Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 01.03.2023, Az.: VgK-03/2023

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
01.03.2023
Aktenzeichen
VgK-03/2023
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 41390
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In dem Nachprüfungsverfahren
der xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragstellerin -
gegen
den xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragsgegner -
beigeladen:
xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Beigeladene -
wegen
"Ausschreibung von Entsorgungsleistungen", xxxxxx, Los 1,
hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden MR Gause, den hauptamtlichen Beisitzer Dipl.-Sozialwirt Tiede und die ehrenamtliche Beisitzerin M.A. Kehl auf die mündliche Verhandlung vom 21.02.2023 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten werden auf xxxxxx € festgesetzt.

  3. 3.

    Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

  4. 4.

    Die Antragstellerin hat dem Antragsgegner und der Beigeladenen die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten war sowohl für den Antragsgegner als auch die Beigeladene notwendig.

Begründung

I.

Der Antragsgegner hat mit EU-Bekanntmachung vom xxxxxx.2022 und Änderungsbekanntmachung vom xxxxxx.2022 das Einsammeln von kommunalem Müll im Offenen Verfahren ausgeschrieben. Streitgegenständlich ist Los 1 die Behälterabfuhr. Diese Leistungen wurden und werden durch die Antragstellerin als Bestandsunternehmerin erbracht.

Die Leistung von Los 1 wird nach Ziffer II.2.4) der Bekanntmachung wie folgt beschrieben:

- Abfuhr von Restmüll in 2-wöchentlichem Turnus, Einsatz eines ldent-Systems mit Verwiegung; Zielanlage ist die xxxxxx-Anlage in xxxxxx (im Kreisgebiet) bzw. ab 2029 eine eventuell zu stellende eigene Umschlaganlage,

- Eventuell: Umschlag von Restabfällen ab 2029

- Abfuhr von Biomüll in 2-wöchentlichem Turnus, Einsatz eines ldent-Systems mit Verwiegung, mit dem Bioabfall ist gebündelter Baum- und Strauchschnitt abzufahren; Zielanlage ist das Kornpostwerk in xxxxxx;

- Abfuhr von Altpapier in 4-wöchentlichem Turnus, Zielanlage ist eine vom Bieter zu benennende Umschlaganlage,

- Behälteränderungsdienst, Beschaffung von Behältern

Die Laufzeit des Vertrages soll gemäß Ziffer II.2.7) der Bekanntmachung am 01.01.2024 beginnen und am 31.12.2031 enden.

Nach Ziffer II.2.5) ist der Preis das einzige Zuschlagskriterium. Nach den Ziffern II.2.10) und II.2.11) sind Varianten/Alternativangebote nicht zulässig und Optionen nicht vorgesehen.

Für die Teilnahmebedingungen gilt nach Ziffer III.1.1) zum Nachweis der Befähigung zur Berufsausübung:

Für jeden Bieter, jedes Mitglied von Bietergemeinschaften sowie für Unterauftragnehmer vorzulegen.

BB 1 Unternehmensbeschreibung

Als Anlage ist eine eigene Darstellung, Broschüre o.Ä. beizufügen, aus der Angaben zum Unternehmen, zur Unternehmensstruktur (z.B. Muttergesellschaften, Konzernzugehörigkeit) sowie ggf. zur zuständigen Niederlassung hervorgehen.

BB 2 Registereintrag

Als Anlage ist ein aktueller Auszug aus dem Berufs- oder Handelsregister nach Maßgabe des Landes, in dem der Bieter ansässig ist, beizufügen.

Nach Ziffer III.1.2) gilt zum Nachweis der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit:

Für jeden Bieter, jedes Mitglied von Bietergemeinschaften sowie für Unterauftragnehmer vorzulegen.

WL 1 Angaben zum Gesamtumsatz der Jahre 2019 bis 2021 sowie dem Mittelwert 2019-2021.

WL 2 Angaben zum Umsatz mit ähnlichen Leistungen der Jahre 2019 bis 2021 sowie dem Mittelwert 2019-2021

- Los 1 die behältergestützte Abfuhr (typischerweise Restabfälle, Bioabfälle, PPK o.ä.), [...]

Nach Ziffer III.1.3) gilt zum Nachweis für die Technische und berufliche Leistungsfähigkeit:

Für jeden Bieter, mindestens ein Mitglied von Bietergemeinschaften sowie für Unterauftragnehmer vorzulegen.

BL 1 Qualitätssicherung

Nachweis für die Zertifizierung zum Entsorgungsfachbetrieb

für Los 1: für die Tätigkeit "Sammeln", Abfallschlüsselnummer 20 03 01 [...]

Bei ausländischen Bietern: gleichwertige Qualitätssicherung

BL 2 Referenzen

mindestens je eine Referenz im Kommunalauftrag für mindestens 50.000 Einwohner für (Los 1) die Abfallabfuhr von mindestens zwei Fraktionen mittels Umleerbehältern [...]

Ergänzend wird unter VI.3) "Zusätzliche Angaben" festgelegt:

Zu III.1 Teilnahmebedingungen, für Bietergemeinschaften:

Eine Bietergemeinschaft hat im Angebotsformular ihre Mitglieder aufzuführen und eine von allen Mitgliedern unterzeichnete Erklärung abzugeben,

- dass im Auftragsfall eine Arbeitsgemeinschaft gebildet wird,

- dass der benannte Vertreter gegenüber der Auftraggeberin im Vergabeverfahren und im Vertragsvollzug alle Mitglieder rechtsverbindlich vertritt,

- dass alle Mitglieder als Gesamtschuldner haften, und in der die beabsichtigte Arbeitsteilung sowie die Gründe und Motive der Zusammenarbeit angegeben sind.

Zu III.1 Teilnahmebedingungen, bei Einsatz von Unterauftragnehmern und bei Eignungsleihe:

Falls Leistungen von einem Unterauftragnehmer ausgeführt werden sollen, ist im Angebotsformular die Erklärung zum Einsatz von Unterauftragnehmern auszufüllen.

Beruft sich ein Bewerber zum Nachweis seiner Eignung (wirtschaftliche und finanzielle sowie technische und berufliche Leistungsfähigkeit) auf die Kapazitäten anderer Unternehmen (sog. Eignungsleihe), so ist durch Vorlage einer Verpflichtungserklärung des Eignungsleihgebers nachzuweisen, dass dieser dem Bieter die für den Auftrag erforderlichen Mittel tatsächlich zur Verfügung stellt.

Ein Bieter kann im Hinblick auf Nachweise für die erforderliche berufliche Leistungsfähigkeit oder die einschlägige berufliche Erfahrung die Kapazitäten anderer Unternehmen nur dann in Anspruch nehmen, wenn diese als Unterauftragnehmer die Leistung erbringen, für die diese Kapazitäten benötigt werden (vgl. § 47 Abs. 1 VgV).

zu III.1 Für vorzulegende leistungsbezogene Unterlagen siehe Kap. 5 der Vergabeunterlagen.

Nach Ziffer 2.7 "Unterauftragnehmer" der Vergabeunterlagen wird u.a. festgelegt:

Mit Blick auf die Eignungsprüfung sind für Unterauftragnehmer je nach Leistungsbereich bestimmte Unterlagen vorzulegen. Diese sind Kap. 5.3 - 5.6 zu entnehmen.

In Ziffer 2.10 der Leistungsbeschreibung führt der Antragsgegner zu den einzureichenden Unterlagen aus:

[...] Der AG weist darauf hin, dass gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV Angebote, die die geforderten oder nachgeforderten Unterlagen nicht enthalten, ausgeschlossen werden. Der AG kann die Bieter jedoch gemäß § 56 Abs. 2 VgV unter Einhaltung der Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung auffordern, fehlende, unvollständige oder fehlerhafte unternehmensbezogene Unterlagen, insbesondere Eigenerklärungen, Angaben, Bescheinigungen oder sonstige Nachweise, nachzureichen, zu vervollständigen oder zu korrigieren oder fehlende oder unvollständige leistungsbezogene Unterlagen nachzureichen oder zu vervollständigen. [...]

Nach Ziffer 3.2.4.5 der Leistungsbeschreibung

betreibt der AG ein System für die elektronische Identifizierung der Abfallbehälter (Identsystem) mit Verwiegung. Alle im Einsatz befindlichen Rest- und Bioabfallbehälter sind mit Transponderchips ausgestattet.

Das System ist gebührenscharf und dient als Abrechnungsgrundlage der Leistungsgebühr von Rest- und Bioabfall. Der AN hat bei der Einsammlung von Rest- und Bioabfall ein Ident-System mit Verwiegung zu verwenden und die ständige Betriebsbereitschaft des Systems sicherzustellen.

Ältere Behälter wurden mit Read/write-Transpondern ausgestattet. Seit 2014 wurden auch handelsübliche Read-only-Chips nach dem BDE-Standard verwendet. Die vom AN eingesetzte Technik muss beide Transpondertypen lesen können.

[...]

Der AN hat die fahrzeugseitigen und sonstigen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass solche Daten automatisiert (außer Entsorgungsmeldungen) und vom Fahrer unbeeinflusst geschrieben werden. Die einschlägigen Normen DIN 30745 (Elektronische Identifikation von Abfallsammelbehältern durch Transpondertechnologie mit Frequenzen unter 135 kHz) und DIN EN 14803 (Identifikation und/oder Mengenbestimmung von Abfall) sind zu beachten.

Zudem verweist der Antragsgegner auf die von ihm eingesetzte Software xxxxxx der Fa. xxxxxx. Die Datenübergabe müsse dieser Software entsprechen. Die Schnittstellendefinition der Fa. xxxxxx werde dem AN frühzeitig übermittelt.

Zu den Leistungspflichten gehört nach Ziffer 3.3.4 der Leistungsbeschreibung:

(1) Der AN hat im Kreisgebiet eine Umschlaganlage zu betreiben. Diese dient als Zielanlage für die Abfuhr von Altpapier sowie für die Verladung des Altpapiers in die Fahrzeuge des AN Los 2 und in die der Systeme.

(2) Der AN hat dem AG spätestens 6 Monate nach Zuschlagserteilung den Standort der Umschlaganlage mitzuteilen. Sofern der AN diese nicht selbst betreibt, hat er den AG zugleich um Genehmigung zur Einschaltung eines Nachunternehmers nach § 4 Entsorgungsvertrag zu ersuchen.

Nach Ziffer 3.2.4.7 besteht für die Antragsgegnerin ein einheitliches System der Altpapiererfassung, welches durch Betreiber von Rücknahmesystemen nach VerpackG mitbenutzt wird. [...] Der AN Los 1 wird also zukünftig PPK entsprechend dem Mengenanteil der jeweiligen Systeme in die Fahrzeuge der von Systemen beauftragten Spediteure laden. Der kommunale Anteil sowie der Anteil der Systeme, welche keine Herausgabe fordern, werden in die Fahrzeuge des AN Los 2 geladen. [...] Als Nebenleistung hat der AN Los 1 die Nachweispflichten zu erbringen, welche der Antragsgegnerin obliegen, und auch die Weiterverladung an die Systeme datenmäßig abzuwickeln.

Mit Informationsschreiben nach § 134 GWB vom 19.01.2023 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass dessen Angebot für Los 1 nicht berücksichtigt werden solle, da es nicht das wirtschaftlichste sei. Daraufhin rügte die Antragstellerin mit Schreiben vom 23.01.2023, dass es der Bieterinformation an mitzuteilenden Gründen für die Nichtberücksichtigung fehle. Die formelhafte Information erfülle nicht die Zielsetzung, dem jeweiligen Bieter die Abschätzung der Erfolgsaussichten eines Nachprüfungsverfahrens zu ermöglichen. Zudem sei die Angebotswertung in Los 1 in der Sache fehlerhaft. Das für den Zuschlag vorgesehene Unternehmen verfüge nicht über die geforderte Umschlaganlage für Altpapier und werde sie auch nicht binnen der vorgegebenen Frist zur Verfügung stellen können. Zudem verfüge es nicht über ein geeignetes Ident-System. Auch der seitens der Beigeladenen angebotene Preis sei unangemessen niedrig. Das Angebot der Antragstellerin sei äußerst knapp kalkuliert und Kosten für die Ersterrichtung einer Umschlaganlage würden für sie nicht anfallen. Es sei nicht ersichtlich, dass eine Preisprüfung durchgeführt worden sei.

Insgesamt werde die mangelnde Eignung und Fähigkeit der Beigeladenen einschließlich ihrer Nachunternehmer für die ordnungsgemäße Leistungserbringung gerügt. Die Beigeladene könne die Erfüllung der ausgeschriebenen Leistungen ausschließlich mit Nachunternehmern sicherstellen. Es werde bestritten, dass alle Nachunternehmer ihrerseits die Eignungsanforderungen erfüllen und für alle Nachunternehmer ordnungsgemäße Verpflichtungserklärungen vorliegen würden.

Mit Rügeantwort vom 25.01.2023 teilte der Antragsgegner mit, dass das Angebot der Antragstellerin für Los 1 auf dem 2. Rang liegen würde. Weiter wurde mitgeteilt, dass den Rügen nicht abgeholfen werde. Daraufhin reichte die Antragstellerin am 26.01.2023 einen Nachprüfungsantrag ein.

Die der Antragstellerin mitgeteilte Zuschlagsabsicht für das Los 1 sei rechtswidrig und verletze die Antragstellerin in ihren Rechten. Der Antrag sei sowohl zulässig als auch begründet.

Mit den Ausführungen zur Rangfolge im Informationsschreiben, soweit es sich um eine zutreffende Darstellung des Ergebnisses des Bieterwettbewerbes handele, sei die Informationspflicht hinsichtlich Los 1 erfüllt.

Nach Kenntnis der Antragstellerin könne die Beizuladende die Anforderungen an die zu gestellende und zu betreibende Umschlaganlage für Altpapier nicht erfüllen. Sie verfüge selbst nicht über eine solche Umschlaganlage und eine Neuerrichtung sei trotz des Zeitnachlasses von sechs Monaten ab Zuschlagserteilung offenkundig nicht möglich. Sollte sich die Beigeladene insoweit eines Nachunternehmers bedienen wollen, gäbe es derzeit auch keine andere geeignete und den Anforderungen entsprechende Umschlaganlage im Kreisgebiet. In jedem Falle bedürfte es der Erlangung zusätzlicher (Änderungs-)Genehmigungen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz und einer baulichen Änderung bestehender Anlagen, für die notwendige Lagerhalle ggf. sogar einer Neuerrichtung. Dies sei im vorgegebenen Zeitrahmen nicht möglich.

Es sei beurteilungs- und rechtsfehlerhaft, wenn der Antragsgegner auf die diesbezüglichen Rügen lediglich darauf verweise, dass er auf die Einhaltung vertraglicher Leistungsanforderungen durch die Bieter vertrauen dürfe. Die Vergabestelle habe sich vielmehr angemessen und hinreichend mit der Frage zu befassen, ob aufgrund des Bieterangebotes und etwaiger weiterer Aufklärungen prognostisch mit hinreichender Sicherheit mit der Gewährleistung der rechtzeitigen Leistungserbringung zu rechnen sei.

Sinngemäß gelte dies auch für die Beschaffung der benötigten Sammelfahrzeuge, die zudem mit einem Wiege- und Ident-System auszustatten seien, das amtlich geeicht sein müsse. Bei einer notwendigen Neuanschaffung sei eine Lieferung und Bereitstellung zum Leistungsbeginn am 01.01.2024 nicht mehr rechtzeitig möglich. Der Antraggegner vernachlässige, dass die zu beschaffenden technischen Einrichtungen auf den Fahrzeugen installiert und geeicht werden müssten.

Unbeantwortet bleibt der Hinweis der Antragstellerin, dass ein hoher Anteil der vorhandenen Abfallbehälter - wohl ca. 50 % - mit älteren 4-Mhz-Chips ausgestattet seien, die von den meisten Ident-Systemen nicht ausgelesen werden können. Es scheint dem Antragsgegner nicht bewusst zu sein, dass nicht alle am Markt angebotenen Ident-Systeme hier einsetzbar seien. Es sei auch nicht erkennbar, ob er das Angebot der Beizuladenden insoweit auf technische Umsetzbarkeit geprüft habe.

Dem Antragsgegner fehle es an Problembewusstsein hinsichtlich der erforderlichen personellen und sächlichen Ressourcen und ihrer rechtzeitigen Beschaffung durch den Auftragnehmer. Personal sei in hinreichendem Umfang zu schaffen, dazu die notwendige soziale Infrastruktur (z.B. Umkleide- und Sanitärräume), ferner weitere Infrastruktur und sächliche Ausstattung (z.B. Abstellplätze für Fahrzeuge). Die Angebotswertung leide offensichtlich unter einem maßgeblichen Aufklärungsdefizit und an dem Unterlassen der geforderten prognostischen Beurteilung der Leistungsfähigkeit und der Befähigung der Beizuladenden. Denn mit der Frage, wie die Beizuladende, auch unter Berücksichtigung des bestehenden Fachkräftemangels (insbesondere Fahrermangels), die rechtzeitige Einstellung aller notwendigen, entsprechend geschulten und befähigten Arbeitskräfte rechtzeitig zum Leistungsbeginn sicherzustellen beabsichtige, habe er sich in der Angebotsprüfung offensichtlich nicht befasst. Es könne nicht damit gerechnet werden, dass sich ein zukünftiger Auftragnehmer aus dem Personalbestand des Bestandsauftragnehmers "bedienen" könne.

Zudem werde die Verpflichtung zur Preisaufklärung nach § 60 Abs. 1 VgV verletzt, denn der Antragsgegner habe hinsichtlich der vorgenannten Neuerrichtung und dem Betrieb der Umschlaganlage, sowie den damit einhergehenden Mehrkosten für die Planungs-, Bau- und Genehmigungsmaßnahmen, nicht berücksichtigt, dass diese bei dem Bestandsauftragnehmer nicht anfallen würden.

Die Antragstellerin beantragt,

  1. 1.

    festzustellen, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist;

  2. 2.

    dem Antragsgegner die Zuschlagserteilung in Los 1 zu untersagen;

  3. 3.

    den Antragsgegner zu verpflichten, die Angebotswertung nach Maßgabe der Feststellungen der Vergabekammer zu wiederholen;

  4. 4.

    hilfsweise, andere zur Wahrung der Rechte der Antragstellerin gebotene Anordnungen zu treffen;

  5. 5.

    dem Antragsgegner die Kosten des Nachprüfungsverfahrens, einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten der Antragstellerin, aufzuerlegen;

  6. 6.

    festzustellen, dass die Hinzuziehung von Rechtsanwälten durch die Antragstellerin erforderlich war;

  7. 7.

    der Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakten zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt:

  1. 1.

    Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin vom 26.01.2023 wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Antragstellerin trägt die Kosten des Nachprüfungsverfahrens.

  3. 3.

    Die Hinzuziehung eines anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten durch den Antragsgegner wird für notwendig erklärt.

Der Nachprüfungsantrag sei unzulässig. Die Antragstellerin habe nicht substantiiert dargelegt, warum sie der Ansicht sei, dass die Beigeladende ein ungewöhnlich niedriges Angebot abgegeben haben könnte. Die bloße Behauptung, dass ein Angebotspreis zwangsläufig unauskömmlich sein müsse, soweit dieser unterhalb des von der Bestandsunternehmerin kalkulierten Angebotspreises liege, dürfte den Anforderungen an einen schlüssigen Vortrag nicht genügen. Eine Rechtsverletzung käme nur in Betracht, wenn objektive Anhaltspunkte vorgetragen würden.

Bei der Prüfung der Angebotspreise habe es keine Anhaltspunkte gegeben, dass das Angebot der Beigeladenen ungewöhnlich niedrig und damit aufklärungsbedürftig sei. Dass die Beigeladene noch nicht über die entsprechende Umschlaganlage verfüge, sei kein Anhaltspunkt für ein ungewöhnlich niedriges Angebot. Die frühzeitige Ausschreibung der Leistungen ermögliche die erforderliche Rüstzeit und gewähre den Bietern die Chancengleichheit im Wettbewerb zur Bestandsunternehmerin. Der Antragsgegner dürfe sich darauf verlassen, dass die Beigeladene zum Leistungsbeginn leistungsbereit sein wird.

Auch die Behauptung, dass die Beigeladene nicht in der Lage sei, sechs Monate nach Zuschlag eine entsprechende Umschlaganlage zu benennen und die Umschlaganlage bis zum Leistungsbeginn am 1. Januar zu betreiben, sei unsubstantiiert. Der Standort der Umschlagsanlage sei dem Antragsgegner bekannt, so dass keine Zweifel an diesem Leistungsversprechen bestünden.

Zudem würden hinsichtlich der Leistungsversprechen zur Beschaffung der Sammelfahrzeuge und der entsprechenden Wiege- und Ident-Vorrichtungen keine Zweifel bestehen. Die Beigeladene gehöre zu einer leistungsfähigen Unternehmensgruppe und könne sowohl über den Gebrauchtwagen- als auch den Neuwagenmarkt entsprechende Fahrzeuge erhalten. Zum Thema Ident- und Verwiegungs-Systeme habe der Antragsgegner Erkundigungen eingeholt und von einem bekannten Fachunternehmen eine Kopie des Angebotes erhalten, welches dieses Unternehmen den Teilnehmern der hier streitgegenständlichen Ausschreibung unterbreitet habe. Danach liege die Regellieferzeit für Fahrzeugsysteme inklusive deren Installation bei ca. 10 Wochen ab schriftlicher Beauftragung.

Es fehle der Antragstellerin auch an der Antragsbefugnis wegen des unsubstantiierten Vortrages zur unzureichenden Personalressourcenausstattung. Der Antragsgegner habe keine Anhaltspunkte feststellen können, an dem Leistungsversprechen der Beigeladenen zu zweifeln.

Aufgrund der unsubstantiierten Behauptungen der Antragstellerin dürfte die Rüge hinsichtlich der Eignungs- und Leistungsfähigkeit der Beigeladenen aus prozessualer Sicht als nicht existent einzuordnen sein. Es dränge sich der Eindruck auf, dass die Antragstellerin mit ihrem Nachprüfungsantrag versuche, an weitere Informationen zu gelangen, um so ihre Behauptungen substantiieren zu können. Wenn sich dies bestätigen sollte, wäre der Antragstellerin das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis abzusprechen.

Der Nachprüfungsantrag sei auch offensichtlich unbegründet. Bei Anwendung der bekanntgemachten Maßstäbe für die Zuschlagsentscheidung sei der Zuschlag zu Los 1 auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen, da diese das wirtschaftlichste Angebot abgegeben habe. Der Antragsgegner habe den ihm eingeräumten Beurteilungsspiel ordnungsgemäß ausgeübt. Bei einem Preisabstand von unter 10 % zum nächst höherem Angebot bestehe regelmäßig kein Anlass für eine Aufklärung der Angemessenheit der Preise. Der Antragsgegner habe festgestellt, dass die Angebotspreise zwischen den Anbietern nur geringfügig voneinander abweichen. Da die Angebotspreise der Antragstellerin und der Beigeladenen mit ca. xxxxxx % Differenz unterhalb jeglicher Aufgreifschwellen gelegen hätten und Mangels sonstiger belastbarer Anhaltspunkte für einen ungewöhnlich niedrigen Angebotspreis, sei keine weitere Preisaufklärung geboten gewesen. Im direkten Vergleich des Bestandsangebotes im Kontext der gegenwärtigen Preissteigerungen mit den Angebotspreisen der Beigeladenen und der Antragstellerin habe kein Anhaltspunkt bestanden, von einem ungewöhnlich niedrigen Angebot der Beigeladenen auszugehen.

Die Mutmaßungen hinsichtlich eines angeblich unplausiblen Leistungsversprechens der Beigeladenen seien verfehlt. Der Auftraggeber sei nach den anerkannten obergerichtlichen Maßgaben grundsätzlich nicht verpflichtet zu überprüfen, ob die Bieter ihre mit dem Angebot verbindlich eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen auch einhalten werden. Vielmehr dürfe er sich grundsätzlich auch ohne Überprüfung auf die Leistungsversprechen der Bieter verlassen. Weder das Angebot der Beigeladenen selbst, noch die übrigen eingereichten Bieterunterlagen oder sonstigen Auskünfte, hätten Zweifel am Leistungsversprechen der Belgeladenen begründen können.

Auch die etwaigen Behauptungen zu etwaigen Verstößen gegen § 134 Abs. 1 GWB würden in der Sache keinen Erfolg haben. Es liege ersichtlich kein Verstoß gegen das Begründungserfordernis nach § 134 Abs. 1 GWB vor. Denn in der Rechtsprechung sei anerkannt, dass in den Fällen, in denen der niedrigste Preis das alleinige Zuschlagskriterium darstelle, der Hinweis auf die Unwirtschaftlichkeit des eingereichten Angebotes ausreichen müsse. Es sei auch nicht nachvollziehbar, wie der angeblich erforderliche Hinweis auf die Rabattierungen die Einschätzung der Antragstellerin hinsichtlich der Erfolgsaussichten eines etwaigen Nachprüfungsverfahrens hätte verbessern können. Selbst wenn, wäre dieser etwaige Verstoß spätestens mit dem Schreiben vom 25.01.2023 geheilt worden. Zudem führe ein Verstoß gegen die Begründungspflicht allein nicht automatisch zu einer Rechtsverletzung und einem daraus folgenden Schaden.

Aufgrund der offensichtlichen Unzulässigkeit bzw. Unbegründetheit des Nachprüfungsantrages dürfte die Akteneinsicht zu versagen sein. Hilfsweise wäre zu beachten, dass der Umfang auf den zur effektiven Durchsetzung subjektiver Rechte erforderlichen und entscheidungserheblichen Teil der Akte zu beschränken sei.

Wegen der teilweise komplexen rechtlichen Erwägungen sei die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten notwendig.

Die Beigeladene beantragt,

  1. 1.

    den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen;

  2. 2.

    die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der Kosten der Beigeladenen der Antragstellerin aufzuerlegen;

  3. 3.

    die Hinzuziehung eines anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten durch die Beigeladene für notwendig zu erklären.

Die Antragstellerin versuche ins Blaue hinein Eignungszweifel zulasten der Beigeladenen zu säen ohne dafür Tatsachen benennen zu können. Sämtliche Einwürfe und Vorhaltungen der Antragstellerin verblieben im Unklaren und Ungefähren. Die Beigeladene sei in der Lage, eine hinreichende Anzahl an qualifizierten Mitarbeitenden und Fahrzeugen aufzubringen, denn allein die xxxxxx Unternehmensgruppe verfüge über xxxxxx Mitarbeitende an xxxxxx Standorten in Deutschland und habe aktuell ca. xxxxxx Fahrzeuge im Einsatz. Angesichts der Größe und Bedeutung der Unternehmensgruppe der Beigeladenen wäre es an der Antragstellerin gewesen, aufzuzeigen, warum es der Beigeladenen nicht möglich sein soll, neue Mitarbeitende zu rekrutieren oder vorhandene Mitarbeitende mit der Auftragserfüllung zu betrauen. Die Beigeladene habe zudem für 2023 eine Zusage eines Herstellers für mindestens 30 neue Fahrzeuge. Auch die Bauplätze für den Einbau des Wiege- und Ident-Systems seien bereits blockiert, so dass einem Einsatz von geeigneten Sammelfahrzeugen zum 01.01.2024 nichts entgegenstehe.

Den überzeugenden Ausführungen des Antragsgegners, dass der vorgelegte Antrag unzulässig sein dürfte, weil es bereits an der Antragsbefugnis der Antragstellerin fehle, werde sich umfassend angeschlossen. Ergänzend und vertiefend wird ausgeführt, dass willkürliche, aufs Geratewohl oder ins Blaue hinein aufgestellte Behauptungen prozessual unbeachtlich seien. Die Mutmaßung der Antragstellerin, die Beigeladene sei nicht in der Lage, einige Fahrzeuge zum 01.01.2024 zu organisieren oder qualifizierte Mitarbeitende vorzuhalten, sei abwegig. Angeblich fehlende Mitarbeitende mit dem allgemeinen Hinweis auf den Fachkräftemangel in Deutschland zu begründen, genüge nicht um potentielle Rechtsverstöße geltend zu machen. Gleiches gelte für die Ausführungen, dass die Beigeladene nicht wie gefordert eine Umschlaganlage benennen könne.

Die Antragstellerin behaupte, nur sie sei in der Lage, das notwendige fachlich geschulte Personal aufzubringen, die notwendigen Fahrzeuge auch in Bezug auf die Auslesung älterer Chip-Modelle zur Verfügung zu stellen und eine taugliche Umschlaganlage zu benennen. Diese Argumentation würde letztlich auf die Verteidigung einer Monopolstellung hinauslaufen. Hierfür müsste die Antragstellerin substantiiert darlegen, woraus sich die Monopolstellung ergeben solle und nicht nur mutmaßen und spekulieren. Wenn strukturelle Vorteile dazu führen könnten, dass der Wettbewerb ausgeschlossen werde, liefe das den wettbewerblichen Anforderungen des Vergaberechts von vornherein zuwider.

Die Begründung der Antragstellerin bleibe hinter den Erfordernissen der Darlegungsverpflichtung weit zurück. In Bezug auf die übrigen rechtlichen Aspekte werde sich auch hier in vollem Umfang den Ausführungen des Antragsgegners angeschlossen.

Nach erhaltener Akteneinsicht hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 14.02.2023 ihren Vortrag aus dem Antragsschriftsatz vertieft und zu den Erwiderungen ergänzend Stellung genommen. Sie beanstandet, dass der Antragsgegner Teile seines offensichtlich für entscheidungserheblich gehaltenen Vortrages durch "Schwärzungen" in einem Umfang unkenntlich gemacht habe, dass die Antragstellerin diese nicht nachvollziehen und sich hierzu auch nicht einlassen könne. Dies habe nach der Rechtsprechung des Kammergerichts Berlin zur Folge, dass Parteivortrag, der den anderen Parteien nicht zugänglich gemacht werde, zur Vermeidung einer Verletzung des Grundrechts auf rechtliches Gehör bei der Verhandlung und Entscheidung der Sache unberücksichtigt bleiben müsse.

Der Nachprüfungsantrag sei entgegen der Auffassungen des Antragsgegners und der Beigeladenen auch zulässig. Insbesondere seien die Rügen hinreichend substantiiert. Sie könne als unterlegene Bieterin die Einzelheiten des auf Seiten des Antragsgegners stattgefundenen Wertungsvorganges naturgemäß gar nicht kennen. Aber auch nach erfolgter Akteneinsicht, könne sie sich wegen zahlreicher vorgenommener "Schwärzungen" der maßgeblichen Bestandteile der Vergabeakte den Vorgang nur teilweise erschließen.

Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet. Das Angebot der Beigeladenen sei aus mehreren Gründen nicht zuschlagsfähig. Aus der eingeschränkten Akteneinsicht sei für die Antragstellerin nicht ersichtlich, ob sich der Antragsgegner mit den Ausschlussgründen nach § 57 Abs. 1 Nr. 1 und 3 bis 5 VgV hinreichend auseinandergesetzt hat. Defizitär sei der Umgang des Antragsgegners mit den "personenbezogenen" Ausschlussgründen nach §§ 123, 124 GWB. Diesbezüglich werde festgestellt, dass alle Bieter und vorgesehenen Nachunternehmer in diesem Sinne "negative" Eigenerklärungen abgegeben haben. Feststellungen zu der Frage, ob anderweitig gegenteilige Erkenntnisse des Auftraggebers vorliegen, würden fehlen. Vor allem aber fehle der Hinweis auf die gemäß § 6 Abs. 1 Wettbewerbsregistergesetz (WRegG) gebotene Abfrage von über das zur Zuschlagserteilung vorgesehene Unternehmen im Wettbewerbsregister des Bundes etwa enthaltenen Eintragungen. Zweifel bestünden auch hinsichtlich des unterbliebenen Ausschlusses wegen fehlender Unterlagen (§ 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV).

Aus der Dokumentation gehe hervor, dass die Beigeladene ihrem Angebot nicht alle verlangten Unterlagen vollständig beigefügt habe. Vielmehr würden zum einen geforderte Unterlagen für einen Unterauftragnehmer, bei dem es offensichtlich um den Betreiber der Umschlaganlage für Altpapier handeln solle, zum anderen für einen offensichtlich durch die Beigeladene in Anspruch genommenen "Eignungsleihgeber" fehlen. Fehlende Unterlagen für den "Eignungsleihgeber" seien offensichtlich erst mehr als 14 Tage später nachgereicht worden als die für den "Unterauftragnehmer". Dies werfe für die Antragstellerin die nicht überprüfbare Frage auf, ob es die Beigeladene möglicherweise versäumt habe, auf eine erste Nachforderung hin fehlende Unterlagen vollständig nachzureichen. Die Beigeladene könne offensichtlich die Eignungsmindestanforderungen nicht unmittelbar selbst, sondern nur mit Hilfe einer Eignungsleihe im Sinne von § 47 VgV erfüllen. Eine Eignungsleihe in Bezug auf die berufliche Leistungsfähigkeit sei gemäß § 47 Abs. 1 Satz 3 VgV aber nur dann möglich, wenn der Eignungsverleiher die betreffenden Leistungen auch tatsächlich erbringt. Der hier so bezeichnete "Eignungsleihgeber" hätte folglich seitens der Beigeladenen als Unterauftragnehmer bzw. Nachunternehmer für die Sammelleistungen als solche benannt werden müssen, was aber nicht geschehen sei.

Das Angebot der Beigeladenen sei auch deshalb nach § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV vom Vergabewettbewerb auszuschließen, weil es in Bezug auf den Unterauftragnehmer für die Umschlaganlage nicht die geforderten Unterlagen enthalten habe und enthalten könne. Dass auch in Bezug auf die erfolgten Nachforderungen betreffend dieses Unterauftragnehmers das Nachforderungsermessen nicht erkennbar ausgeübt wurde, spiele vor diesem Hintergrund zwar keine Rolle mehr, sei aber ebenfalls zu beanstanden.

Auch die dokumentierte Eignungsprüfung und Bejahung der Eignung der Beigeladenen sei fehlerhaft. Dass das in der Angebotsauswertung als "Eignungsleihgeber" bezeichnete Unternehmen tatsächlich im Zuschlagsfall anstelle der Beigeladenen die im Los 1 ausgeschriebene Kernleistung, nämlich das Einsammeln von Abfällen, durchführe, sei bislang an keiner Stelle der Angebotsauswertung und auch nicht in den schriftsätzlichen Äußerungen des Antragsgegners zur Eignung der Beigeladenen für die Leistungserbringung erörtert worden. Liege aber keine zulässige bzw. wirksame Eignungsleihe vor, könne die Beigeladene das in ihrer (Rechts-)Person bestehende Eignungsdefizit nicht ausgleichen.

Dasselbe gelte für den seitens der Beigeladenen benannten Unterauftragnehmer für die Umschlagsleistungen. Für diesen seien nicht einmal die gemäß Bekanntmachung und Vergabeunterlagen geforderten Eignungsnachweise eingefordert worden.

Der Antragsgegner sei als öffentlicher Auftraggeber, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Bieter Schwierigkeiten bei der Erfüllung des "Leistungsversprechens" haben könnte, verpflichtet, solchen Zweifeln nachzugehen. Das sei hier in mehrfacher Hinsicht der Fall, ohne dass der Antragsgegner den hieraus resultierenden Zweifeln an der Leistungsfähigkeit der Beigeladenen und der prognostisch drohenden nicht ordnungsgemäßen Erfüllung der Leistung nachgegangen wäre. Dies gelte auch in Bezug auf die Umschlaganlage, das Ident- und Verwiege-System, die Fahrzeugbeschaffung und die Beschaffung des notwendigen Personals.

Der Antragsgegner habe es ferner unterlassen, die Angemessenheit des von der Beigeladenen angebotenen Preises zu prüfen, obwohl er dafür Anlass gehabt habe.

Schließlich sei für die Antragstellerin auch nicht ersichtlich, dass die Wirtschaftlichkeitsbewertung der Angebote ordnungsgemäß erfolgt sei.

Daraufhin erwidert die Beigeladene mit Schriftsatz vom 16.02.2023 und trägt ergänzend vor, dass die Stellungnahme der Antragstellerin sich im Wesentlichen in Mutmaßungen und Scheinargumenten erschöpfe.

Selbst wenn eine Abfrage beim Wettbewerbsregister nicht erfolgen sollte, sei dies nicht berücksichtigungsfähig, denn die Abfragepflicht sei als solche nicht bieterschützend (BT-Drucksache 18/12051). Es gäbe auch keine Unstimmigkeiten in Bezug auf die Nachforderung von Unterlagen gegenüber der Beigeladenen. Die Beigeladene sei beiden Begehren innerhalb von 24 Stunden nachgekommen. Die Entscheidung für die Nachforderung sei dadurch dokumentiert, dass der Auftraggeber diese Nachforderung im Rahmen der Unterlagen zur Angebotsauswertung niedergeschrieben und das Ergebnis dokumentiert habe. Zudem könne eine Dokumentation auch im Nachprüfungsverfahren noch nachgeholt werden.

Die Mutmaßung der Antragstellerin in Bezug auf die Leihe würden auch im Übrigen fehlgehen, da diese gar nicht in Bezug auf die technische und berufliche Leistungsfähigkeit in Anspruch genommen worden sei. Es seien nur unterstützende Leistungen benannt worden und es gehe nicht um die Eignungsleihe in Bezug auf technische und berufliche Leistungsanforderungen. Für die Umschlaganlage seien die von der Antragstellerin benannten Eignungsnachweise nicht beizubringen. Es komme daher gar nicht auf die Frage an, ob der Eignungsleihgeber zur eigenständigen Auftragserfüllung verpflichtet wäre, denn die Frage nach der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit beziehe sich nur auf das Sammeln der Abfälle. Anderes ergebe sich auch nicht aus dem Entsorgungsvertrag. Es sei daher nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner für eine Umschlaganlage derartige Nachweise nicht verlange.

Die Antragstellerin würde auch keine schlüssigen und substantiierten Nachweise vorbringen, dass die Beigeladene nicht dazu in der Lage wäre, die Leistungspflichten zu erfüllen. Dass die unterschiedlichen Beschaffungswege erschöpft wären, ausgeschlossen wären oder sonst nicht zur Verfügung stünden, könne die Antragstellerin nicht überzeugend vortragen. Die Beigeladene verfüge bereits über eine Zusage für 30 neue Fahrzeuge im Jahr 2023. Zudem beschaffe die Beigeladene in 2023 mindestens 60 weitere Fahrzeuge. Kapazitäten für die parallele Ausstattung von Abfallsammelfahrzeugen mit Identifikations- und Wiegesystem seien konkret für diese Ausschreibung reserviert. Die Fertigungszeit sei mit 10 Wochen angegeben worden. Das Identifikationssystem werde ausdrücklich dazu in der Lage sein, die vorhandenen älteren Chips auszulesen.

Auch der Antragsgegner erwidert auf den Schriftsatz der Antragstellerin vom 14.02.2023 und führt zur angeblichen Vorenthaltung des Parteivortrages aufgrund der übermäßigen Schwärzungen aus, dass es bei der zitierten Entscheidung des KG Berlin nicht um das Akteneinsichtsrecht nach Maßgabe des § 165 GWB gehe. § 165 Abs. 3 GWB erlaube es, Unterlagen kenntlich zu machen, bei denen die Beteiligten Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse gefährdet sehen würden.

Der Antrag sei offensichtlich unzulässig, da die Spekulationen und Behauptungen keine hinreichende Begründungstiefe erreichen. Der Nachprüfungsantrag bleibe auch unbegründet. Der Antragsgegner habe sich gemäß dem nachgereichten Prüfungsvermerk vom 19.01.2023 den Vergabevermerk und die Auswertungsschritte ausdrücklich zu eigen gemacht. Eine unterbliebene Abfrage aus dem Wettbewerbsregister sei nicht angreifbar, da es sich nicht um eine bieterschützende Norm handele. Zudem sei dies am 15.02.2023 nachgeholt worden. Eintragungen für die Beigeladene würden nicht vorliegen.

Auch der Ermessensspielraum sei bei den Nachforderungen ordnungsgemäß ausgeübt worden und auf Seite 10 der Angebotsauswertung dokumentiert. Überspannte Anforderungen an die Dokumentation erscheinen nicht angezeigt, auch eine Nachholung der Dokumentation sei zulässig. Ausschlussgründe wegen fehlender Unterlagen würden nicht vorliegen, da die nachgeforderten Unterlagen jeweils am ersten Tag nach Zugang des Nachforderungsschreibens vorgelegt worden seien. Zudem habe die Beigeladene ihre Eignung bereits dadurch nachgewiesen, dass sie sämtliche der geforderten Eignungsnachweise selbst erbracht habe. Fragestellungen zu etwaigen Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Eignungsleihe würden sich damit nicht mehr stellen.

Formale Mängel mit Blick auf den Unterauftragnehmer für die Umschlaganlage seien nicht erkennbar. Dieser sei nicht zwingend zu benennen gewesen, und für die Eignungsprüfung seien nur Unterlagen für seinen jeweiligen Leistungsbereich vorzulegen gewesen. Die geforderten Eigenerklärungen zum Umsatz mit ähnlichen Leistungen (WL 2) zu Los 1 würden allein die behältergestützte Abfuhr betreffen und nicht die Umschlagleistungen. Überobligatorisch sei für den Unterauftragsnehmer ein Efb-Zertifikat eingereicht worden. Auch die geforderten Referenzen seien auf die Abfallabfuhr beschränkt worden.

Bezüglich des Leistungsversprechens des Bieters seien hier keine Beurteilungsfehler ersichtlich, denn das Angebot der Beigeladenen enthalte keine Anhaltspunkte für ein unplausibles Leistungsversprechen. Der Standort der Umschlagsanlage sei bekannt und zudem besichtigt worden. Das vorgelegte Angebot eines bekannten Fachunternehmens belege, dass die älteren 4-MHz-Chips ausgelesen werden könnten. Der Markt für einschlägige Neu- und Gebrauchtwagen habe sich entspannt.

Die Preise seien angemessen, da sie vergleichbar über dem Preisniveau des laufenden Vertrages liegen würden. Eine Preisaufklärung sei nicht geboten gewesen, da die Aufgreifschwelle von 20 % nicht erreicht worden sei.

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.02.2023 Bezug genommen.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, aber unbegründet. Die Antragstellerin ist durch die Entscheidung des Antragsgegners, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen, nicht in ihren Rechten gemäß § 97 Abs. 6 GWB verletzt. Der Antragsgegner hat die gesamte Angebotswertung von der Vollständigkeits- und Eignungsprüfung bis zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots vergaberechtskonform allein und vollständig auf der Grundlage der in der Bekanntmachung und den Vergabeunterlagen festgelegten Anforderungen und Nachweise durchgeführt und Prüfung und Ergebnis in einer den Anforderungen des § 8 VgV genügenden Weise in der Vergabeakte dokumentiert.

Der Antragsgegner hat nach der in der Vergabeakte dokumentierten Prüfung zu Recht festgestellt, dass die Beigeladene die geforderten Eignungsnachweise vollständig vorgelegt hat. Er hat sich auch im Hinblick auf die nachgeforderten Erklärungen und Unterlagen im Rahmen des § 56 VgV und des § 15 Abs. 5 VgV gehalten (im Folgenden 2.a).

Der Antragsgegner hat die Eignung der Beigeladenen entgegen der Auffassung der Antragstellerin in der gebotenen Tiefe geprüft und sich dabei im Rahmen der den öffentlichen Auftraggebern durch § 122 GWB und den §§ 42 ff. VgV eingeräumten Beurteilungsspielraum gehalten. Er war insbesondere weder gehalten noch berechtigt, die Eignung der Beigeladenen aufgrund einer vermeintlich erfolgten, nach § 47 Abs. 1 Satz 3 GWB unwirksamen Eignungsleihe für den Nachweis der erforderlichen beruflichen Leistungsfähigkeit zu verneinen (im Folgenden 2.b).

Der Antragsgegner hat auch nicht gegen § 60 Abs. 1 VgV verstoßen. Er hatte keinen Anlass, die Angemessenheit des Angebotspreises der Beigeladenen zu prüfen. Zum einen wird die von der Rechtsprechung entwickelte Aufgreifschwelle von 20 % für die Frage, ob ein Angebot ungewöhnlich niedrig ist, durch den Abstand zum vorliegend zweitplatzierten Angebot der Antragstellerin nicht erreicht. Zum anderen gibt der Sachverhalt auch keinen sonstigen Anlass für die Vermutung, dass der Angebotspreis der Beigeladenen, der wie die anderen Angebote auch deutlich über den Bestandskosten des noch laufenden Entsorgungsvertrages liegt, unangemessen niedrig ist (im Folgenden 2.c).

Schließlich ist die Antragstellerin, durch die vom Antragsgegner in den Fassungen seiner Schriftsätze für die Antragstellerin vorgenommenen Teilschwärzungen auch nicht in seinem Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzt. Soweit die Schwärzungen in der Antragserwiderung vom 03.02.2023 über das zur Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen unbedingt notwendige Maß hinausgegangen sind, ist dieser Mangel durch den vertiefenden umfangreichen, auch gegenüber der Antragstellerin offengelegten Vortrag im Schriftsatz des Antragsgegners vom 17.02.2023 geheilt (im Folgenden 2.d).

1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei dem Antragsgegner handelt es sich um einen öffentlichen Auftraggeber i. S. d. § 99 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 106 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer die jeweiligen Schwellenwerte erreicht oder überschreitet, die nach den EU-Richtlinien festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Dienstleistungsauftrag i. S. d. § 103 Abs. 4 GWB, für den gemäß § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB i. V. m. Art. 4 der Richtlinie 2014/24/EU in der seit 01.01.2022 geltenden Fassung zum Zeitpunkt der hier streitbefangenen Auftragsvergabe ein Schwellenwert von 215.000 € gilt. Die vom Antragsgegner gemäß § 3 VgV geschätzten Kosten für den Gesamtauftragswert wie auch die vorliegenden, konkreten Angebotspreise überschreiten bereits für das vorliegend allein verfahrensgegenständliche Los 1 den Schwellenwert deutlich.

Die Antragstellerin ist auch gemäß § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie ein Interesse am Auftrag hat und die Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie beanstandet, dass der Antragsgegner beabsichtige, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen, obwohl der Antragsgegner weder die Vollständigkeit der abgeforderten und von der Beigeladenen eingereichten Eignungsnachweise geprüft noch die Eignungsprüfung selbst in der vergaberechtlich gebotenen Tiefe vorgenommen habe. Es sei beurteilungs- und rechtsfehlerhaft, wenn der Antragsgegner auf die diesbezüglichen Rügen lediglich darauf verweise, dass er auf die Einhaltung vertraglicher Leistungsanforderungen durch die Bieter vertrauen dürfe. Die Vergabestelle habe sich vielmehr angemessen und hinreichend mit der Frage zu befassen, ob aufgrund des Bieterangebotes und etwaiger weiterer Aufklärungen prognostisch mit hinreichender Sicherheit mit der Gewährleistung der rechtzeitigen Leistungserbringung zu rechnen sei. Auch der seitens der Beigeladenen angebotene Preis sei unangemessen niedrig. Das Angebot der Antragstellerin sei bereits äußerst knapp kalkuliert und Kosten für die Ersterrichtung einer Umschlaganlage würden für sie als Bestandsunternehmer nicht anfallen. Es sei nicht ersichtlich, dass eine Preisprüfung durchgeführt worden sei.

Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Beck VergabeR/Horn/Hofmann, 4. Aufl. 2022, GWB, § 160, Rn. 23, Boesen, Vergaberecht, § 107 GWB, Rn. 52).

Nach herrschender Meinung und Rechtsprechung sind an diese Voraussetzungen keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags, wenn der Bieter schlüssig einen durch die behauptete Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet, also darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können (BVerfG, Urteil vom 29.07.2004 - 2 BvR 2248/04; Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, GWB, § 160, Rn. 43; vgl. Beck VergabeR/ Horn/Hofmann, 4. Aufl. 2022, GWB § 160 Rn. 34; Möllenkamp in: Kulartz/Kus/Portz/ Prieß, GWB-Vergaberecht, 4. Aufl., § 160, Rn. 30 ff.). Ob tatsächlich der vom Bieter behauptete Schaden droht, ist eine Frage der Begründetheit (vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2006 - X ZB 14/06, zitiert nach VERIS). Der Anspruch an die Substantiierung des antragsbegründenden Vortrags wird durch den Stand der Kenntnis des Antragstellers von dem der beanstandeten Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt begrenzt und muss damit korrespondieren. Die Antragstellerin hat eine mögliche Beeinträchtigung ihrer Chancen auf den Zuschlag und damit einen möglichen Schaden schlüssig dargelegt.

Die Antragstellerin hat auch ihrer Pflicht genügt, den geltend gemachten Verstoß gegen die Vergaberechtsvorschriften gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB vor Einreichen des Nachprüfungsantrags innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen nach positiver Kenntniserlangung gegenüber der Auftraggeberin zu rügen. Bei der Vorschrift des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Bieters von den Tatsachen.

Der Antragsgegner hatte der Antragstellerin mit Bieterinformation vom 19.01.2023 nach § 134 Abs. 2 GWB mitgeteilt, dass er beabsichtige, den Zuschlag für das streitgegenständliche Los 1 auf das Angebot der Beigeladenen erteilen zu wollen. Die Antragstellerin habe nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben.

Die Antragstellerin rügte daraufhin mit Schreiben vom 23.01.2023 das Vergabeverfahren. Gerügt wurde, dass das übersandte Informationsschreiben nicht die Anforderungen des § 134 GWB erfülle. Zudem sei der beabsichtigte Zuschlag auf die Beigeladene vergaberechtswidrig, da das für den Zuschlag vorgesehene Unternehmen nicht über die geforderte Umschlaganlage für Altpapier verfüge. Es werde diese auch nicht binnen der vorgegebenen Frist zur Verfügung stellen können. Zudem verfüge es nicht über ein geeignetes Ident-System. Die Beigeladene könne die Erfüllung der ausgeschriebenen Leistungen ausschließlich mit Nachunternehmern sicherstellen. Es werde bestritten, dass alle Nachunternehmer ihrerseits die Eignungsanforderungen erfüllen und für alle Nachunternehmer ordnungsgemäße Verpflichtungserklärungen vorliegen würden. Schließlich sei auch nicht ersichtlich, dass der Antragsgegner die Angemessenheit des von der Beigeladenen angebotenen Preises überprüft habe, obwohl dazu Anlass bestehe. Der seitens der Beigeladenen angebotene Preis sei unangemessen niedrig, da bereits das Angebot der Antragstellerin äußerst knapp kalkuliert sei, obwohl sie im Gegensatz zur Beigeladenen bereits über eine Umschlaganlage verfüge und diese nicht erst errichten müsse.

Die Rüge der Antragstellerin erfolgte innerhalb der Frist von zehn Kalendertagen und damit rechtzeitig i. S. d. § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB.

Der Nachprüfungsantrag ist somit zulässig.

2. Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet. Die Antragstellerin ist durch die Berücksichtigung des Angebots der Beigeladenen und die Entscheidung, auf dieses Angebot den Zuschlag zu erteilen, nicht in ihren Rechten gemäß § 97 Abs. 6 GWB verletzt. Die Beigeladene hat sämtliche geforderte Eignungsnachweise erbracht. Der Antragsgegner war nicht gehalten, die Eignungsprüfung der Beigeladenen über das in der Vergabeakte dokumentierte Maß hinaus zu vertiefen und die Eignung weiter zu hinterfragen. Schließlich hatte der Antragsgegner vorliegend auch keinen Anlass, die Angemessenheit des von der Beigeladenen angebotenen Preises gemäß § 60 VgV zu überprüfen:

a. Der Antragsgegner hat nach der in der Vergabeakte dokumentierten Prüfung zu Recht festgestellt, dass die Beigeladene die geforderten Eignungsnachweise vollständig vorgelegt hat. Er hat sich auch im Hinblick auf die nachgeforderten Erklärungen und Unterlagen im Rahmen des § 56 VgV und des § 15 Abs. 5 VgV gehalten.

Für die Teilnahmebedingungen hatte der Antragsgegner nach Ziffer III.1.1) zum Nachweis der Befähigung zur Berufsausübung folgende Anforderungen festgelegt:

"Für jeden Bieter, jedes Mitglied von Bietergemeinschaften sowie für Unterauftragnehmer vorzulegen.

BB 1 Unternehmensbeschreibung

Als Anlage ist eine eigene Darstellung, Broschüre o.Ä. beizufügen, aus der Angaben zum Unternehmen, zur Unternehmensstruktur (z.B. Muttergesellschaften, Konzernzugehörigkeit) sowie ggf. zur zuständigen Niederlassung hervorgehen.

BB 2 Registereintrag

Als Anlage ist ein aktueller Auszug aus dem Berufs- oder Handelsregister nach Maßgabe des Landes, in dem der Bieter ansässig ist, beizufügen".

Nach Ziffer III.1.2) gilt zum Nachweis der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit:

"Für jeden Bieter, jedes Mitglied von Bietergemeinschaften sowie für Unterauftragnehmer vorzulegen.

WL 1 Angaben zum Gesamtumsatz der Jahre 2019 bis 2021 sowie dem Mittelwert 2019-2021.

WL 2 Angaben zum Umsatz mit ähnlichen Leistungen der Jahre 2019 bis 2021 sowie dem Mittelwert 2019-2021

- Los 1 die behältergestützte Abfuhr (typischerweise Restabfälle, Bioabfälle, PPK o.ä.), [...]"

Nach Ziffer III.1.3) gilt zum Nachweis für die Technische und berufliche Leistungsfähigkeit:

"Für jeden Bieter, mindestens ein Mitglied von Bietergemeinschaften sowie für Unterauftragnehmer vorzulegen.

BL 1 Qualitätssicherung

Nachweis für die Zertifizierung zum Entsorgungsfachbetrieb

für Los 1: für die Tätigkeit "Sammeln", Abfallschlüsselnummer 20 03 01 [...]

Bei ausländischen Bietern: gleichwertige Qualitätssicherung

BL 2 Referenzen

mindestens je eine Referenz im Kommunalauftrag für mindestens 50.000 Einwohner für

(Los 1) die Abfallabfuhr von mindestens zwei Fraktionen mittels Umleerbehältern [...]"

- Die Beigeladene hat ausweislich der Vergabeakte und des dort enthaltenen Angebotes nebst Anlagen vom 10.11.2022 fristgerecht bereits ein vollständiges Angebot mit allen Erklärungen und Eignungsnachweisen für das eigene Unternehmen eingereicht, die mit dem Angebot vorzulegen waren. In ihrem Angebotsformular hat die Beigeladene auf die beigefügte Anlage 04 verwiesen. Aus dieser Anlage ergibt sich, dass die Beigeladene für das deutschlandweite Sammeln sämtlicher Abfallarten zertifiziert ist.

- Der Antragsgegner hatte jedoch im Rahmen der Vollständigkeitsprüfung gemäß § 56 Abs. 1 VgV festgestellt, dass die Beigeladene für Teilleistungen, für die sie einen Eignungsleihgeber benannt hat, im Formblatt nicht sämtliche Angaben gemacht hatte. Es fehlten Angaben zur Unternehmensbeschreibung, zum Registereintrag und zum Gesamtumsatz und zum Umsatz mit ähnlichen Leistungen.

In der Bekanntmachung hatte der Antragsgegner zu III.1 Teilnahmebedingungen, bei Einsatz von Unterauftragnehmern und bei Eignungsleihe gefordert:

"Falls Leistungen von einem Unterauftragnehmer ausgeführt werden sollen, ist im Angebotsformular die Erklärung zum Einsatz von Unterauftragnehmern auszufüllen. Beruft sich ein Bewerber zum Nachweis seiner Eignung (wirtschaftliche und finanzielle sowie technische und berufliche Leistungsfähigkeit) auf die Kapazitäten anderer Unternehmen (sog. Eignungsleihe), so ist durch Vorlage einer Verpflichtungserklärung des Eignungsleihgebers nachzuweisen, dass dieser dem Bieter die für den Auftrag erforderlichen Mittel tatsächlich zur Verfügung stellt."

Mit Nachricht vom 20.12.2022 forderte der Antragsgegner daher für das als Eignungsleihgeber benannte Unternehmen gemäß § 56 Abs. 2 VgV die Angaben und Unterlagen BB 1 Unternehmensbeschreibung, BB 2 Registereintrag, WL 1 Gesamtumsatz, WL 2 Umsatz mit ähnlichen Leistungen (Lose 1 und 3A) und BL 1 Efb-Zertifikat (BL 2 lag bereits vor) nach und bat um Vorlage bis zum 27.12.2022. Bereits mit Nachricht vom 21.12.2022 legte die Beigeladene sämtliche Angaben und Nachweise vor.

- Bereits mit Nachricht vom 05.12.2023 hatte der Antragsgegner für die als Unterauftragnehmer für den Umschlag von PPK, Sperrmüll und ggf. Restabfällen benannte Firma die Eignungsnachweise Unternehmensbeschreibung, Registerauszug und Gesamtumsatz bis zum 12.12.2022 nachgefordert. Dies ungeachtet der Tatsache, dass die Beigeladene diesen Unteraufnehmer sogar schon mit Angebotsabgabe und damit frühzeitig benannt hatte. Denn für den Umschlag hatte der Antragsgegner unter Ziffer 3.3.4 der Leistungsbeschreibung festgelegt:

"(1) Der AN hat im Kreisgebiet eine Umschlaganlage zu betreiben. Diese dient als Zielanlage für die Abfuhr von Altpapier sowie für die Verladung des Altpapiers in die Fahrzeuge des AN Los 2 und in die der Systeme. (2) Der AN hat dem AG spätestens 6 Monate nach Zuschlagserteilung den Standort der Umschlaganlage mitzuteilen. Sofern der AN diese nicht selbst betreibt, hat er den AG zugleich um Genehmigung zur Einschaltung eines Nachunternehmers nach § 4 Entsorgungsvertrag zu ersuchen."

Auch dieser Aufforderung kam die Beigeladene fristgerecht mit Nachricht vom 06.12.2022 nach.

Die erforderliche Abfrage zum Wettbewerbsregister ist zwar erst im Zuge des Nachprüfungsverfahrens am 15.02.2023, aber gleichwohl rechtzeitig erfolgt. Denn gemäß § 6 Abs. 1 WRegG ist ein öffentlicher Auftraggeber verpflichtet, vor der Erteilung des Zuschlags in einem Verfahren über die Vergabe öffentlicher Aufträge eine Abfrage bei der zuständigen Registerbehörde vorzunehmen. Der Zuschlag wurde vorliegend noch nicht erteilt. Ausweislich der vom Antragsgegner mit Schriftsatz vom 17.02.2023 als Anlage AG 3 vorgelegten Auskunft des Bundeskartellamtes liegen für die Beigeladene keine Eintragungen im Wettbewerbsregister vor.

Das Angebot der Beigeladenen lag somit - auch bezüglich sämtlicher Eignungsnachweise - entgegen der Vermutung der Antragstellerin vollständig und fristgerecht zur Angebotswertung vor.

b. Der Antragsgegner hat die Eignung der Beigeladenen entgegen der Auffassung der Antragstellerin in der gebotenen Tiefe geprüft und sich dabei im Rahmen der den öffentlichen Auftraggebern durch § 122 GWB und den §§ 42 ff. VgV eingeräumten Beurteilungsspielraum gehalten. Er war insbesondere weder gehalten noch berechtigt, die Eignung der Beigeladenen aufgrund einer vermeintlich erfolgten, nach § 47 Abs. 1 Satz 3 GWB unwirksamen Eignungsleihe für den Nachweis der erforderlichen beruflichen Leistungsfähigkeit zu verneinen.

Gemäß § 122 GWB werden öffentliche Aufträge an fachkundige und leistungsfähige (geeignete) Unternehmen vergeben, die nicht nach den §§ 123 oder 124 ausgeschlossen worden sind.

Gemäß § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB sind die Eignungskriterien in der Auftragsbekanntmachung, der Vorinformation oder der Aufforderung zur Interessensbestätigung aufzuführen. Diese Regelung ist Ausfluss des vergaberechtlichen Transparenzgebotes gemäß § 97 Abs. 1 GWB (Hausmann/von Hoff in: Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, 5. Aufl., § 122 GWB, Rn. 47). Dabei kann der Auftraggeber als Beleg der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit die Vorlage der in § 46 Abs. 3 VgV aufgeführten Unterlagen wie geeignete Referenzen, Angabe der technischen Fachkräfte und der Beschreibung der technischen Ausrüstung etc. verlangen. Zu beachten ist dabei aber, dass der öffentliche Auftraggeber gemäß § 48 Abs. 2 VgV im Grundsatz gehalten ist, vorrangig (nur) die Vorlage von Eigenerklärungen anzufordern. Durch das vorrangige Anfordern von Eigenerklärungen sollen unnötige bürokratische Lasten für Bewerber bzw. Bieter vermieden und das Vergabeverfahren beschleunigt und vereinfacht werden (Mager in: Beck'scher Vergaberechtskommentar, Bd. 2, 3. Aufl., § 48 VgV, Rn. 28, m. w. N.). Legt der Bieter - wie im vorliegenden Fall - sämtliche geforderte Eignungsnachweise vor, ist der Auftraggeber nur dann zu einer weiter vertiefenden Prüfung der Eignung gehalten und berechtigt, wenn das Angebot des Bieters oder der Sachverhalt im übrigen zu weiterem Aufklärungsbedarf oder gar Zweifeln beim Auftraggeber führen. Zu diesem Zweck steht dem Auftraggeber bei Bedarf das Instrument der Aufklärung gemäß § 15 Abs. 5 VgV zur Verfügung.

Dem öffentlichen Auftraggeber steht bei der Prüfung der Eignung eines Bieters grundsätzlich ein weiter Beurteilungsspielraum zu, der der Überprüfung durch die Nachprüfungsinstanzen weitgehend entzogen ist. Das gilt namentlich für die Überprüfung von Referenzen und die Beurteilung von deren Vergleichbarkeit (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.06.2010 - Verg 14/10; OLG München, Beschluss vom 12.11.2012 - Verg 23/12; Müller-Wrede/Schwabe, VOL, 4. Aufl., § 15 EG, Rn. 62). Der Auftraggeber ist aber an die von ihm selbst aufgestellten und bekannt gegebenen Anforderungen gebunden (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.04.2014 - 11 Verg 1/14) und darf hiervon nicht nachträglich zugunsten oder zuungunsten einzelner Bieter abweichen, indem er bei der Eignungsprüfung oder der Wertung von Teilnahmeanträgen an die Eignung höhere oder geringere als die allgemein bekannt gemachten Anforderungen stellt.

Die Überprüfung der Vergleichbarkeit durch die Nachprüfungsinstanzen ist darauf beschränkt, ob der der Eignungsprüfung zugrunde gelegte Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt und bei der Eignungsprüfung berücksichtigt worden ist, allgemeine Bewertungsmaßstäbe eingehalten worden sind und sachwidrige Erwägungen dabei keine Rolle gespielt haben.

Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabs ist die Prüfung und Bewertung der Eignung der Beigeladenen auf der Grundlage der - wie oben unter 2.a ausgeführt - vollständig und fristgerecht von der Beigeladenen vorgelegten Eignungsnachweise nicht zu beanstanden:

- Die Antragstellerin geht davon aus, dass die Beigeladene ihre Eignung - selbst, wenn sie formal die Eignungsnachweise mit dem Angebot oder auf Nachforderung vorgelegt haben sollte - im Ergebnis nicht nachweisen konnte. Der Auftraggeber sei bei der Eignungsprüfung "zu lässig" vorgegangen. Die Beigeladene könne offensichtlich die Eignungsmindestanforderungen nicht unmittelbar selbst, sondern nur mit Hilfe einer Eignungsleihe im Sinne von § 47 VgV erfüllen. Eine Eignungsleihe in Bezug auf die berufliche Leistungsfähigkeit sei gemäß § 47 Abs. 1 Satz 3 VgV aber nur dann möglich, wenn der Eignungsverleiher die betreffenden Leistungen auch tatsächlich erbringt. Der hier so bezeichnete "Eignungsleihgeber" hätte folglich seitens der Beigeladenen als Unterauftragnehmer bzw. Nachunternehmer für die Sammelleistungen als solche benannt werden müssen, was aber nicht geschehen sei.

Die Beigeladene bedient sich ausweislich ihres Angebotes und der Dokumentation in der Vergabeakte (Vergabeempfehlung, Nr. 3.4.1, Seite 20 ff.) des von ihr benannten Eignungsleihgebers, jedoch nicht in Bezug auf die Sammelleistungen. Diese führt sie im eigenen Betrieb durch und ist dafür - wie oben unter 2 a ausgeführt - zertifiziert. Der Vorlage des entsprechenden Zertifikats des Eignungsleihgebers hätte es daher gar nicht bedurft und ist daher überobligatorisch erfolgt. § 47 Abs. 1 Satz 3 VgV ist daher vorliegend nicht einschlägig.

Gemäß der beigefügten Verpflichtungserklärung sollen durch den Eignungsleihgeber lediglich Unterstützung und Wissenstransfer wie folgt stattfinden:

- Aufbau und Betrieb des Behälter-Ident-Systems an den Fahrzeugen sowie der entsprechenden IT-Infrastruktur

- Schulung der Mitarbeiter im Umgang mit der Software und Hardware an den Fahrzeugen

- Unterstützung der Tourenplanung und Erstellung der Tagesreviere mit täglicher Übertragung der zu leerenden Behälter an die Fahrzeuge.

Der benannte Eignungsleihgeber verpflichtet sich, die Beigeladene im Zuschlagsfall bei der Vorbereitung und Durchführung der vertraglichen Leistungen zu unterstützen, und haftet gesamtschuldnerisch.

Ein Widerspruch zwischen den diesbezüglichen Erklärungen der Beigeladenen im Angebotsanschreiben und in den Vordrucken, der Anlass zu Zweifeln hätte geben können, liegt somit aus dem Empfängerhorizont des Antragsgegners nicht vor.

- Die Antragstellerin hat vorgetragen, dass die Beigeladene die Anforderungen an die zu gestellende und zu betreibende Umschlaganlage für Altpapier nicht erfüllen kann. Sie verfüge selbst nicht über eine solche Umschlaganlage und eine Neuerrichtung sei trotz der zur Verfügung stehenden Zeit von sechs Monaten ab Zuschlagserteilung offenkundig nicht möglich. Sollte sich die Beigeladene insoweit eines Nachunternehmers bedienen wollen, gäbe es derzeit auch keine andere geeignete und den Anforderungen entsprechende Umschlaganlage im Kreisgebiet. In jedem Falle bedürfte es der Erlangung zusätzlicher (Änderungs-)Genehmigungen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz und einer baulichen Änderung bestehender Anlagen, für die notwendige Lagerhalle ggf. sogar einer Neuerrichtung. Dies sei im vorgegebenen Zeitrahmen nicht möglich. Das Angebot der Beigeladenen sei jedenfalls nach § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV vom Vergabewettbewerb auszuschließen, weil es in Bezug auf den Unterauftragnehmer für die Umschlaganlage nicht die geforderten Unterlagen enthalten habe und enthalten könne.

Auch diese Vermutung der Antragstellerin wird jedoch durch die in der Vergabeakte dokumentierten Erklärungen und Nachweise der Beigeladenen widerlegt. Wie oben unter 2.a. ausgeführt, hat die Beigeladene die von ihr für den Zuschlagsfall vorgesehene Umschlaganlage und den entsprechenden Unteraufnehmer sogar schon mit Angebotsabgabe und damit frühzeitig benannt - obwohl sie dies nach Ziffer 3.3.4 Abs. 2 der Leistungsbeschreibung erst spätestens 6 Monate nach Zuschlagserteilung mitteilen musste. Auf Nachforderung des Antragsgegners vom 05.12.2023 übersandte die Beigeladene für diesen Nachunternehmer die Eignungsnachweise Unternehmensbeschreibung, Registerauszug und Gesamtumsatz. Ferner übersandte sie bezüglich der Qualitätssicherung (BL 1) das Efb-Zertifikat des Nachunternehmers für den benannten, im Kreisgebiet des Antragsgegners liegenden Standort. Das Zertifikat liegt ebenfalls mit der Vergabeakte vor. Es erstreckt sich auf das Lagern und Verwerten. Die Forderung von Zertifikaten zum Nachweis eines Qualitäts- bzw. Umweltmanagements ist nicht zu beanstanden. Der Auftraggeber hat ein berechtigtes Interesse, die aufwändige Prüfung der Einhaltung von DIN-Normen aus dem Vergabeverfahren auszulagern und stattdessen die Vorlage von bereits im Vorfeld erlangten Prüfergebnissen in Form von Zertifikaten zu verlangen, welche durch speziell hierauf ausgerichtete Fachunternehmen, die akkreditierten Zertifizierungsunternehmen, nach entsprechender fachkundiger Prüfung ausgestellt werden. Das belegt § 49 Abs. 1 VgV.

Zweck der verlangten Zertifizierung ist es somit gerade, dem öffentlichen Auftraggeber eigene aufwändige Ermittlungen zu ersparen (vgl. VK Bund, Beschluss vom 28.05.2020, zitiert nach ibr-online). Bezieht sich das Zertifikat auf das benannte Unternehmen oder - wie im vorliegenden Fall - sogar spezifisch auf den benannten Standtort oder die Betriebsstätte des Unternehmens (vgl. Opitz in: Beck'scher Vergaberechtskommentar, Bd. 1, 4. Aufl., § 122, Rn. 89), so hat der öffentliche Auftraggeber keinen Anlass, die Eignung des benannten Unternehmens für die zertifizierten Dienstleistungen im Wege der Aufklärung zu hinterfragen. Vorliegend hat der Antragsgegner nach eigenem Vortrag gleichwohl den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zum Anlass genommen, am 02.02.2023 im Rahmen eines überobligatorischen Besichtigungstermins die betreffende Umschlaganlage zu besichtigen. Dabei habe sich die positive Einschätzung bezüglich der Tauglichkeit der betreffenden Anlage zu Los 1 bestätigt.

Die Beigeladene hat dem Antragsgegner daher, wie gemäß Ziffer 3.3.4 der Leistungsbeschreibung im Zuschlagsfall gefordert, den Betrieb einer ordnungsgemäßen Umschlaganlage im Kreisgebiet durch Einschaltung eines Nachunternehmers nachgewiesen. Auch diesbezüglich hatte und hat der Antragsgegner keinen Anlass, am Leistungsversprechen der Beigeladenen zu zweifeln.

- Dies gilt entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch für das Leistungsversprechen hinsichtlich des Ident- und Verwiege-Systems, der Fahrzeugbeschaffung und der Beschaffung des notwendigen Personals. Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, dass der Antragsgegner bei der aus ihrer Sicht gebotenen Hinterfragung des Leistungsversprechens der Beigeladenen im Rahmen seiner Prognose zu dem Schluss gelangt wäre, dass im Falle einer Beauftragung der Beigeladenen nicht mit hinreichender Sicherheit mit der Gewährleistung der rechtzeitigen Leistungserbringung zu rechnen sei. Dies gelte für die Beschaffung der benötigten Sammelfahrzeuge die zudem mit einem Siegel- und Ident-System auszustatten seien, das amtlich geeicht sein müsse. Bei einer notwendigen Neuanschaffung sei eine Lieferung und Bereitstellung zum Leistungsbeginn am 01.01.2024 nicht mehr rechtzeitig möglich. Der Antragsgegner habe vernachlässigt, dass die zu schaffenden technischen Einrichtungen auf den Fahrzeugen installiert und geeicht werden müssten. Ferner müsste ein hoher Anteil der

vorhandenen Abfallbehälter mit älteren 4-Mhz-Chips ausgestattet sein, die mit den meisten Ident-Systemen nicht ausgelesen werden könnten. Neben den tatsächlichen Ressourcen sei auch das notwendige Personal rechtzeitig zu beschaffen. Dabei habe sich der Antragsgegner offenbar nicht mit der Frage auseinandergesetzt, wie die Beigeladene, auch unter Berücksichtigung des bestehenden Fachkräftemangels und hier insbesondere des akuten Fahrermangels, die rechtzeitige Einstellung aller notwendigen, entsprechend geschulten und befähigten Arbeitskräfte rechtzeitig zum Leistungsbeginn sicherstellen kann.

Bezüglich der im Zuschlagsfall zu stellenden Fahrzeuge, deren Ausrüstung mit Ident-System und der Frage, inwieweit die entsprechenden Systeme die älteren 4-MHz-Chips auslesen können, hat der Antragsgegner zu Recht auf die mit Schriftsatz vom 02.02.2023 als Anlage AG 1 übersandte Angebot eines entsprechenden Fachunternehmens vom 03.11.2022 hingewiesen. Danach beträgt die Regellieferzeit für die Fahrzeugsysteme mit der auf 9 Seiten beschriebenen, ausschreibungsgemäßen Neuausstattung aktuell bei 10 Wochen ab schriftlicher Beauftragung. Das Fachunternehmen behält sich allerdings vor, dass aufgrund von Schwierigkeiten bei Materialbeschaffung und Produktionseinschränkung durch Corona diese angegebene Lieferzeit nicht garantiert werden könne, und es könne trotzdem noch zu Verzögerungen kommen.

Mit diesen pandemiebedingt möglichen Verzögerungen wären allerdings sämtliche Bieterunternehmen mit Ausnahme der Antragstellerin als Bestandsbieter konfrontiert. Dies darf nicht dazu führen, dass von einem Wettbewerb vorliegend abzusehen wäre, nur um jegliche irgendwie denkbare Verzögerung zu vermeiden.

Die Beigeladene hat mit Schriftsatz vom 08.02.2023 als Anlage B2 eine per EMail übersandte Zusage eines Herstellers für die Lieferung der benötigten Fahrzeuge vom 07.02.2023 übersandt. Dort heißt es:

"Anbei bestätige ich Ihnen, dass xxxxxx mindestens 30 Nutzfahrzeuge für die Produktion 2023 bestellt hat, die auch wie geplant im Jahr 2023 ausgeliefert werden."

Die Beigeladene hat überdies mit Schriftsatz vom 08.02.2023 als Anlage B3 eine E-Mail eines Fachunternehmens vom 08.02.2023 vorgelegt, mit der das Unternehmen der Beigeladenen eine Lieferzeit von 10 Wochen für die Ausstattung ihrer Abfallsammelfahrzeuge mit Ident- und Wiege-System für das Projekt xxxxxx bestätigt. Dort heißt es:

"Wir verfügen über die erforderlichen Kapazitäten, um die notwendige Anzahl an Fahrzeugen parallel auszustatten und Konformitätsbewertung durchzuführen. Unsere Lösung umfasst auch alle im Projekt xxxxxx erforderlichen speziellen Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel den Einsatz von Readern/Antennen für 4 MHz, 125 kHz HITAG und 134,2 kHz sowie die Lieferung von Wiegesystemen mit geforderten Wiegegenauigkeiten. Wir haben bereits erfolgreich ähnliche Projekte mit genau diesen Anforderungen umgesetzt."

Die Beigeladene und der Antragsgegner gehen zu Recht davon aus, dass die Beigeladene damit nachgewiesen hat, dass ihr im Zuschlagsfall bereits 2023 und damit rechtzeitig zum ausgeschriebenen Vertragsbeginn mindestens 30 neue Fahrzeuge mit der erforderlichen, in den Vergabeunterlagen geforderten Ausstattung zur Verfügung stehen.

Dies gilt auch für die Anwerbung und Einstellung des im Zuschlagsfalle benötigten Personals. Zu Recht hat der Antragsgegner darauf hingewiesen, dass von den Bieterunternehmen im Rahmen eines vergaberechtskonformen Eignungsnachweises nicht verlangt werden kann, erforderliches zusätzliches Personal oder auch zusätzliche sächliche Ausstattung bereits einzustellen bzw. zu beschaffen und vorzuhalten, bevor das Bieterunternehmen weiß, dass es den Zuschlag auch tatsächlich erhalten wird. Zudem durfte der Antragsgegner im Rahmen seiner Eignungsprognose auch zugunsten der Beigeladenen berücksichtigen, dass ihre Unternehmensgruppe über xxxxxx Mitarbeitende an xxxxxx Standorten in Deutschland verfügt und aktuell ca. xxxxxx Fahrzeuge im Einsatz hat. Der Betrieb der Beigeladenen selbst verfügt bereits über xxxxxx Fahrzeuge.

Der Antragsgegner hatte daher keinen Anlass, die vollständig nachgewiesene Eignung der Beigeladenen zu hinterfragen und in eine Angebotsaufklärung nach § 15 Abs. 5 VgV einzutreten.

c. Der Antragsgegner hat auch nicht gegen § 60 Abs. 1 VgV verstoßen. Er hatte keinen Anlass, die Angemessenheit des Angebotspreises der Beigeladenen zu prüfen. Zum einen wird die von der Rechtsprechung entwickelte Aufgreifschwelle von 20 % für die Frage, ob ein Angebot ungewöhnlich niedrig ist, durch den Abstand zum vorliegend zweitplatzierten Angebot der Antragstellerin nicht erreicht. Zum anderen gibt der Sachverhalt auch keinen sonstigen Anlass für die Vermutung, dass der Angebotspreis der Beigeladenen, der wie die anderen Angebote auch deutlich über den Bestandskosten des noch laufenden Entsorgungsvertrages liegt, unangemessen niedrig ist.

Gemäß § 60 Abs. 3 Satz 1 VgV kann der Zuschlag auf Angebote, deren Preise im offenbaren Missverhältnis zur Leistung stehen, abgelehnt werden, wenn der Auftraggeber die Höhe des angebotenen Preises oder der angebotenen Kosten nicht zufriedenstellend aufklären kann. Stellt der Auftraggeber fest, dass der Preis oder die Kosten des Angebots deshalb ungewöhnlich niedrig sind, weil die Verpflichtungen nach § 128 Abs. 1 GWB, insbesondere der für das Unternehmen geltenden umwelt-, sozial- und arbeitsrechtlichen Vorschriften nicht eingehalten werden, ist dem Auftraggeber untersagt, auf das Angebot den Zuschlag zu erteilen (§ 60 Abs. 3 Satz 2 VgV). Erscheint dem Auftraggeber ein Angebotspreis oder die Kosten eines Angebots im Verhältnis der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig, so hat er gemäß § 60 Abs. 1 VgV vom Bieter Aufklärung zu verlangen. Die Prüfung der Angemessenheit der Preise auf der dritten Wertungsstufe verfolgt den Zweck, auf der vierten und letzten Wertungsstufe, die die abschließende Angebotswertung zum Gegenstand hat, nur ernsthaft kalkulierte Angebote zuzulassen. Normzweck ist zwar vorrangig der Schutz des Auftraggebers. Beim Zuschlag auf ein ungewöhnlich niedriges Preis- oder Kostenangebot besteht die Gefahr, dass der Auftraggeber zumal dann, wenn der Vertrag einen größeren Umfang oder eine längere Laufzeit haben soll, infolge wirtschaftlicher Schwierigkeiten leistungsunfähig wird, dass schlecht geleistet wird oder Nachforderungen gestellt werden, die zu Verteuerungen der Beschaffung führen (vgl. Dicks in: Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, VgV, § 60 VgV, Rn. 3; Horn in: Müller-Wrede, VOL/A, 3. Auflage, § 19 EG, Rn. 172). Der BGH hat jedoch mit Beschluss vom 31.01.2017 - X ZB 10/16 (zitiert nach ibr-online) bekräftigt, dass diese Vorschrift auch subjektiven Bieterrechtsschutz entfaltet. Erscheine ein Preis für eine zu erbringende Leistung ungewöhnlich niedrig, habe jeder Bieter einen Anspruch darauf, dass der Auftraggeber Aufklärung über die Preisbildung verlange. Auf das tradierte Kriterium der "Marktverdrängungsabsicht" komme es laut BGH in der Zulässigkeitsprüfung des Nachprüfungsantrags nicht an, da es einem Antragsteller regelmäßig unmöglich sei, hierzu Konkretes vortragen zu können.

Zum Zweck der Angemessenheitsprüfung muss der Auftraggeber vom Bieter die Erläuterung der Kalkulation des Angebotes verlangen und bei der Entscheidung über die Berücksichtigungsfähigkeit des Angebotes das Ergebnis dieser Überprüfung berücksichtigen.

Bei der Angemessenheitsprüfung des § 60 VgV handelt es sich um eine Plausibilitätsprüfung, die sich auf die Frage der Angemessenheit des Gesamtpreises des niedrigsten Angebotes richtet. Zwar ist der öffentliche Auftraggeber verpflichtet, eine derartige Überprüfung im Wege der Aufklärung vorzunehmen, wenn ihm das preislich günstigste Angebot ungewöhnlich niedrig erscheint. Auch kann sich der Auftraggeber nicht allein auf eigene Kalkulationen stützen, sondern er muss darauf hinwirken, die erforderlichen Informationen über die konkrete Preisbildung vom betreffenden Bieter zu verlangen (vgl. Horn in: Mütter-Wrede, VOL/A, 3. Auflage, § 19 EG, Rn. 180). Trägt der Bieter durch nachvollziehbare Angaben zur Aufklärung bei, ist der Auftraggeber nicht per se gehindert, den Zuschlag sogar auf ein Unterkostenangebot (unauskömmliches Angebot) zu erteilen (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 08.11.2001, Az.: 13 Verg 12/01; Dicks in: Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, VgV, § 60 VgV, Rn. 32, m. w. N.) Bei einem grundsätzlich leistungsfähigen Bieter kann es verschiedenste Gründe geben, im Einzelfall auch ein nichtauskömmliches oder jedenfalls sehr knapp kalkuliertes Angebot abzugeben. Derartige Angebote sind im Sinne eines Wettbewerbs erwünscht, solange an der ordnungsgemäßen Durchführung der Leistung keine Zweifel bestehen.

Der Eindruck eines unangemessen niedrigen Preises kann aufgrund eines Vergleichs mit Preisen eingegangener Konkurrenzangebote, aber auch auf der Grundlage von Erfahrungswerten bei wettbewerblicher Preisbildung - z.B. anhand früherer vergleichbarer Ausschreibungen - gewonnen werden (vgl. Dicks in; Kulartz/Kus/Marx/Portz/ Prieß, VgV, § 60 VgV, Rn. 6). Die Frage, ab welchem Preisabstand der Auftraggeber Anlass zu Zweifeln an der Angemessenheit des Preises haben muss, hängt vom Einzelfall, insbesondere vom Auftragsgegenstand und von der Marktsituation ab. Bezugspunkt für die prozentuale Abweichung ist das nächsthöhere Angebot (= 100 %) - vorliegend also das Angebot der Antragstellerin. Eine Vereinheitlichung dieser Werte ist allerdings nicht geboten. Es kommt vielmehr auf den Einzelfall an (vgl. Dicks in: Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, VgV, § 60 VgV, Rn. 8, 9, m. w. N). Gemäß § 7 des Niedersächsischen Tariftreue- und Vergabegesetzes (Nds. GVBI. Nr. 20/2013, S. 259 ff., neu gefasst durch Artikel 1 des Gesetzes vom 20.11.2019, Nds. GVBl. S. 354) können öffentliche Auftraggeber die Kalkulation eines (vermeintlich) unangemessen niedrigen Angebotes, auf das der Zuschlag erteilt werden könnte, überprüfen; bei einer Abweichung von mindestens 10 v. H. vom nächsthöheren Angebot sind sie dazu verpflichtet. Diese gesetzliche Aufgreifschwelle gilt jedoch ausdrücklich nur für öffentliche Bauaufträge. Für Liefer- und Dienstleistungen im Sinne der VgV gibt es eine derart verbindliche Aufgreifschwelle nicht. Rechtsprechung und Schrifttum orientieren sich zumindest für den Liefer- und Dienstleistungsbereich mehrheitlich an einer 20 %- Schwelle (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.03.2005, VII Verg 77/04; OLG Frankfurt/M., Beschluss vom 30.03.2004, Az.: 11 Verg 4/04; BayObLG, VergabeR 2004, S. 242 ff.; Dicks in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, 2. Auflage, § 16, Rn. 215, m. w. N.; Horn in: Müller-Wrede, a. a. O., § 19, Rn. 178). Das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 23.01.2008, Az.: VII-Verg 36/07) hat ebenfalls entschieden, dass in einem Fall, in dem der Abstand des Angebotes der dort erstplatzierten Beigeladenen zu 1 zu dem nächst höheren Angebot der dortigen Beigeladenen zu 2 sowie der Abstand zwischen diesem und dem nächst platzierten Angebot eines dritten Bieters weniger als 20 % betrug, die Aufgreifschwelle, die einen im Verhältnis zu der angebotenen Leistung ungewöhnlich niedrigen Angebotspreis indiziert, nicht erreicht ist.

Vorliegend wird diese Aufgreifschwelle bei weitem nicht erreicht. Der Antragsgegner hat in der Vergabeakte (Vermerk Angebotsauswertung und Vergabeempfehlung final, dort Seite 25 unter Nr. 3.5) dokumentiert, dass er sich mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob eine Angemessenheitsprüfung gemäß § 60 VgV vorzunehmen ist. Zu Recht ist er zu dem Schluss gelangt, dass die von der Rechtsprechung anerkannte Aufgreifschwelle vorliegend nicht erreicht wird und er angesichts der geringfügigen Unterschreitung des Angebotes der Beigeladenen zum nächsthöheren Angebot der Antragstellerin nicht gehalten ist, eine Angemessenheitsprüfung durchzuführen.

d. Schließlich ist die Antragstellerin, durch die vom Antragsgegner in den Fassungen seiner Schriftsätze für die Antragstellerin vorgenommenen Teilschwärzungen auch nicht in ihrem Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzt. Soweit die Schwärzungen in der Antragserwiderung vom 03.02.2023 über das zur Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Beigeladenen unbedingt notwendige Maß hinausgegangen sind, ist dieser Mangel durch den vertiefenden umfangreichen, auch gegenüber der Antragstellerin offengelegten Vortrag im Schriftsatz des Antragsgegners vom 17.02.2023 geheilt.

Die Antragstellerin hat sich auf die diesbezügliche Rechtsprechung des Kammergerichts berufen. Mit Beschluss vom 18.05.2022 - Verg 7/21 - hat das KG Berlin entschieden, dass Schriftsätze und sonstige Unterlagen, die Beteiligte im Vergabenachprüfungsverfahren mit der Maßgabe zu den Akten reichen, dass sie ganz oder teilweise den übrigen Beteiligten oder einem Teil von ihnen nicht zur Kenntnis gelangen sollen (sog. "geschwärzte" Unterlagen), weder Gegenstand der Akten der Vergabekammer noch Bestandteil der Gerichtsakten werden, die der Entscheidung und der Verhandlung zugrunde gelegt werden können.

Im Hinblick auf das Grundrecht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) der übrigen Beteiligten müssten diese Unterlagen bei der Verhandlung und Entscheidung der Nachprüfungsinstanzen unberücksichtigt bleiben (ebenso bereits KG Berlin, Beschluss vom 01.07.2020 - Verg 1001/20).

Die Vergabekammer Niedersachsen berücksichtigt auch derartigen, für jeweils gegnerische Verfahrensbeteiligte teilgeschwärzten schriftsätzlichen Vortrag. Sie vertritt die Auffassung, dass sich die strenge Auffassung des KG nur mit dem im normalen Zivilprozessrecht geltenden strikten Beibringungsgrundsatz (§ 282 ZPO) rechtfertigen lässt. Im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren gilt jedoch der - wenn auch eingeschränkte - Amtsermittlungsgrundsatz (§ 163 GWB). Außerdem kollidiert die Rechtsauffassung des KG mit der Intention des Gesetzgebers, die dem Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im Rahmen der Akteneinsicht zugrunde liegt. Das Kammergericht hat die diesbezüglichen, in § 165 Abs. 2 normierten Restriktionen unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH auch grundsätzlich nicht infrage gestellt. Danach hat die Vergabekammer die Einsicht in die Unterlagen zu versagen, soweit dies aus wichtigen Gründen, insbesondere des Geheimschutzes oder zur Wahrung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen, geboten ist.

Die Vergabekammer vertritt deshalb die Auffassung, dass eine Teilschwärzung von Passagen des schriftsätzlichen Vortrags durch die Verfahrensbeteiligten in dem Rahmen zulässig ist, der auch aus wichtigen Gründen des Geheimschutzes oder zur Wahrung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen im Rahmen der Akteneinsicht zulässig und geboten ist. Andernfalls liefe der Zweck des § 165 Abs. 2 GWB leer.

Vorliegend hat die Antragstellerin allerdings zu Recht beanstandet, dass der Antragsgegner in seiner Antragserwiderung vom 02.02.2023 in den Ausfertigungen für die Antragstellerin (wie auch identisch in der Ausfertigung für die Beigeladene) bei den Teilschwärzungen teilweise über das zur Wahrung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse notwendige Maß hinausgegangen ist. Dies gilt nach Auffassung der Vergabekammer jedenfalls für die umfangreichen Schwärzungen auf der Seite 15. Dort hätte es genügt, zu Darlegung seines Vortrags, dass auf Seiten der Beigeladenen keine Unterkalkulation vorliegt, die konkreten Prozentzahlen und die Preise zu schwärzen. Die Offenlegung der Textpassagen im Übrigen wäre nicht nur völlig unschädlich gewesen, sondern sie hätte den diesbezüglichen Vortrag des Antragsgegners für die Antragstellerin und die Beigeladene plausibler gemacht.

Diesen Mangel hat der Antragsgegner jedoch selbst durch den wiederholenden und vertiefenden umfangreichen, auch gegenüber der Antragstellerin offengelegten Vortrag im Schriftsatz vom 17.02.2023 geheilt. Zudem wurde die durch die Schwärzungen betroffene Thematik in der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer am 21.02.2022 ausführlich und vollständig mit den Beteiligten erörtert.

Die Antragstellerin ist daher vorliegend nicht in ihrem Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzt.

Der Nachprüfungsantrag war daher als unbegründet zurückzuweisen.

III. Kosten

Die Kostenentscheidung folgt aus § 182 GWB. Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 €, die Höchstgebühr 50.000 € und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 €.

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung aus Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 € (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 € zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 € (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. € (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 - 1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.

Der zugrunde zu legende Gegenstandswertwert beträgt xxxxxx € (brutto). Dieser Betrag entspricht der vom Antragsgegner geprüften Gesamtsumme des Angebotes der Antragstellerin inkl. Umsatzsteuer für das verfahrensgegenständliche Los 1 unter Berücksichtigung des angebotenen Rabatts (Vergabedokumentation, Vermerk Angebotswertung und Vergabeempfehlung final, 3.1.2, Seite 7 und 8) und damit ihrem Interesse am Auftrag.

Bei einer Gesamtsumme von xxxxxx € ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx €. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein.

Die in Ziffer 3 des Tenors verfügte Kostentragungspflicht folgt aus § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag keinen Erfolg hatte.

Aufwendungen des Antragsgegners:

Gemäß Ziffer 4 des Tenors hat die Antragstellerin dem Antragsgegner die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen gemäß § 182 Abs. 4 GWB zu erstatten. Die Hinzuziehung einer Rechtsanwaltskanzlei war erforderlich. Die anwaltliche Vertretung des Auftraggebers im Nachprüfungsverfahren gehört nicht grundsätzlich zu den notwendigen Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung. Grundsätzlich ist der Auftraggeber gehalten, im Rahmen seiner Möglichkeiten vorhandenes juristisch geschultes Personal auch im Nachprüfungsverfahren einzusetzen. Daher kann die Vergabekammer die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch den Antragsgegner regelmäßig nicht als notwendig ansehen.

Das vorliegende Nachprüfungsverfahren betrifft jedoch rechtlich wie tatsächlich komplexe und anspruchsvolle Fragestellungen. Die verfahrensbevollmächtigte xxxxxx, war gemeinsam mit der xxxxxx, vom Antragsgegner bereits mit der Vorbereitung und Durchführung der vorliegenden europaweiten Ausschreibung beauftragt worden (Vergabeakte, Vorlauf, Vorlage Eckpunkte vom 10.03.2022). Es erscheint zur Abarbeitung des Nachprüfungsverfahrens daher angemessen, das anhand der regelmäßigen Linienarbeit bemessene Personal dann auch für das Nachprüfungsverfahren anwaltlich zu verstärken. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war daher für den Antragsgegner insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit in diesem Fall als notwendig anzuerkennen (vgl. VK Niedersachsen, Beschluss vom 31.01.2012 - VgK-58/2011; Beschluss vom 18.09.2012 - VgK-36/2012).

Aufwendungen der Beigeladenen

Gemäß Ziffer 4 des Tenors sind auch die Kosten der Beigeladenen erstattungsfähig. Nach § 182 Abs. 4 Satz 2 GWB sind Aufwendungen des Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn die Vergabekammer sie aus Billigkeitsgründen der unterlegenen Partei auferlegt. Dabei setzt die Erstattungsfähigkeit voraus, dass der Beigeladene sich mit demselben Rechtsschutzziel wie der obsiegende Verfahrensbeteiligte aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligt hat (OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.02.2010 - Verg W 10/09, zitiert nach juris Tz. 46; OLG Celle, Beschluss vom 29.06.2010 - 13 Verg 47/10, zit. nach ibr-online) Die aktive Beteiligung sah die Rechtsprechung (BGH NZBau 2001, 151 [BGH 19.12.2000 - X ZB 14/00]) ursprünglich erst dann als gegeben an, wenn der Beigeladene sich - entsprechend § 154 Abs. 3 VwGO - umgekehrt auch selbst einem Kostenrisiko ausgesetzt hatte, indem er selbst eigene Sachanträge gestellt hatte. Inzwischen muss lediglich eine dem Beitritt eines Streithelfers der ZPO vergleichbare Unterstützungshandlung erkennbar sein, anhand derer festzustellen ist, welches (Rechtsschutz-)Ziel eine Beigeladene in der Sache verfolgt (OLG Celle, Beschluss vom 27.08.2008 - 13 Verg 2/08). Ist eine solche nicht ersichtlich, handelt es sich bei den entstandenen Aufwendungen der Beigeladenen nicht um solche zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung (OLG Celle, Beschluss vom 29.06.2010, 13 Verg 4/10, zit. nach ibr-online). Hat sich die Beigeladene in einen bewussten Interessengegensatz zu der unterlegenen Partei gestellt und sich dadurch aktiv am Verfahren beteiligt, dass sie eigene Anträge gestellt und diese begründet oder das Verfahren sonst wesentlich gefördert hat, entspricht die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen billigem Ermessen (vgl. Wiese in: Röwekamp//Kus/Portz/Prieß, GWB, 5. Auflage, § 182, Rn. 45; OLG Celle, Beschluss vom 12.01.2012 - 13 Verg 9/11).

Die Beigeladene förderte das Verfahren maßgeblich mit Schriftsätzen und stellte eigene Anträge. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im Nachprüfungsverfahren war gemäß § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i.V. m. § 80 Abs. 2 VwVfG für die Beigeladene antragsgemäß als notwendig anzuerkennen. Obwohl das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, ist wegen der Komplexität des Vergaberechts, des Verfahrensrechts im Nachprüfungsverfahren sowie der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltliche Beratung und Begleitung für die Beigeladene erforderlich.

Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses die Gebühr in Höhe von xxxxxx € unter Angabe des Kassenzeichens

xxxxxx

auf folgendes Konto zu überweisen:

xxxxxx

IV. Rechtsbehelf

...

Gause
Tiede
Kehl