die Wahlberechtigung jedoch entscheidend darauf an, daß die übertragene Tätigkeit eine echte Eingliederung in die Dienststelle mit allen damit verbundenen Belangen personeller und sozialer Art begründet. Erst eine solche Eingliederung des Bediensteten, die ein gewisses Maß an Abhängigkeit seiner Lebensgestaltung von Entwicklungen und Vorgängen in der Dienststelle bedingt, rechtfertigt den personalvertretungsrechtlichen Schutz und damit die personalvertretungsrechtliche Wahlberechtigung. Es ist deshalb anerkannt, daß zu den Bediensteten i.S. des § 3 Abs. 1 Nds. PersVG nicht die Personen gehören, die nach den mit ihnen geschlossenen Verträgen nicht in ein abhängiges Dienstverhältnis zur Dienststelle treten, sondern ihre selbständige Entscheidungsbefugnis behalten (Engelhardt/Ballerstedt, PersonalvertretungsG für das Land Nds., 3. Aufl., § 3 Anm. 1, m.Nachw.; Spohn, Nds. PersVG, 4. Aufl., § 3 Anm. 2, m.Nachw.; ebenso zum Bundesrecht Lorenzen/Haas/Schmitt, § 4 BPersVG, RdNr. 12, m.Nachw.). Vielmehr muß es sich stets um eine unselbständige Tätigkeit in einem persönlich abhängigen Dienst- oder Arbeitsverhältnis handeln. Die für die Annahme eines solchen entscheidende persönliche Abhängigkeit des Dienstleistenden, die durch eine Gesamtwürdigung aller Umstände ermittelt werden muß, hat das BVerwG z.B. auch für Lehrbeauftragte, die aufgrund eines zivilrechtlichen Vertrages tätig wurden, mit der Begründung verneint, sie seien nur locker an die Universität gebunden, nähmen die ihnen übertragenen Lehraufgaben selbständig wahr und behielten ihre persönliche Entscheidungsfreiheit (BVerwG, Beschl. v. 30.6.1980 - 6 P 9.80 -, PersV 1981, 245 f.). Diese Gründe müssen auch im vorliegenden Fall zur Verneinung der Bediensteteneigenschaft führen. Denn auch bei den Landwirten und Gärtnern, um die es hier geht, fehlt es an der persönlichen Abhängigkeit gegenüber dem Dienstherrn. Sie erteilen in ihren Betrieben den Schülern im Berufsgrundbildungsjahr Agrarwirtschaft selbständig sechs Wochenstunden fachpraktischen Unterricht. Dafür stellen sie aufgrund eines Vertrages mit dem Schulträger als Vermieter ihren Betrieb einschließlich der erforderlichen Einrichtungen und Geräte insoweit zur Verfügung, während die Erteilung des Unterrichts aufgrund des Runderlasses des Kultusministers vom 17. Mai 1977 (Nds. MBl, S. 574) im Rahmen eines freien Dienstvertrages gemäß den §§ 611 ff. BGB erfolgt. An ihrer weltgehend selbständigen Stellung kann auch der Umstand nichts ändern, daß § 6 des Vertragsmusters (a.a.O. S. 576) auf den genannten Rundenaß verweist, in dessen Nr. 3.2 das Dienstverhältnis der nebenberuflichen Lehrkräfte als nicht selbständig qualifiziert wird. Diese Qualifikation trifft für die nebenberufliche Lehrtätigkeit im Berufsgrundbildungsjahr Agrarwirtschaft rechtlich nicht zu. Dementsprechend hat auch die Oberfinanzdirektion Hannover eine unselbständige Tätigkeit dieser Lehrkräfte im steuerrechtlichen Sinne mit Rundverfügung vom 13. Dezember 1983 verneint.
Zu einer anderen Beurteilung kann auch nicht das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 14. Januar 1982 - 2 AZR 254/81 - (PersV 1984, 209) führen. Wenn dort eine das Dienstverhältnis prägende persönliche Abhängigkeit und Gebundenheit an Weisungen des Dienstherrn für teilzeitbeschäftigte Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen bejaht wurde, war dafür maßgebend, daß diese Lehrer hinsichtlich des Ortes und der Zeit ihrer Dienstleistungen vollständig an Weisungen des Dienstherrn und darüber hinaus an den Ausbildungs- und Lehrplan der jeweiligen Klasse gebunden sind. Insoweit liegen die Verhältnisse bei den Landwirten und Gärtnern, die in ihren Betrieben aufgrund eines freien Dienstvertrages selbständig wenige Wochenstunden fachpraktischen Unterricht erteilen, aber wesentlich anders. Ihnen fehlt diese persönliche Abhängigkeit; sie sind nicht, wie es für ihre Wahlberechtigung erforderlich wäre, in der Dienststelle weisungsgebunden beschäftigt (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 23.8.1988, ZBR 1989, 25). Daß sie gelegentlich zu Dienstbesprechungen in der Schule hinzugezogen werden, an Fachkonferenzen und mittelbar durch gewählte Vertreter an der Gesamtkonferenz teilnehmen können und hinsichtlich der Unterrichtsinhalte an Richtlinien und Weisungen gebunden sind, reicht für eine solche Eingliederung ebensowenig aus wie der Umstand, daß ihre Notengebung für die Schüler u.U. erhebliche Bedeutung haben kann.
Die Beschwerde war danach zurückzuweisen.
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind.
Ladwig
Schwermer
Alf
Bruns