Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 18.04.2016, Az.: L 15 AS 257/15 B ER

Vorläufige Gewährung unterhaltssichernder Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII); Leistungsausschluss von arbeitsuchenden und wirtschaftlich passiven Unionsbürgern; Unterhaltssichernde Leistungen; Leistungsausschluss und Erwerbsfähigkeit

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
18.04.2016
Aktenzeichen
L 15 AS 257/15 B ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2016, 32119
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2016:0418.L15AS257.15B.ER.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Osnabrück - 15.12.2015 - AZ: S 24 AS 927/15 ER

Redaktioneller Leitsatz

1. Nach § 21 S. 1 SGB XII erhalten Personen, die nach dem SGB II als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt.

2. Hinsichtlich der Auslegung dieser Norm folgt der Senat zur Vermeidung von divergierenden Entscheidungen in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, die existenzsichernde Leistungen betreffen, dem für Angelegenheiten der Sozialhilfe zuständigen 8. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen; danach stellt die Norm nicht allein auf das Kriterium der Erwerbsfähigkeit ab, sondern auf die Einbeziehung des Hilfesuchenden in den persönlichen Anwendungsbereich des SGB II.

3. Dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II i.S. des § 21 S. 1 SGB XII ist ein Hilfesuchender, wenn die Leistungsvoraussetzungen nach §§ 7ff. SGB II erfüllt sind und auch sonst kein Leistungsausschluss nach dem SGB II vorliegt.

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragsgegners hin wird der Beschluss des Sozialgerichts Osnabrück vom 15. Dezember 2015 aufgehoben.

Die Beigeladene ist im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 3. Dezember 2015 bis zum 30. März 2016 vorläufig unterhaltssichernde Leistungen nach dem Dritten Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) sowie Beiträge für die gesetzliche Krankenversicherung in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Der Antragsteller hat einen Zahlungsanspruch gegen den Beigeladenen nur insoweit, als er Leistungen nicht bereits von dem Antragsgegner erhalten hat.

Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Die Beigeladene hat dem Antragsteller die Hälfte von dessen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die Gewährung unterhaltssichernder Leistungen sowie von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung an den Antragsteller.

Der im Jahre 1971 geborene Antragsteller reiste im November 2012 aus seinem Heimatstaat H. in die Bundesrepublik Deutschland ein. Vom 10. Dezember 2012 bis zum 4. Februar 2013 war er in einer Zeitarbeitsfirma tätig. Zum 15. Februar 2013 nahm er eine Beschäftigung als Fahrer bei der Fa. I. in J. auf. Im April 2013 erkrankte er und wurde hierdurch für längere Zeit arbeitsunfähig. Der Geschäftsbetrieb der o.g. Firma wurde nach der Verhaftung des alleinigen Firmeninhabers Herrn K. im August 2013 eingestellt. Mit Versäumnisurteil vom 4. November 2013 erkannte das Arbeitsgericht Rheine dem Antragsteller einen Anspruch auf Lohnzahlung für die Zeit vom 1. März 2013 bis zum 26. Mai 2013 zu. Dieser Anspruch ließ sich jedoch nicht realisieren. Ein über das Vermögen der Firma beantragtes Insolvenzverfahren wurde vom Amtsgericht Münster am 3. April 2014 mangels Masse abgewiesen.

Der Antragsteller, der seit November 2013 in Osnabrück in einer Mietwohnung wohnt und hierfür eine Bruttowarmmiete von 395 EUR zu zahlen hat, erhielt in der Zeit vom 27. Mai 2013 (mit Unterbrechungen) bis zum 30. September 2014 Krankengeld und im Anschluss hieran (nach Aussteuerung aus dieser Leistung) - unterbrochen von Übergangsgeld während einer stationären Rehabilitationsmaßnahme im April/Mai 2015 bis zum 9. September 2015 Arbeitslosengeld I nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III, Bescheid vom 25. Juni 2015). In einer seitens der Agentur für Arbeit Osnabrück veranlassten sozialmedizinischen Stellungnahme vom 12. November 2014 hatte die Ärztin Dr. L. zuvor festgestellt, dass der Antragsteller für voraussichtlich mindestens sechs Monate (aber nicht auf Dauer) in der Erwerbsfähigkeit gemindert sei.

Den vom Antragsteller am 7. September 2015 gestellten Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld II lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 14. September 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 2015 unter Hinweis auf § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Zeit ab dem 10. September 2015 ab. Über die hiergegen vor dem Sozialgericht (SG) Osnabrück erhobene Klage (S 24 AS 853/15) ist noch nicht entschieden.

Auf seinen Antrag vom 3. Dezember 2015 hin verpflichtete das angerufene SG Osnabrück nach Beiladung der M. den Antragsgegner mit Beschluss vom 15. Dezember 2015 im Wege des vorläufige Rechtsschutzes zur Zahlung von 784 EUR für Dezember 2015 und monatlich 789 EUR für die Monate Januar bis Mai 2016 (zuzüglich der monatlichen Krankenversicherungsbeiträge).

Im Rahmen der hiergegen am 22. Dezember 2015 erhobenen Beschwerde trägt der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 1. März 2016 vor, der Antragsteller habe angezeigt, zum 1. März 2016 wieder vollzeitig zu arbeiten und hierfür einen Bruttoarbeitslohn i.H.v. 2.100 EUR zu erhalten.

Am 30. März 2016 hat der Antragsteller die Bundesrepublik verlassen und einen neuen Wohnsitz in N. begründet.

II.

Die gem. §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Osnabrück vom 15. Dezember 2015 ist begründet.

Zu Unrecht hat das SG den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit von Dezember 2015 bis Mai 2016 zu gewähren. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG gegen den Antragsgegner haben nicht vorgelegen. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch lediglich gegen den Beigeladenen für die aus dem Tenor ersichtliche Zeitdauer glaubhaft gemacht.

1.

Einem Anspruch des erwerbsfähigen Antragstellers gegen den Antragsgegner auf Bewilligung von SGB II-Leistungen steht der Ausschlussgrund nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II entgegen. Ausgenommen von Leistungen nach dem SGB II sind nach dieser Vorschrift Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, und ihre Familienangehörigen. Der Antragsteller gehört zu diesem Personenkreis. Die Voraussetzungen für ein anderes Aufenthaltsrecht nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU) oder ggf. dem begrenzt subsidiär anwendbaren Aufenthaltsgesetz (vgl. hierzu Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 30. Januar 2013 - B 4 AS 54/12 R) liegen bei ihm nicht vor.

Da der Antragsteller in der Zeit seines Aufenthaltes in der Bundesrepublik (bis zu seiner nunmehr zum 30. März 2016 erfolgten Ausreise) nicht für mehr als ein Jahr erwerbstätig gewesen ist und sich nicht bereits seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, scheidet ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a Abs. 1 FreizügG/EU ebenso aus wie die unbefristete Fortwirkung eines Aufenthaltsrechts als Arbeitnehmer gem. § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 FreizügG/EU. Mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) ist davon auszugehen, dass mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Arbeitnehmereigenschaft verloren geht (Urteile vom 21. Juni 1988 - Rs 39/86 -O. - und vom 26 Februar.1992 - Rs C-357/89 -P. -, ). Abzustellen ist hiernach allein auf eine mindestens einjährige Beschäftigungsdauer (Tewocht in: Beck scher Online-Kommentar zum Ausländerrecht, Kluth/Heusch, 9. Edition Stand: 1. November 2015, § 2 FreizügG/EU Rn. 48).

Entgegen der Rechtsansicht des Antragstellers ist von einem Bestehen des von ihm zum 15. Februar 2013 begründeten Arbeitsverhältnisses bei der Fa. Q. über August 2013 hinaus nicht auszugehen, sodass es auch unter Einbeziehung der vorangegangenen Tätigkeit des Antragstellers in einer Zeitarbeitsfirma (10. Dezember 2012 bis 4. Februar 2013) keiner Entscheidung bedarf, ob die mindestens einjährige berufliche Tätigkeit eine ununterbrochene Beschäftigungsdauer erfordert, oder ob die Zeiten mehrerer Beschäftigungen zusammengerechnet werden können (so Hofmann/Hoffmann AuslR FreizügG/EU § 2 Rn. 31; a.A. Hailbronner AuslR FreizügG/EU § 2 Rn. 85). Spätestens im August 2013 hatte die Fa. R. nach der Verhaftung des Firmeninhabers ihren Geschäftsbetrieb unstreitig eingestellt. Dass der Antragsteller selbst von einem zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr bestehenden Beschäftigungsverhältnis ausging, ergibt sich auch aus den Angaben seines Verfahrensbevollmächtigten in einem Insolvenzgeldantrag an die Bundesagentur für Arbeit vom 8. Mai 2014, laut dem das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 26. Mai 2013 beendet worden sei. Sein Arbeitgeber habe seinerzeit unter dem Vorwurf, dass der Antragsteller krank "feiere" erklärt, dass sich dieser bei ihm nicht mehr blicken lassen solle. Wenn der Antragsteller gleichwohl in der Folgezeit wegen seiner zur mehrjährigen Arbeitsunfähigkeit führenden Erkrankung Krankengeld und nach der Aussteuerung aus dem Bezug dieser Leistungen zum 30. September 2014 aufgrund einer seinerzeit seitens der Agentur für Arbeit S. festgestellten mehr als sechsmonatigen Minderung der Leistungsfähigkeit gem. § 145 SGB III bis zum 9. September 2015 Arbeitslosengeld I erhielt, so führt dies nicht zur Annahme eines mindestens einjährigen Beschäftigung i.S. von § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 FreizügG/EU. Sinn und Zweck dieser Vorschrift sind vielmehr dahingehend auszulegen, dass lediglich kurze Krankheitszeiten der Dauer beruflicher Tätigkeit gleichzustellen sind (vgl. Art. 6 Abs. 2 Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation - ARB 1/80 -).

Dem Antragsteller steht für den ein Anspruch auf SGB II-Leistungen auch gem. § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 FreizügG/EU nicht zu. Nach dieser Regelung bleibt das Aufenthaltsrecht für Arbeitnehmer und selbständig Erwerbstätige unberührt bei vorübergehender Erwerbsminderung infolge Krankheit oder Unfall. Angesichts der Tatsache, dass der Antragsteller von April 2013 an bis Ende des Jahres 2015 - vorwiegend offenkundig wegen psychischer Leiden - durchgehend arbeitsunfähig war, kann von einer lediglich vorübergehenden Erwerbsminderung bzw. Arbeitsunfähigkeit (vgl. hierzu Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Auflage 2011, § 2 FreizügG/EU Rn. 86) nicht mehr die Rede sein.

Da im Falle des Antragstellers andere sich aus dem FreizügG/EU oder dem AufenthG ergebende Aufenthaltsrechte nicht in Betracht kommen, ist nach alledem vom Vorliegen eines Leistungsausschlusses des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II auszugehen. An seiner Rechtsprechung, dass der bei Fehlen eines anderweitigen Aufenthaltsrechts sowohl auf arbeitsuchende wie auf wirtschaftlich passive Unionsbürger anwendbare Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II in keinem dieser beiden Anwendungsfälle gegen EU-Recht verstößt und daher Leistungsansprüche nach dem SGB II wirksam ausschließt, hält der Senat fest (grundlegend: Beschluss des Senats vom 15. November 2013 - L 15 AS 365/13 B ER). Diese Frage ist nunmehr entschieden durch Urteil des EuGH vom 15. September 2015 - Rechtssache T. - C-67/14). Der 4. und der 14 Senat des BSG haben sich dem in ihrer neuesten Rechtsprechung angeschlossen (Urteile vom 3. Dezember 2015 - B 4 AS 59/13 R, B 4 AS 43/15 R und B 4 AS 44/15 R - sowie vom 16. Dezember 2015 - B 14 AS 15/14 R, B 14 AS 17/14 R und B 14 AS 33/14 R -).

Nach den Vorabentscheidungen des EuGH vom 11. November 2014 (Rechtssache U. - C-333/13 -, ) und nunmehr vom 15. September 2015 (Rechtssache T., a.a.O.) hindert der Charakter der unterhaltssichernden Leistungen nach dem SGB II als "besondere beitragsunabhängige Geldleistungen" im Sinne von Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 einen Mitgliedsstaat dann nicht am Erlass von Regelungen, mit denen Staatsangehörige anderer Mitgliedsstaaten vom Bezug ausgeschlossen werden, wenn diesen kein Aufenthaltsrecht nach der Richtlinie 2004/38 (Freizügigkeitsrichtlinie; in Deutschland umgesetzt durch das FreizügG/EU) zusteht (EuGH, Dano, a.a.O, Rn. 69, 84, T., Rn. 49). Hiervon ist jedenfalls bei Unionsbürgern, die - z.B. mangels Ausübung einer mehr als unwesentlichen Arbeitstätigkeit (s.o.) - nicht über ausreichende Existenzmittel verfügen und keinen hinreichenden Bezug zum deutschen Arbeitsmarkt haben, auszugehen (EuGH, a.a.O, Rn. 66, 67, 78). Der Ausschluss der Antragsteller von unterhaltssichernden Leistungen nach dem SGB II stellt sich danach auch auf der Grundlage der o.g. Vorabentscheidungen des EuGH abschließend als europarechtskonform dar.

Der EuGH hat vielmehr ausgeführt, dass ein Unionsbürger Zugang zu Sozialleistungen - hierzu gehören auch die Leistungen nach dem SGB II - nur verlangen kann, wenn sein Aufenthalt im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaates die Voraussetzung der Richtlinie 2004/38 erfüllt. Ließe man zu, dass Personen, denen kein Aufenthaltsrecht nach der Richtlinie 2004/38 zusteht, unter den gleichen Voraussetzungen wie Inländer Sozialleistungen beanspruchen könnten, liefe dies dem im zehnten Erwägungsgrund dieser Richtlinie genannten Ziel zuwider, eine unangemessene Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaates durch Unionsbürger zu verhindern (Urteil U., C-333/13, Rdnr. 74).

Da der Antragsteller sich für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht auf ein anderes Aufenthaltsrecht nach dem FreizügG/EU oder dem AufenthG berufen kann - die im FreizügG/EU geregelten Freizügigkeitstatbestände entsprechen den nach der Richtlinie 2004/38 geregelten Aufenthaltsrechten - ist mithin vom Vorliegen eines Leistungsausschlusses des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II auszugehen.

Mangels Vorliegen eines Rechtsanspruches auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II gegen den Antragsgegner kommt nach alledem, entgegen der Ausführungen des SG in seinem mit der vorliegenden Beschwerde angefochtenen Beschluss, auch keine Verpflichtung zur vorläufigen Leistungsgewährung im Wege des § 43 SGB I in Betracht (vgl. Mrozynski, SGB I, 5. Auflage 2014, § 43 Rn. 1).

2.

Allerdings hatte der Antragsteller als spanischer Staatsangehöriger bis zu seiner am 30. März 2016 erfolgten Ausreise aus dem Bundesgebiet aufgrund des Gleichbehandlungsgebots aus Art. 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens vom 11. Dezember 1953, Gesetz vom 15. Mai 1956 (BGBl. II 563) (EFA) einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und für die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung nach dem 3. Kapitel des SGB XII gegen die Beigeladene. Eine Verpflichtung des beigeladenen Sozialhilfeträgers zur Gewährung vorläufiger existenzsichernder Leistungen ist auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes in entsprechender Anwendung des § 75 Abs. 5 SGG möglich (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 75 Rn. 18).

Einer besonderen Beantragung von Leistungen nach dem SGB XII bei der Beigeladenen bedurfte es nicht. In materieller Hinsicht hat bereits der Antrag auf Bewilligung unterhaltssichernder Leistungen, den der Antragsteller unter dem 9. September 2015 an den Antragsgegner gerichtet hat nach § 16 Abs. 1 SGB I auch als anspruchsauslösender Antrag auf gleichartige Leistungen nach dem SGB XII gewirkt (BSG, Urteil vom 26. August 2008 - B 8/9b SO 18/07 R -, Rn. 22, Beschluss vom 13. Februar 2014 - B 8 SO 58/13 B -, ). Soweit das Rechtsschutzbedürfnis für einen auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichteten Antrag in der Regel davon abhängt, dass sich der jeweilige Antragsteller zuvor erfolglos an den zu verpflichtenden Träger gewendet hat (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86b Rn. 26b), findet diese Prozessvoraussetzung - wie auch andere Sachurteilsvoraussetzungen - auf den Fall der Verurteilung eines Beigeladenen nach § 75 Abs. 5 SGG keine Anwendung; von der selbständigen Einhaltung der Prozessvoraussetzungen ihm gegenüber ist nach der Rechtsprechung des BSG im Interesse der Verfahrenseinheit abzusehen (BSG, Urteile vom 24. Mai 1984 - 7 RAr 15/82 -, Rn. 20 bei und vom 15. Januar 1959 - 4 RJ 111/57, Rn. 18 bei ; vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller /Leitherer, a.a.O., § 75 Rn. 18b).

Dem Sozialhilfeanspruch steht § 21 S. 1 SGB XII nicht entgegen. Danach erhalten Personen, die nach dem SGB II als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt. Hinsichtlich der Auslegung dieser Norm folgt der Senat zur Vermeidung von divergierenden Entscheidungen in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, die existenzsichernde Leistungen betreffen, dem für Angelegenheiten der Sozialhilfe zuständigen 8. Senat des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen. Danach stellt die Norm nicht allein auf das Kriterium der Erwerbsfähigkeit ab, sondern auf die Einbeziehung des Hilfesuchenden in den persönlichen Anwendungsbereich des SGB II. Dem Grunde leistungsberechtigt nach dem SGB II i. S. des § 21 S. 1 SGB XII ist ein Hilfesuchender, wenn die Leistungsvoraussetzungen nach §§ 7ff SGB II erfüllt sind und auch sonst kein Leistungsausschluss nach dem SGB II vorliegt (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 23. Mai 2014 - L 8 SO 129/14 B ER -, ; Beschlüsse des erkennenden Senats vom 23. Juli 2014 - L 15 AS 166/14 B ER - und vom 18. Dezember 2014 - L 15 AS 69/14 B ER -).

Auf der Grundlage dieser Rechtsauffassung waren dem Antragsteller bis zum 30. März 2016 als dem Grund nach nicht nach dem SGB II leistungsberechtigten spanischem Staatsangehörigen laufende unterhaltssichernde Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII zu gewähren. Soweit einem solchen Anspruch § 23 Abs. 3 S. 1 SGB XII entgegenstehen könnte, weil sich das Aufenthaltsrecht des Antragstellers allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, steht der Anwendung dieser Ausschlussnorm bei Staatsangehörigen eines der Vertragsstaaten des Europäischen Fürsorgeabkommens, zu denen neben der Bundesrepublik Deutschland auch H. gehört, das Gleichbehandlungsgebot des Art. 1 EFA entgegen (LSG Niedersachsen - Bremen, 8. Senat, Beschluss vom 23. Mai 2014, a.a.O, Rn. 22 bis 26 mit zahlreichen weiteren Nachweisen; vgl. zur gleichartigen Rechtslage bezüglich des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II bis zur Erklärung des diesbezüglichen Vorbehalts BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010, Az. B 14 AS 23/10 R, Rn. 21 f. bei ).

Die Voraussetzungen für den Gleichbehandlungsanspruch aus Art. 1 EFA lagen bei dem Antragsteller in der Zeit ab 3. Dezember 2015, dem für einen Anordnungsgrund maßgeblichen Tag der Beantragung der einstweiligen Anordnung bei dem SG, bis zu seinem Umzug nach H. am 30. März 2016 vor. Insbesondere hielt er sich in jenem Zeitraum erlaubt i.S.d. Art. 1 EFA i.V.m. Art. 11 Abs. a S. 1 EFA in Deutschland auf. Er war als Arbeitsuchender gem. § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt. Hiernach haben Unionsbürger, die sich zu Arbeitssuche aufhalten, ein Aufenthaltsrecht bis zu sechs Monaten und darüber hinaus, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin arbeitssuchend sind und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Erforderlich ist insofern der objektivierte, nach außen hin zum Ausdruck kommende Nachweis ernsthafter Arbeitssuche mit begründeter Aussicht auf Erfolg (vgl. EuGH, Urteile vom 23. März 2004 -C-138/02 Collins, vom 20. Februar 1997-C-344/95, vom 26. Februar 1991 - RS C 292/89 - Antonissen, InfAuslR 1991, 151, vom 26. Mai 1993 - Rs C- 171/91 -InfAuslR 1993, 252 und vom 20. Februar 1997 - Rs C-344/95 -). Hiervon war für den o.g. Zeitraum auszugehen. Die Ernsthaftigkeit und Erfolgsaussicht der Arbeitssuche des bis zum 6. September 2015 Arbeitslosengeld I beziehenden Antragstellers ergibt sich vorliegend bereits daraus, dass er - nach offensichtlicher Genesung - zum 1. März 2016 wieder eine Arbeitsstelle gefunden hat.

Demgemäß ist anstelle des Antragsgegners die Beigeladene im Wege einstweiliger Anordnung zur Gewährung unterhaltssichernder Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII zu verpflichten. Diese sind indessen nur insoweit an den Antragsteller auszuzahlen, als sie über die vorläufig bereits vom Antragsgegner ausgezahlten Leistungen nach dem SGB II hinausgehen, um eine doppelte Unterhaltssicherung zu vermeiden.

Der Antragsteller hat (nur) für den aus dem Tenor ersichtlichen zeitlichen Umfang auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. In der Zeit ab dem 3. Dezember 2015 hat er zur Bestreitung seines Lebensunterhalts über keine eigenen finanziellen Mittel aus Einkommen oder Vermögen verfügt. Keiner einstweiligen Anordnung bedarf es hingegen für die Zeit ab dem 3o. März 2016. Dies ergibt sich zu einem aus seinem zum 30. März 2016 erfolgten Umzug nach V., zum anderen aber auch für den aus der Aufnahme einer (offenkundig wieder beendeten) Beschäftigung zum 1. März 2016 erfolgten Gehaltsanspruch.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei entspricht es der Billigkeit, der Beigeladenen die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers im Beschwerdeverfahren aufzuerlegen, weil sie insofern materiell - rechtlich leistungspflichtig ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist für die Beteiligten unanfechtbar (§ 177 SGG).