Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 19.12.1989, Az.: 1 L 91/89

Baugenehmigung; Balkonterrasse; Sondereigentum; Klagebefugnis; Wohnungseigentumsanlage

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
19.12.1989
Aktenzeichen
1 L 91/89
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1989, 12799
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1989:1219.1L91.89.0A

Verfahrensgang

vorgehend
8 A 110/88 - Schleswig

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 8. Kammer -vom 24. Januar 1989 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 6.000,-- DM festgesetzt.

Gründe

1

Die Klägerin wendet sich gegen eine den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 27. April/18. Mai 1988 für den Bau einer Balkonterrasse auf Dachflächen der Wohnungseigentumsanlage ...weg ... in ..., die im gemeinschaftlichen Eigentum der Wohnungseigentümer stehen.

2

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 24. Januar 1989 als unzulässig abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

3

Die Klage sei unzulässig, weil es an der Klagebefugnis der Klägerin gemäß § 42 Abs. 2 VwGO fehle. Sie könne nicht geltend machen, durch die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung in ihren Rechten verletzt zu sein. Eine Abwehrbefugnis gegenüber Beeinträchtigungen, die mittels einer Baugenehmigung vom gemeinschaftlichen Eigentum ausgehe, sei nicht Inhalt des Sondereigentums. Der betroffene Sondereigentümer sei nicht Nachbar im Sinne des öffentlichen Baurechts, denn er vereinige in seiner Person die Stellung des Miteigentümers der beeinträchtigenden und des Eigentümers der beeinträchtigten Sache. Die Baugenehmigung hindere die Klägerin nicht in ihren Möglichkeiten, im Verfahren nach dem Wohnungseigentumsgesetz gegen die Ausnutzung der Genehmigung vorzugehen, denn die Baugenehmigung ergehe auch hier gemäß § 69 Abs. 4 LBO unbeschadet privater Rechte Dritter. Es seien die vom Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 4. Mai 1988 - 4 C 20.85 - DÖV 1988, 837 = BRS 48 Nr. 154 für die Anfechtungsklage eines Wohnungseigentümers gegen die eine der Wohnungseigentümergemeinschaft erteilte Baugenehmigung entwickelten Grundsätze auch auf den vorliegenden Fall anzuwenden.

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Die gegen dieses Urteil fristgerecht eingelegte Berufung weist der Senat nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluß zurück, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (Art. 2 § 5 Abs. 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit vom 31. 3. 1978, BGBl I S. 446, idF des Änderungsgesetzes vom 4. 7. 1985, BGBl I S. 1274). Zur Begründung nimmt der Senat zunächst gemäß Art. 2 § 7 Abs. 1 des Entlastungsgesetzes auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug.

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Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Entscheidung:

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Der Hinweis darauf, daß die Beigeladenen im Gegensatz zum vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall die Baugenehmigung nur für sich und nicht für die Wohnungseigentümergemeinschaft erstritten hätten und daher die übrigen Mitglieder der Eigentümergemeinschaft, also auch sie, die Klägerin, als Gestörte anzusehen seien, geht fehl. An der für die öffentlich-rechtliche Nachbarklage kennzeichnenden Dreiecksbeziehung fehlt es trotzdem, weil durch die Baugenehmigung selbst Rechte der Klägerin als Miteigentümerin des gemeinschaftlichen Eigentums nicht verletzt werden. Die Baugenehmigung ist - darauf hat das Verwaltungsgericht zu Recht hingewiesen - für die Miteigentümer ein "ausschließlich begünstigender Verwaltungsakt" (so BVerwG, Beschl. v. 27. 4. 1988 - 4 B 67.88 - BRS 48 Nr. 153 für den vergleichbaren Fall der Erteilung einer Teilungsgenehmigung für einen Miteigentümer, gegen die der andere Miteigentümer Klage erhoben hatte). Hingewiesen sei schließlich noch auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Oktober 1988 - 4 C 1.86 - BRS 48 Nr. 155. Darin ist ausgeführt, daß für eine öffentlich-rechtliche Nachbarklage eines Sondereigentümers, mit der sich dieser gegen die Art der Nutzung der im Sondereigentum eines anderen Miteigentümers derselben Eigentümergemeinschaft stehenden Wohnung wendet, regelmäßig die Klagebefugnis fehlt. Das hat das Bundesverwaltungsgericht u.a. damit begründet, daß das Wohnungseigentumsgesetz für das Verhältnis der einzelnen Sondereigentümer einer Wohnungseigentümergemeinschaft zueinander spezielle, den Inhalt des Sondereigentums bestimmende Regelungen sowohl materiell-rechtlicher Art über die Abgrenzung der gegenseitig zustehenden Befugnisse als auch verfahrensrechtlicher Art darüber, wie diese Befugnisse durchzusetzen sind, enthält. Das gilt auch für den vorliegenden Fall, in dem die Rechtsstellung der Klägerin nach dem Wohnungseigentumsgesetz sogar noch stärker ist, weil sie sich nicht nur gegen eine bestimmte Nutzung des Sondereigentums eines anderen Wohnungseigentümers wendet, sondern gegen die - durch die angefochtene Baugenehmigung (öffentlich-rechtlich) zugelassene - Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums.

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Der Hinweis der Klägerin auf die Vorschrift des § 63 Abs. 4 Satz 3 LBO, nach der die Bauaufsichtsbehörde von dem Bauherrn, der nicht Grundstückseigentümer ist, die Vorlage einer Zustimmungserklärung des Grundstückseigentümers zu dem Bauvorhaben fordern kann - was der Beklagte hier nicht getan hat -, kann ihrer Klage ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Diese Vorschrift dient - wie der Beklagte und der Vertreter des öffentlichen Interesses in ihren Stellungnahmen zur Berufungsbegründung zutreffend ausgeführt haben - nicht dem Schutz des Eigentümers, sondern soll die Behörde vor unberechtigter Beanspruchung schützen, d.h. sie dient dem öffentlichen Interesse daran, daß Verwaltungskraft ökonomisch eingesetzt wird (Domning/Fuß, Komm. z. LBO, § 63 Anm. 6). Der Schutz des Eigentümers ist ausreichend durch die Vorschrift des § 69 Abs. 4 LBO gewährleistet, nach der die Baugenehmigung unbeschadet der privaten Rechte Dritter erteilt wird.

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Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.

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Die Revision läßt der Senat nicht zu, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und der Beschluß auch nicht von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abweicht (§ 132 Abs. 2 VwGO).

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Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren ist gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG festgesetzt worden. Insoweit ist der Beschluß unanfechtbar (§ 25 Abs. 2 Satz 2 GKG).

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Dr. Pietsch

12

Dr. Bock

13

Fries