Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 20.12.1989, Az.: 18 OVG L 16/88

Antrag auf Feststellung eines Mitbestimmungsrechts bei Arbeitszeitregelungen; Mitbestimmung bei voraussehbarer Anordnung von Mehrarbeit und Überstunden; Personalvertretungsrechtlich aufgespaltene Dienststelle; Personalvertretungsrechtliche Verselbständigung von Dienststellen; Einheit einer Personalvertretung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
20.12.1989
Aktenzeichen
18 OVG L 16/88
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1989, 16337
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1989:1220.18OVG.L16.88.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Braunschweig - 07.06.1988 - AZ: PL 1/88

Verfahrensgegenstand

Mitbestimmung bei voraussehbarer Anordnung von Mehrarbeit und Überstunden

Der 18. Senat - Fachsenat für Personalvertretungssachen des Landes Niedersachsen - des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein hat
im Termin zur Anhörung am 20. Dezember 1989
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Dembowski,
die Richter am Oberverwaltungsgericht Ladwig und Schwermer sowie
die ehrenamtlichen Richter Alf und Bruns
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Verwaltungsgerichts Braunschweig - Fachkammer für Landespersonalvertretungssachen - vom 7. Juni 1988 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

1

Der Antragsteller erstrebt die Feststellung seines Mitbestimmungsrechts bei Arbeitszeitregelungen. Er ist die Personalvertretung der Universitäts-Nervenkliniken, die aus den Zentren psychologische Medizin (Zentrum 16) und neurologische Medizin (Zentrum 15) bestehen und gemäß § 6 Abs. 3 Nds. PersVG zu einer Dienststelle erklärt worden sind. Neben ihm bestehen an der Universität ... 25 entsprechende örtliche Personalräte, ferner der Personalrat der Universitätsverwaltung und der Gesamtpersonalrat.

2

Mit Schreiben vom 27. Mai und 18. September 1986 beschwerte sich der Antragsteller bei der Verwaltung der Kliniken über die Dienstpläne der Pförtner des Zentrums 16 und bat um eine Überprüfung sowie seine Beteiligung bei künftigen Dienstplänen. Mit Schreiben vom 16. Oktober 1986 wandte er sich an den Niedersächsischen Minister für Wissenschaft und Kunst mit der Begründung, seine Bemühungen, die zuständige Verwaltung der Kliniken zur Einhaltung des § 75 Abs. 1 und 2, 67 Abs. 1 und 2 Nds. PersVG zu bewegen, hätten zu keinem Erfolg geführt. Der Minister erwiderte am 2. September 1987, das als Initiativantrag zu wertende Schreiben sei vom unzuständigen Personal rat gestellt worden, weil die Pförtner ebenso wie die Reinigungskräfte zur Verwaltung der Kliniken gehörten, der ein eigener Personalrat zugeordnet sei.

3

Der Antragsteller hat daraufhin am 20. Januar 1988 das Beschlußverfahren eingeleitet und geltend gemacht: Die hier in Betracht stehenden Mitarbeiter hätten sich an seiner Wahl beteiligt und würden deshalb von ihm vertreten. Demzufolge müsse er auch bei den diese Bediensteten betreffenden personalwirtschaftlichen Maßnahmen mitbestimmen.

4

Der Antragsteller hat beantragt,

  1. 1.

    festzustellen, daß ihm bei voraussehbarer Anordnung von Mehrarbeit und Überstunden im Bereich der Pforte der Zentren psychologische Medizin und neurologische Medizin ein Mitbestimmungsrecht gem. § 75 Abs. 1 Ziff. 2 Nds. PersVG zusteht,

  2. 2.

    den Beteiligten zu verpflichten, ihn bei zu Ziff. 1 festgestellten Angelegenheiten unter Beachtung seiner Mitbestimmungsrechte zu beteiligen.

5

Der Beteiligte hat beantragt,

den Antrag abzulehnen.

6

Er hat vorgetragen: Dem Antragsteller stehe ein Mitbestimmungsrecht nicht zu, weil dieser hier keine Zuständigkeit im Hinblick auf die Mitbestimmungsrechte habe und weil aufgrund des Partnerschaftsprinzips er - der Beteiligte - nicht passiv legitimiert sei.

7

Mit Beschluß vom 7. Juni 1988 hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers abgelehnt, im wesentlichen aus folgenden Gründen:

8

Der Antragsteller verlange vom Beteiligten zu Unrecht die Einbeziehung in das Mitbestimmungsverfahren. Nach dem Gesetz korrespondierten Dienststellenleiter und Personalrat miteinander im Rahmen der ihnen übertragenen Befugnisse, hier also der Antragsteller und der Leiter der Universitäts-Nervenkliniken. Für die Entscheidung in personalwirtschaftlichen Angelegenheiten sei jedoch der Leiter der Universitäts-Nervenkliniken nicht zuständig, sondern nur der Präsident der Universität durch die Verwaltung der Kliniken. Im Hinblick darauf sei der Gesamtpersonalrat als Stufenvertretung gebildet, der zur vertrauensvollen Zusammenarbeit mit der Verwaltung der Universitätskliniken aufgerufen und mitbestimmungsbefugt sei. Demgegenüber bestehe für den Antragsteller kein Beteiligungsrecht gegenüber der Verwaltung der Universitätskliniken, was sich auch aus § 82 Abs. 3 Nds. PersVG ergebe; eine darüber hinausgehende Mitbestimmungsbefugnis des Antragstellers unmittelbar im Verhältnis zur Verwaltung der Kliniken sei dem Antragsteller nicht eingeräumt.

9

Gegen den ihm am 27. Juni 1988 zugestellten Beschluß richtet sich die am 26. Juli 1988 eingelegte und am 8. August 1988 begründete Beschwerde des Antragstellers, mit der er sein erstinstanzliches Vorbringen vertieft und insbesondere geltend macht, das Verwaltungsgericht sei mit seiner Annahme, daß bei der Verwaltung der Kliniken ein Gesamtpersonalrat als Stufenvertretung gebildet sei, von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen.

10

Der Antragsteller beantragt,

den angefochtenen Beschluß zu ändern und nach seinem erstinstanzlichen Antrag zu entscheiden.

11

Der Beteiligte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

12

Er verteidigt den angefochtenen Beschluß.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Akten PL 4/88 des Verwaltungsgerichts Braunschweig, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

14

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag zu Recht abgelehnt.

15

Dem Antragsteller ist zwar einzuräumen, daß der angefochtene Beschluß insoweit mißverständliche Formulierungen enthält, als darin von dem Gesamtpersonalrat "bei der Verwaltung der Universitätskliniken" und vom "Gesamtpersonalrat als Stufenvertretung" gesprochen wird. Denn der Gesamtpersonalrat besteht nicht bei der Verwaltung der Kliniken, sondern bei der Georg-August-Universität als Gesamtdienststelle; er ist keine Stufenvertretung im Sinne der §§ 61, 62, 82 Nds. PersVG, wenn auch für ihn einige Vorschriften über die Stufe, Vertretungen, insbesondere § 82 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 6 Nds. PersVG entsprechend gelten (§ 83 Abs. 1 Satz 2 Nds. PersVG). Diese ungenaue Ausdrucksweise ändert aber nichts daran, daß der angefochtene Beschluß das vom Antragsteller beanspruchte Mitbestimmungsrecht an Arbeitszeitregelungen für die Pförtner der Zentren 15 und 16 im Ergebnis zutreffend verneint hat.

16

Ein Beteiligungsrecht des Antragstellers an diesen Regelungen besteht deshalb nicht, weil er insoweit nicht die zuständige Personalvertretung ist. Das ergibt sich zwingend aus dem Partnerschaftsprinzip, das eine Kongruenz von Beteiligungsbefugnissen des jeweiligen Personalrats und Entscheidungsbefugnissen des jeweiligen Dienststellenleiters verlangt. Für den Fall einer gemäß § 6 Abs. 3 Nds. PersVG personalvertretungsrechtlich aufgespaltenen Dienststelle hat das Bundesverwaltungsgericht in Auslegung des § 83 Nds. PersVG dazu folgende Grundsätze aufgestellt:

"Im Regelfall wird bei einer Dienststelle ein Personalrat gebildet, der die Gesamtheit der bei der Dienststelle Beschäftigten repräsentiert (§ 12 Abs. 1 Nds.PersVG) und vom Dienststellenleiter an allen beteiligungspflichtigen Angelegenheiten zu beteiligen ist, in denen die Dienststelle zur Entscheidung befugt ist (BVerwGE 12, 194 (195 f.) [BVerwG 14.04.1961 - VII P 4/60]). Diese Einheit auf Seiten der Personalvertretung wird aufgegeben, wenn die oberste Dienstbehörde Nebenstellen oder Teile der Dienststelle auf Beschluß der Mehrheit der Bediensteten oder mit deren Zustimmung aus eigener Entschließung zu Dienststellen im Sinne des Niedersächsischen Personalvertretungsgesetzes erklärt und damit personalvertretungsrechtlich verselbständigt (§ 6 Abs. 3 Nds.PersVG). In diesem Fall sind - nach dem eingangs dargestellten Grundsatz - bei den einzelnen verselbständigten "Dienststellen" Personalräte zu bilden, die neben den Personalrat der nunmehr auf die "Stammdienststelle" reduzierten früheren Gesamtdienststelle treten, während dem Leiter der Gesamtdienststelle aus personalvertretungsrechtlicher Sicht eine Doppelfunktion als Leiter dieser Dienststelle und als Leiter der in ihrem Rahmen bestehenden Stammdienststelle zuwächst. Im Hinblick darauf, daß jeder der Personalräte nur einen Teil der Bediensteten der Gesamtdienststelle, nämlich die Bediensteten des personalvertretungsrechtlich verselbständigten Dienststellenteils, repräsentiert, führt diese "Aufspaltung" der Personalvertretung zugleich zu einer Beschränkung der Beteiligungsbefugnisse der einzelnen Personalräte. Jeder von ihnen ist aufgrund der Wahl, aus der er hervorgegangen ist, nur legitimiert an Angelegenheiten mitzuwirken, die der jeweilige Dienststellenleiter in bezug auf die "Dienststelle" trifft, bei der er gebildet ist. Denn er hat nur das Mandat des Bediensteten dieser "Dienststelle". Ihm fehlt es hingegen an einer originären Zuständigkeit in Angelegenheiten, die dadurch über den Rahmen der "Dienststelle" hinausgreifen, bei der er gebildet worden ist, daß sie sich auf mehrere innerhalb der verwaltungsorganisatorischen Gesamtdienststelle bestehende personal Vertretungsrechtlich verselbständigte Dienststellenteile oder auf die Gesamtdienststelle beziehen oder vom Leiter der Gesamtdienststelle für eine verselbständigte Dienststelle getroffen werden (§ 83 Satz 1 Nds.PersVG, zweite Alternative). Denn keiner der bei den einzelnen Dienststellenteilen gebildeten Personalräte ist zugleich bei der Gesamtdienststelle gebildet und repräsentiert alle Bediensteten der Gesamtdienststelle, ihnen allen fehlt vielmehr die Legitimation, gegenüber dem Leiter der Gesamtdienststelle im Interesse aller dieser Bediensteten oder der Bediensteten einer verselbständigten Dienststelle tätig zu werden. Die dadurch entstehende Lücke auf selten der Personalvertretung schließt das Gesetz mit der Verpflichtung, in einer personalvertretungsrechtlich "aufgespaltenen" Dienststelle eine gemeinschaftliche Personalvertretung, den Gesamtpersonalrat, zu bilden (§ 63 Abs. 1 Nds.PersVG), der in solchen Angelegenheiten tätig werden kann, in denen den Personalräten der einzelnen Dienststellenteile die Legitimation zur Beteiligung fehlt. Seine gesetzlich vorgeschriebene Bildung bewirkt, daß dem Dienststellenleiter und den von ihm Beauftragten auch in einer personalvertretungsrechtlich "aufgespaltenen" Dienststelle in allen beteiligungspflichtigen Angelegenheiten auf seifen der Personalvertretung ein legitimierter Partner gegenübersteht."

17

Nach diesen Grundsätzen fehlt dem Antragsteller hier die Legitimation zur Beteiligung, weil die Regelungen, um die es hier geht, nicht von dem Leiter der "Dienststelle" getroffen werden, bei der der Antragsteller gebildet ist; dabei bedarf es keiner Entscheidung, wer insoweit als Leiter anzusehen wäre und ob es im personalvertretungsrechtlichen Sinne einen solchen gemeinsamen "Leiter" der jeweils selbständigen Zentren 15 und 16 überhaupt gibt. Denn die Dienstpläne der Pförtner der Zentren 15 und 16 werden nicht von deren Leitern, sondern von der Verwaltung der Kliniken - Sachgebiet Hausverwaltung (73) - als integrierter Teil der Verwaltung der gesamten Universität aufgestellt. Davon ist auch der Antragsteller selbst in seinen Schreiben vom 27. Mai und 18. September 1986 an die Verwaltung sowie vom 16. Oktober 1986 an den Minister für Wissenschaft und Kunst ausgegangen, in denen er sich darüber beschwert, daß "die zuständige Verwaltung der Kliniken" die beanstandeten Mißstände nicht beseitigt, insbesondere nicht rechtzeitig Dienstpläne für die Pförtner zur Mitbestimmung vorgelegt habe. Auch nach dem danach gültigen Geschäftsverteilungsplan waren die Pförtner dem Sachgebiet 73 - Zentrale Hausverwaltung - zugeordnet, das zum Dezernat 7 der Universitätsverwaltung gehörte; als eine der Aufgaben des Sachgebietsleiters 73 war ausdrücklich u.a. die Überwachung und Organisation der Dienste der Pförtner im Neu- und Altklinikum aufgeführt, wie der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, ist diese Zuordnung auch in der Praxis beachtet worden, so daß ebenso wie die Dienstpläne z.B. auch Urlaubsgewährungen oder Einstellungen von Pförtnern im Sachgebiet 73 behandelt wurden. Es ist hier somit der in § 83 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative Nds. PersVG angeführte Fall gegeben, daß die Hauptdienststelle Entscheidungen für den Bereich einer gemäß § 6 Abs. 3 Nds. PersVG verselbständigten Dienststelle trifft. Danach steht das Beteiligungsrecht insoweit allein dem Gesamtpersonalrat zu, der gemäß §§ 83 Abs. 1 Satz 2, 82 Abs. 3 Satz 1 Nds. PersVG dem zuständigen örtlichen Personalrat Gelegenheit zur Äußerung zu geben hat.

18

Die Beschwerde war danach zurückzuweisen.

19

Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind.

Dr. Dembowski,
Ladwig,
Schwermer,
Alf,
Bruns