Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 21.08.2023, Az.: VgK-18/2023

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
21.08.2023
Aktenzeichen
VgK-18/2023
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 45832
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In dem Nachprüfungsverfahren
der xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragstellerin -
gegen
die xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragsgegnerin -
beigeladen:
xxxxxx,
- Beigeladene -
wegen
Vergaberechtsverstöße in dem Vergabeverfahren xxxxxx - Bereitstellung und Betrieb eines Fahrradvermietsystems, Referenznummer der Bekanntmachung: xxxxxx
hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden MR Gause, die hauptamtliche Beisitzerin Dipl.-Ök. Tarnowski und den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ing. Magill auf die mündliche Verhandlung vom 15.08.2023 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten werden auf xxxxxx € festgesetzt.

  3. 3.

    Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

  4. 4.

    Die Antragstellerin hat der Antragsgegnerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten war für die Antragsgegnerin notwendig.

Begründung

I.

Die xxxxxx schrieb mit der EU-Auftragsbekanntmachung vom xxxxxx.2023 den Abschluss eines Kooperationsvertrages im offenen Verfahren aus (xxxxxx). Gegenstand dieser Kooperation sind die Bereitstellung und der Betrieb eines Fahrradvermietsystems zur Nutzung durch xxxxxx-Kunden im Stadtgebiet xxxxxx gegen Entgelt, mit einer initialen Bereitstellung von 1000 Fahrrädern. Zu dem Fahrradvermietsystem gehören alle Komponenten und Leistungen, die für einen ordnungsgemäßen Betrieb erforderlich sind, von der Bereitstellung der technischen Infrastruktur über die betriebliche Logistik, den operativen Betrieb und den Kundenservice bis hin zum Servicebetrieb vor Ort. Der Vertrag beginnt mit Zuschlag und hat eine Mindestvertragslaufzeit von drei Jahren.

Die genaue Definition der geforderten Leistung ergibt sich aus der Leistungsbeschreibung (Anlage 1 der Vergabeunterlagen), dem Leistungsverzeichnis (Anlage 2 der Vergabeunterlagen) sowie dem Vertrag. Im Weiteren werden die wesentlichen Merkmale der ausgeschriebenen Leistung aufgeführt.

Entsprechend der nachfolgenden Anforderungen der Leistungsbeschreibung und des Leistungsverzeichnisses war gefordert, mittels geeigneter technischer Maßnahmen ein Fahrradvermietsystem im festgelegten Betriebsgebiet zur errichten und zu betreiben, siehe auch die Definition unter der lfd. Nr. 2.2. der Leistungsbeschreibung:

"Das Fahrradvermietsystem deckt die inneren Stadtteile xxxxxx (...) beziehungsweise Teile von ihnen ab, sodass der wie folgt umgrenzte Bereich (Betriebsgebiet) umfasst ist, beginnend im Nordwesten und im Uhrzeigersinn (...). Ausgenommen sind Gewässer, Park- und Eisenbahnanlagen.

Dieses Betriebsgebiet ist in der Karte in Anlage 4 - Kerngebiet xxxxxx abgebildet."

Unter der lfd. Nr. 2.4. der Leistungsbeschreibung wurde die obige Beschreibung weiter ergänzt:

"Eine Übernahme und Rückgabe von Mieträdern muss im gesamten Bereich, innerhalb der unter 2.2. beschriebenen Umgrenzung, für die Nutzer möglich sein, soweit nicht durch die Anlage 4 - Kerngebiet xxxxxx einzelne, dort markierte Straßen oder Straßenabschnitte ausgenommen sind.

Auf diesen Straßen oder Straßenabschnitten soll eine Übernahme oder Rückgabe wegen zu erwartender Nutzungskonflikte im Straßenraum generell ausgeschlossen werden."

Dementsprechend lautete die lfd. Nr. 2.6 der Leistungsbeschreibung wie folgt:

"Der Vertragspartner richtet in Abstimmung mit der xxxxxx mit geeigneter Technik entlang der unter 2.2. beschriebenen Umgrenzung sowie innerhalb des dort beschriebenen Gebiets zum Ausschluss von Gewässern, Park- und Eisenbahnanlagen eine Nutzungsbegrenzung ein."

Nach dem Wortlaut der als A-Kriterium gekennzeichneten Lfd. Nr. 1.1 des Leistungsverzeichnisses war gefordert:

"Zielvorgabe: Der Auftragnehmer richtet durch geeignete technische Maßnahmen einen örtlich begrenzten Bereich innerhalb des Stadtgebietes der xxxxxx (ein), in welchem (...) ein Fahrradvermietsystem unter Einhaltung aller geltenden Gesetze und Verordnungen sowie der einschlägigen DIN ENNormen nach Maßgabe der Vereinbarungen der Parteien errichtet und betreibt (Betriebsgebiet)"

Die Zielvorgabe gemäß der lfd. Nr. 1.3 des Leistungsverzeichnisses lautete:

"Zielvorgabe: Eine Rücknahme der Fahrräder durch die Kunden ist nur innerhalb von zuvor festgelegten Bereichen möglich. Die Übernahme kann auch außerhalb dieser Bereiche erfolgen."

Nachstehend unter der lfd. Nr. 4.7 des Leistungsverzeichnisses wird gefordert:

"Die Fahrräder sind so mit der notwendigen Kommunikationstechnik auszustatten, dass während des Betriebes die Ortung, Betriebsdatenerfassung und auch der Datentransfer über die Radtechnik erfolgen.

Des Weiteren wird der Begriff der Flex- bzw. Standortzone unter Nr. 4 des Vertrags über die Bereitstellung und den Betrieb eines Fahrradvermietsystems (20.03.2023) verwendet, der sinngemäß als Bedien- bzw. Betriebsgebiet zu verstehen ist.

Im Rahmen der Angebotsphase wurde das Leistungsverzeichnis nach der Prüfung der Bieterfrage 11 (Die Bereitstellung der Webbrowser-Anwendung/Mobil-App auf Französisch) geringfügig angepasst. Die Anforderung wurde als Bewertungskriterium ausgestaltet. Die Gewichtungen einzelner Bewertungskriterien wurden verändert sowie den Bietern mitgeteilt. Der Vertrag über die Bereitstellung und den Betrieb eines Fahrradvermietsystems wurde ebenfalls unter der Berücksichtigung der Änderungen in dem o.g. Leistungsverzeichnis aktualisiert und den Bietern zur Verfügung gestellt.

Die Bieterfrage 21 lautete wie folgt:

"Wir schlagen vor die folgende Anforderung für Flexzonen im Vertragsentwurf anzupassen: Ein sehr dichtes Netz an virtuellen Hubs anstelle der Flexzonen um sowohl Flexibilität als auch Kontrolle und Ordnung zu gewährleisten."

Sie wurde von der Antragsgegnerin anonymisiert und folgenderweise beantwortet:

"Aus Sicht des Auftraggebers stehen diese Flexzonen etwaigen virtuellen Hubs nicht entgegen, sofern diese den rechtlichen Anforderungen als auch den Interessen des Auftraggebers genügen. Eine Abstimmung hierüber kann nach Zuschlag erfolgen. Es wird klargestellt, dass die Verantwortung für etwaige Störungen durch nicht ordnungsgemäß abgestellte Verkehrsmittel beim Auftragnehmer verbleibt."

Die Antragstellerin und die Beigeladene reichten fristgerecht ihr Angebot ein.

Mit Schreiben vom 17.05.2023 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin ihre Absicht gemäß § 134 GWB mit, den Zuschlag der Beigeladenen zu erteilen sowie den Vertrag frühestens am 29.05.2023 zu schließen bzw. den Zuschlag frühestens am 29.05.2023 zu erteilen. Eine Begründung für die Absage gegenüber der Antragstellerin ließ sich dem Schreiben nicht entnehmen.

Mit Schreiben vom 24.05.2023 rügte die Antragstellerin die vorgesehene Zuschlagsentscheidung der Antragsgegnerin gemäß § 160 Abs. 3 GWB. Dabei wurde aufgeführt, dass das Informationsschreiben der Antragsgegnerin die gesetzlich geforderten Mindestinhalte gemäß § 134 GWB nicht beinhaltete. Ferner wurde vorgetragen, dass das Angebot der Beigeladenen eine Änderung der Vergabeunterlagen i. S. v. § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV herbeiführte. Des Weiteren seien die Angebotspreise der Beigeladenen nicht auskömmlich kalkuliert worden, was gegen § 60 VgV verstoße.

Mit Schreiben vom 24.05.2023 zeigte die Antragsgegnerin durch ihre Bevollmächtigten an, dass die Vorabinformation vom 17.05.2023 von ihr zurückgezogen wird und das Verfahren in den Stand der Angebotsauswertung zurückversetzt wurde. Insoweit hat die Antragsgegnerin der Rüge abgeholfen.

Die weiteren Rügen bezüglich der vorgesehenen Zuschlagsentscheidung zu Gunsten des Angebots der Beigeladenen wies die Antragsgegnerin durch ihren Bevollmächtigten dann mit Schreiben vom 16.06.2023 zurück. Begründet wurde die Zurückweisung zum einen damit, dass der Begriff der Flexzone in den Vergabeunterlagen nicht Bestandteil der Leistungsbeschreibung sei. Dies ergibt sich, abgesehen von der späteren Verfahrensinformation zu Bieterfrage 21, auch aus der Leistungsbeschreibung unter der lfd. Nr. 2.4. Die Anforderung wurde so formuliert, dass das gesamte Betriebsgebiet mit dem Angebot abgedeckt werden muss. Im Übrigen meinte die Antragsgegnerin, dass die durch die Beigeladene angebotenen Fahrräder so mit der notwendigen Kommunikationstechnik ausgestattet sind. Weiterhin ist das Angebot von der Beigeladenen nicht als ein ungewöhnlich niedriges Angebot anzusehen. Insbesondere ist die erforderliche IT-technische Anpassung realisierbar. Es liege kein Vergaberechtverstoß vor, wenn ein Unternehmen eine aggressive Preisstrategie betreibt. Ferner teilte sie mit, dass sie die gerügten Inhalte mit der Beigeladenen aufgeklärt habe, wobei die einzelnen Punkte detailliert erläutert wurden.

Dies wurde in der Vergabeakte dokumentiert. Die übermittelte Vergabeakte enthält die Korrespondenz zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen.

Zeitgleich versendete die Antragsgegnerin mit Schreiben am 16.06.2023 eine neue Bieterinformation nach § 134 GWB zugunsten der Beigeladenen. Zur Begründung der Zuschlagsentscheidung verwies die Antragsgegnerin auf die sich aus der dem Informationsschreiben beigefügten Bewertungsübersicht. Danach hat die Beigeladene das wirtschaftlichste Angebot abgegeben. Als frühester Zuschlagszeitpunkt wurde der 27.06.2023 mitgeteilt.

Die Antragstellerin versendete daraufhin an die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 26.06.2023 einen Entwurf des Nachprüfungsantrages und bat um sofortige Abhilfe. Andernfalls werde der Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer eingereicht werden.

Die Antragsgegnerin half der Rüge nicht ab.

Aufgrund der Nichtabhilfe der Rüge beantragte die Antragstellerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 26.06.2023 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gemäß § 160 ff. GWB bei der Vergabekammer.

Die Antragstellerin begründete ihren Nachprüfungsantrag unter Wiederholung und Vertiefung ihrer Ausführungen in dem o.g. Rügeschreiben.

Der Nachprüfungsantrag sei zulässig und begründet.

Die Antragstellerin habe sich an dem o.g. Verfahren beteiligt, indem sie Ihr Angebot am 20.03.2023 bei der Antragsgegnerin eingereicht habe.

Mit Schreiben vom 17.05.2023 sei das Informationsschreiben gemäß § 134 GWB bei der Antragstellerin eingegangen. Dabei habe eine Begründung für die Absage gegenüber der Antragstellerin gefehlt, wobei mitgeteilt wurde, dass die Zuschlagserteilung am 29.05.2023 beabsichtigt werde.

Daraufhin habe sie mit Schreiben vom 24.05.2023 die vorgesehene Zuschlagserteilung an die Beigeladene gerügt. Zur Begründung habe sie dargelegt, dass die Vorabinformation vom 17.05.2023 nicht die gesetzlich geforderten Mindestinhalte nach § 134 GWB beinhaltete. Zudem sei das Angebot der Beigeladenen wegen einer Änderung der Vergabeunterlagen gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV zwingend vom Vergabewettbewerb auszuschließen. Die für den Zuschlag vorgesehene Bieterin habe weder die ausgeschriebene Entleihe und Rückgabe in vorgegebenen Bereichen angeboten, noch würden die vorgesehenen Fahrräder der Ausschreibung entsprechen. Das von der Beigeladenen angebotene System genüge nicht den Anforderungen gemäß Leistungsverzeichnis. Ferner sei davon auszugehen, dass die Beigeladene die ausgeschriebene Leistung zu den angebotenen günstigen Preisen nicht sachgerecht erbringen kann.

Mit Schreiben vom 24.05.2023 habe die Antragsgegnerin der Rüge nur teilweise abgeholfen.

Die weitergehenden Rügen gemäß Schreiben vom 24.05.2023 hinsichtlich der Berücksichtigung des Angebotes der Beigeladenen habe die Antragsgegnerin mit Rügeerwiderung vom 16.06.2023 zurückgewiesen.

Zum Schutz der Rechte der Antragstellerin sei die Einleitung eines Vergabenachprüfungsverfahrens unumgänglich geworden.

Der Vergabenachprüfungsantrag sei begründet. Der beabsichtigte Zuschlag an die Beigeladene beruhe auf fehlerhaften rechtlichen und tatsächlichen Annahmen und verletze die Rechte der Antragstellerin gemäß § 97 Abs. 6 GWB.

Das Angebot der Beigeladenen sei wegen einer Änderung der Vergabeunterlagen gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV zwingend vom Vergabewettbewerb auszuschließen. Nach der lfd. Nr. 2.4 der Leistungsbeschreibung müsse eine Übernahme und Rückgabe von Mieträdern im gesamten Bereich gemäß der lfd. Nr. 2.2 der Leistungsbeschreibung für die Nutzer ermöglicht werden, soweit nicht einzelne Straßen bzw. Straßenabschnitte ausgenommen seien. Ausgeschrieben sei damit eine sog. Flexzone, in der die Ausleihe bzw. Rückgabe "frei" erfolge. Dies setze eine entsprechende IT-technische Ausstattung bzw. Programmierung voraus, da die Übernahme und Rückgabe in einem gesamten Gebiet in einer vor allem nach Straßenzügen definierten Fläche möglich sein müssen.

Nach Recherche der Antragstellerin habe die Beigeladene noch keine Aufträge mit Flexzonen ausgeführt. Dies decke sich mit dem Internetauftritt der Beigeladenen, der die oben aufgeführten Punkte bestätige. Auch vorliegend habe die Beigeladene nach den Einschätzungen der Antragstellerin nicht die ausdrücklich geforderten Flexzonen angeboten bzw. zur Realisierung vorgesehen.

Der Inhalt der Bieterfrage 21 sei auf die Beigeladene zurückzuführen, da sie bislang alleine mit festen oder virtuellen Stationen bzw. virtuellen Knotenpunkten arbeite. Aus der Antwort auf die Anfrage der Beigeladenen ergebe sich, dass diese nicht zur Änderung der Vergabeunterlagen geführt habe. Eine vertraglich ordnungsgemäße Umsetzung sei nach der technischen Lösung der Beigeladenen indes nicht gegeben. Während bei Flexzonen eine IT-Technik mit einer genauen Verortung klare Grenzen realisiere, sei die räumliche Verortung bei virtuellen Stationen und auch virtuellen Knoten punktbezogen. Eine Vernetzung solcher Punkte führe damit nicht zu der nach der Leistungsbeschreibung geforderten Flexzone im Betriebsgebiet. Auch der Hinweis der Bieterin in der Bieterfrage 21 zeige, dass die Beigeladene mit ihrer Lösung etwas Anderes als ausgeschrieben anbietet bzw. als nach der Leistungsbeschreibung vorgesehen sei. Des Weiteren sei nach der Lösung der Beigeladenen bislang auch eine Ausleihe nur an einer (virtuellen) Ausleihstation möglich. Dies widerspreche der zwingenden Anforderung aus dem Leistungsverzeichnis der lfd. Nr. 1.3, laut der eine Übernahme von Rädern auch außerhalb des Betriebsgebiets/der Flexzonen möglich sein müsse. Somit wäre vor dem Hintergrund der Bieterfrage 21 von Seiten der Antragsgegnerin zu prüfen gewesen, ob die Beigeladene diese tatsächlich ausschreibungskonform angeboten habe. Eine entsprechende Prüfung hätte dabei zwangsläufig ergeben müssen, dass ein auf (virtuellen) Stationen basierendes System wie das der Beigeladenen auch bei einer Vernetzung nicht die geforderten Flexzonen realisieren könne. Dies sei indes auch mit der Beantwortung der Bieterfrage 21 unterblieben, da die rechtlichen Vorgaben bestätigt wurden.

Außerdem entspreche das von der Beigeladenen angebotene System nicht den Mindestanforderungen in lfd. Nr. 1.3. und 4.7. des Leistungsverzeichnisses. Das von der Beigeladenen angebotene System genüge nach dem Informationsstand der Antragstellerin nicht. So sei nach den im Internet verfügbaren Informationen der eigene GPS-Standort des Nutzers über sein/ihr Handy erforderlich. Dies ergebe sich ausdrücklich auch aus den eigenen Angaben der Beigeladenen u.a. im Rahmen der Privacy Policy xxxxxx mit Stand vom 22.06.2023). Danach sei festzustellen, dass die Fahrräder selbst nicht mit der geforderten Ortung und auch nicht mit der geforderten eigenen Betriebsdatenerfassung und Kommunikationstechnik (Datentransfer) ausgestattet seien.

Die Antragstellerin gehe weiterhin davon aus, dass die Beigeladene die ausgeschriebene Leistung zu den angebotenen günstigen Preisen nicht sachgerecht erbringen können wird. Hierfür spreche nicht nur, dass die angebotene Technik schon nicht ausschreibungskonform sei (s.o.). Zu berücksichtigen sei dabei auch, dass zu einem ungewöhnlich niedrigen Preis die erforderlichen IT-technischen Anpassungen für ein ausschreibungskonformes Produkt auch nicht werden umgesetzt werden können. Schließlich sei in preislicher Hinsicht zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin als Bestandsanbieterin bereits über ein etabliertes System und auch ausschreibungskonforme Fahrräder verfüge. Demgegenüber müsste die Beigeladene mit erheblichen Einstandskosten auch hinsichtlich der Einrichtung von Werkstätten und dem "Einkauf" von Personal gerechnet haben. Auch insoweit hätte eine Preisaufklärung zeigen müssen, dass das ungewöhnlich günstige Angebot der Beigeladenen nicht erwarten lasse, dass die ausgeschriebenen Leistungen fristgerecht in der geforderten Qualität erbracht werden.

Nach Durchführung der Akteneinsicht gemäß § 165 Abs. 1 GWB vertiefte die Antragstellerin mit nachgelassenem Schriftsatz vom 13.07.2023 (hier zusammenfassend dargestellt) die bereits im Nachprüfungsantrag vorgebrachten Inhalte:

1. Nutzung des vorgegebenen Betriebsgebiets;

2. Fahrradtechnik;

3. Angebotspreis.

Zu 1.

Bzgl. der Nutzung des vorgegebenen Betriebsgebiets trägt die Antragstellerin (im Vergleich zu dem Nachprüfungsantrag (Flexzone)) vor, dass die Antragsgegnerin ein räumlich umgrenztes Freefloating-Modell ausgeschrieben habe.

Aus der unter der lfd. Nr. 1.1 definierten Zielvorgabe des Leistungsverzeichnisses leitet die Antragstellerin darüber hinaus ab, dass ein Rückgriff auf ein System mit (virtuellen) Stationen grundsätzlich ausgeschlossen sei. Ein System mit (virtuellen) Stationen werde der definierten Zielvorgabe nicht gerecht, da jede Station für sich einen lokalen Ort bilde, an dem die Übernahme und Übergabe von Fahrrädern zulässig sei. Das Betriebsgebiet werde damit unzulässig zerstückelt.

Die Antragstellerin weist ferner anhand der Anlage 4 der Vergabeunterlagen darauf hin, dass auf der grafischen Darstellung die vorgegebene straßenkantenscharfe Abgrenzung des Betriebsgebiets gut erkennbar sei. Mit dem Verweis auf die Bieterfrage 21 hält die Antragstellerin außerdem fest, dass die Antragsgegnerin in ihrer Antwort ein sehr dichtes Netz an virtuellen Hubs mit der Einschränkung darauf zugelassen habe, dass dies den rechtlichen und auch den Interessen des Auftraggebers genügen müsse. Die Übernahme und Rückgabe der Mieträder müsse im gesamten Betriebsgebiet mit den Abgrenzungen gemäß Anlage 4 möglich sein.

IT-technisch ist die Umsetzung des vorgegebenen Betriebsgebiets mit seinen scharfen Umgrenzungen mittels eines dichten, übergreifenden Netztes von virtuellen Stationen nicht möglich. Die Antragstellerin trage vor, dass die Leistungsbeschreibung das freie Abstellen und Entleihen der Fahrräder im gesamten Betriebsgebiet als Lösung beinhalte. Mit Bezug u.a. auch zu der Bieterfrage 21 versuche die Beigeladene mit ihrem System sowohl Flexibilität, als auch Kontrolle und Ordnung zu gewährleisten. Argumentiert werde an dieser Stelle damit, dass eine (virtuelle) Station/Hub eine im Hintergrundsystem angelegte Koordinate mit zugelassener Rückgabe von Mieträdern sei. Solche (virtuelle) Stationen beziehen sich auf bloße Punkte, um die herum Fahrräder zurückgegeben werden können. Auch bei einem dichten Netz solcher Stationen werde es damit gerade in kritischen Randbereichen zu Über- und auch Unterschreitungen des vorgegebenen Betriebsgebiets kommen. Somit werde das Angebot der Beigeladenen den Anforderungen aus der Leistungsbeschreibung nicht gerecht.

Gemäß der Antragserwiderung habe die Beigeladene erklärt, dass eine individuelle Anpassung ihres Systems möglich wäre. Die Antragstellerin gehe hierbei davon aus, dass dies mit erheblichen IT-technischen Anpassungen am Bestandshintergrundsystem verbunden wäre. Um dieses System ausschreibungskonform auf eine Entleihe und Rückgabe in einer Fläche mit straßenkantenscharfen Abgrenzungen umzustellen, seien Aufwände erforderlich. Statt einfacher Koordinaten für (virtuelle) Stationen müssten Flächen IT-technisch angelegt und erfasst werden. Neben den umfangreichen Neuprogrammierungen erfordere dies auch deutlich mehr Rechenleistung im Hintergrundsystem wegen der deutlich komplexeren Kommunikation zwischen Rad und Hintergrundsystem in nahezu Echtzeit. Ein solcher permanenter Betriebsdatentransfer gehe nur über Mobilfunk (SIM Card), was zu erheblichen monatlichen Mehrkosten führe.

Hinzu komme auch, dass eine individuelle Anpassung lediglich als Möglichkeit von der Beigeladenen bezeichnet werde. Um die Vorgaben der Leistungsbeschreibung umzusetzen, müsste die Beigeladene die erforderlichen Anpassungen aber auch konkret zur Grundlage ihres Angebots gemacht haben. Dies sei aber bereits ausweislich der Bieterfrage 21 nicht der Fall. Nach dieser Frage beabsichtigte die Beigeladene, entgegen den Vorgaben der Leistungsbeschreibung keine freie Leihe und Rückgabe im gesamten Betriebsgebiets anzubieten, sondern lediglich ein dichtes Netz an virtuellen Stationen, um mehr Kontrolle und Ordnung zu gewährleisten. Hätte die Beigeladene es tatsächlich vor (und zum Gegenstand ihres Angebots gemacht), hätte sie die hierfür erforderlichen Anpassungen ihrer bisherigen IT-Lösung bereits konkret ins Auge fassen und auch kalkulieren müssen.

Wird das Betriebsgebiet hingegen lediglich über (virtuelle) Stationen erschlossen, sei Voraussetzung für eine Ausleihe oder Rückgabe, dass das Fahrrad klar einer dieser Stationen zugeordnet werde. Einer dichten, sich gar überschneidenden Vernetzung solcher (virtuellen) Stationen stehe dabei schon IT-technisch entgegen, dass Zuordnungsprobleme zu erwarten seien, die letztlich die Nutzung blockieren können. Hiervon unberührt gebe der Nutzer aus seiner Perspektive das Fahrrad nicht im Betriebsgebiet, sondern an einer konkreten Station zurück, was einen anderen als den ausgeschriebenen Vorgang darstelle.

Zu 2.

Das von der Beigeladenen angebotene Fahrradvermietsystem erfülle auch nicht die Anforderungen an die Fahrradtechnik. Nach der lfd. Nr. 4.7 des Leistungsverzeichnisses müssen die Fahrräder so mit der notwendigen Kommunikationstechnik ausgestattet sein, dass während des Betriebs die Ortung, Betriebsdatenerfassung und auch der Datentransfer über die Radtechnik erfolge. Die Antragstellerin habe bereits darauf hingewiesen, dass diese Vorgabe von der bisher von der Beigeladenen betriebenen Fahrrädern nicht erfüllt werde. Der Hinweis der Vergabekammer, dass die entsprechenden Angaben von der Internetseite der Beigeladenen nicht Bestandteil des Angebots wären, greife mit Blick auf die Frage der Zuschlagsfähigkeit des Angebots der Beigeladenen zu kurz.

Die Antragsgegnerin habe im Rahmen der Antragserwiderung eingeräumt, dass die Fahrräder der Beigeladenen mit einem Tracker ausgestattet seien. Hierbei dürfte es sich nach den Einschätzungen der Antragstellerin um einen einfachen GPS-Tracker handeln, der lediglich im Stande sei, seine Position zu übermitteln. Eine Betriebsdatenerfassung oder gar eine zweiseitige Kommunikation sei nicht möglich. Die Ortung und die Betriebsdatenerfassung seien zwei gesondert zu berücksichtigende Vorgaben des Leistungsverzeichnisses, die beide erfüllt sein müssen. Dem stelle die Antragstellerin das bereits umgesetzte Fahrradvermietsystem der Beigeladenen in der Stadt xxxxxx ("xxxxxx") gegenüber. In xxxxxx erfolgen die Kommunikation bzw. Übermittlung der Betriebsdaten nach dem Kenntnisstand der Antragstellerin über das Handy der Nutzer. So sei auch dort weiterhin die Bluetooth-Schnittstelle vom Handy der Nutzer sowie die mobile Datenverbindung vom Handy der Nutzer erforderlich, um Betriebsdaten ans Hintergrundsystem zu übermitteln. Im Weiteren erläutere die Antragstellerin den Ablauf bei Zugang, Rückgabe bzw. Parken im Detail, wobei sie schlussfolgere, dass eine Erfassung von Betriebsdaten und deren Transfer über die Radtechnik damit nicht gegeben sei. Zudem weise sie darauf hin, dass die Angaben der Beigeladenen zu der Erfassung der Kommunikationswege in dem Angebot eingehend zu prüfen seien. Dies gelte auch, als die entsprechende Radtechnik sehr teuer sei und vom Angebotspreis der Beigeladenen nicht umfasst sein könne.

Mit Schriftsatz vom 09.08.2023 hat die Antragstellerin ihren diesbezüglichen Vortrag ergänzt. Die mangelnde Ausschreibungskonformität des Angebotes der Beigeladenen werde auch durch Informationen über die Fahrradtechnik der Beigeladenen aus einem aktuellen parallel laufenden Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer xxxxxx belegt (Az. xxxxxx). Betroffen sei dort in einer vergleichbaren Ausgangssituation der künftige Betrieb eines öffentlichen Fahrradverleihsystems in xxxxxx und weiteren Städten. Die hiesige Antragstellerin sei auch dort Antragstellerin und die hiesige Beigeladene auch dort beigeladen. Im Rahmen der von der dortigen Vergabekammer gewährten Akteneinsicht habe sich gezeigt, dass die Beigeladene im Rahmen eines Bietergesprächs vom 08.05.2023 eine Frage zum angebotenen Tracker wie folgt schriftlich beantwortet hat:

"Wie wird der GPS Tracker geladen?

Es ist ein passiver GPS-Tracker, der alle 24 Stunden ein Signal sendet."

Da die Beigeladene nach den Marktkenntnissen der Antragstellerin in Deutschland aktuell einen einheitlichen Flottenbestand etablieren wolle, handele es sich offenbar um den gleichen Tracker wie vorliegend angeboten. Als passiver GPS-Tracker, der lediglich alle 24 Stunden ein Signal sendet, sei damit aber nicht nur eine Erfassung von Betriebsdaten und deren Transfer "während des Betriebs" ausgeschlossen. Selbst die erforderliche Ortung nach Ziffer 4.7 des Leistungsverzeichnisses werde nicht umgesetzt. So müsse auch die Ortung "während des Betriebs"über die Radtechnik erfolgen, also während der Nutzung. Dies sei bei einem Signal nur alle 24 Stunden indes nicht gegeben.

Zu 3.

Die Antragstellerin komme aufgrund einer Dreisatzrechnung sowie unter der Annahme, dass die Beigeladene formal ein ähnlich qualitativ hochwertiges Angebot wie die Antragstellerin gelegt hätte, zu dem Ergebnis, dass der Angebotspreis der Beigeladenen bei lediglich ca. xxxxxx € liege. Die durch die Antragsgegnerin durchgeführte Prüfung des Angebotspreises der Beigeladenen auf Auskömmlichkeit sei kritisch zu hinterfragen. So würde eine Umsetzung der Vorgabe von Rückgabe und Entleihe der Fahrräder im gesamten Betriebsgebiet eine erhebliche, grundlegende Überarbeitung des Hintergrundsystems und der IT-basierten Betriebsdatenerfassung und -verarbeitung der Beigeladenen erfordern. Diesen Anpassungsaufwand schätze die Antragstellerin als erheblich ein. Entsprechendes gelte auch für die nach den Einschätzungen der Antragstellerin bislang fehlende Betriebsdatenerfassung durch die Radtechnik selbst. Schließlich um den diesbezüglichen Vorgaben zu entsprechen, müsste die Beigeladene auch insoweit wohl erstmalig auf eine neue und gegenüber einem einfachen Tracker deutlich komplexere und teure Lösung zurückgreifen, die gleichsam vom Angebotspreis der Beigeladenen nicht umfasst sein könne.

Die Antragstellerin beantragt,

  1. 1.

    die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Vergabeverfahren "xxxxxx - Bereitstellung und Betrieb eines Fahrradvermietsystems" (Referenznummer der Bekanntmachung: xxxxxx) in den Stand vor Wertung der eingereichten Angebote zurückzuversetzen und unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer fortzuführen;

  2. 2.

    hilfsweise: das Vergabeverfahren in einen Stand vor Aufforderung zur Angebotsabgabe zurückzuversetzen und bei fortbestehender Beschaffungsabsicht auf der Grundlage überarbeiteter Vergabeunterlagen unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer fortzuführen;

  3. 3.

    der Antragsgegnerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens aufzuerlegen;

  4. 4.

    die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten aufseiten der Antragstellerin gemäß § 182 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

  1. 1.

    den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen;

  2. 2.

    der Antragstellerin Akteneinsicht nur unter Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Verfahrensbeteiligten zu gewähren;

  3. 3.

    der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin aufzuerlegen, sowie

  4. 4.

    die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin für notwendig zu erklären.

Der Nachprüfungsantrag sei unbegründet.

Der Vortrag der Antragstellerin bzgl. der Widergabe der Anforderung der Leistungsbeschreibung zur Nr. 2.4 der Vergabeunterlagen und der Anforderung des Leistungsverzeichnisses, zur lfd. Nr. 1.3 und 4. 7 der Vergabeunterlagen als auch zu den Ausführungen der Bieterfrage 21 vom 10.03.2023 seien unstreitig. Ausdrücklich werde an dieser Stelle klargestellt, dass die Zielvorgabe der lfd. Nr. 1.3 des Leistungsverzeichnisses der Vergabeunterlagen zwischen der Rücknahme der Fahrräder und der Übernahme der Fahrräder unterscheide.

Klarzustellen sei ferner, dass die Antragstellerin ihr Angebot nicht am 20.03.2023, sondern am 05.04.2023 einreichte. Die Angebotsöffnung sei dann am xxxxxx.2023 erfolgt.

Richtig sei, dass in der Vorabinformation vom 17.05.2023 versäumt wurde, die Begründung, hier in Form der Auswertung, beizufügen.

Im Folgenden hat die Antragsgegnerin (hier zusammenfassend dargestellt) sodann vorgetragen, dass das Angebot der Beigeladenen insbesondere bezüglich der von der Antragstellerin vorgebrachten Einwände nachvollziehbar und vollumfänglich aufgeklärt worden sei. Die Zuschlagsentscheidung zugunsten der Beigeladenen sei rechtskonform erfolgt. Eine Verletzung der Rechte der Antragstellerin liege nicht vor.

Die Antragsgegnerin begründet dies wie folgt:

Das Angebot der Beigeladenen sei nicht wegen einer Änderung der Vergabeunterlagen auszuschließen. Es sei festzuhalten, dass auch nach der erfolgten Aufklärung die bereits im Angebot erfolgten Angaben bzw. Leistungszusagen der Beigeladenen bestätigt wurden und als nachvollziehbar anzusehen seien.

Es stehe fest, dass die Beigeladene die ausgeschriebene Leistung gemäß dem Leistungsversprechen nach den aufgestellten Anforderungen erbringen werde. Es entspreche in allen Belangen den Mindestanforderungen der Bekanntmachung der Ausschreibungsunterlagen, insbesondere den durch die Leistungsbeschreibung und das Leistungsverzeichnis aufgestellten Anforderungen und Mindestkriterien.

Ebenfalls stehe fest, dass die kalkulatorische Basis und die durch die Beigeladene dargelegte Kalkulation eine ordnungsgemäße Leistungserfüllung sicherstelle. Damit sei das Angebot der Beigeladenen als angemessen anzusehen und eine ordnungsgemäße Leistungserbringung sei zu erwarten.

Die Antragsgegnerin weise darauf hin, dass der Begriff der "Flexzone" ein von der Antragstellerin geprägter Begriff sei, den die Antragstellerin zur Umschreibung ihrer Leistung verwende.

Es sei klarzustellen, dass in den gesamten Ausschreibungsunterlagen die Begriffe "Flexzone" oder "Flexzonen" nicht von der Antragsgegnerin verwandt wurden, außer erst in der späteren Verfahrensinformation vom 20.03.2023, in der Bieterfrage 21. Daher sei an dieser Stelle festzuhalten, dass die Technik der Antragstellerin sicherlich ausgereift scheine, jedoch seien die gegebenenfalls vorhandenen Vorzüge einer "bordsteinscharfen" Abgrenzung eben nicht gefordert gewesen. Die Ausschreibungsunterlagen seien daher auch bewusst produktneutral und nur funktional gefasst gewesen, ohne eine konkrete Umsetzungsvorgabe aufzustellen.

Die Antragstellerin lege die lfd. Nr. 2.4 der Leistungsbeschreibung dahin gehend aus, dass die von ihr geprägten "Flexzonen" gemeint seien. Die Antragstellerin verknüpfe mit der Anforderung eine quasi beliebige Übernahme- und Rückgabemöglichkeit der Fahrräder im gesamten Betriebsgebiet. Diese Anforderung sei jedoch bewusst so nicht in Ausschreibungsunterlagen aufgenommen worden, um den Bietern alternative Umsetzungen zu ermöglichen. Es komme der Antragsgegnerin lediglich darauf an, dass der gesamte Bereich, also das gesamte Betriebsgebiet, durch die Leistung abgedeckt sei. Dies bestätige auch gerade die Antwort auf die Bieterfrage 21. Die von der Antragstellerin in die Vergabeunterlagen hineininterpretierte Anforderung, dass als Mindestanforderung sogenannte "Flexzonen" durch die Antragsgegnerin gefordert wurden, treffe nicht zu.

Des Weiteren fügt die Antragsgegnerin ergänzend hinzu, dass die Antwort auf die Bieterfrage 21 die Vergabeunterlagen nicht geändert habe, sondern die Vorgaben zur technischen Umsetzung bestätigt habe. Die Ausführungen zur IT-Technik seien, wie bereits geschildert, daher an dieser Stelle inhaltlich möglicherweise richtig, hätten aber in der Sache keine Relevanz.

Ferner trägt die Antragsgegnerin vor, dass die Ausführungen der Antragstellerin zur möglichen Übernahme nur einer virtuellen Station fehlerhaft seien. Gemäß den Angebotsunterlagen der Beigeladenen können nach Feststellung der Antragsgegnerin auch Fahrräder außerhalb einer virtuellen Station übernommen werden, wenn diese nicht "richtig" durch die Nutzerinnen abgestellt wurden.

Zudem seien die durch die Beigeladene angebotenen Fahrräder so mit der notwendigen Kommunikationstechnik ausgestattet, dass während des Betriebes die Ortung, Betriebsdatenerfassung und auch der Datentransfer über die Radtechnik erfolgen. Dies sei bereits durch das Angebot der Beigeladenden ersichtlich gewesen. Weitere Aufklärungsfragen hätten dies zudem bestätigen können.

Soweit die Antragstellerin darauf hingewiesen habe, dass das Angebot der Beigeladenen per se ungewöhnlich niedrig sei, sei dies unzutreffend. Schon der direkte Angebotspreis sei bezogen auf die Auftragswertschätzung nicht zu beanstanden gewesen. Jedoch sei auch dieser Punkt durch die Antragsgegnerin weiter aufgeklärt worden. Hiernach habe sich kein anderes Bild für die Antragsgegnerin gebildet. Es stehe fest, dass die kalkulatorische Basis und die durch die Beigeladene getroffenen Annahmen einer ordnungsgemäßen Leistungserfüllung durch die Beigeladene nicht im Wege stehen. Damit sei das Angebot von der Beigeladenen nicht als ein ungewöhnlich niedriges Angebot anzusehen. Soweit die Antragstellerin betone, dass zu einem ungewöhnlich niedrigen Preis die erforderliche IT-technische Anpassung für ein ausschreibungskonformes Produkt nicht umgesetzt werden könne, sei dies falsch. Es handele sich um eine "Rüge ins Blaue hinein".

In Hinblick auf die von der Antragstellerin im Nachprüfungsantrag beantragte Akteneinsicht weise die Antragsgegnerin darauf hin, dass sowohl die Angebote der Beigeladenen als auch die Schreiben der Beigeladenen nach der weiteren Aufklärung Geschäftsgeheimnisse beinhalten und der Antragstellerin nicht zur Verfügung gestellt werden dürfen. Es werde auf die Erklärung der Beigeladenen vom 28.06.2023 im Sinne des § 165 Abs. 2 und 3 GWB hingewiesen.

Nach dem vertiefenden Vortrag durch die Antragstellerin mit Schreiben vom 13.07.2023 nimmt die Antragsgegnerin mit nachgelassenem Schreiben vom 20.07.2023 zu dem Sachverhalt erneut Stellung. Im Hinblick auf das streitgegenständliche Vergabeverfahren findet sie keine neuen Erkenntnisse in dem Schreiben vom 13.07.2023 vor, erörtert dennoch ihren Standpunkt auf der Grundlage der in dem nachgelassenen Schriftsatz der Antragstellerin vom 13.07.2023 vorgebrachten Beanstandungen.

Die Antragsgegnerin habe bewusst die Entscheidung getroffen, nicht ein konkretes Modell bzw. ein konkretes Konzept für ein Fahrradverleihsystems vorzugegeben. Die Umsetzung der Anforderungen habe hier den Bietern oblegen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin als Bestandsanbieterin dem Markt bekannt gewesen sei. Es verwundere nicht, dass andere Marktteilnehmer durch Bieterfrage 21 eine Klarstellung dahin gehend verlangt haben, dass hier eine systemoffene Ausschreibung erfolge und nicht das durch die Antragstellerin bereits für die Antragsgegnerin umgesetzte System fortgeführt werden solle. Selbst wenn, was bestritten werde, bis zur Fragestellung der Bieterfrage 21 noch davon auszugehen gewesen wäre, dass bis dahin noch ausschließlich Flexzonen in Form eines räumlich umgrenzen Freefloating-Modells gefordert worden seien, so habe die Antragsgegnerin spätestens mit der Antwort auf die Bieterfrage die Möglichkeit angeboten alternativ auch virtuelle Hubs anzubieten.

Soweit nun die Antragstellerin von einer anderen Anforderung ausgehe, so stelle sich die Frage, welche Konsequenz dies für Ihr eigenes Angebot habe. Richtig sei, dass es bei Zweifeln an den Vergabeunterlagen auf das Verständnis der Bieter ankomme, allerdings greife hier die Darstellung durch die Antragstellerin zu kurz. Die Vergabeunterlagen seien so auszulegen, wie die durchschnittlichen Bewerber des angesprochenen Bewerberkreises, sie verstehen mussten (vgl. z.B. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.04.2022, Verg 25/21). Falsch sei, dass die Antragstellerin davon ausgehe, dass, wie bereits mehrfach durch sie verdeutlicht, allein ihre Auslegung der Vergabeunterlagen maßgeblich für das Gesamtverständnis der durchschnittlichen Bewerber sei.

Wenn nun die Antragstellerin darauf abziele, dass die Antragsgegnerin in der lfd. Nr. 1.1 der Anlage 2 des Leistungsverzeichnisses einen örtlich begrenzten Bereich gefordert habe, so sei dem entgegenzuhalten, dass die Vergabeunterlagen an anderen Stellen diese Auslegung widerlegen. Unter der lfd. Nr. 1.13 des Leistungsverzeichnisses werde von Bereichen ausgegangen und nicht von einem einzigen Bereich, wie von der Antragstellerin unterstellt werde. Die lfd. Nr. 1.14 des Leistungsverzeichnisses verwendet ebenso Plural und bittet die Bieter mit dem dritten Spiegelstrich zudem zu erläutern, welche Optionen Kunden haben, die die Räder in den Bereichen übernehmen bzw. zurückgeben möchten, dies jedoch nicht möglich sei, z.B. weil der Abstellbereich voll sei. Das von der Antragstellerin angebotene und auf ein räumlich umgrenztes Freefloating-Modell konkretisierte System, könne sachlich bereits gar nicht voll sein, wenn der Auslegung dahingehend gefolgt werden würde, dass die Fahrräder ja überall im Betriebsgebiet abgestellt werden können. Die Antragsgegnerin habe bereits hier verschiedene Varianten eines Fahrradverleihsystem berücksichtigt.

Auch die - entgegen der ursprünglichen Überzeugung der Antragstellerin - doch noch durch-gerutschte Verwendung des Begriffs der Flexzone, verdeutliche im Kontext der Verwendung in Nr. 4 Abs. 2, 3. Spiegelstrich des Vertrages, dass Informationen über Flex- und Standortzonen, also in jedem Fall auch z.B. virtuelle Hubs, dem Auftragnehmer durch die Antragsgegnerin zur Verfügung gestellt werden. Hierdurch sei gerade keine Festlegung auf das Freefloating - ausschließlich Flexzonen erfolgt.

Die Bemühung der Antragstellerin, zudem die Anlage 4 der Vergabeunterlagen (Kerngebiet xxxxxx) als Vorgabe einer bordsteinscharfen Abgrenzung heranzuziehen, verfange nicht, da die Anlage 4 nicht eine entsprechende konkrete Anforderung beschreibe, sondern das Betriebsgebiet umreiße.

Ferner sei eine Festlegung auf ein bestimmtes System zu keiner Zeit beabsichtigt gewesen. Etwaige sich aus den Vergabeunterlagen resultierende Unklarheiten, würden jedoch nur zu Lasten des Auftraggebers gehen. Denn auch der durch die Antragstellerin gegenüber der Beigeladenen erhobene Vorwurf der Änderung der Vergabeunterlagen, sei anhand einer entsprechenden Anwendung der § § 133, 157 BGB, sowohl der Vergabeunterlagen als auch des Angebots, nach dem jeweiligen objektiven Empfängerhorizont des potenziellen Bieters auszulegen (vgl. zuletzt VK Nordbayern, Beschluss vom 09.12.2021, RMF SG21-3194-6-36 m.w.N.).

Darüber hinaus greift die Antragsgegnerin die Rügepflicht der Antragstellerin in diesem Zusammenhang in dem Schreiben vom 20.07.2023 auf, indem sie darauf hinweist, dass die Antragstellerin mit diesem Vortrag präkludiert sei, soweit sie umfangreich vortrage, dass ein dichtes Netz von virtuellen Hubs nicht geeignet sei, die Kontrolle und Ordnung zu gewährleisten. Aufgrund der Antwort der Antragsgegnerin auf der Bieterfrage 21 sei für die Antragstellerin erkennbar gewesen, dass die Antragsgegnerin virtuelle Hubs als Lösung zulasse. Die Antragstellerin sei aufgrund ihres mit Schreiben vom 13.07.2023 vorgetragenen hohen technischen Sachverstands in der Lage gewesen zu erkennen, dass eine aus ihrer Sicht nicht geeignete technische Lösung zugelassen werde. Dementsprechend hätte sie dieses auch gemäß § 160 Abs. 3 S. Nr. 3 GWB rügen müssen. Das habe sie nicht getan.

Soweit die Antragstellerin weiterhin den verbauten Tracker und die verwendete Technik moniere und um Zweifel auf Seiten der Antragstellerin bzgl. der Fahrradtechnik auszuräumen, erklärt die Antragsgegnerin, dass es sich um einen "xxxxxx GPS-Tracker'' handele.

Schließlich könne seitens der Antragsgegnerin nicht bewertet werden, ob gegebenenfalls Anpassungen der IT-Systeme der Beigeladenen erforderlich seien. Falsch sei jedoch, dass wenn generelle Systemanpassungen durch die Beigeladene erforderlich seien, diese durch die Beigeladene in das Angebot einzupreisen gewesen wären. Dies widerspreche jedweder Logik und Geschäftspraxis, da ein diesbezüglicher lnvest als allgemeine Entwicklungskosten auf sämtliche Kunden umzulegen und nicht 1: 1 in ein Angebot einzupreisen sei.

Den eigenen Antrag zur Erstattungsfähigkeit der eigenen Aufwendungen im Nachprüfungsverfahren hat die Antragsgegnerin damit begründet, dass sie bereits wegen der Komplexität des Vergaberechts und des das Nachprüfungsverfahrens regelnden Vergaberechts sowie aus Gründen der Waffengleichheit rechtsanwaltlicher Beratung und Begleitung bedürfe.

Die Beigeladene hat keine eigenen Anträge gestellt und sich auch nicht zum Verfahren geäußert.

Mit Verfügung vom 17.07.2023 hat die Vergabekammer die Frist für die abschließende Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren über die gesetzliche 5-Wochen-Frist hinaus bis zum 25.08.2023 verlängert.

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 15.08.2023 Bezug genommen.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, aber unbegründet. Die Antragstellerin ist durch die Entscheidung der Antragsgegnerin, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen, nicht in ihren Rechten verletzt. Die Antragsgegnerin war weder gehalten noch berechtigt, das Angebot der Beigeladenen gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV wegen vermeintlicher Änderungen an den Vergabeunterlagen von der Wertung auszuschließen. Das Angebotskonzept der Beigeladenen erfüllt entgegen der Auffassung der Antragstellerin insbesondere die Anforderungen an ein Fahrradvermietsystem gemäß Ziffer 2.4. der Leistungsbeschreibung, an die Nutzung des Betriebsgebiets (A-Kriterium nach Leistungsverzeichnis) sowie an die Vorgaben der Antragsgegnerin zur Zulässigkeit eines Netzes von virtuellen Hubs anstelle von Flexzonen gemäß Antwort auf die Bieterfrage 21 (im Folgenden 2 a). Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Angebotsprüfung zu dem Ergebnis gelangt ist, dass das angebotene Konzept der Beigeladenen den Mindestanforderungen der Ausschreibung entspricht. Die Beigeladene hat fristgerecht im Rahmen des Aufklärungsersuchens der Antragsgegnerin erklärt und nachvollziehbar erläutert, dass das von ihr genutzte System die Bedingungen der Ausschreibung erfülle und das System vollflächig in der Lage ist, gesamte Straßenzüge oder auch ein gesamtes Gebiet abzudecken (im Folgenden 2 b). Die Berücksichtigung des Angebotes der Beigeladenen verstößt auch nicht gegen § 60 Abs. 1 VgV. Die Antragsgegnerin hat die Angemessenheit des Angebotspreises geprüft und Prüfung und Ergebnis in einer den Anforderungen des § 8 VgV genügenden Weise in der Vergabeakte dokumentiert (im Folgenden 2 c).

1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei der Antragsgegnerin handelt es sich um einen öffentlichen Auftraggeber i. S. d. § 99 Nr. 2 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 106 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer die jeweiligen Schwellenwerte erreicht oder überschreitet, die nach den EU-Richtlinien festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Liefer- und Dienstleistungsauftrag i. S. d. § 103 Abs. 4 GWB, für den gemäß § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB i. V. m. Art. 4 der Richtlinie 2014/24/EU in der seit 01.01.2022 geltenden Fassung zum Zeitpunkt der hier streitbefangenen Auftragsvergabe ein Schwellenwert von 215.000 € gilt. Die vom der Antragsgegnerin gemäß § 3 VgV geschätzten Kosten für den Gesamtauftragswert (Nr. 5 des Vergabevermerks, S. 4, 5) wie auch die vorliegenden, konkreten Angebotspreise überschreiten den Schwellenwert deutlich.

Die Antragstellerin ist auch gemäß § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie ein Interesse am Auftrag hat und die Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie beanstandet, dass die Antragsgegnerin das Angebot der Beigeladenen berücksichtigt habe, obwohl dieses wegen einer Änderung der Vergabeunterlagen gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV zwingend vom Vergabewettbewerb auszuschließen sei. Die für den Zuschlag vorgesehene Bieterin habe weder die ausgeschriebene Entleihe und Rückgabe in vorgegebenen Bereichen angeboten, noch würden die vorgesehenen Fahrräder der Ausschreibung entsprechen. Das von der Beigeladenen angebotene System genüge nicht den Anforderungen gemäß Leistungsverzeichnis. Ferner sei davon auszugehen, dass die Beigeladene die ausgeschriebene Leistung zu den angebotenen günstigen Preisen nicht sachgerecht erbringen könne. Der angebotene Preis sei unangemessen niedrig.

Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB ist, dass das Antrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Beck VergabeR/Horn/Hofmann, 4. Aufl. 2022, GWB, § 160, Rn. 23, Boesen, Vergaberecht, § 107 GWB, Rn. 52).

Nach herrschender Meinung und Rechtsprechung sind an diese Voraussetzungen keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags, wenn der Bieter schlüssig einen durch die behauptete Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet, also darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können (BVerfG, Urteil vom 29.07.2004 - 2 BvR 2248/04; Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, GWB, § 160, Rn. 43; vgl. Beck VergabeR/ Horn/Hofmann, 4. Aufl. 2022, GWB § 160 Rn. 34; Möllenkamp in: Kulartz/Kus/Portz/ Prieß, GWB-Vergaberecht, 4. Aufl., § 160, Rn. 30 ff.). Ob tatsächlich der vom Bieter behauptete Schaden droht, ist eine Frage der Begründetheit (vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2006 - X ZB 14/06, zitiert nach VERIS). Der Anspruch an die Substantiierung des antragsbegründenden Vortrags wird durch den Stand der Kenntnis des Antragstellers von dem der beanstandeten Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt begrenzt und muss damit korrespondieren. Die Antragstellerin hat eine mögliche Beeinträchtigung ihrer Chancen auf den Zuschlag und damit einen möglichen Schaden schlüssig dargelegt.

Die Antragstellerin hat auch ihrer Pflicht genügt, den geltend gemachten Verstoß gegen die Vergaberechtsvorschriften gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB vor Einreichen des Nachprüfungsantrags innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen nach positiver Kenntniserlangung gegenüber der Auftraggeberin zu rügen. Bei der Vorschrift des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Bieters von den Tatsachen.

Die Antragsgegnerin hatte der Antragstellerin erstmals mit Bieterinformation vom 17.05.2023 gemäß § 134 Abs. 2 GWB mitgeteilt, dass sie beabsichtige, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen erteilen zu wollen. Eine Begründung der Entscheidung enthielt das Schreiben nicht.

Die Antragstellerin rügte daraufhin mit Schreiben vom 24.05.2023 die vorgesehene Zuschlagsentscheidung der Antragsgegnerin. Sie beanstandete, dass das Informationsschreiben der Antragsgegnerin die gesetzlich geforderten Mindestinhalte gemäß § 134 GWB nicht beinhaltete. Ferner machte sie geltend, dass das Angebot der Beigeladenen eine Änderung der Vergabeunterlagen i. S. v. § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV beinhalte. Des Weiteren seien die Angebotspreise der Beigeladenen nicht auskömmlich kalkuliert worden, was gegen § 60 VgV verstoße.

Mit Schreiben vom 24.05.2023 erklärte die Antragsgegnerin daraufhin durch ihre Bevollmächtigten, dass die Vorabinformation vom 17.05.2023 von ihr zurückgezogen wird, und dass das Verfahren in den Stand der Angebotsauswertung zurückversetzt wurde. Insoweit hat die Antragsgegnerin der Rüge abgeholfen.

Die weiteren Rügen bezüglich der vorgesehenen Zuschlagsentscheidung zugunsten des Angebots der Beigeladenen wies die Antragsgegnerin durch Ihren Bevollmächtigten dann mit Schreiben vom 16.06.2023 zurück. Zeitgleich versendete die Antragsgegnerin mit Schreiben am 16.06.2023 eine neue Bieterinformation nach § 134 GWB zugunsten der Beigeladenen. Die Antragstellerin versendete daraufhin an die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 26.06.2023 einen Entwurf des Nachprüfungsantrages und bat um sofortige Abhilfe. Andernfalls werde der Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer eingereicht werden.

Diese Rügen der Antragstellerin erfolgten jeweils innerhalb der Frist von zehn Kalendertagen und damit rechtzeitig i. S. d. § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB.

Präkludiert ist die Antragstellerin mit ihrem Vortrag nur, soweit sie erstmals im Nachprüfungsverfahren in der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer erklärt hat, dass auch sie hätte anders kalkulieren können, wenn tatsächlich kein Freefloating-System ausgeschrieben sein sollte, sondern eben auch ein auf virtuellen Hubs basierendes System akzeptiert würde.

Gemäß § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB ist der Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit er sich auf Verstöße gegen Vergabevorschriften stützt, die aufgrund der Vergabeunterlagen erkennbar sind, aber nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt worden sind.

Es kommt bei der Präklusion nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB auf die objektive Erkennbarkeit für einen durchschnittlichen Anbieter an, nicht auf die tatsächliche Erkenntnis beim Antragsteller. Bei der Feststellung der Erkennbarkeit wird daher nach herrschender Meinung auf einen objektiven Maßstab abgestellt. Beim Maßstab der Erkennbarkeit ist nicht auf den Vergaberechtsexperten, sondern auf diejenigen abzustellen, die Adressaten der Bekanntmachung sind, nämlich die fachkundigen Bieter; diese prägen den objektiven Empfängerhorizont, aus dem die Erkennbarkeit zu beurteilen ist (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 03.07.2018 - Verg 2/18; VK Lüneburg, Beschluss vom 14.05.2018 - VgK11/2018; Hofmann in Müller-Wrede, GWB Vergaberecht, § 160, Rn. 70, m. w. N.).

Erkennbar ist daher, was dem fachkundigen Anbieter bei Erstellung des Angebots auffallen muss.

Spätestens seit der Beantwortung der Bieterfrage 21 war für die Antragstellerin, wie für jeden anderen fachkundigen Bieter, erkennbar, dass die Antragsgegnerin nicht nur das von der Antragstellerin als Bestandsbieterin vorgesehene Konzept einer Flexzone mit einem Freefloating-Modell akzeptieren würde, sondern auch ein auf virtuellen Hubs basierendes System. Die Bieterfrage lautete wie folgt:

"Wir schlagen vor die folgende Anforderung für Flexzonen im Vertragsentwurf anzupassen: Ein sehr dichtes Netz an virtuellen Hubs anstelle der Flexzonen um sowohl Flexibilität als auch Kontrolle und Ordnung zu gewährleisten."

Sie wurde von der Antragsgegnerin anonymisiert und folgenderweise beantwortet:

"Aus Sicht des Auftraggebers stehen diese Flexzonen etwaigen virtuellen Hubs nicht entgegen, sofern diese den rechtlichen Anforderungen als auch den Interessen des Auftraggebers genügen. Eine Abstimmung hierüber kann nach Zuschlag erfolgen. Es wird klargestellt, dass die Verantwortung für etwaige Störungen durch nicht ordnungsgemäß abgestellte Verkehrsmittel beim Auftragnehmer verbleibt."

Die Antragstellerin musste daher erkennen, dass die Antragsgegnerin nicht 1: 1 das von der Antragstellerin präferierte Konzept des Bestandssystems verlangt hat. Insoweit ist die Antragstellerin daher gemäß § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB mit ihrem Vortrag präkludiert.

Im Übrigen ist der Nachprüfungsantrag jedoch zulässig.

2. Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet. Die Antragsgegnerin war weder gehalten noch berechtigt, das Angebot der Beigeladenen gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV wegen vermeintlicher Änderungen an den Vergabeunterlagen von der Wertung auszuschließen (Im Folgenden a). Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Angebotsprüfung zu dem Ergebnis gelangt ist, dass das angebotene Konzept der Beigeladenen den Mindestanforderungen der Ausschreibung entspricht (Im Folgenden b). Die Prüfung des von der Beigeladenen angebotenen Preises gemäß § 60 VgV war nicht zu beanstanden. Ein Ausschluss des Angebots war auch insoweit nicht geboten (Im Folgenden c).

a. Die Antragsgegnerin war weder gehalten noch berechtigt, das Angebot der Beigeladenen gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV wegen vermeintlicher Änderungen an den Vergabeunterlagen von der Wertung auszuschließen. Das Angebotskonzept der Beigeladenen erfüllt entgegen der Auffassung der Antragstellerin insbesondere die Anforderungen an ein Fahrradvermietsystem gemäß Ziffer 2.4. der Leistungsbeschreibung, an die Nutzung des Betriebsgebiets (A-Kriterium nach Leistungsverzeichnis) sowie an die Vorgaben der Antragsgegnerin zur Zulässigkeit eines Netzes von virtuellen Hubs anstelle von Flexzonen gemäß Antwort auf die Bieterfrage 21.

Die Antragsgegnerin durfte aufgrund des Konzepts und der Angaben der Beigeladenen darauf vertrauen, dass sie in der Lage sein wird, die ausgeschriebenen Leistungen ordnungsgemäß zu erbringen. Die Antragsgegnerin hat die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums bei der Bewertung nicht überschritten.

Gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV sind Angebote von der Wertung auszuschließen, bei denen Änderungen oder Ergänzungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen worden sind. Eine Änderung der Vergabeunterlagen liegt vor, wenn das Unternehmen von den Vorgaben der Vergabeunterlagen inhaltlich abweicht, und im Ergebnis ein Aliud, also eine andere als die ausgeschriebene Leistung anbietet (vgl. VK Niedersachsen, Beschluss vom 29.10.2022 - VgK-34/2020; Beschluss vom 12.09.2022 - VgK-32/2019; VgV-Begründung BR-Drs. 87/16, 211).

Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, dass das Angebot der Beigeladenen wegen einer Änderung der Vergabeunterlagen gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV zwingend vom Vergabewettbewerb auszuschließen ist. Nach der lfd. Nr. 2.4 der Leistungsbeschreibung müsse eine Übernahme und Rückgabe von Mieträdern im gesamten Bereich gemäß der lfd. Nr. 2.2 der Leistungsbeschreibung für die Nutzer ermöglicht werden, soweit nicht einzelne Straßen bzw. Straßenabschnitte ausgenommen seien. Ausgeschrieben sei damit eine sog. Flexzone, in der die Ausleihe bzw. Rückgabe "frei" erfolge. Dies setze eine entsprechende IT-technische Ausstattung bzw. Programmierung voraus, da die Übernahme und Rückgabe in einem gesamten Gebiet in einer vor allem nach Straßenzügen definierten Fläche möglich sein müssen.

Die Beigeladene habe weder die ausgeschriebene Entleihe und Rückgabe in vorgegebenen Bereichen angeboten noch würden die vorgesehenen Fahrräder der Ausschreibung entsprechen. Das von der Beigeladenen angebotene System genüge nicht den Anforderungen gemäß Leistungsverzeichnis.

Nach Recherche der Antragstellerin habe die Beigeladene noch keine Aufträge mit Flexzonen ausgeführt.

Demgegenüber hat die Antragsgegnerin erklärt, dass kein Anlass bestehe, das Angebot der Beigeladenen wegen einer Änderung der Vergabeunterlagen auszuschließen. Auch eine von ihr durchgeführte Aufklärung habe zu dem Ergebnis geführt, dass die bereits im Angebot erfolgten Angaben bzw. Leistungszusagen der Beigeladenen bestätigt wurden und als nachvollziehbar anzusehen seien.

Es stehe für die Antragsgegnerin fest, dass die Beigeladene die ausgeschriebene Leistung gemäß dem Leistungsversprechen nach den aufgestellten Anforderungen erbringen werde. Es entspreche in allen Belangen den Mindestanforderungen der Bekanntmachung der Ausschreibungsunterlagen, insbesondere den durch die Leistungsbeschreibung und das Leistungsverzeichnis aufgestellten Anforderungen und Mindestkriterien.

§ 56 Abs 1 VgV verpflichtet den Auftraggeber, die Angebote auf Vollständigkeit und fachliche Richtigkeit zu prüfen. Die fachliche Richtigkeitsprüfung der Angebote bezieht sich auf den fachlichen Inhalt der von den Bietern eingereichten Unterlagen und umfasst regelmäßig die Prüfung, ob die angebotene Leistung den Anforderungen der Ausschreibung, insbesondere der Leistungsbeschreibung und den technischen Spezifikationen entspricht. (vgl. Beck VergabeR/Haak/Hogeweg, 3. Aufl. 2019, VgV § 56, Rn. 23).

Es ist auf der Grundlage der in den Vergabeunterlagen festgelegten Anforderungen und der Dokumentation in der Vergabeakte nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin das Angebot der Beigeladenen nach der gebotenen Prüfung als ausschreibungskonform und damit zuschlagsfähig bewertet hat.

Die Antragsgegnerin hatte die Bieter dazu aufgefordert, Konzepte für ein Fahrradvermietsystems einzureichen. Die dabei umzusetzende Zielvorgabe hat die Antragsgegnerin in der Leistungsbeschreibung (Anlage 1 der Vergabeunterlagen, Stand 10.02.2023), im Leistungsverzeichnis (Anlage 2 der Vergabeunterlagen, Stand 20.03.2023) sowie im Vertrag über die Bereitstellung und den Betrieb eines Fahrradvermietsystems (Stand 20.03.2023) festgelegt und erläutert. Aus den oben genannten Vergabeunterlagen geht entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht hervor, dass zwingend die Einrichtung einer sogenannten Flexzone gefordert war. Nach dem Wortlaut der als A-Kriterium gekennzeichneten lfd. Nr. 1.1 des Leistungsverzeichnisses (Anlage 2) war lediglich gefordert:

"Zielvorgabe: Der Auftragnehmer richtet durch geeignete technische Maßnahmen einen örtlich begrenzten Bereich innerhalb des Stadtgebietes xxxxxx (ein), in welchem (...) ein Fahrradvermietsystem unter Einhaltung aller geltenden Gesetze und Verordnungen sowie der einschlägigen DIN ENNormen nach Maßgabe der Vereinbarungen der Parteien errichtet und betreibt (Betriebsgebiet)"

(Hervorhebungen durch die Vergabekammer)

Die Zielvorgabe gemäß der lfd. Nr. 1.3 des Leistungsverzeichnisses lautete:

"Zielvorgabe: Eine Rücknahme der Fahrräder durch die Kunden ist nur innerhalb von zuvor festgelegten Bereichen möglich. Die Übernahme kann auch außerhalb dieser Bereiche erfolgen."

Damit im Einklang heißt es in Ziffer 2.6 der Leistungsbeschreibung (Anlage 1):

"Der Vertragspartner richtet in Abstimmung mit der xxxxxx mit geeigneter Technik entlang der unter 2.2. beschriebenen Umgrenzung sowie innerhalb des dort beschriebenen Gebiets zum Ausschluss von Gewässern, Park- und Eisenbahnanlagen eine Nutzungsbegrenzung ein."

(Hervorhebung durch die Vergabekammer)

Der zur Beschreibung des "gesamten Bediengebietes" als Klammerzusatz verwendete Begriff der "Flex- bzw. Standortzone"gemäß § 4, 2. Absatz, letzter Spiegelstrich des Vertrags über die Bereitstellung und den Betrieb eines Fahrradvermietsystems (20.03.2023) ist dementsprechend sinngemäß als Bedien- bzw. Betriebsgebiet zu verstehen. Entsprechend der vorgenannten Anforderungen der Leistungsbeschreibung und des Leistungsverzeichnisses war somit lediglich gefordert, mittels geeigneter technischer Maßnahmen ein Fahrradmietsystem im Betriebsgebiet zur errichten und zu betreiben. Die Antragsgegnerin hat sich mit der Leistungsbeschreibung gerade nicht auf das von der Antragstellerin als Bestandsbieterin angebotene System festgelegt und beschränkt. Die Festlegung auf eine konkrete Produktart bzw. ein bestimmtes System hat die Antragsgegnerin vielmehr ausdrücklich den Bietern in ihren Konzepten offengelassen. Diese Vorgehensweise entspricht dem Wesen und damit dem Sinn und Zweck einer Abfrage von Bieterkonzepten. Die Bieter bringen ihr Know-how als Fachunternehmen in den von ihnen jeweils favorisierten Lösungsansätzen ein. Sie können dabei die Stärken ihres Konzepts hervorheben und somit ihre Chancen auf den Zuschlag erhöhen. Den öffentlichen Auftraggeber wiederum versetzt die Abfrage von Bieterkonzepten in die Lage, unterschiedliche Lösungsansätze für die Erfüllung ihrer in der Leistungsbeschreibung definierten und ausgeschriebenen Dienstleistung und damit des Beschaffungsgegenstandes zu erhalten. Die Abfrage von Bieterkonzepten dient damit zugleich im besonderen Maße dem durch § 97 Abs. 1 GWB geschützten Wettbewerbsgrundsatz.

Im Ergebnis erfüllen sowohl das Konzept der Beigeladenen wie auch das Konzept der Antragstellerin die in den o.g. Vergabeunterlagen definierten Anforderungen und führen nicht zur Änderung der Vergabeunterlagen nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der Antwort der Antragsgegnerin auf die Bieterfrage 21 (Verfahrensinformation 3, Seite 8, = Anlage ASt 4). Im Wege der Bieterfrage hatte die Beigeladene angeregt:

"Wir schlagen vor die folgende Anforderung für Flexzonen im Vertragsentwurf anzupassen: Ein sehr dichtes Netz an virtuellen Hubs anstelle der Flexzonen um sowohl Flexibilität als auch Kontrolle und Ordnung zu gewährleisten."

Darauf hat die Antragsgegnerin geantwortet:

"Aus Sicht des Auftraggebers stehen diese Flexzonen etwaigen virtuellen Hubs nicht entgegen, sofern diese den rechtlichen Anforderungen als auch den Interessen des Auftraggebers genügen. Eine Abstimmung hierüber kann nach Zuschlag erfolgen. Es wird klargestellt, dass die Verantwortung für etwaige Störungen durch nicht ordnungsgemäß abgestellte Verkehrsmittel beim Auftragnehmer verbleibt."

Auch mit dieser Antwort hat die Antragsgegnerin den im Vertrag verwendeten Begriff der "Flex- bzw. Standortzone" erläutert. Zugleich hat sie erklärt, dass und unter welchen Voraussetzungen sie auch ein auf virtuellen Hubs basiertes Bieterkonzept als ausschreibungskonform akzeptieren wird. Die Vergabekammer ist der Auffassung, dass die diesbezügliche Frage der Beigeladenen im Vorfeld der Angebotsabgabe offensichtlich der Absicherung dienen sollte, dass das von ihr favorisierte Konzept auch wirklich den Anforderungen der Vergabeunterlagen entspricht. Somit liegt auch hier kein Ansatzpunkt dafür vor, dass der Tatbestand gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV erfüllt ist.

Der öffentliche Auftraggeber ist grundsätzlich nicht verpflichtet zu überprüfen, ob die Bieter ihre mit dem Angebot verbindlich eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen auch einhalten werden. Vielmehr darf er sich grundsätzlich auch ohne Überprüfung auf die Leistungsversprechen der Bieter verlassen. Eine Überprüfungspflicht des öffentlichen Auftraggebers ergibt sich nur dann, wenn konkrete Tatsachen das Leistungsversprechen eines Bieters als nicht plausibel erscheinen lassen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.01.2020 - Verg 20/19 BeckRS 2020 m. w. N.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29.05.2020 - 15 Verg 2/20; VK Sachsen, Beschluss vom 28.03.2022 - 1/SVK/041-21). In diesen Fällen muss aus Gründen der Transparenz und der Gleichbehandlung der Bieter (§ 97 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 GWB) der öffentliche Auftraggeber bereit und in der Lage sein, das Leistungsversprechen der Bieter effektiv zu verifizieren (OLG Düsseldorf, a. a. O, VK Südbayern, Beschluss vom 30.05.2022 - 3194.Z3-3_01-21-61).

Auch diesen Anforderungen ist die Antragsgegnerin ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte im angemessenen Umfang nachgekommen. Denn sie hat die Rügen der Antragstellerin zum Anlass genommen, das Angebot der Beigeladenen noch einmal im Wege der Aufklärung gemäß § 15 Abs. 5 Satz 1 VgV zu überprüfen. Mit Schreiben vom 02.06.2023 bat die Antragsgegnerin die Beigeladene ausdrücklich um inhaltliche und preisliche Aufklärung ihres Angebots aufgrund von Hinweisen im Rahmen einer Verfahrensrüge. Dort heißt es:

"1. Bitte erläutern Sie, wie die von Ihnen angebotenen virtuellen Hubs eingesetzt werden können, um z.B. einen gesamten Straßenzug "durchgängig" als Übernahme- und Rücknahmestation auszuweisen, wenn dies durch den Auftraggeber gefordert wird. Den NutzerInnen soll es dann nach Belieben möglich sein das Fahrrad an der gesamten Straße abzustellen und in Empfang zu nehmen.

Mit - ausdrücklich als vertraulich gekennzeichnetem und damit der Antragstellerin im Rahmen der Akteneinsicht nicht eröffnetem - Schreiben vom 09.06.2023 beantwortete die Beigeladene ausführlich und nachvollziehbar detailliert die Fragen im Rahmen der Aufklärung. Die Beigeladene hat dieses Konzept zudem dann aber auch in der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer offen erläutert. Sie hat erklärt, der Einsatz von virtuellen Hubs entspreche den Ausschreibungsanforderungen, da diese in Absprache mit dem Auftraggeber beispielsweise in einem Straßenzug "durchgängig" als Übernahme- und Rücknahmestation ausgewiesen werden könnten. Damit hätten NutzerInnen die Möglichkeit, Fahrräder nach Belieben entlang eines gesamten Straßenzuges abzustellen und/oder in Empfang zu nehmen.

Es gebe keine Begrenzung für die Anzahl an virtuellen Hubs, die in einem Bereich erstellt werden können. Das bedeutet, dass genügend virtuelle Standorte zur Verfügung gestellt werden können, um im beschriebenen Vorgang einen gesamten Straßenzug abzudecken. Durch die virtuelle Ausweisung mehrerer Stationen in einem Straßenzug könnten nach dem Konzept der Beigeladenen BenutzerInnen das Fahrrad an jeder beliebigen Stelle in der Straße mieten und abgeben. Die virtuellen Stationen könnten darüber hinaus sowohl in ihrem Radius als auch in der Kapazität der Fahrräder pro Station angepasst werden. Somit werde sichergestellt, dass BenutzerInnen ihr Fahrzeug an jeder beliebigen Stelle im Straßenzug abgeben können. Dies könne auch je nach Nachfrage geändert und angepasst werden.

Die Ausführungen sind für die Vergabekammer plausibel und nachvollziehbar. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin sich nach durchgeführter Aufklärung in ihrer Angebotswertung bestätigt gesehen und das Angebot der Beigeladenen als ausschreibungskonform und zuschlagsfähig bewertet hat.

Ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte hat die Antragsgegnerin das Angebot der Beigeladenen im Rahmen der Angebotsprüfung gemäß § 56 Abs. 1 VgV vollumfänglich geprüft und zudem gemäß § 15 Abs. 5 VgV aufgeklärt. Das Angebot der Beigeladenen erfüllt die streitgegenständlichen vorgenannten Anforderungen des Leistungsverzeichnisses bzw. der Leistungsbeschreibung vollumfänglich.

b. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Angebotsprüfung zu dem Ergebnis gelangt ist, dass das angebotene Konzept der Beigeladenen den Mindestanforderungen der Ausschreibung entspricht. Der Vortrag der Antragstellerin, dass die Antragsgegnerin die Mindestanforderungen gemäß Ziffer 1.3 des Leistungsverzeichnisses sowie gemäß Ziffer 4.7 des Leistungsverzeichnisses nicht erfülle, ist unbegründet.

Unter der lfd. Nr. 4.7 des Leistungsverzeichnisses wird gefordert:

"Die Fahrräder sind so mit der notwendigen Kommunikationstechnik auszustatten, dass während des Betriebes die Ortung, Betriebsdatenerfassung und auch der Datentransfer über die Radtechnik erfolgen."

Auch bezüglich dieser Rüge bat die Antragsgegnerin die Beigeladene mit Schreiben vom 02.06.2023 um Aufklärung. Dort heißt es:

"2. Darüber hinaus seien Ihre angebotenen Fahrräder nicht in der Lage die Mindestanforderung in Form des A-Kriteriums lfd. Nr. 4.7 der Anlage 2 - Leistungsverzeichnis zu erfüllen:

### Die Fahrräder sind so mit der notwendigen Kommunikationstechnik auszustatten, dass während des Betriebes die Ortung, Betriebsdatenerfassung und auch der Datentransfer über die Radtechnik erfolgen.### Bitte erläutern Sie, wie Sie diese Anforderung technisch Umsetzen und welche hierzu notwendigen Mittel die Radtechnik der von Ihnen angebotenen Räder beinhaltet."

Die Beigeladene hat auch diesbezüglich fristgerecht mit Schreiben vom 09.06.2023 im Rahmen des Aufklärungsersuchens der Antragsgegnerin erklärt und nachvollziehbar erläutert, dass das von ihr genutzte System die Bedingungen der Ausschreibung erfülle und das System vollflächig in der Lage ist, gesamte Straßenzüge oder auch ein gesamtes Gebiet abzudecken. Ferner erläuterte die Beigeladene die Kommunikationsvorgänge ihres Systems und die Ausstattung der von ihr angebotenen Fahrräder mit der dazu erforderlichen Kommunikationstechnik.

Daraufhin bat die Antragsgegnerin die Beigeladene mit dem Schreiben vom 02.06.2023 um ergänzende Aufklärung. Dort heißt es:

"Bzgl. der Frage 2 haben wir eine Nachfrage:

Auf Seite 4 Ihrer Ausführung haben Sie textlich und bildlich den Ablauf des Datentransfers über die Fahrradtechnologie hin zu Ihrem Backend-System beschrieben.

Gehen wir recht in der Annahme, dass die Bluetooth Verbindung über die Mobile App lediglich zur Bedienung des Schließsystems genutzt wird?"

Mit Antwortschreiben vom 15.06.2023 bestätigte die Beigeladene diese Annahme.

In der mündlichen Verhandlung hat die Beigeladene erläutert, dass die Kommunikation mit dem Backend auf zwei Wegen erfolgt. Zeitpunkt und Ort der Ausleihe und Übernahme des Rades werden beim Aufschließen vom intelligenten Schloss per Bluetooth über das ja zumindest in diesem Moment eingeschaltete Handy des Nutzers an das Backend der Beigeladenen gesendet. Dabei handelt es sich um von der Antragsgegnerin gewünschte Betriebsdaten. Genauso werden vom Schloss des Rades Ort und Zeitpunkt des Abschließens des Rades übermittelt. Unabhängig davon werden die GPS-Daten mittels eines am Rad befindlichen Trackers, der selbst unmittelbar mit 4G-Technik ausgestattet ist, an die Betriebssoftware und den Server der Beigeladenen gesendet. Dadurch ist die Beigeladene in der Lage, das Rad bei Bedarf auch unabhängig vom Handy des Nutzers zu orten. Die Frequenz resp. die Zeitabstände, in denen der GPS-Tracker die Standortdaten an den Server sendet, lassen sich laut Erklärung der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung frei konfigurieren.

Sowohl die Ortung als auch der Betriebsdatentransfer erfolgen somit unter Einsatz von Kommunikationstechnik (Schloss und GPS-Tracker), die am Fahrrad verbaut ist.

Die Antragsgegnerin durfte daher davon ausgehen, dass das Angebot der Beigeladenen auch das A-Kriterium gemäß lfd. Nr. 4.7 der Anlage 2 - Leistungsverzeichnis erfüllt.

Die Antragsgegnerin hat keinen Anlass, das Angebot der Beigeladenen gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV wegen vermeintlicher Änderungen an den Vergabeunterlagen von der Wertung auszuschließen.

c. Die Berücksichtigung des Angebotes der Beigeladenen verstößt auch nicht gegen § 60 Abs. 1 VgV. Die Antragsgegnerin hat die Angemessenheit des Angebotspreises geprüft und Prüfung und Ergebnis in einer den Anforderungen des § 8 VgV genügenden Weise in der Vergabeakte dokumentiert.

Nach § 60 VgV verlangt der öffentliche Auftraggeber vom Bieter Aufklärung, wenn der Preis oder die Kosten eines Angebotes im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig erscheinen. Als Aufgreifschwelle für die Frage, ob ein Angebot ungewöhnlich niedrig ist, hat die Rechtsprechung bei Dienstleistungs- und Lieferaufträgen eine Unterschreitung des zweitniedrigsten Angebotes um 20 % vorbehaltlich einer Prüfung des Einzelfalles vorgesehen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 02.08.2017 - VII Verg 17/17).

Die vorgenannte Aufgreifschwelle ist vorliegend überschritten. Eine Aufklärung durch den Auftraggeber hat stattgefunden. Die Antragsgegnerin ist damit ihrer Pflicht aus § 60 Abs. 1 VgV nachgekommen.

Auch diesbezüglich bat die Antragsgegnerin die Beigeladene mit dem Schreiben vom 02.06.2023 um Aufklärung. Dort heißt es:

"Zuletzt bitten wir Sie noch um Aufklärung des Angebotspreises bzgl. dessen Auskömmlichkeit. Bitte erläutern Sie die Ihrem Angebot zugrunde liegende Preiskalkulation, insbesondere im Kontext der angebotenen Leistung."

Mit als "Vertrauliches Dokument" gekennzeichnetem Antwortschreiben vom 09.06.2023 erläuterte die Beigeladene daraufhin ihre Kalkulation. Eine ergänzende Nachfrage vom 13.06.2023 beantwortete die Beigeladene mit Schreiben vom 15.06.2023. Die Beigeladene hat im Rahmen ihrer Antworten sowohl die Auskömmlichkeit des Gesamtpreises als auch der Kalkulation insgesamt erläutert.

Die Antragsgegnerin hat auf dieser Grundlage die Angemessenheit des von der Beigeladenen angebotenen Preises geprüft und Prüfung und Ergebnis im Vergabevermerk vom 29.06.2023 (dort unter Nr. 16 Aufklärung, Seite 13). Sie ist zu dem Ergebnis gelangt, dass kalkulatorische Basis und die durch die Beigeladene dargelegte Kalkulation insgesamt eine ordnungsgemäße Leistungserfüllung durch die Beigeladene sicherstellt. Damit sei das Angebot der Beigeladenen als angemessen anzusehen und eine ordnungsgemäße Leistungserbringung zu erwarten.

Die Prüfung des von der Beigeladenen angebotenen Preises gemäß § 60 VgV ist nicht zu beanstanden. Ein Ausschluss des Angebots der Beigeladenen wäre daher auch diesbezüglich nicht gerechtfertigt.

Der Nachprüfungsantrag war daher als unbegründet zurückzuweisen.

III. Kosten

Die Kostenentscheidung folgt aus § 182 GWB. Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 €, die Höchstgebühr 50.000 € und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 €.

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung aus Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 € (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 € zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 € (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. € (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 - 1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.

Der zugrunde zu legende Gegenstandswertwert beträgt xxxxxx € (brutto). Dieser Betrag entspricht der von der Antragsgegnerin geprüften Gesamtsumme des Angebotes der Antragstellerin inkl. Umsatzsteuer (Vergabevermerk vom 29.06.2023, Nr. 13 Angebotsauswertung, Seite 10) und damit ihrem Interesse am Auftrag.

Bei einer Gesamtsumme von xxxxxx € ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx €. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein.

Die in Ziffer 3 des Tenors verfügte Kostentragungspflicht folgt aus § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag keinen Erfolg hatte.

Aufwendungen der Antragsgegnerin:

Gemäß Ziffer 4 des Tenors hat die Antragstellerin der Antragsgegnerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen gemäß § 182 Abs. 4 GWB zu erstatten. Die Hinzuziehung einer Rechtsanwaltskanzlei war erforderlich. Die anwaltliche Vertretung des Auftraggebers im Nachprüfungsverfahren gehört nicht grundsätzlich zu den notwendigen Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung. Grundsätzlich ist der Auftraggeber gehalten, im Rahmen seiner Möglichkeiten vorhandenes juristisch geschultes Personal auch im Nachprüfungsverfahren einzusetzen. Daher kann die Vergabekammer die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Antragsgegnerin regelmäßig nicht als notwendig ansehen.

Das vorliegende Nachprüfungsverfahren betrifft jedoch rechtlich wie tatsächlich komplexe und anspruchsvolle Fragestellungen. Die verfahrensbevollmächtigte Kanzlei xxxxxx war von der Antragsgegnerin bereits mit der Vorbereitung und Durchführung der vorliegenden europaweiten Ausschreibung beauftragt worden. Es erscheint zur Abarbeitung des Nachprüfungsverfahrens daher angemessen, das anhand der regelmäßigen Linienarbeit bemessene Personal dann auch für das Nachprüfungsverfahren anwaltlich zu verstärken. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war daher für die Antragsgegnerin insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit in diesem Fall als notwendig anzuerkennen (vgl. VK Niedersachsen, Beschluss vom 31.01.2012 - VgK-58/2011; Beschluss vom 18.09.2012 - VgK36/2012).

Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses die Gebühr in Höhe von xxxxxx € unter Angabe des Kassenzeichens

xxxxxx

auf folgendes Konto zu überweisen:

xxxxxx

IV. Rechtsbehelf

..

Gause
Tarnowski
Magill