Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 22.08.2023, Az.: VgK-22/2023
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 22.08.2023
- Aktenzeichen
- VgK-22/2023
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2023, 45833
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
In dem Nachprüfungsverfahren
der xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragstellerin -
gegen
die xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragsgegnerin -
beigeladen:
xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Beigeladene -
wegen
Neubau der Grundschule xxxxxx - Generalunternehmer
hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden RD Gaus, die hauptamtliche Beisitzerin Dipl.-Ökonomin Tarnowski und den ehrenamtlichen Beisitzer BD Ruthemann im schriftlichen Verfahren nach Aktenlage beschlossen:
Tenor:
Begründung
Mit Schreiben vom 11.07.2023 teilte die Antragsgegnerin mit, dass sie den Rügen nicht abhelfe. Auf weitergehende Informationen zur Wertung des für den Zuschlag vorgesehenen Angebots sowie zum preislichen Submissionsergebnis bestehe kein Anspruch, und in dem Informationsschreiben seien alle erforderlichen Informationen enthalten. Aus dem Inhalt der Vorabinformation ergebe sich eindeutig, dass ausschlaggebend für die Nichtberücksichtigung des Angebots alleine der höhere Angebotspreis war. Es hätten nicht mehrere Gründe gleichrangig zur Angebotsablehnung geführt und die Vergabeentscheidung beruhe "erkennbar" nicht auf der Wertung des Zuschlagskriteriums 2.
Die Rüge werde hinsichtlich des weitergehenden Vorwurfs der willkürlichen Bewertung ins Blaue hinein erhoben, ohne dass Anknüpfungstatsachen im konkreten Wertungsvorgang ersichtlich seien.
Mit Schutzschrift vom 12.07.2023 beantragt die Antragsgegnerin, einen etwaigen Nachprüfungsantrag wegen angeblicher Intransparenz des Wertungsergebnisses als offensichtlich unzulässig, jedenfalls aber als offensichtlich unbegründet einzustufen und nicht zu übermitteln. Die mutmaßliche Antragstellerin habe mit anwaltlichem Schreiben vom 05.07.2023 den Inhalt der Vorabinformation und das Wertungsergebnis rügen lassen. Sie habe darin zusammengefasst vortragen lassen, dass ihr im Rahmen der Vorabinformation auch die Umstände offengelegt werden müssen, die für die Wertung des Angebots der Beizuladenden im Zuschlagskriterium "Organisation und Qualifikation der Projektleitung" tragend gewesen seien. Zudem hätte das preisliche Submissionsergebnis mitgeteilt werden müssen. Da diese Informationen gefehlt hätten, sei die Angebotswertung intransparent und rechtswidrig.
Der Rüge fehle es an Substantiiertheit. Es seien lediglich redundante Informationsansprüche geltend gemacht worden, die mit der Vorabinformation längst erfüllt worden seien. Die Rügen seien ins Blaue hinein erhoben worden und somit offensichtlich unzulässig.
Soweit die Antragstellerin fordere, auch Informationen zur Wertung der Beigeladenen zu erhalten, sei dies unbegründet. Die Vorabinformation habe den Namen des für den Zuschlag vorgesehenen Unternehmens, das früheste Zuschlagsdatum sowie die Gründe für die Nichtberücksichtigung des Angebots enthalten. Zudem sei eine Mitteilung des Submissionsergebnisses nur bei offenen und nicht offenen Verfahren vorgesehen, nicht aber im Verhandlungsverfahren. Insoweit sei der Vorwurf der mutmaßlichen Antragstellerin, die Vorabinformation und Angebotswertung sei intransparent, offensichtlich unbegründet. Auch der Rüge mangele es an der substantiierten Darlegung von Anknüpfungstatsachen.
Daraufhin reichte die Antragstellerin am 12.07.2023 einen Nachprüfungsantrag ein. Der Antrag sei zulässig und begründet. Die Entscheidung der Antragsgegnerin, das Angebot des konkurrierenden Bieters zur Bezuschlagung vorzusehen, sei vergaberechtswidrig und verletze die Antragstellerin in ihren Rechten. Die Rechtsverletzung beruhe dabei vor allem auf der fehlenden Transparenz der Vergabeentscheidung. Das intransparente Vorgehen der Antragsgegnerin stelle eine unzulässige Wettbewerbsverzerrung dar.
Es würden der Antragstellerin wesentliche Informationen der Vergabeentscheidung vorenthalten. Auch wenn aus den mitgeteilten Umständen und den zwingenden mathematischen Prämissen der Zuschlagskriterien darauf geschlossen werden könne, dass der preislich günstigste Bieter ein Angebot in Höhe von ca. xxxxxx € abgegeben haben müsse, würde wegen der fehlenden Information über das Submissionsergebnis die zutreffende Berechnung der Punktwerte bestritten. Eine Rüge über die Preiswertung würde sie sich daher vorbehalten.
Sollte ein Angebot in der angenommenen Höhe abgegeben worden sein, würde sich daraus, bei einer Gesamtbewertung von 920 Punkten ergeben, dass das Angebot des konkurrierenden Bieters beim Zuschlagskriterium "Organisation und Qualifikation der Projektleitung" einen Punktwert von 120 Punkten erreicht hätte. Die Richtigkeit einer solchen Wertung müsse mangels Darlegung der tragenden Gründe und Gegenüberstellung der Angebotsinhalte einstweilen bestritten werden.
Das Zuschlagskriterium 2 erfordere, dass die Angebote im Verhältnis zueinander bewertet würden. Ein konkurrierendes Angebot könne nur dann 120 Punkte erreichen, wenn es lediglich in geringem Umfang vom Angebot der Antragstellerin abweiche. Die wesentlichen Erwägungen müssten dabei dokumentiert sein. Hier sei die Einhaltung der Transparenzanforderungen in hohem Maße zweifelhaft, da die Antragsgegnerin nicht willens oder nicht in der Lage sei, die erforderliche Transparenz durch Übermittlung der tragenden Gründe der Wertung herzustellen. Das Informationsinteresse der Antragstellerin erstrecke sich dabei bei einer vergleichenden Bewertung auch auf die Bewertung der Konkurrenten und einem entsprechenden Umfang an Akteneinsicht.
Da die Antragsgegnerin den Transparenzanforderungen an das Verfahren nicht nachgekommen sei, liege auch keine Rüge "ins Blaue hinein" vor.
Die in der Bieterinformation mitgeteilten Informationen seien im Hinblick auf die Nichtberücksichtigung des Angebotes der Antragstellerin unzureichend und somit vergaberechtswidrig.
Bei der hier durchgeführten vergleichenden Bewertung erstrecke sich der Informationsbedarf auch auf die Bewertung der Konkurrenzangebote, da die Nichtberücksichtigung auch aus den Merkmalen des Konkurrenzangebotes folge. Die Mitteilung, dass der Preis ausschlaggebend gewesen sei, sei erkennbar vergaberechtswidrig, wenn die mitgeteilte Vergabeentscheidung erkennbar auf dem Ergebnis der Wertung des Zuschlagskriteriums "Organisation und Qualifikation der Projektleitung" beruhe. Die notwendige Verfahrenstransparenz müsse daher über die Gegenüberstellung der bekannt gemachten Unterkriterien hergestellt werden und darlegen, worin die lediglich "geringe negative Abweichung" liege. Eine Abweichung oder Nichtberücksichtigung von zuvor festgelegten (Unter-)Kriterien, etwa durch Angabe bloßer Gesamtergebnisse unter Verzicht auf eine detaillierte Aufschlüsselung, sei vergaberechtswidrig. Zudem mangele es an einer Dokumentation der tragenden Gründe der Ermessensentscheidung im Vergabevermerk.
Auf die ersuchte Akteneinsicht sei die Antragstellerin angesichts ihrer rudimentären Erkenntnislage über die Einzelheiten des Verfahrens zur Wahrnehmung ihrer Rechtsschutzinteressen und weiteren Fundierung bzw. Verifizierung ihrer Vorhaltungen zwingend angewiesen.
Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin sei aufgrund der rechtlichen und sachlichen Komplexität geboten.
Mit Schreiben vom 24.07.2023 trägt die Antragstellerin ergänzend vor, dass die grundsätzliche Eignung des zum Zuschlag anstehenden Konkurrenten nicht bestritten werde. Es komme nach den Wettbewerbsbedingungen auch nicht darauf an, ob die Bieter grundsätzlich geeignet seien, sondern allein auf die Qualität des eingereichten Konzepts. Dafür sei die Festlegung einer vergleichenden Bewertungsmethode zwar grundsätzlich zulässig, dies führe jedoch bei der Bewertung zu einer gesteigerten Dokumentationspflicht.
Vorliegend sei unstreitig, dass die Vergabestelle der Antragstellerin keinerlei Informationen zur Wertung der qualitativen Kriterien übermittelt habe. Einem Bieter stehe effektiver Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Vergabestelle zu, der im Ergebnis auch nicht aus Geheimnisschutzgründen ausgehöhlt werden dürfe. Die Einhaltung der Dokumentations- und Transparenzpflichten der Vergabestelle im Sinne des verfassungsrechtlichen Justizgewährsanspruches müsste auch, jedenfalls durch die Vergabekammer von Amts wegen, überprüft werden können. Dabei sei allgemein anerkannt, dass die Vergabekammern entsprechend schwere Verstöße auch von Amts wegen aufgreifen dürfen.
Auffallend sei vorliegend, dass die Bewertung des eingereichten Konkurrenzkonzepts genau ausreiche, um, zusammen mit dem Preisunterschied, den Vorsprung der Antragstellerin aufzuheben und die Antragsgegnerin sich genau zu denjenigen Punkten ausschweige, die für das vorliegende Verfahren relevant seien.
Entweder sei bereits die fehlende Informationsübermittlung als Verstoß gegen das Vergaberecht angreifbar und müsse zur Zulässigkeit des Antrages und zur Gewährung der Akteneinsicht führen, oder aber es muss für die entsprechende Prüfung durch die Vergabekammer genügen, dass die Antragstellerin den Verdacht unzureichender Bewertung und Anwendung sachfremder Erwägungen gerügt habe.
Die Antragstellerin beantragt:
- 1.
Ein Nachprüfungsverfahren gemäß § 160 Abs.1 GWB wegen Verstoßes gegen Vergabevorschriften bei der Ausschreibung der Antragsgegnerin zur Vergabe des Auftrags "Neubau der Grundschule ... - Generalunternehmer" wird eingeleitet.
- 2.
Der Antragsgegnerin wird untersagt, das Vergabeverfahren durch Zuschlagserteilung abzuschließen.
- 3.
Der Antragstellerin wird Einsicht in die Vergabeakten gewährt.
- 4.
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, die Angebotswertung unter Beachtung der Vorgaben der Vergabekammer neu vorzunehmen.
- 5.
Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin wird für notwendig erklärt, und
- 6.
der Antragsgegnerin werden die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin auferlegt.
Die Antragsgegnerin beantragt,
- 1.
den Nachprüfungsantrag als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen;
- 2.
der Antragstellerin die Akteneinsicht in die Vergabeakte zu versagen;
- 3.
der Antragstellerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Aufwendungen der Antragsgegnerin aufzuerlegen;
- 4.
die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der Antragsgegnerin für notwendig zu erklären;
- 5.
soweit vorgesehen, die Gewährung von Akteneinsicht durch rechtsmittelfähigen Zwischenbescheid zu entscheiden.
Der Nachprüfungsantrag sei unzulässig, weil er unsubstantiiert sei und der Antragstellerin das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Wegen der Unzulässigkeit bestehe auch kein Recht auf Akteneinsicht.
Die Antragstellerin sei ihrer Rügeobliegenheit nicht nachgekommen. Die Rüge vom 03.07.2023 erfülle nicht die Anforderungen an eine ordnungsgemäße vergaberechtliche Rüge, da die Antragstellerin hierin ausnahmslos Behauptungen ins Blaue hinein aufstelle, die nicht mit Tatsachenvortrag hinterlegt seien. Nach ständiger Rechtsprechung müssten zumindest tatsächliche Anhaltspunkte oder Indizien vorgetragen werden, die einen hinreichenden Verdacht auf einen bestimmten Vergaberechtsverstoß begründen. Zudem müsse der Rügende eine Überprüfung ermöglichen, woher seine Erkenntnisse stammen. Daran würde es dem Schreiben vom 03.07.2023 jedoch vollkommen fehlen.
Sowohl Rüge als auch Nachprüfungsantrag würden alleine das Ziel verfolgen, Akteneinsicht in die Vergabeakte zu erlangen bzw. die Vergabekammer zu veranlassen, eine objektive, vollständige Überprüfung des Verfahrens durchzuführen. Für ein solches Vorgehen bestehe allerdings kein Rechtsschutzbedürfnis, denn es würde im Ergebnis der Weg zu Amtsverfahren eröffnet.
Der Nachprüfungsantrag sei unbegründet, da die vorgetragenen Defizite der Vorabinformation nicht bestehen würden. Die behauptete Intransparenz und Rechtswidrigkeit der Wertung werde alleine auf das Fehlen von Informationen bzgl. des Wertungsvorgangs gegründet, auf die die Antragstellerin keinen Anspruch habe.
Hinsichtlich der Nichtberücksichtigung von deren Angebot sei es nicht auf die Wertung des Zuschlagskriteriums 2 angekommen. Vielmehr sei allein der höhere Angebotspreis ausschlaggebend (Zuschlagskriterium 1). Im Zuschlagskriterium 2 habe die Antragstellerin hingegen die Maximalpunktzahl erhalten. Im Rahmen der Vorabinformation seien gemäß § 134 Abs. 1 GWB der Name des Zuschlagsprätendenten, das früheste Zuschlagsdatum und die Gründe für die Nichtberücksichtigung des Angebots aufgeführt worden. Ein Anspruch auf weitergehende Informationen bestehe nicht. Da das Wertungskriterium 2 nicht ausschlaggebend für die Nichtberücksichtigung gewesen sei, bestehe auch hierzu auf eine Mitteilung der tragenden Erwägungen der Antragsgegnerin kein Anspruch. Denn die Antragstellerin habe das qualitativ beste Angebot abgegeben.
Zudem bestehe in einem Verhandlungsverfahren auch kein Anspruch auf eine Mitteilung über das Submissionsergebnis.
Die von der Antragstellerin erhobenen Vorwürfe der mangelnden Transparenz und Rechtswidrigkeit der Angebotswertung würden sich alleine auf eine unzutreffende Auslegung des § 134 Abs. 1 GWB stützen. Dabei bleibe offen, in welchem subjektiven Recht die Antragstellerin beeinträchtigt sei, denn ihre Zuschlagaussichten würden sich auch bei einer "Verbesserung" der Transparenz nicht erhöhen.
Da die Antragsgegnerin nicht über eigene Juristen verfüge, die mit dem Vergaberecht speziell befasst sind und Erfahrungen mit Nachprüfungsverfahren hätten, sei die Hinzuziehung der Bevollmächtigten daher und aus Gründen der "Waffengleichheit" für die Antragsgegnerin erforderlich gewesen.
Die Beigeladene beantragt:
- 1.
Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin vom 12.07.2023 wird als unzulässig verworfen, hilfsweise zurückgewiesen.
- 2.
Die Hinzuziehung ihrer Verfahrensbevollmächtigten war für die Beigeladene notwendig.
Zur Begründung beziehe sich die Beigeladene auf die Schutzschrift der Antragsgegnerin vom 12.07.2023, die Antragserwiderung vom 20.07.2023 und die zutreffenden Hinweise in der Verfügung der Vergabekammer vom 13.07.2023. Die Beigeladene unterstütze diese Argumentation und mache sie sich zu eigen.
Der Antragstellerin sei keine Akteneinsicht zu gewähren, da der "ins Blaue hinein" gestellte Nachprüfungsantrag offensichtlich unbegründet sei.
Da die Beigeladene nicht über eine eigene Rechtsabteilung verfügt, sei die Hinzuziehung ihrer Bevollmächtigten in diesem spezialisierten Verfahren notwendig gewesen.
Mit Verfügung vom 10.08.2023 hat die Vergabekammer die Frist für die abschließende Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren über die gesetzliche 5-Wochen-Frist hinaus bis zum 30.08.2023 verlängert.
Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Vergabeakte Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig, weil die Antragstellerin keinen Sachverhalt vorgetragen hat, mit dem die Antragsgegnerin eine Verletzung ihrer Rechte nach § 97 Abs. 6 GWB begangen haben soll. Ihr fehlt daher die Antragsbefugnis. Das gesetzliche Leitbild des Nachprüfungsverfahrens geht davon aus, dass die zumindest mutmaßliche Kenntnis eines konkreten Vergabefehlers des öffentlichen Auftraggebers zum Nachprüfungsantrag führt, nicht umgekehrt. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass schon eine abstrakte Behauptung der Verletzung des Transparenzgrundsatzes mit einer rein rechtlichen Darstellung den Zugang zum Nachprüfungsverfahren und zur Akteneinsicht öffnet, so wären die §§ 134 GWB und 165 GWB anders formuliert worden.
Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig. Daher entscheidet die Vergabekammer gemäß § 166 Abs. 1 Satz 2 GWB nicht aufgrund einer mündlichen Verhandlung, sondern nach Lage der Akten im schriftlichen Verfahren.
Bei der Antragsgegnerin als Gemeinde handelt es sich um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 99 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 106 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer die jeweiligen Schwellenwerte erreicht oder überschreitet, die nach den EU-Richtlinien festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich nach Ziffer II.1.1 der Bekanntmachung um einen Neubau als Generalunternehmerleistung und damit im Schwerpunkt um einen Bauauftrag i. S. d. § 103 Abs. 3 GWB, für den gemäß § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB i. V. m. Art. 4 der Richtlinie 2014/24/EU in der seit 01.01.2022 geltenden Fassung zum Zeitpunkt der Bekanntmachung am 16.11.2022 ein Schwellenwert von 5.382.000 € gilt. Dieser Schwellenwert wird angesichts der vorliegenden Angebote deutlich überschritten.
Der Antragstellerin fehlt die Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB. Das antragstellende Unternehmen muss für die Antragsbefugnis einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegen, also diejenigen Umstände aufzeigen, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Beck VergabeR/Horn/Hofmann, 4. Aufl. 2022, GWB § 160, Rn. 23). Nach herrschender Meinung und Rechtsprechung sind an diese Voraussetzungen keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt, wenn der Bieter schlüssig einen durch die behauptete Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet, also darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können (BVerfG, Urteil vom 29.07.2004 - 2 BvR 2248/04; Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, GWB § 160, Rn. 43; vgl. Beck VergabeR/Horn/Hofmann, 4. Aufl. 2022, GWB § 160, Rn. 34). Ob tatsächlich der vom Bieter behauptete Schaden droht, ist eine Frage der Begründetheit (vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2006 - X ZB 14/06, zitiert nach VERIS).
Die Darstellung der Antragstellerin zur Wertung des Preises ist offenkundig falsch, die Darstellung zur Wertung der Qualität unsubstantiiert.
1. Die Vergabekammer hat die Wertung des Preises unter Verwendung der Formel aus Ziffer 1 der Anlage A02 Teil A der Verfahrensbedingungen nachvollzogen. Mit den in der Vergabeakte dokumentierten finalen Preisen der Antragstellerin und der Beigeladenen ergibt sich für die Antragstellerin eine Bewertung mit 716,11 Punkten, weil gemäß Ziffer 1 der Anlage A02 die Gesamtpunktzahl im Bedarfsfall auf zwei Nachkommastellen kaufmännisch gerundet werden soll. Das ist auch im Vergabevermerk so festgehalten worden. Insofern ist die Darstellung in der Bieterinformation möglicherweise ungenau, die Wertung aber richtig.
Der von der Antragstellerin behauptete angebliche Preis der Beigeladenen lässt sich mit der Anwendung der bekannt gegebenen Wertungsformel nicht herleiten. Der tatsächliche Preis des Angebots der Beigeladenen weicht erheblich von dem von der Antragstellerin behaupteten Preis der Beigeladenen ab. Falls der Rechenfehler auf einer Verschleierung des eigenen Preises beruhen sollte, hätte sich gegenüber der Vergabekammer die übliche Deklaration des Preises als Geschäftsgeheimnis angeboten. Überdies müsste der anwaltlich vertretenen Antragstellerin bekannt sein, dass der Angebotspreis des Antragstellers bei der Kostenentscheidung regelmäßig offengelegt wird, sofern die Verfahrensbeteiligten nicht zuvor wegen einer absehbar erforderlichen Wiederholung der Vergabe um Geheimhaltung bitten (so geschehen, VK Niedersachsen, Beschluss vom 23.06.2021, VgK-19/2021, = IBRRS 2021, 2591).So wie vorgetragen ist der Preis für die Vergabekammer nicht erklärlich, weil wie die Antragstellerin zutreffend andeutet, der niedrigste Preis aus der eigenen Punktzahl mit einer Dreisatzrechnung oder Zielwertbestimmung abgeleitet werden kann.
Die Annahme der Antragstellerin, sie habe einen Anspruch auf Mitteilung des Preises der Beigeladenden, ist nicht überzeugend, weil in § 3a EU Abs. 2 VOB/A das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb vom offenen und nichtoffenen Verfahren in § 3a EU Abs. 1 VOB/A abgegrenzt wird. Der Auskunftsanspruch aus § 14 EU Abs. 6 VOB/A bezieht sich nur auf das offene und nichtoffene Verfahren.
2. Die Darstellung der Antragstellerin zur qualitativen Wertung ist unsubstantiiert. Die Antragstellerin meint ohne Sachverhaltselemente und nur mit der Floskel "bezweifeln wir ernsthaft", dass das konkurrierende Angebot in der qualitativen Wertung mehr als "in geringem Umfang" von Angebot der Antragstellerin abweiche. Die Abweichung habe größer sein müssen, es hätten nur weniger als 120 Punkte auf das Angebot der Beigeladenen gegeben werden dürfen.
Die Antragstellerin kann sich nicht gegen die qualitative Wertung des eigenen Angebotes wenden, weil sie hier die Höchstpunktzahl erhalten hat. Ob das Angebot der Beigeladenden tatsächlich zwei Stufen schlechter bewertet wurde, als das der Antragstellerin, ist bei einem unzulässigen Nachprüfungsantrag nicht offenzulegen. Sachverhaltsbezogene Anhaltspunkte, warum die Beigeladende nicht in der Lage gewesen sein soll, eine Projektleitung mit einer Organisation und Qualifikation wie vorgetragen zwei Stufen niedriger als die Antragstellerin vorzulegen, fehlen. Gerade hier wären Sachverhaltselemente unabdingbar gewesen, um einen prüffähigen Nachprüfungsantrag zu erhalten.
Die Antragstellerin zitiert zu ihrer Unterstützung eine Entscheidung des EuGH (Urteil vom 07.09.2021 - C-927/19, NZBau 2021, 799). Aus der Entscheidung wird deutlich, dass der Antragsteller jenes Verfahrens klar formulierte Sachverhalte gegen die Wertung des anderen Angebotes vorzutragen vermochte, die dann von den Nachprüfungsinstanzen zu würdigen waren. So wie hier vorgetragen, handelt es sich um einen Vortrag ins Blaue hinein.
Die Antragstellerin missversteht den Unterschied zwischen Eignung und Angebotswertung. Die Qualität des konkret für das Projekt vorgesehen Personals ist nicht nur Eignungskriterium nach § 46 VgV, sondern ist in der hier vorgesehenen Prüfung vor allem Zuschlagskriterium nach § 58 Abs. 2 Nr. 2 VgV.
Die Behauptung, die ihr nicht vorliegende Dokumentation der Antragsgegnerin erfülle nicht die Anforderungen, erfolgt gleichfalls ins Blaue hinein. Nach Prüfung des Vergabevermerks durch die Vergabekammer ist die Annahme auch fernliegend.
3. Ein Anspruch auf Akteneinsicht aus § 165 GWB zur Prüfung der Dokumentation (mit der immer realistischen Chance, auf neue Fehler zu stoßen) setzt nach OLG Düsseldorf, (Beschluss vom 29.03.2021, Verg 9/21) einen das Akteneinsichtsgesuch begründenden beachtlichen Sachvortrag voraus. Die Antragstellerin hätte in der Rüge zumindest etwas Konkretes zur Qualifikation des Personals der Beigeladenden vortragen müssen, damit der Nachprüfungsantrag über rein rechtliche Annahmen hinausgehend prüffähige Sachverhaltselemente enthält (vgl. VK Niedersachsen, Beschluss vom 26.10.2021, VgK-39/2021; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24.03.2021 - Verg 34/20).
Weil sie ihren eigenen Preis kennt und in der qualitativen Wertung die volle Punktzahl erreicht hat, möchte die Antragstellerin nicht nur die Dokumentation der eigenen Wertung sehen. Das wäre unproblematisch, aber nicht weiterführend. Sie möchte mit der Akteneinsicht Einblick in die Wertung der anderen Angebote, insbesondere in die Wertung der Beigeladenen erhalten.
Die Vergabekammer berücksichtigt die Leitlinien der Entscheidung des EuGH (EuGH, Urteil vom 07.09.2021 - C-927/19, Leitsatz 5, NZBau 2021, 799, Rn. 101) und des BGH (Beschluss vom 31.01.2017, XZB 10/16, Rn. 44). Der EuGH hat darauf hingewiesen, dass:
"Art. 21 in Verbindung mit dem 51. Erwägungsgrund der RL 2014/24 vorsieht, dass der öffentliche Auftraggeber grundsätzlich keine ihm von den Wirtschaftsteilnehmern übermittelten und von diesen als vertraulich eingestuften Informationen weitergibt und dass er Wirtschaftsteilnehmern Anforderungen vorschreiben kann, die den Schutz der Vertraulichkeit von Informationen bezwecken, die diese Auftraggeber im Rahmen des Vergabeverfahrens zur Verfügung stellen."
Das schließt einen Anspruch auf Einsicht in die Wertung fremder Angebote aus.
Der BGH hat bei Geheimhaltung von einem Zwischenverfahren "in camera" gesprochen. Die Vergabekammer hat, nicht weil der unzulässige Nachprüfungsantrag das rechtlich erfordert, sondern zur Verfahrensbefriedung die Dokumentation der qualitativen Wertung im "in camera"-Verfahren geprüft. Der Prüfungsmaßstab der Vergabekammer beschränkt sich gemäß § 168 Abs. 1 GWB auf eine reine Rechtskontrolle. Die Vergabekammer ist nicht die Fachaufsicht der Vergabestelle. Sie hat nicht die Aufgabe, das Handeln der Vergabestelle vollumfänglich auf Rechtmäßigkeit oder Zweckmäßigkeit zu überprüfen. Vielmehr hat die Vergabekammer darauf zu achten, nicht in die Entscheidungsspielräume (Beurteilungsbzw. Ermessensspielräume) des Auftraggebers einzugreifen. Das Ermessen des Auftraggebers ist von den Vergabenachprüfungsinstanzen nur eingeschränkt dahin überprüfbar, ob er es überhaupt ausgeübt hat, ob er das vorgeschriebene Verfahren eingehalten hat, von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist und keine sachwidrigen Erwägungen in die Wertung hat einfließen lassen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2021 - Verg 22/20). Die Vergabeentscheidung soll unvoreingenommen und transparent erfolgen, also unter Anwendung der vom Auftraggeber transparent gesetzten Anforderungen in einer nachträglich aus der Dokumentation nachvollziehbaren Art und Weise. Hier ist kein Verstoß gegen diese Grundsätze erkennbar.
Die qualitative Wertung findet sich im Vergabevermerk ab Seite 11. Die Antragsgegnerin hat jedes der sieben Unterkriterien mit 28,57 % gewichtet. Sie hat für jedes inhaltlich vollständig beantwortete Kriterium 28,57 Punkte vergeben. In den Fällen, in denen weniger Angaben gemacht wurden, hat sie prozentuale Abzüge vorgenommen. Fehlten zu einem Unterkriterium Angaben völlig, so erhielt der jeweilige Bieter hier keine Punkte. Das ist unproblematisch (vgl. Wiedemann in: Röwekamp/Kus/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VgV, 2. Auflage, § 58, Rn. 44). Die Antragsgegnerin hat sowohl für die Vergabe der vollen Punkte als auch für die Abzüge jeweils eine kurze individuelle Begründung gegeben. Die Begründungen lassen erkennen, dass die Abzüge bei jedem geprüften Angebot nach den gleichen Kriterien erfolgten. Abzüge in dem bei der Wertung des Angebots der Beigeladenen vorgenommenen Maß finden sich auch bei anderen Angeboten.
Die Abzüge für das Angebot der Beigeladenen erscheinen gut vertretbar und sachgerecht. Ausgehend von der Wertung hätte das Angebot der Beigeladenen rechnerisch etwas mehr als die vergebenen Punkte erhalten müssen. Aufgrund der vorgegebenen Wertungsstufen in Ziffer 2 der Anlage A02 Teil A der Verfahrensbedingungen erfolgte eine Wertung des Angebots der Beigeladenen nur mit einem Wert gemäß den dort angegebenen Punkten. Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz zulasten der Antragstellerin und zugunsten der Beigeladenen sind nicht erkennbar. Die Wertung erscheint nachvollziehbar, also transparent.
Weitere Anspruchsgrundlagen für den angeblichen Anspruch auf Akteneinsicht hat die Antragstellerin nicht benannt. Vorsorglich weist die Vergabekammer darauf hin, dass der niedersächsische Gesetzgeber bewusst davon abgesehen hat, ein Informationsfreiheitsgesetz zu erlassen. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass schon eine abstrakte Behauptung der Verletzung des Transparenzgrundsatzes mit einer rein rechtlichen Darstellung den Zugang zum Nachprüfungsverfahren und zur Akteneinsicht öffnet, so wären die §§ 134 GWB und 165 GWB anders (vgl. §§ 1, 5, 8 Informationsfreiheitsgesetz des Bundes) formuliert worden. Da die etwaige Regelungslücke nicht planwidrig ist, kommt die analoge Anwendung eines anderen Gesetzes mit gleicher Zielsetzung nicht in Betracht. Im Übrigen wird auf die Kommentierung in Röwekamp/Kus/ Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, § 165, Rn. 16 ff., verwiesen.
4. Eine angeblich unzureichende Bieterinformation führt nicht zum erfolgreichen Nachprüfungsantrag. § 134 GWB schafft nur die Gelegenheit für den Primärrechtsschutz des Bieters gegen eine nachteilige Vergabeentscheidung (vgl. OLG München, Beschluss vom 12.05.2011 - Verg 26/10 = NZBau 2011, 630 ff., 634; VK Niedersachsen, Beschluss vom 22.08.2022, VgK-15/2022). Dieses Ziel ist bereits mit Vorliegen des Nachprüfungsantrags inhaltlich erschöpft. Es bedarf für einen erfolgreichen Nachprüfungsantrag zusätzlich einer konkret dargestellten Rechtsverletzung. Daran fehlt es hier.
Der Nachprüfungsantrag ist somit trotz rechtzeitiger Rüge unzulässig.
III. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 182 GWB.
Die in Ziffer 3 des Tenors festgesetzte Gebühr ergibt sich aus einer Interpolation des Auftragswertes innerhalb des Gebührenrahmens nach § 182 Abs. 2 GWB. Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 €, die Höchstgebühr 50.000 € und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 €.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 € (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 € zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 € (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. € (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 - 1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.
Der zugrunde zu legende Auftragswert beträgt nach dem Angebot der Antragstellerin xxxxxx € brutto. Dieser Betrag entspricht dem Interesse der Antragstellerin am Auftrag.
Bei einer Ausschreibungssumme von xxxxxx € brutto ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx €. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Hier konnte die Vergabekammer auf Akteneinsicht und eine mündliche Verhandlung verzichten, daher ermäßigt sich die Gebühr auf 3/4 mithin xxxxxx €. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmungen in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.
Die in Ziffer 4 des Tenors verfügte Kostenlast folgt aus § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Der Begriff der Kosten umfasst die Gebühren und die Auslagen der Vergabekammer. Für die Ermittlung des Unterliegens ist nicht auf einen etwaigen Antrag abzustellen. Gemäß § 168 Abs. 1 Satz 2 GWB ist die Vergabekammer an Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken. Da die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist, hat sie die Kosten zu tragen.
Gemäß Ziffer 5 des Tenors hat die Antragstellerin der Auftraggeberin als Antragsgegnerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen gemäß § 182 Abs. 4 GWB zu erstatten.
Die anwaltliche Vertretung der Auftraggeberin im Nachprüfungsverfahren gehört nicht grundsätzlich zu den notwendigen Aufwendungen der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung. Grundsätzlich ist der Auftraggeber gehalten, im Rahmen seiner Möglichkeiten vorhandenes juristisch geschultes Personal auch im Nachprüfungsverfahren einzusetzen. Auftragsbezogene Rechtsfragen aus dem Bereich der VgV oder EU-VOB/A wird regelmäßig das mit der Vergabe betraute Personal sachkundig beantworten können. Daher wird die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes regelmäßig nicht notwendig sein, wenn der öffentliche Auftraggeber in einer ex ante zu Beginn eines Nachprüfungsverfahrens (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 30.07.2013 - 11 Verg 7/13) zu erstellenden Prognose zu dem Ergebnis gelangt, dass auftragsbezogene Fragen Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens sein werden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.01.2011, Verg 60/10; OLG Celle, Beschluss vom 09.02.2011, 13 Verg 17/10; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.06.2010, 15 Verg 4/10; OLG München, Beschluss vom 11.06.2008, Verg 6/08, und vom 28.02.2011, Verg 23/10; OLG Dresden, Beschluss vom 14.11.2012 - Verg 8/11). Andererseits ist das Vergaberecht eine komplexe Rechtsmaterie mit Vorschriften aus sowohl nationalem Recht als auch dem Europarecht, die nicht immer im Gleichklang stehen. Soweit der Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens daher hauptsächlich rechtliche Probleme des GWB umfasst, ist im Einzelfall die anwaltliche Vertretung des Antragsgegners durchaus angemessen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 20.10.2022 - Verg 1/22). Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war daher für die Antragsgegnerin, die keine eigenen Vergabejuristen vorhält, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit in diesem Einzelfall als notwendig anzuerkennen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 20.10.2022 - Verg 1/22; VK Niedersachsen, Beschluss vom 31.01.2012, VgK-58/2011; Beschluss vom 18.09.2012, VgK-36/2012).
Gemäß Ziffer 6 des Tenors hat die Antragstellerin der Beigeladenen die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen gemäß § 182 Abs. 4 Satz 2 GWB zu erstatten. Aufwendungen des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn die Vergabekammer sie aus Billigkeitsgründen der unterlegenen Partei auferlegt. Dabei setzt die Erstattungsfähigkeit voraus, dass der Beigeladene sich mit demselben Rechtsschutzziel wie der obsiegende Verfahrensbeteiligte aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligt hat (OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.02.2010 - Verg W 10/09, zitiert nach juris Tz. 46; OLG Celle, Beschluss vom 29.06.2010, 13 Verg 4/10, zit. nach ibr-online) Die aktive Beteiligung sah die Rechtsprechung (BGH NZBau 2001, 151 [BGH 19.12.2000 - X ZB 14/00]) ursprünglich erst dann als gegeben an, wenn der Beigeladene sich - entsprechend § 154 Abs. 3 VwGO - umgekehrt auch selbst einem Kostenrisiko ausgesetzt hatte, indem er selbst eigene Sachanträge gestellt hatte. Inzwischen muss lediglich eine dem Beitritt eines Streithelfers der ZPO vergleichbare Unterstützungshandlung erkennbar sein, an Hand derer festzustellen ist, welches (Rechtsschutz-)Ziel eine Beigeladene in der Sache verfolgt (OLG Celle, Beschluss vom 27.08.2008 - 13 Verg 2/08). Ist eine solche nicht ersichtlich, handelt es sich bei den entstandenen Aufwendungen der Beigeladenen nicht um solche zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung (OLG Celle Beschluss vom 29.06.2010, 13 Verg 4/10, zit. nach ibr-online). Hat sich die Beigeladene in einen bewussten Interessengegensatz zu der unterlegenen Partei gestellt und sich dadurch aktiv am Verfahren beteiligt, dass sie eigene Anträge gestellt und diese begründet oder das Verfahren sonst wesentlich gefördert hat, entspricht die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen billigem Ermessen (vgl. Wiese in: Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, GWB, 5. Auflage, § 182, Rn. 45; OLG Celle Beschluss vom 12.01.2012, 13 Verg 9/11).
Hier hat die Beigeladene sich mit ihren Anträgen aktiv beteiligt und einem Kostenrisiko ausgesetzt. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im Nachprüfungsverfahren war gemäß § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i. V. m. § 80 Abs. 2 VwVfG für die Beigeladene antragsgemäß als notwendig anzuerkennen. Obwohl das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, ist wegen der Komplexität des Vergaberechts, des Verfahrensrechts im Nachprüfungsverfahren sowie der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltliche Beratung und Begleitung für die Beigeladene erforderlich.
Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag von xxxxxx € unter Angabe des Kassenzeichens
x x x x x x
auf folgendes Konto zu überweisen:
xxxxxx
IV. Rechtsbehelf
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