Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 20.12.1989, Az.: 18 OVG L 2/88

Mitwirkungsrecht der Personalvertretung; Zusammenfassung von Abteilungen; Charakter von Dienststellenteilen; Personelle Teileinheiten eines Hauptamtes; Auslegung des Begriffs "wesentlicher Teil einer Dienststelle"; Veränderung der Aufgabenstellung einer Dienststelle

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
20.12.1989
Aktenzeichen
18 OVG L 2/88
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1989, 16339
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1989:1220.18OVG.L2.88.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 17.12.1987 - AZ: PL VG 14/86

Redaktioneller Leitsatz

Für die Erfüllung der Mitwirkungstatbestände einer Personalvertretung kann die Aufgabenstellung eines von einer organisatorischen Maßnahme betroffenen Dienststellenteils nur Bedeutung gewinnen, wenn der Dienststellenteil aufgelöst, eingeschränkt oder aus der Dienststelle herausgelöst werden soll, die Dienststelle also eine Minderung ihrer Aufgaben hinnehmen soll.

Auf die Aufgabenstellung des Dienststellenteils kommt es nicht an, wenn Gegenstand des Verfahrens die Zusammenlegung von Dienststellenteilen innerhalb derselben Dienststelle ist.

In dem Rechtsstreit
hat der 18. Senat - Fachsenat für Personalvertretungssachen des Landes Niedersachsen -des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein
in der Sitzung vom 20. Dezember 1989
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Dembowski,
die Richter am Oberverwaltungsgericht Ladwig und Schwermer sowie
die ehrenamtlichen Richter Alf und Bruns
ohne mündliche Verhandlung
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Hannover - Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen in Hildesheim - vom 17. Dezember 1987 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller, der bei der selbständigen Dienststelle "Innere Verwaltung" der Stadt ... gebildete Personalrat, möchte festgestellt wissen, daß die Zusammenlegung zweier Abteilungen des städtischen Hauptamtes seiner Mitwirkung unterliegt.

2

Der Dienststelle "Innere Verwaltung" gehören alle Ämter der Stadt mit Ausnahme des Baudezernats, des Stadtreinigungsamts und der Berufsfeuerwehr an. Die ursprünglich zum Hauptamt gehörige EDV-Abteilung war in den Jahren 1982 bis 1984 in das Finanzdezernat (Dezernat II) eingegliedert. Mit Wirkung zum 1. Januar 1985 würde sie wieder dem Hauptamt im Dezernat I als Abteilung 10.7 angegliedert. In Gesprächen am 19. und 26. November 1985 unterrichtete der Beteiligte den Antragsteller von seiner Absicht, die EDV-Abteilung mit der Organisationsabteilung 10.3 des Hauptamts zu einer Abteilung zusammenzulegen und diese mit Wirkung vom 1. Januar 1986 organisatorisch als "Abteilung für Organisation und Datenverarbeitung 10.3" zu führen. Der Antragsteller vertrat die Ansicht, die Maßnahme sei mitwirkungsbedürftig. Mit Rundverfügung vom 9. Dezember 1985 vollzog der Beteiligte die angekündigte Zusammenlegung, ohne den Antragsteller zu beteiligen.

3

Am 13. März 1986 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht das personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren eingeleitet und geltend gemacht: Die Zusammenlegung der beiden Abteilungen stelle eine gemäß § 80 Nr. 1 Nds. PersVG mitwirkungspflichtige Zusammenlegung wesentlicher Teile einer Dienststelle dar. Das Hauptamt, das von der organisatorischen Änderung betroffen sei, habe gegenüber den sonstigen Ämtern der Stadt eine Leitfunktion inne; das zeige sich schon daran, daß es unmittelbar dem beteiligten Oberstadtdirektor als Dezernenten unterstellt sei. Von den Abteilungen des Hauptamts habe neben der Abteilung 10.1 "Allgemeine Verwaltungsangelegenheiten" die neue Abteilung 10.3 für die innere Verwaltung entscheidende Bedeutung. Die besondere Bedeutung der Organisationsabteilung bestehe bereits traditionell, diejenige der Abteilung für Datenverarbeitung wegen ihrer Aufgabenstellung, die EDV für den gesamten Bereich der Stadtverwaltung einzuführen.

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Der Antragsteller hat beantragt

festzustellen, daß die von dem Beteiligten mit Wirkung vom 1. Januar 1986 an vorgenommene Zusammenlegung der Organisations- und EDV-Abteilung seinem - des Antragstellers - Mitwirkungsrecht unterliegt.

5

Der Beteiligte hat beantragt,

den Antrag abzulehnen,

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und ausgeführt: Richtig sei, daß die automatisierte Datenverarbeitung ein wesentliches Organisationsmittel darstelle, weil sie durch ihre Dienstleistungen für die Fachämter die Aufgabenerledigung und damit auch den Personalbedarf beeinflusse. Gerade im Blick hierauf sei die EDV-Abteilung mit Wirkung vom 1. Januar 1985 wieder dem Hauptamt angegliedert worden. Allenfalls jener Vorgang könne als mitwirkungspflichtig angesehen werden, wenn man mit dem Antragsteller sowohl das Hauptamt als auch die ehemalige EDV-Abteilung als wesentliche Teile der Dienststelle "Innere Verwaltung" betrachte. Die streitige Zusammenlegung der beiden Abteilungen innerhalb des Hauptamts stelle dagegen nur eine unbedeutende innerorganisatorische Maßnahme dar. Die Bedeutung der EDV-Abteilung werde außerdem vom Antragsteller überschätzt; sie erbringe überwiegend nur Dienstleistungen für die Fachämter.

7

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers durch Beschluß vom 17. Dezember 1987 im wesentlichen mit folgender Begründung abgelehnt: Die umstrittene Zusammenlegung der beiden Abteilungen unterfalle nicht dem Mitwirkungstatbestand des § 80 Nr. 1 Nds. PersVG. Die Zusammenlegung habe das "Wesen" der Dienststelle "Innere Verwaltung" nicht berührt. Sie habe keine erhebliche Veränderung des Aufgabengabenbereichs und auch - gemessen an der Gesamtzahl der Bediensteten der Stadt - nicht für einen wesentlichen Anteil der Beschäftigten personelle Maßnahmen ausgelöst. Die haushaltsmäßigen Ausgabenansätze für beide Abteilungen hätten im Jahre 1985 ebenfalls nur einen verhältnismäßig geringen Anteil des Gesamthaushalts der Stadt Hildesheim ausgemacht. Selbst wenn man für die Wesentlichkeit von Dienststellenteilen darauf abstellen wollte, welche Bedeutung dem/den Teil/en für die Organisation innerhalb der Dienststelle zukomme, sei keine andere Beurteilung gerechtfertigt, weil hier lediglich Organisationseinheiten unterhalb der Ämterebene zusammengelegt worden seien.

8

Gegen den ihm am 15. Januar 1988 zugestellten Beschluß hat der Antragsteller am 8. Februar 1988 Beschwerde eingelegt. Er führt aus: Der Begriff der Wesentlichkeit der Zusammenlegung von Teilen von Dienststellen dürfe qualitative Gesichtspunkte nicht ausser acht lassen. Auch wenn hier nur zwei Abteilungen innerhalb eines Amtes zusammengelegt worden seien, sei es in Wahrheit um die Bildung einer "Stabsstelle" gegangen, weil der bisherigen Organisationsabteilung mit der Angliederung der EDV-Abteilung die technischen Mittel an die Hand gegeben worden seien, ihre organisationspolitischen Änderungsvorschläge augenblicklich durchzusetzen. Die zusammengelegten Abteilungen hätten zwischenzeitlich auch schon wesentliche Veränderungen in der Organisationsstruktur verschiedener städtischer Stellen/Ämter bewirkt. Rückschlüsse auf die Bedeutung des Zusammenschlusses der beiden Abteilungen lasse letztlich der Umstand zu, daß die bisherige Abteilung des Hauptamtes "Organisation und Datenverarbeitung" ausweislich des Dezernatsverteilungsplans der Stadtverwaltung mit Stand vom 15. September 1989 nunmehr den Status eines selbständigen Amtes bekommen habe.

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Der Antragsteller beantragt,

den Beschluß des Verwaltungsgerichts zu ändern und nach dem im ersten Rechtszug gestellten Antrag zu befinden.

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Der Beteiligte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

11

Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und verteidigt mit weiterführenden Argumenten den Beschluß des Verwaltungsgerichts.

12

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens des Antragstellers und des Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge des Beteiligten Bezug genommen.

13

Der Antragsteller und der Beteiligte haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

14

II.

Die Beschwerde des Antragstellers, über die nach § 85 Abs. 2 Nds. PersVG, § 83 Abs. 4 Satz 3 ArbGG ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann, ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers zu Recht abgelehnt. Die durch Rundverfügung des Beteiligten vom 9. Dezember 1985 mit Wirkung zum 1. Januar 1986 im Hauptamt der Stadt ... erfolgte Zusammenfassung der bisherigen Abteilungen 10.3 (Organisationsabteilung) und 10.7 (EDV-Abteilung) zur "Abteilung für Organisation und Datenverarbeitung 10.3" unterliegt entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht nach § 80 Nr. 1 Nds. PersVG dessen Mitwirkung.

15

Nach der genannten Vorschrift hat der Personalrat unter anderem bei der Zusammenlegung von Dienststellen oder wesentlichen Teilen von ihnen mitzuwirken. Zwar hatten die in Rede stehenden Abteilungen, wenngleich sie Teileinheiten des Hauptamts waren, den Charakter von Dienststellenteilen der gemäß § 6 Abs. 3 Nds. PersVG verselbständigten Dienststelle Innere Verwaltung der Stadt Hildesheim; denn sie bildeten im Organisationsplan ausgewiesene personelle Teileinheiten mit speziellen Aufgabenbereichen und eigenem Haushaltsansatz. Ihre Zusammenfassung stellte aber rechtlich keine Zusammenlegung wesentlicher Teile der Dienststelle dar.

16

Die in Rechtsprechung und Schrifttum bislang umstrittene Auslegung des Begriffs "wesentlicher Teil einer Dienststelle" hat das Bundesverwaltungsgericht für die mit § 80 Nr. 1 Nds. PersVG und § 78 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG inhaltsgleiche Vorschrift des § 66 Abs. 2 Hess. PersVG F. 1979 unter Berücksichtigung des Regelungszwecks mit Beschluß vom 30. September 1987 - BVerwG 6 P 19.85 - (Buchholz 251.5 Nr. 3 zu § 66 HePersVG) wie folgt geklärt: Die Mitwirkung in den (enumerativ) aufgeführten Fällen der Umorganisation soll sicherstellen, daß die Personalvertretung die schutzwürdigen Belange der durch eine solche Umorganisation betroffenen Beschäftigten in besonders nachdrücklicher Weise zur Geltung bringen kann. Das Mitwirkungsrecht soll nur dann an die Stelle ihrer Befugnis treten, bei einzelnen Folgemaßnahmen einer Umorganisation mitzubestimmen, wenn die organisatorische Maßnahme ihrerseits Ausdruck der Organisationshoheit des Trägers der Dienststelle ist, also über "innerbetriebliche" Umstellungen hinausgeht, die die Aufgabenstellung und/oder Struktur der Dienststelle nicht wesentlich verändern. Das wird daran deutlich, daß die einschlägigen Vorschriften des Bundes- und Landespersonalvertretungsrechts in erster Linie die Beteiligung des Personalrats bei der Auflösung, Einschränkung, Verlegung oder Zusammenlegung ganzer Dienststellen regeln. Dem können Eingriffe, die (nur) einen "wesentlichen Teil" der Dienststelle betreffen, lediglich gleichgestellt werden, wenn sie das "Wesen" der Dienststelle im Blick auf deren Aufgabenstellung und/oder Struktur entscheidend verändern. Vor diesem Hintergrund ist "wesentlich" ein Dienststellenteil nur dann, wenn er sich innerhalb der Dienststelle räumlich, organisatorisch sowie nach seiner Aufgabenstellung abgrenzen läßt und im Vergleich zu dem übrigen Teil der Dienststelle eine solche Bedeutung hat, daß seine Auflösung, Einschränkung, Verlegung oder Zusammenlegung mit einem anderen Teil derselben oder einer anderen Dienststelle die "Restdienststelle" bzw. - bei Zusammenlegung von Teilen derselben Dienststelle - die gesamte Dienststelle dermaßen verändert, daß sie sich als Folge der Maßnahme zu einer in ihrem "Wesen" anderen Dienststelle wandelt (so schon BVerwGE 18, 147, 149) [BVerwG 13.03.1964 - VII P 15/62]. Ein solcher Wandel kann sich beispielsweise in einer gewichtigen Änderung der Aufgabenstellung und/oder der inneren Struktur der Dienststelle, aber auch in einem erheblichen Eingriff in den Personalbestand äußern. Umgekehrt erfährt das "Wesen" einer Dienststelle dadurch, daß ihre innere Organisation bei gleichbleibender Aufgabenstellung umgestaltet wird, noch keine Veränderung. Für die Erfüllung der in Rede stehenden Mitwirkungstatbestände kann daher die Aufgabenstellung eines von einer organisatorischen Maßnahme betroffenen Dienststellenteils nur Bedeutung gewinnen, wenn der Dienststellenteil aufgelöst, eingeschränkt oder aus der Dienststelle herausgelöst werden soll, die Dienststelle also - auf die es allein ankommt - eine Minderung ihrer Aufgaben hinnehmen soll. Hingegen kommt es auf die Aufgabenstellung des Dienststellenteils nicht an, wenn Gegenstand des Verfahrens die Zusammenlegung von Dienststellenteilen innerhalb derselben Dienststelle ist.

17

Nach diesen Maßstäben bedurfte es im vorliegenden Fall nicht der Mitwirkung des Antragstellers. Zwar mögen die beiden Abteilungen des Hauptamtes von ihren Aufgabenbereichen her gesehen - wie die Beschwerde besonders hervorhebt - schon vor ihrer Zusammenfassung von großer Bedeutung gewesen sein. Ihre Zusammenfassung hat aber an der Aufgabenstellung der Dienststelle Innere Verwaltung nichts geändert oder diese sonst "wesensmäßig" verändert. Die Umorganisation stellt daher nur eine nicht beteiligungspflichtige Änderung der inneren Organisation der Dienststelle dar.

18

Hiernach ist die Beschwerde des Antragstellers zurückzuweisen.

19

Eine Kostenentscheidung ergeht im Beschlußverfahren nicht.

20

Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben.

Dr. Dembowski,
Ladwig,
Schwermer,
Alf,
Bruns