Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 28.09.2023, Az.: VgK-26/2023
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 28.09.2023
- Aktenzeichen
- VgK-26/2023
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2023, 45835
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Amtlicher Leitsatz
Aus dem fehlenden oder unzureichenden deep link in der Bekanntmachung auf die Eignungskriterien der Vergabeunterlagen kann ein Bieter nur dann eine Antragsbefugnis herleiten, wenn die Vergabeunterlagen überhaupt inhaltliche Eignungskriterien enthalten. Außerdem muss sein Angebot entweder wegen fehlender Eignung ausgeschlossen worden sein, oder ein Angebot, das wegen fehlender Eignung hätte ausgeschlossen werden müssen, soll den Zuschlag erhalten.
Primär der öffentliche Auftraggeber ist Adressat der Verfahrensvorschriften des Vergaberechts. Wenn er zwar unter VI.4.1 der EU-Bekanntmachung die Vergabekammer als Nachprüfungsbehörde, benennt, aber unter VI.4.3, "Einlegung von Rechtsbehelfen" die Präklusionsfristen nach § 160 Abs. 3 GWB weglässt, eröffnet er allen Bietern bis zum Zuschlag eine unbefristete Nachprüfungsmöglichkeit. Der Inhalt von VI.4.3 der Bekanntmachung ist eine echte Rechtsbehelfsfrist, auf die der Auftraggeber immer hinweisen muss. Auch ein erfahrener Bieter, für den jeder Fehler erkennbar ist, kann sich auf die unvollständige Bekanntmachung des Rechtsbehelfs berufen und Rechte geltend machen, die nach § 160 Abs. 3 GWB präkludiert wären. Auch weil die Rechtsprechung bisher die Rechtsfolgen des Fehlers nicht auf einzelne Rügen begrenzt, sondern pauschal bewilligt, kann die Vergabekammer hier nicht anders entscheiden, als die ansonsten umfangreich zugunsten des Antragsgegners wirkende Rügepräklusion nach § 160 Abs. 3 Nr. 2, 3 GWB in Gänze unberücksichtigt zu lassen.
Fehler in Wertungsunterlagen können bei der Menge des von Vergabestellen zu bewegenden Datenvolumens immer wieder einmal passieren. Der öffentliche Auftraggeber muss auf diese Erkenntnis transparent reagieren. Stellt er Fehler in den Vergabeunterlagen fest, die er den Bietern zum Abruf zur Verfügung gestellt hat, so muss er Fehler mit möglichen Auswirkungen auf das Angebot korrigieren, indem er den Bietern eine aktuelle Dateifassung übermittelt und gegebenenfalls die Angebotsabgabefrist neu setzt.
Haftpflichtversicherungen gehören zwar zu den Eignungskriterien. Der Auftraggeber darf aber transparent und vorab die Frist zur Vorlage einer auch in der Höhe ausreichenden Haftpflichtversicherung auf einen Zeitpunkt nach Ankündigung des Zuschlags und vor Vertragsbeginn festlegen. Der Bieter wird seinen Versicherungsschutz erst erhöhen, wenn ihm mitgeteilt worden ist, dass er den Zuschlag erhalten soll. Anderenfalls müsste jeder Bieter die Kosten für den erhöhten Versicherungsschutz zahlen, obgleich keiner davon ausgehen kann, den Auftrag zu erhalten, der diese Kosten rechtfertigt. Der öffentliche Auftraggeber darf von dem einmal festgelegten Prüfablauf nicht zugunsten eines einzelnen Bieters abweichen, etwa indem er nur diesem eine längere Nachfrist zur Vorlage einer in der Höhe ausreichenden Haftpflichtversicherung setzt.
Die Vergabekammer sieht keine Veranlassung, § 65 Abs. 5 VgV wegen angeblicher Europarechtswidrigkeit nicht anzuwenden. Die Vergabestellen können sich so lange auf die Rechtmäßigkeit einer gültigen Vorschrift berufen, wie kein Vertragsverletzungsverfahren der EU abgeschlossen oder zumindest eingeleitet worden ist. Die Geschichte des § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV belegt dies.
In dem Nachprüfungsverfahren
der xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragstellerin -
gegen
das xxxxxx,
- Antragsgegner -
beigeladen:
1. xxxxxx,
- Beigeladene zu 1 -
2. xxxxxx,
- Beigeladene zu 2 -
3. xxxxxx,
- Beigeladene zu 3 -
wegen
Vergabeverfahren "xxxxxx - Sicherheitsdienstleistungen xxxxxx", Referenz-Nr. der Bekanntmachung:
xxxxxx
hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden RD Gaus, die hauptamtliche Beisitzerin Dipl.-Ökonomin Tarnowski und den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Biologe Sameluck auf die mündliche Verhandlung vom 21.09.2023 beschlossen:
Tenor:
- 1.
Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Das Vergabeverfahren wird in den Stand vor Bekanntmachung zurückversetzt. Der Antragsgegner wird verpflichtet, bei fortbestehender Vergabeabsicht die aus der Begründung ersichtliche Rechtsauffassung der Vergabekammer zu beachten.
- 2.
Die Kosten werden auf xxxxx € festgesetzt.
- 3.
Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens (Gebühren und Auslagen der Vergabekammer) zu tragen. Der Antragsgegner ist jedoch von der Entrichtung der Kosten persönlich befreit.
- 4.
Der Antragsgegner hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts war für die Antragstellerin erforderlich.
Begründung
I.
Der Antragsgegner schrieb mit der EU-Auftragsbekanntmachung vom xxxxxx.2023 die Erbringung von Sicherungsdienstleistungen für die xxxxxx an den Standorten, Dienstorten und Außenstellen in 6 Losen im offenen Verfahren aus. Die Lose teilen sich wie folgt in:
- Los 1: xxxxxx
- Los 2: xxxxxx
- Los 3: xxxxxx
- Los 4: xxxxxx
- Los 5: xxxxxx
- Los 6: xxxxxx
Bei der wirtschaftlichen und finanziellen (lfd. Nr. III.1.2) sowie der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit (III.1.3) in der EU-Auftragsbekanntmachung werden jeweils Verweise auf die Vergabeunterlagen gemacht. Unter der lfd. Nr. VI.4.1) wird auf die zuständige Stelle für Rechtsbehelfs-/Nachprüfungsverfahren hingewiesen.
Die genaue Definition der geforderten Leistung ergibt sich im Wesentlichen aus dem Leistungskatalog (Anlage B02 der Vergabeunterlagen), den Zusätzlichen Vertragsbedingungen (Anlage B01 der Vergabeunterlagen), der Anlage Bewertung und Rangfolge (Anlage A05 der Vergabeunterlagen) sowie den Zuschlagskriterien, die in der Anlage A06 - xxxxxx definiert sind.
Der Leistungsbeginn bzw. das Leistungsende unterscheiden sich laut der Anlage B02 Leistungskatalog je nach Los bzw. Standort. Gemäß der Definition in dem Leistungskatalog wird der Auftrag für ein Jahr vergeben, wobei in der Bekanntmachung auf die maximale Vertragslaufzeit von sieben Jahren bei jedem Los hingewiesen wird. Auf Seite 6 des Leistungskataloges unter der lfd. Nr. 02 werden die genauen Daten für den Leistungsbeginn bzw. das Leistungsende aufgeführt (s. die u.s. Übersicht):
(Hervorhebung durch die Vergabekammer)
Unter der lfd. Nr. 4.4 der Zusätzlichen Vertragsbedingungen wird außerdem geregelt:
"Der Auftragnehmer hat keinen Anspruch auf die Ausführung und Vergütung der in den Positionen des Leistungsverzeichnisses angegebenen Jahresstunden. Diese unverbindliche Angabe beruht auf Erfahrungswerten und dient der Abschätzung des voraussichtlichen Leistungsumfangs. Die tatsächlichen Jahresstunden bestimmen sich nach dem Bedarf und werden entsprechend auf Nachweis vergütet."
Es werden Zuschlagskriterien für die Bewertung der angebotenen Leistung in der Anlage A06 - xxxxxx aufgestellt und in der folgenden Übersicht mit der entsprechenden Gewichtung versehen. Das Kriterium Preis wird dabei mit 45 % gewichtet, während das Kriterium Tarif mit 30 % bzw. Referenzen mit 25 % von 100 % gewichtet werden. Bei den Referenzen wird hierbei zwischen der Gleichartigkeit mit den ausgeschriebenen Leistungen sowie Zufriedenheitsgrad je Referenz unterschieden. Außerdem wird die Punktevergabe mit Formeln und Beispielrechnungen untermauert.
Übersicht gem. xxxxxx
In dem Dokument A05 wird den Bietern eine Beispielrechnung anhand fiktiver Zahlen mitgegeben. Bei dem Kriterium Referenzen wird ersichtlich, dass die Angebote der Bieter auch bei Nicht-Erreichen der maximal möglichen 24 Punkte (hier bspw. bei 20 Punkten) dennoch mit 500 Punkten (was hier max. Punktezahl bei dem Kriterium Referenzen entspricht) von den maximal möglichen 1.000 Punkten in die Gesamtbewertung eingehen können.
Im Rahmen der Angebotsphase wurden von den Bietern Bieterfragen gestellt, deren Antworten von dem Antragsgegner anonymisiert allen Bietern zur Verfügung gestellt wurden. Die Bieterfrage vom 17.04.2023 bezog sich auf die Tarifentlohnung. Darauf wurde u.a. geantwortet, dass
"ein Unternehmen, das nicht tarifgebunden ist, ist nicht zur Zahlung des Tariflohns verpflichtet."
Am 12.05.2023 wurde dies von der Vergabestelle ergänzt:
"Wir verweisen auf das Wertungskonzept mit dem Kriterium "Tarif". Unternehmen, die nach Tarif oder mehr zahlen, bekommen in diesem Wertungskriterium mehr Punkte als Unternehmen, die Mindestlohn zahlen. Die Punkte gehen zu 30 % in das Gesamtergebnis ein. Somit ist die Zahlung des Tariflohns in der Wertung berücksichtigt und wird entsprechend bemessen."
Aufgrund von vermehrten Bieterfragen bzw. der Komplexität der Ausschreibung wurde die Angebotsfrist bis zum xxxxxx.2023 von dem Antragsgegner verlängert und allen Bietern am 17.05.2023 mitgeteilt.
Die Antragstellerin und die Beigeladenen reichten ihr Angebot fristgerecht ein.
Mit Schreiben vom 14.08.2023 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin seine Absicht gemäß § 134 GWB mit, den Zuschlag den Beigeladenen mit Bestplatzierung zu erteilen. In diesem Zuge erläuterte der Antragsgegner, dass nach Berücksichtigung aller Zuschlagskriterien gemäß dem Formblatt xxxxxx Gewichtung der Zuschlagskriterien ein wirtschaftlicheres Angebot vorliege.
Mit Schreiben vom 18.08.2023 rügte die Antragstellerin das Absageschreiben des Antragsgegners als vergaberechtswidrig gemäß § 134 Abs. 1 GWB. Dabei wurde der Antragsgegner aufgefordert, der Antragstellerin mitzuteilen:
1. Welche Platzierung die Mandantschaft in den Losen 1 bis 6 erreicht hat.
2. Wie viele Punkte die Mandantschaft in den Losen 1 bis 6 erreicht hat.
3. Wie viele Punkte die Mandantschaft in den einzelnen Unterkriterien erhalten hat.
4. Welche Punktzahl die jeweilige Zuschlagsprätendentin in den einzelnen Losen erhalten hat.
Mit Schreiben vom 21.08.2023 versendete der Antragsgegner Auszüge aus der Bewertung an die Antragstellerin, indem er offenlegte, dass die Antragstellerin in Los 1 auf Platz 5, in Los 2 auf Platz 6, in Los 3 auf Platz 5, in Los 4 auf Platz 7, in Los 5 auf Platz 4 und im Los 6 auf Platz 7 lag. Auch die weiteren Fragen der Antragstellerin beantwortete er.
Daraufhin rügte die Antragstellerin mit Schreiben vom 23.08.2023 die vorgesehene Vergabeentscheidung. Die genutzte Zuschlagsmatrix diene nicht zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes gemäß §§ 127 Abs. 1 S.1 GWB, 58 Abs. 1 VgV, beinhalte rechtswidrige Zuschlagskriterien und sei in Teilen intransparent. Außerdem sei die Bewertung der Zufriedenheit der Referenzgeber rechtswidrig. Ferner stellte die Antragstellerin die Annahme auf, dass der Antragsgegner die Vergabeentscheidung bzgl. der Referenzen nicht vollständig dokumentiert habe. Außerdem unterstellt die Antragstellerin mit der Vergabe der ausgeschriebenen Leistung den Abschluss eines Rahmenvertrages und beanstandet dessen Rahmenbedingungen. Zudem wird moniert, dass in der Bekanntmachung ein bloßer Hinweis auf die Vergabeunterlagen bzgl. der Eignungskriterien aufgenommen sowie die Eignungsprüfung nicht durchgeführt wurde. Schließlich sei die Vereinbarung einer Probezeit vergaberechtswidrig. In all diesen Punkten fühlte sich die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt und bat um die sofortige Abhilfe.
Mit Schreiben vom 23.08.2023, das als Ergänzung zu der bereits übersandten Rüge (s.o.) zu verstehen ist, rügte die Antragstellerin außerdem den einzutragenden Grundlohn, da er nicht mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehe sowie keine Verbindlichkeit besitze.
Mit Schreiben vom 24.08.2023 versendete der Antragsgegner die Nichtabhilfemitteilung an die Antragstellerin, in dem er die durch die Antragstellerin vorgetragenen Rügen zurückwies. Begründet wurde die Zurückweisung zum einen damit, dass die Zuschlagsmatrix nicht rechtswidrig bzw. intransparent sei sowie zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes diene. Bezüglich der Beanstandung des Kriteriums Referenzen wurde von dem Antragsgegner mitgeteilt, dass gerade in den Liegenschaften der xxxxxx notwendig sei, die Qualität des Dienstleisters über bereits bestehende Aufträge festzustellen. Die Antragstellerin sei damit ferner präkludiert, da der Antragsgegner dieses Vorgehen bereits in den Ausschreibungsunterlagen bekannt gemacht habe. Präklusion sei außerdem bzgl. der Zuschlagskriterien in den Ausschreibungsunterlagen aus demselben Grund eingetreten. Die Vergabeentscheidung habe zum einen der Antragsgegner nicht an Dritte delegiert, zum anderen umfangreich und vollständig dokumentiert. Der Antragsgegner betont außerdem, dass mit dem streitgegenständlichen Verfahren nicht der Abschluss eines Rahmenvertrages angestrebt werde. Die Eignungsprüfung wurde zum anderen durch den Antragsgegner durchgeführt. Schließlich sei die Vereinbarung einer Probezeit üblich und nicht vergaberechtswidrig.
Aufgrund der Nichtabhilfe der Rüge beantragte die Antragstellerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 24.08.2023 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gemäß § 160 Abs. 1 GWB bei der Vergabekammer.
Die Antragstellerin begründete ihren Nachprüfungsantrag unter Wiederholung und Vertiefung ihrer Ausführungen in dem o.g. Rügeschreiben.
Der Nachprüfungsantrag sei zulässig und begründet.
Bei der Begründetheit geht die Antragstellerin auf die folgenden Aspekte des Zuschlagskriteriums Referenz ein:
- Rechtswidriges Abstellen auf die Zufriedenheit der Referenzgeber (s. Punkt 1a)
- Rechtswidrige Zuschlagskriterien (s. Punkt 1c)
- Widersprüchliche Gewichtung (s. Punkt 1d)
- Unzulässige Delegation der Vergabeentscheidung (s. Punkt 4)
- Rechtsfehlerhafte Wertung (s. Punkt 5)
- Unzureichende Dokumentation der Wertungsentscheidung (s. Punkt 6).
Im Hinblick auf die erste Beanstandung beim Kriterium Referenzen weist die Antragstellerin darauf hin, dass die Bewertung der Zufriedenheit der Referenzgeber rechtswidrig sei, da der Antragsgegner subjektive Eindrücke Dritter bezüglich irgendwelcher Mitarbeiter ohne jeden Bezug zum hiesigen ausgeschriebenen Auftrag im Rahmen der Angebotsbewertung berücksichtige.
Außerdem werde § 65 Abs. 5 VgV offenbar als Rechtsgrundlage von dem Antragsgegner herangezogen. Diese Bestimmung sei aber ihrem Sinn und Zweck nach schon nicht anzuwenden. Sicherheitsdienstleistungen fallen unter den Anhang XIV zur Richtlinie 2014/24/EU und zählen daher als besondere Dienstleistungen. Es finden also die §§ 64 bis 66 VgV grundsätzlich Anwendung. Zudem sei das fragliche Kriterium nicht auftrags- sondern bieterbezogen. Das führe dazu, dass hier eine unzulässige Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien vorliege, da die Zuschlagskriterien in unzulässiger Weise die Eignungskriterien berücksichtigen.
In der Beanstandung bzgl. Verwendung von rechtswidrigen Zuschlagskriterien mit dem Augenmerk auf das Kriterium Referenzen wird von der Antragstellerin vorgetragen, dass die Zuschlagskriterien zum Teil nicht mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen. Der Antragsgegner mache die Gleichartigkeit der Referenzen gemäß der Erläuterung zu den Zuschlagskriterien (s. auch die Anlage A06 - xxxxxx, Seite 3) nur an der Bezeichnung der Posten fest, wobei weder der Umfang noch der Auftragswert noch sonst irgendwelche Kriterien beachtet werden. Das gelte ferner für die Bewertung der Zufriedenheit des Referenzgebers. Auch dieses Unterkriterium stehe nicht mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung, da die Leistung bereits in Vergangenheit erbracht wurde. Erschwerend komme hinzu, dass der Antragsgegner auch dann die Zufriedenheit von Referenzgebern bewerte, wenn die referenzierte Leistung nicht vergleichbar sei.
In Bezug auf die geforderten Referenzen wird ferner von der Antragstellerin die Gewichtung als widersprüchlich kommuniziert beanstandet. Im Dokument (A06 - xxxxxx) heiße es, die Referenzen gehen zu 25 % in die Wertung ein. Im Beispieldokument (A05 - xxxxxx) erhalten Bieter ausweislich Zeile 42 jedoch bis zu 500 Punkte, obwohl sie nicht einmal die volle mögliche Punktzahl erreichen, sondern lediglich 20/24.
Darüber hinaus trägt die Antragstellerin vor, dass die Vergabeentscheidung unzulässigerweise an Dritte delegiert werde. Zwar behalte sich der Antragsgegner vor, den Zufriedenheitsgrad bei den Referenzgebern zu überprüfen. Es sei zudem davon auszugehen, dass er bei einer abweichenden Beurteilung durch den Referenzgeber die Bewertung abändere. Allerdings erfülle ein solches Telefonat mit einem Referenzgeber nicht die notwendigen Anforderungen an einen vollständig und zutreffend ermittelten Sachverhalt. Der Antragsgegner dürfe grundsätzlich externe Hilfe in Anspruch nehmen, jedoch müsse er die insoweit delegierte Bewertung überprüfen und letztlich die Entscheidung in eigener Verantwortung treffen.
Das fragliche Kriterium wurde zudem rechtsfehlerhaft bewertet. Insbesondere sei es unrichtig, dass die Antragstellerin im Unterkriterium Zufriedenheit 0 Punkte erreicht habe. Es stehe zu befürchten, dass der Antragsgegner die Referenz nicht nachprüfen konnte und daher mit 0 Punkten bewertet habe.
Schließlich wird von der Antragstellerin die Dokumentation der Wertungsentscheidung als unzureichend gerügt. Es wird hier vorgetragen, dass die Gespräche mit den Referenzgebern und die darauffolgenden Entscheidungen von dem Antragsgegner nicht hinreichend dokumentiert worden seien.
Im Weiteren beanstandet die Antragstellerin, dass der Antragsgegner nicht das wirtschaftlichste, sondern das durchschnittliche Angebot ermittelt habe. Die Kriterien 1 (Preis) und 2 (Tarif) stehen zueinander im Widerspruch und spiegeln nicht die Vorgabe gemäß § 127 Abs. 1 S.1 GWB nach der Ermittlung des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses. Der Antragsgegner bewerte zum einen den niedrigsten Angebotspreis mit der besten Punktzahl, was mit der Forderung nach der Angabe des höchsten Grundlohns im Unterkriterium 2 ebenfalls mit der besten Punktzahl konterkariert werde. Dieses Vorgehen rücke die hiesige Wertungsmatrix an die unzulässige Mittelwertmethode heran. Entscheidend sei lediglich, dass die Bieter zu rechtswidrigen Mischkalkulationen eingeladen werden. Die Antragstellerin habe aber ihr Angebot ordnungsgemäß kalkuliert und stehe vermutlich mit Bietern im Wettbewerb, welche zumindest in Teilen eine rechtswidrige Mischkalkulation zu platzieren versucht haben.
Auf der einen Seite wird von der Antragstellerin die versteckte Ausschreibung eines Rahmenvertrages beanstandet, die gegen die allgemein gültigen vergaberechtlichen Vorgaben bzgl. der Ausgestaltung eines Rahmenvertrages verstoße. Im Einzelnen werde die Höchstlaufzeit von sechs Jahren laut § 65 Abs. 2 VgV überschritten. Der Antragsgegner lege die Mengen, Mitarbeiter, Orte etc. wechselnd, bedarfsweise und im Einzelfall während der Laufzeit der Rahmenvereinbarung fest, was die Kalkulation den Bietern erheblich erschwerte. Dies werde zum ersten Mal bei den Jahresstundenanzahlen augenscheinlich (s. Anlage B02 - Leistungskatalog), indem der Antragsgegner den Bietern bloße Rechengrößen mitteile. Außerdem weise der Antragsgegner die Bieter darauf hin, dass er diese Mengen nach Bedarf erweitern werde. In diesem Zuge wird vorgetragen, dass laut der Ausgestaltung der Zusätzlichen Vertragsbedingungen (vgl. lfd. Nr. 4.4 sowie 12.1) der Antragsgegner keine Verbindlichkeiten bzgl. der Jahresstunden eingehe bzw. nicht nur den kaufmännisch entscheidenden Stundenumfang, sondern auch die Leistungsorte jederzeit im Wege einer "Teilkündigung" neu festlegen könne. Die Annahme der versteckten Ausschreibung eines Rahmenvertrages wird darüber hinaus mit der unter der lfd. Nr. 3.5 der Zusätzlichen Vertragsbedingungen umfassenden Vorgabe für die kurzfristige Erweiterung des Sicherheitsdienstes u.a. begründet.
Die sehr flexibel gehaltenen Rahmenbedingungen werden von der Antragstellerin vor allem kalkulatorisch betrachtet gerügt, da diese nicht die Kalkulation eines wirtschaftlichen Angebotes ermöglichen bzw. ein höheres Wagnisanteil zwingend beinhalten müssen.
Auf der anderen Seite lässt die Antragstellerin zu, dass die o.g. Bedingungen eines vermeintlichen Rahmenvertrages als bloße Bedarfspositionen betrachtet werden könnten. Hilfsweise wird auch diese Herangehensweise gerügt, da das in diesem Fall unzulässig sei. Wertungsmäßig bestehe kein Unterschied zwischen einer vergabefreien Auftragsänderung und einer Bedarfsposition, die - wie die Option in § 132 Abs. 2 Nr. 1 GWB - bloß Eventualcharakter habe und noch dazu im Regelfall nicht erschöpfend beschrieben werde.
Ferner habe der Antragsgegner die Begründung der Wertungskriterien in der Vergabeakte unzureichend dokumentiert. § 58 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 i. V. m. § 65 Abs. 5 VgV verlange vom Auftraggeber eine inhaltlich weitgehende Auseinandersetzung mit der Frage, warum und inwieweit einzelne unternehmensbezogene Kriterien nicht bloß für die Auftragsausführung von Bedeutung sein sollen, sondern entscheidend für die Angebotsqualität und deren Bewertung zu sein haben.
Auch die Bekanntmachung wird von der Antragstellerin beanstandet, da die Eignungskriterien nicht entsprechend § 122 Abs. 4 S. 2 GWB aufgeführt seien. Ein bloßer Verweis der Auftragsbekanntmachung auf die Vergabeunterlagen genüge den in § 122 Abs. 4 S. 2 GWB sowie gemäß Art. 58 Abs. 5 Richtlinie 2014/24/EU definierten Anforderungen nicht. Zugleich werde anhand Formblatt 124 deutlich, dass der Antragsgegner die Leistung nur an solche Bieter vergeben wolle, welche die dort genannten Eignungskriterien erfüllen (z.B. Referenzen, Mitgliedschaft in der Berufsgenossenschaft und Zahlung von Steuern und Abgaben etc.). Die rechtsfehlerhafte Bekanntmachung der Eignungskriterien habe zur Folge, dass der Antragsgegner Bieter nicht mehr wegen fehlender Eignung ausschließen könne. Die Antragstellerin befinde sich dann im Wettbewerb zu Bietern, welche niedriger anbieten, allerdings keine Gewähr für ihre Leistungsfähigkeit erbringen können.
Außerdem sei der hiesige Bestbieter in den Losen 1 und 3 - xxxxxx - nicht geeignet, da die Eignungsprüfung nicht rechtskonform durchgeführt wurde. Der Antragstellerin sei aus ihrer Marktkenntnis heraus bekannt, dass sein Umsatz im Jahr 2021 ca. xxxxxx Euro und im Jahr 2022 lediglich ca. xxxxxx Euro betragen habe. Dabei sei allerdings zu beachten, dass der Bieter nicht nur im Wach- und Sicherheitsgewerbe (25 % seines Geschäftes) tätig sei, sondern auch Pflegearbeiten wie Grünanlagenpflege, Gebäudereinigung und Hausmeisterservice anbiete. Es wurde gerügt, dass dies nicht überprüft wurde und mithin ein Ermessensausfall vorliege.
Die Vorgabe der Probezeit unter der lfd. Nr. 2 der Zusätzlichen Vertragsbedingungen sei ebenfalls rechtswidrig. Dies stelle eine rechtswidrige Umgehung des Vergaberechts dar. Wenn einem Bieter wirksam der Zuschlag erteilt wurde, könne dieser nicht aufgehoben werden.
Schließlich wird gerügt, dass der einzutragende Grundlohn laut § 127 Abs. 3 S. 1 GWB nicht mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehe, was unzulässig sei. Wenn keine Verbindung mit dem Auftragsgegenstand bestehe, bestehe die Gefahr, dass ein weniger wirtschaftliches Angebot aus sachfremden Gründen den Zuschlag erhalte. Der Grundlohn besitze außerdem keine Verbindlichkeit. Es fehle an vertraglichen Regelungen, welche dem Auftraggeber eine Kontrollmöglichkeit einräumen.
Mit Schriftsatz vom 18.09.2023 verweist die Antragstellerin auf die fehlende Rechtfertigung seitens des Antragsgegners, die Zufriedenheit der Referenzgeber zu bewerten. Es fehle hier zudem eine die Aufstellung dieses Wertungskriteriums nachvollziehbare und rechtskonforme Begründung. Zudem sei es rechtswidrig, die Vergabeentscheidung an Dritte zu delegieren. Wie genau die Überprüfung der Referenzen durch den Antragsgegner erfolge, sei nicht nachzuvollziehen, da die dahin gehende Dokumentation unzureichend sei. Ferner verwechsele der Antragsgegner Qualität der Dienstleistung und die fachliche Eignung des Bieters für die Ausführung des Auftrages. Daher werde die Eignung der Bieter auf der Zuschlagsebene bewertet. Dies sei unzulässig. Aus der Qualität bereits erbrachter Leistungen könne kein Rückschluss auf die Qualität zukünftiger Leistungen gezogen werden. Der Antragsgegner benenne keine Anknüpfungspunkte, aus denen sich ergeben könnte, was er als rechtskonforme Grundlage für die Überprüfung der Eignung auf Zuschlagsebene ansehe. Er vertrete hingegen die Ansicht, es handele sich nicht um ein Eignungskriterium. Im Hinblick auf die Ausschreibung eines Rahmenvertrages benenne der Antragsgegner keine rechtlichen Anhaltspunkte, welche gegen einen Rahmenvertrag sprechen. Hilfsweise verweist die Antragstellerin auf die rechtsfehlerhafte Angebotswertung, weshalb eine Zurückversetzung des Verfahrens zwingend als einzige Abhilfemöglichkeit verbleibe. Auch bei der Bewertung der Referenzen der übrigen Bieter habe der Antragsgegner keine eigenverantwortliche Entscheidung getroffen, indem er die Bewertungen der Referenzgeber schlicht ermessensfehlerhaft übernommen habe. Die Eignungsprüfung sei ebenfalls rechtsfehlerhaft erfolgt. Die Nachforderung eines bereits unzureichend eingereichten Versicherungsnachweises sei unzulässig. Der vorletzte Bieter auf Seite 16 des der Antragstellerin vorliegenden Vergabevermerks plane zudem den Einsatz von Nachunternehmern. Die Eignung des Nachunternehmers habe der Antragsgegner nicht überprüft bzw. habe sich vorbehalten, dies erst im Auftragsfall zu tun. Dies könne bei fehlender Eignung die Wertungsreihenfolge dergestalt beeinflussen, dass sich die Punktereihenfolge verschieben könne. Das Unterlassen der Prüfung sei somit rechtsfehlerhaft. Die Antragstellerin fühle sich in sämtlichen vorgenannten Verstößen in ihren Rechten verletzt. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Wegfall eines Bieters oder mehrerer Bieter die Punktereihenfolge so verändere, dass die Antragstellerin eine verbesserte Chance auf den Zuschlag habe. Schließlich sei der der Antragstellerin vorliegende Vergabevermerk unbrauchbar, da es sich nicht nachvollziehen lasse, zu welchem Zeitpunkt von welchem Bearbeiter welche Eintragungen getätigt worden seien.
Die Antragstellerin beantragt,
- 1.
ein Nachprüfungsverfahren gemäß § 160 Abs. 1 GWB in Bezug auf das Vergabeverfahren "xxxxxx - Sicherheitsdienstleistungen xxxxxx Referenznummer der Bekanntmachung: xxxxxx", bekannt gemacht im EU-Abl. unter xxxxxx am xxxxxx.2023, in den Losen 1 bis 6 (alle Lose), einzuleiten;
- 2.
dem Antragsgegner zu untersagen, das im Antrag zu 1. bezeichnete Vergabeverfahren auf Grundlage der bisherigen Vergabe- und Vertragsunterlagen durch Zuschlagserteilung abzuschließen;
- 3.
dem Antragsgegner bei fortbestehender Beschaffungsabsicht aufzugeben, ein ordnungsgemäßes Vergabeverfahren gemäß dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und gemäß der Vergabeverordnung nach Maßgabe der Rechtsauffassung der Vergabekammer durchzuführen;
- 4.
dem Antragsgegner bei fortbestehender Beschaffungsabsicht aufzugeben, das Verfahren auf den Zeitpunkt vor der Absendung der EU-weiten Bekanntmachung zurückzuversetzen;
- 5.
hilfsweise: Die Vergabekammer unabhängig von dem Haupt- und Hilfsantrag zu 4. gemäß § 168 Abs. 1 S. 2 GWB auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einzuwirken;
- 6.
die Vergabeakten der Antragsgegnerseite beizuziehen;
- 7.
der Antragstellerin Akteneinsicht in die Vergabeakten des Antragsgegners zu gewähren, insbesondere in:
- a.
den Vermerk zur Prüfung und Wertung der Referenzen
- b.
den Vermerk zum Ergebnis der Abfragen bei den Referenzgebern
- c.
den Vermerk zur Aufstellung der Wertungskriterien vor Bekanntmachung
- d.
den Vermerk zur Eignungsprüfung der xxxxxx
- 8.
diesen Nachprüfungsantrag dem Antragsgegner unverzüglich - notfalls per Telefax oder E-Mail - zuzustellen;
- 9.
die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerin gemäß § 182 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären;
- 10.
dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin aufzuerlegen;
- 11.
die Akteneinsicht in den Mailverkehr mit dem jeweiligen Referenzgeber, 12. die Akteneinsicht in den Vermerk zur Laufzeit des Rahmenvertrags,
- 13.
Einsicht in den Vermerk zum Ergebnis der Abstimmung der Wertungsmatrix mit der Hausverwaltenden Dienststelle der xxxxxx zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.
Bei der Begründung geht der Antragsgegner auf den folgenden Vortrag der Antragstellerin ein:
"Die Antragstellerseite hat sich an dem streitgegenständlichen Vergabeverfahren beteilig, indem sie ein Angebot abgegeben hat. Eine Rüge vor Ablauf der Angebotsfrist hat sie nicht erhoben. Die Vergabeunterlagen beinhalten jedoch mehrere rechtswidrige Bestimmungen, welche für einen durchschnittlich fachkundigen Bieter nicht erkennbar sind."
Dabei stellt er die Zweckmäßigkeit der Erkennbarkeit nach dem Erhalt des Absageschreibens durch die Antragstellerin in Frage. Die Antragstellerin habe bereits mehrfach an Ausschreibungen des xxxxxx teilgenommen, bei denen die Vorgaben und der Ablauf nahezu identisch seien. Bei einer Ausschreibung aus dem Jahr 2020 wurde fast das identische Wertungskonzept verwendet. Hier habe die Antragstellerin für ein Los den Zuschlag bekommen und keine Rüge bzw. Nachprüfung angestrengt.
Ferner sei die Abfrage der Zufriedenheit bei den anzugebenden Referenzen hier kein Eignungskriterium. Referenzen seien hier sehr wichtig für die Bewertung der Qualität der Dienstleistung des Bieters. Da erfahrungsgemäß falsche Referenzen angegeben werden, werden diese nachgeprüft. Um hier keine subjektive Einschätzung durch den Projektleiter zu erhalten, werde der Referenzgeber gebeten, eine Einschätzung entsprechend den Vorgaben zu geben. Hier werde keine Vergabeentscheidung an Dritte delegiert, sondern nur eine Angabe des Bieters überprüft. Der Bieter wisse aus den Vergabeunterlagen, dass seine Referenzen überprüft und wie sie überprüft werden. Er könne also vorher mit den Referenzgebern Kontakt aufnehmen und diese darauf vorbereiten.
Im Hinblick auf den Widerspruch der Kriterien Preis und Tarif hält der Antragsgegner fest, dass der Preis nicht nur aus dem Tariflohn ermittelt werde, sondern sich aus vielen verschiedenen Faktoren zusammensetze. Hierbei verweist der Antragsgegner auf das Formblatt Anlage 3 "Kalkulatorischer Stundengrundlohn". Auch wenn ein Auftragnehmer über Tarif zahle, könne er letztlich den günstigsten Preis anbieten. Bei der Angabe des Tariflohns werde extra darauf hingewiesen, dass der Lohn einzutragen sei, der auch an den Mitarbeiter gezahlt werde, sollten hier also andere Positionen eingerechnet werden, müssten diese auch an den Mitarbeiter gezahlt werden. Hier werde keine Mischkalkulation erwartet, sondern davon ausgegangen, dass der Bieter wahrheitsgemäße Angaben mache. Eine Überprüfung durch den Auftraggeber sei nach Auftragserteilung sehr wohl möglich durch das NTVergG. Im Übrigen lasse allein die Tatsache, dass mit dem Angebotspreis einerseits und Grundlohn anderseits zwei Kriterien für die Angebotswertung herangezogen werden, nicht darauf schließen, dass die behauptete Mittelwertmethode Anwendung finde.
Außerdem werde ein Rahmenvertrag nicht ausgeschrieben. Gerade im Bereich der Sicherheitsdienstleistungen für Flüchtlingsunterkünfte sei die Anforderungsmöglichkeit von zusätzlichem Personal notwendig, da nicht bekannt sei, wann es zu einem neuen großen Zustrom von Flüchtlingen komme. Um dann die Sicherheit aufrechtzuhalten, sei eine schnelle Reaktion erforderlich. Um hier einen möglichen Auftragnehmer darauf hinzuweisen, werde diese Situation so gut wie möglich beschrieben. Eine Aufstellung der geschätzten Jahresstunden werde vorgenommen, damit alle Bieter von gleichen Voraussetzungen ausgehen und somit die Angebote vergleichbar seien. Eine Vertragsdauer von 7 Jahren werde angestrebt, damit beide Seiten in Ruhe sowie effektiv miteinander arbeiten können. Eine derart umfangreiche Sicherheitsdienstleistung zu erbringen, bedeute zu Beginn sehr viel Koordinations- und Managementarbeit.
Darüber hinaus wurde die Wertungsmatrix aufgestellt, damit die Leistung nicht ausschließlich nach Preis vergeben werde. Sicherheitsdienstmitarbeiter, die nur durch Leistung von Überstunden auf einen auskömmlichen Lohn kommen, seien weniger motiviert eine gute Sicherheitsdienstleistung zu erbringen. Im Sicherheitsdienstbereich gerade von Flüchtlingsunterkünften sei eine gute Qualität der Leistung wichtig, da hier mit Menschen umgegangen werde, die verschiedener Herkunft seien und traumatische Erlebnisse hatten. Somit werde in der Wertungsmatrix einerseits der Preis/Tarif bewertet und andererseits die Referenzen von gleichartigen Leistungen. Die Wertungsmatrix, die mit den Vergabeunterlagen veröffentlicht wurde, ermittele somit sehr wohl das wirtschaftlichste Angebot. Zusätzlich gebe es eine Erläuterung zu dieser Matrix mit den Erklärungen zu den einzelnen Punkten.
In Bezug auf das Unterkriterium Gleichartigkeit wiederholt der Antragsgegner in seinem Schreiben die bereits mit den Vergabeunterlagen veröffentlichten Information bzgl. der Definition des genannten Unterkriteriums sowie dessen Bewertung im Zuge der qualitativen Angebotsprüfung.
Ferner sei die Gewichtung in den Vergabeunterlagen exakt angegeben.
Zudem seien sämtliche Bieter nach erfolgter Prüfung als geeignet einzustufen. Sämtliche Bieter müssen die hohe Anzahl der benötigten Mitarbeiter aufbringen, keiner werde diese direkt vorrätig haben und müsse diese neu einstellen. Die Eignung richte sich nicht nur nach dem Umsatz und den Mitarbeiterzahlen.
Außerdem sei die Dokumentation seit Beginn der Ausschreibung fortlaufend geschrieben. In der Bekanntmachung werde zudem darauf hingewiesen, dass eine Vergabe nicht nur aufgrund des Preises erfolge. Sämtliche Einzelheiten hierzu finden sich in den Vergabeunterlagen.
Darüber hinaus sei die Festlegung einer Probezeit eine allgemein übliche Ausgestaltung eines Vertrags. Dies wurde bei vorherigen Ausschreibungen, an denen die Antragstellerin teilgenommen habe, nicht moniert. Ganz im Gegenteil wurden Verträge auf dieser Basis auch mit der Antragstellerin abgeschlossen.
Schließlich werde in der Rechtsbehelfsbelehrung in der Bekanntmachung die Stelle genannt, wo ein Rechtsbehelf eingelegt werden könne. Gleiches werde noch einmal im Formblatt "xxxxxx Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes" wiederholt.
Mit Schriftsatz vom 15.09.2023 beantwortete der Antragsgegner die noch offenen Fragen der Vergabekammer, die mit dem Hinweis am 13.09.2023 übermittelt wurden. Hinsichtlich der unternehmensbezogenen Eignungskriterien im Sinne des § 122 Abs. 2 GWB verwies der Antragsgegner auf die Anlage "xxxxxx Eigenerklärung zur Eignung.pdf", das Formblatt "A01 Hinweisblatt Neuerungen EU.pdf", "xxxxxx - Prüfung und Wertung - xxxxxx" sowie die Vergabedokumentation "xxxxxx - Vergabedokumentation - xxxxxx". Dabei wurden die aufgestellten Eignungskriterien explizit genannt, u.a. auch drei vergleichbare Referenzen. Wie den Ausschreibungsunterlagen (Formblatt "A01 Hinweisblatt Neuerungen EU.pdf" sowie Formblatt "xxxxxx - Zuschlagskriterien.pdf") zu entnehmen sei, werde eindeutig und zweifelsfrei beschrieben, dass die Angaben zu den Referenzen aus dem Formblatt "xxxxxx Eigenerklärung zur Eignung.pdf" zusätzlich und getrennt von der Eignungsprüfung für die Auswertung des Zuschlagskriteriums Referenzen genutzt werden.
Bei der Erläuterung der seitens der Antragstellerin geäußerten Zweifel an der Übereinstimmung von Wertungsmatrix und Gewichtung nimmt der Antragsgegner Bezug auf die Anlage "A06 - xxxxxx - Zuschlagskriterien.pdf" sowie gibt die mit den Vergabeunterlagen bereits veröffentlichte Erläuterung der Bewertung der Zuschlagskriterien wieder.
Auf die Frage der Vergabekammer zu der gegenüber einer Bieterin gewährten Möglichkeit, die geforderten Nachweise zu der Haftpflichtversicherung erst bei der Auftragsvergabe nachzureichen, trägt der Antragsgegner vor, dass diese Unterlagen gemäß Formblatt "A02 - xxxxxx Aufforderung Abgabe Angebot.pdf" auf gesondertem Verlangen der Vergabestelle vorzulegen seien. Die Vergabestelle habe die Nachweise in der Fachtechnischen Prüfung nachgefordert. Der Nachweis der Haftpflichtversicherung sei kein Wertungskriterium. Demzufolge können die geforderten Deckungssummen erst zum Leistungsbeginn nachgewiesen werden. Da eine Erhöhung der Deckungssummen eine u.U. deutliche Erhöhung der Versicherungsprämien nach sich ziehen könne, werde der Nachweis der Haftpflichtversicherung nur bei den Gewinnern der Ausschreibung frühestens bei der Auftragsvergabe benötigt.
Die Beigeladenen haben keine eigenen Anträge gestellt und sich nur teilweise zum Verfahren geäußert. Die Beigeladene zu 2 hat der Vergabekammer mit E-Mail vom 19.09.2023 mitgeteilt, dass ihre Eignung durch die Antragstellerin zu Unrecht angezweifelt werde. Das begründet sie mit den entsprechenden Angaben zu ihrem Umsatz im Zeitraum vom 01.01.2023 - 31.08.2023. Sie sei ein wachsendes Unternehmen, achte auf hohe Qualität des Personals sowie die Zufriedenheit ihrer Kunden und habe eine weitere Referenz (ausgestellt am 15.09.2023) der E-Mail als Anhang beigefügt.
Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
II.
Da das Angebot der Antragstellerin nicht wegen fehlender Eignung ausgeschlossen wurde, kann sie aus dem unzureichenden Verweis der Bekanntmachung III.1 auf die Eignungskriterien ohne Deep Link keine Antragsbefugnis herleiten (vgl. nachfolgend zu 1a.).
Auch ein erfahrener Bieter, der sich wiederholt an gleichartigen Ausschreibungen beteiligt hat und daher die Abläufe der europaweiten Vergabe gut kennt, kann sich auf die unvollständige Bekanntmachung des Rechtsbehelfs berufen und damit die Rechte geltend machen, die ansonsten nach § 160 Abs. 3 GWB präkludiert wären (vgl. nachfolgend zu 1b).
Stellt der Antragsgegner Fehler in den Vergabeunterlagen fest, die er den Bietern übersandt hat, so muss er Fehler mit möglichen Auswirkungen auf das Angebot korrigieren, indem er den Bietern eine aktuelle Dateifassung übermittelt und gegebenenfalls die Angebotsabgabefrist neu setzt (vgl. nachfolgend zu 2a).
Der Antragsgegner darf von dem einmal festgelegten Prüfablauf nicht zugunsten eines einzelnen Bieters abweichen, etwa indem er eine längere Nachfrist setzt (vgl. nachfolgend zu 2b).
Der überwiegend zulässige Nachprüfungsantrag ist begründet.
1. Der Nachprüfungsantrag ist überwiegend zulässig. Das Land ist als Gebietskörperschaft öffentlicher Auftraggeber nach § 99 Nr. 1 GWB. Die vertretende Landesbehörde ist mit Außenwirkung nach § 79 NJG als Behörde vor Verwaltungsbehörden wie der Vergabekammer (vgl. § 158 GWB, § 168 Abs. 3 Satz 1 GWB; Vertretungserlass Niedersachsen Abschnitt III Abs. 4 Nr. 3, Vertretung des Landes durch nachgeordnete Stellen außerhalb gerichtlicher Verfahren (RdErl. d. StK vom 12.07.2012 - 201-01461/03 - (Nds. MBl. S. 578) VORIS 20120, zuletzt geändert durch ÄndRdErl. vom 23.03.2020 (Nds. MBl. 2021 S. 546)) vertretungsberechtigt. (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.06.2022, Verg 19/22)
Der streitbefangene Auftrag übersteigt den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 106 Abs. 1 GWB. Der 4. Teil des GWB gilt nur für Aufträge, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne USt. die jeweiligen Schwellenwerte erreicht oder überschreitet, die nach den EU-Richtlinien festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um Dienstleistungen von Sicherheitsdiensten und damit um besondere Dienstleistungen gemäß Anhang XIV der RL 2014/24/EU, also um einen Dienstleistungsauftrag i. S. d. § 130 GWB. Für ihn gilt gemäß § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB i. V. m. Art. 4 der Richtlinie 2014/24/EU ein Schwellenwert von 750.000 € netto. Diesen Wert übersteigt der hier streitige Auftrag deutlich.
a. Die Antragstellerin ist gemäß § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt. Sie hat ein Interesse an dem Auftrag, und sie hat fristgerecht ein Angebot abgegeben. Sie macht die Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend, indem sie die Beanstandungen gemäß Ziffer I erhebt. Die Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB erfordert, dass der Antragsteller einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Er muss diejenigen Umstände aufzeigen, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt. An diese Voraussetzungen sind keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt, wenn der Bieter ein ernstzunehmendes Angebot abgegeben hat und schlüssig einen durch die behauptete Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet, also darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können (BVerfG, Urteil vom 29.07.2004 - 2 BvR 2248/04; Schäfer in: Röwekamp/Kus/Portz, GWB-Vergaberecht, § 160, Rn. 43 ff.). Ob tatsächlich der vom Bieter behauptete Schaden droht, ist nicht in der Zulässigkeit zu prüfen. Das ist eine Frage der Begründetheit (vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2006 - X ZB 14/06, zitiert nach VERIS).
Problematisch ist die Antragsbefugnis, weil die Antragstellerin in allen Losen abgeschlagen auf hinteren Plätzen in der Bewertung des Antragsgegners liegt. In Los 1 liegt sie auf Platz 5, in Los 2 belegt sie Platz 6, in Los 3 Platz 5, in Los 4 Platz 7, in Los 5 Platz 4 und im Los 6 wiederum Platz 7.
Ein Bieter, der auf einem wirtschaftlich aussichtslosen Rang liegt, hat keine Antragsbefugnis, wenn er selbst mit begründeten Einwendungen gegen den Zuschlagsprätendenten nicht erreichen wird, dass er selbst eine aussichtsreiche Chance auf den Zuschlag erhielte. Die Vergabekammer ist keine Fachaufsichtsbehörde, die allgemein die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Handelns der Vergabestelle überprüft. Sie ist eine Nachprüfungsinstanz, die ausschließlich prüft, ob die Rechte der Antragstellerin aus § 97 GWB auf eine transparente und nicht diskriminierende Chance auf den Zuschlag im Vergabeverfahren verletzt worden sind. Dabei ist jedes Los gesondert zu werten. Die Vergabekammer hat in der Vergangenheit bereits ab Platz 4 die Antragsbefugnis abgelehnt (VK Niedersachsen, Beschluss vom 30.11.2020 ,VgK44/2020), die VK Rheinland (VK Rheinland, Beschluss vom 27.09.2019, VK 35/19) hat eine Antragsbefugnis für Platz 3 noch bejaht. Hier macht die Antragstellerin im Ergebnis berechtigt geltend, dass das Vergabeverfahren nicht mit einem Zuschlag abgeschlossen werden könne, sie deshalb ein Recht auf eine zweite Chance habe. In diesen Fällen ist die Antragsbefugnis unabhängig vom Wertungsrang gegeben (Hofmann in: Müller-Wrede, GWB Vergaberecht, § 61, Rn. 34).
Der Antragsgegner hat mit dem pauschalen Verweis auf die Vergabeunterlagen in III.1.2 und III.1.3 der Bekanntmachung die Eignungskriterien nicht wirksam bekannt gegeben. Bereits seit 5 Jahren gibt es in Deutschland zur europaweiten Vergabe eine Rechtsprechung (OLG Naumburg, Beschluss vom 01.03.2021, 7 Verg 1/21; OLG Dresden, Beschluss vom 15.02.2019, Verg 5/18; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.07.2018, Verg 24/18; OLG München, Beschluss vom 25.02.2019, Verg 11/18), die hinsichtlich der Eignungskriterien den pauschalen Verweis auf die Vergabeunterlagen als gegen § 122 Abs. 4 GWB, bzw. § 48 Abs. 1 VgV verstoßend und daher unzureichend ansieht. Allerdings bezieht sich die Rechtsprechung wie auch deren Erörterung im Wesentlichen auf Situationen, in denen das Angebot des späteren Antragstellers im Nachprüfungsverfahren ausgeschlossen wurde, weil es die verdeckten, weil nur aus den Vergabeunterlagen erkennbaren Eignungskriterien nicht erfülle.
Hier ist der Sachverhalt anders, denn der Antragsgegner hat das Angebot der Antragstellerin nicht ausgeschlossen, auch nicht wegen fehlender Eignung. Er hat abgesehen von der Forderung nach einer Haftpflichtversicherung definierten Umfangs in den zusätzlichen Vertragsbedingungen keine Eignungskriterien formuliert. Weder im Formblatt xxxxxx "Eigenerklärung zur Eignung" noch in den zusätzlichen Vertragsbedingungen noch im Leistungskatalog finden sich inhaltliche Anforderungen an die finanzielle, technische oder berufliche Leistungsfähigkeit, wie etwa ein Jahresumsatz vergleichbar mit einem Prozentsatz des jährlichen Auftragswert eines Loses (vgl. VK Niedersachsen, Beschluss vom 11.04.2022, VgK-06/22). Daher kann die Antragstellerin aus dem pflichtwidrig unterlassenen Deep Link zunächst keine Antragsbefugnis herleiten.
Die Antragstellerin meint, ihr Nachteil liege darin, dass andere ungeeignete Bieter nicht ausgeschlossen worden seien. Das ist zur Haftpflichtversicherung möglich, daher ist insoweit die Antragsbefugnis zu bejahen.
b. Soweit die Antragstellerin darstellt, der Antragsgegner habe eine Passage zur Einlegung von Rechtsbehelfen aus der Bekanntmachung nicht ausgefüllt, trifft das zu. Der Antragsgegner benannte zwar unter VI.4.1 die Vergabekammer als Nachprüfungsbehörde, unterließ jedoch unter VI.4.2 den Hinweis auf die Stelle, bei der Auskünfte über die Einlegung von Rechtsbehelfen erhältlich sind, und unter VI.4.3, "Einlegung von Rechtsbehelfen" die Wiederholung der Rügefristen nach § 160 Abs. 3 GWB. Hierbei handelt es sich um eine echte Rechtsbehelfsfrist, auf die hinzuweisen ist (vgl. VK Sachsen, Beschluss vom 29.11.2022 - 1/SVK/024-22; VK Bund, Beschluss vom 06.02.2017, VK 2 - 6/17; OLG Celle, Beschluss vom 12.05.2010, 13 Verg 3/10).
Obwohl die Rügefristen, einschließlich der frühen Rügefristen nach § 160 Abs. 3 Nr. 2, 3 GWB, inzwischen allgemein bekannt sind, die Antragstellerin wie in der mündlichen Verhandlung erörtert Routine bei der Bewerbung um europaweit bekannt zu machende Aufträge hat, kann die Vergabekammer nicht völlig ausschließen, dass die Antragstellerin einen ausdrücklichen Hinweis in der Bekanntmachung zum Anlass genommen hätte, erkennbar problematische Sachverhalte bis zum Ablauf der Angebotsabgabefrist zu rügen. Auch weil die Rechtsprechung bisher die Rechtsfolgen des Fehlers nicht auf einzelne Rügen begrenzt, sondern pauschal bewilligt, kann die Vergabekammer hier nicht anders entscheiden, als die ansonsten umfangreich zugunsten des Antragsgegners wirkende Rügepräklusion nach § 160 Abs. 3 Nr. 2, 3 GWB in Gänze unberücksichtigt zu lassen.
Der Antragstellerin ist durch das Versäumnis des Antragsgegners auf die Rüge nach § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB und die 10-Tages-Frist hinzuweisen, bisher kein Schaden entstanden und es kann auch kein weiterer Schaden entstehen. Die Antragstellerin hat rechtzeitig gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer gestellt. Das Normziel hat sich daher mit der formal ordnungsgemäßen Erhebung des Nachprüfungsantrags erschöpft. Eine weiter fortbestehende mögliche Beschwer ist aus dem Versäumnis des Antragsgegners nicht erkennbar. Daher fehlt es insoweit an der Antragsbefugnis.
c. Die Antragstellerin hat die meisten der geltend gemachten Verstöße gegen Vergaberechtsvorschriften nicht rechtzeitig gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB gerügt. Nach dieser Vorschrift ist der Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit er sich auf Verstöße gegen Vergabevorschriften stützt, die aufgrund der Vergabeunterlagen erkennbar waren, aber nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt worden sind. Bei der Vorschrift des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln, sondern frühestmöglich auf transparente Vergabeunterlagen dringen. Dabei muss er hinnehmen, dass von den fehlerbereinigten Vergabeunterlagen auch Konkurrenten profitieren können. Der Auftraggeber soll die Möglichkeit erhalten, Vergaberechtsfehler im frühestmöglichen Stadium zu korrigieren (Wiese in: Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 5. Aufl., § 160 GWB, Rn. 95). Die Rügeobliegenheit gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB entsteht, sobald im Vergabeverfahren ein vermeintlicher Fehler für einen durchschnittlich erfahrenen und hinreichend sorgfältigen Bieter erkennbar ist. Es handelt sich nicht um eine Verpflichtung des Bieters, sondern nur um dessen Obliegenheit, denn es steht ihm frei, sich auf das angeblich fehlerhafte Verfahren einzulassen. Es steht ihm sogar frei, von etwaigen Fehlern der Vergabeunterlagen zu profitieren, weil er Nachträge erkennt oder sich eine gute Bewertung erhofft. Auf ungerügte Fehler kann ein Bieter sich dann aber nachträglich nicht mehr berufen (Hofmann in Müller-Wrede, GWB Vergaberecht, 2. Auflage 2022, § 160, Rn.43). Er darf insbesondere nicht mit der Rüge warten, bis er erfährt, dass ein Anderer den Zuschlag erhalten soll.
Ein etwaiger Eindruck in diesem Sinne muss wegen des Formfehlers des Antragsgegners in der Bekanntmachung unbeachtlich bleiben. Die Vergabekammer Sachsen (VK Sachsen, Beschluss vom 29.11.2022 - 1/SVK/024-22) hat in vergleichbarer Situation zwar einerseits eine Präklusion angenommen, andererseits den Fehler als so schwerwiegend angesehen, dass er von Amts wegen aufzugreifen sei. Sie kommt daher zu keinem anderen Ergebnis.
Die Antragstellerin erhob ihren Nachprüfungsantrag innerhalb der Frist des § 160 Abs. 3 Nr. 4 GWB. Nach der Rügezurückweisung vom 23.08.2023 erhob sie ihren Nachprüfungsantrag am 24.08.2023. Die Antragstellerin hielt also die dort normierte Frist von 15 Tagen ein.
2. Soweit der Nachprüfungsantrag zulässig ist, erweist er sich als begründet, auch wenn nicht alle Argumente der Antragstellerin überzeugen.
a. Der Antragsgegner hat gegen das Transparenzgebot aus § 97 Abs. 1 GWB verstoßen, indem er die Wertung nach einer Rechentabelle durchführte, die von der Tabelle, die den Bietern mit den Angebotsunterlagen zur Verfügung gestellt wurde, inhaltlich abwich. Die Antragstellerin stellt zu Recht dar, dass die ihr zur Verfügung gestellte Rechentabelle die Wertung der Referenz nicht nur gemäß den Vergabeunterlagen mit 250 Punkten, sondern bis zu 500 Punkten ermöglicht. Dieser Fehler gehört zwar zu den Fehlern, die einem sorgfältigen Bieter bei der Angebotskalkulation auffallen müssen, damit objektiv erkennbar sind. Wie oben dargestellt, kann sich der Antragsgegner jedoch hier nicht auf die Rügepräklusion berufen.
Grundlage des öffentlichen Vergabeverfahrens ist die Transparenz. Jeder Anbieter muss wissen, nach welchen Kriterien die Entscheidung getroffen wird. Die Darstellung in der Leistungsbeschreibung war zutreffend und stimmte mit der tatsächlich durchgeführten Wertung überein. Hierin liegt also weder ein Fehler, noch eine Beschwer der Antragstellerin. Der Fehler lag ausschließlich in einer Funktion der Rechentabelle, die den potentiellen Bietern zum Download zur Verfügung gestellt wurde. Gerade die Rechentabelle hat jedoch für die Angebotskalkulation eine besondere Bedeutung, weil der Bieter mit ihrer Hilfe erkennen kann, welche Auswirkungen eine bestimmte Veränderung seines Angebotes hat. So kann er die Tabelle nutzen, um die Zuschlagschancen seines Angebotes zu optimieren. Nach Wahrnehmung der Vergabekammer nutzen sehr viele Bieter eine solche Optimierung der Angebotsunterlagen.
Fehler in Wertungsunterlagen können bei der Menge des von Vergabestellen zu bewegenden Datenvolumens immer wieder einmal passieren. In solchen Situationen muss der öffentliche Auftraggeber auf eine solche Erkenntnis transparent reagieren. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung fiel der Fehler erst auf, als der Antragsgegner die Wertung bereits durchführte, also nach Ablauf der Angebotsabgabefrist. Hier ist es ohne Verletzung des Geheimwettbewerbes möglich, den Bietern die korrigierte Rechentabelle zur Verfügung zu stellen, und eine recht kurz bemessene Frist zur Angebotskorrektur zu eröffnen (vgl. VK Niedersachsen, Beschluss vom 10.07.2019, VgK-22/2019). Fällt der Fehler bereits vor Angebotsabgabefrist auf, so genügt es, die Angebotsabgabefrist mit der Bieterrundschreiben über die ausgetauschte Excel-Tabelle angemessen zu verlängern. Diese Möglichkeit der transparenten Fehlerkorrektur hat der Antragsgegner nicht genutzt, stattdessen mit einer korrigierten Rechentabelle gearbeitet. Bezogen auf die eingegangenen Angebote und die beabsichtigte Wertung erzielte er ein zutreffendes Wertungsergebnis.
b. Die Antragstellerin ist in ihren Rechten aus § 97 Abs. 1, Abs. 6 GWB verletzt, weil der Antragsgegner fehlerhaft von der Eignung der Beigeladenen zu 2 ausgegangen ist.
Der Ausschluss der Beigeladenen zu 2 war geboten, weil der Antragsgegner der Beigeladenen zu 2 für die Beibringung nach Ziffer 11.1 der "Zusätzlichen Vertragsbedingungen" geforderten Haftpflichtversicherung nach einer Nachforderung gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV trotz Vorlage einer zu geringen Haftpflichtversicherung eine neue Frist bis zum Leistungsbeginn setzte.
Die Haftpflichtversicherung war gemäß Angebotsaufforderung Formblatt xxxxxx nicht mit den Angebotsunterlagen nachzureichen, sondern sollte auf gesondertes Verlangen nachgefordert werden.
In der Nachforderung vom 26.06.2023 hat der Antragsgegner eine Frist zur Vorlage aller Unterlagen auch der Haftpflichtversicherung bis zum 29.06.2023 gesetzt. Die Beigeladene zu 2 hat fristgemäß ihre Haftpflichtversicherung vorgelegt, die aber nicht den Anforderungen dieses Vertrages entsprach. Mit Schreiben vom 28.06.2023 forderte der Antragsgegner die Beigeladene zu 2 erneut zur Vorlage der Haftpflichtversicherung auf, bot allerdings alternativ zu einem aktuellen Versicherungsnachweis eine schriftliche Bestätigung an, dass die Beigeladene zu 2 im Falle eines Auftrags zum Leistungsbeginn die erforderliche Versicherung abschließen bzw. Deckungssummen zum Leistungsbeginn vorweisen könne. Diese Erklärung gab die Beigeladene zu 2 fristgemäß ab.
Die Vorgehensweise des Antragsgegners ist vernünftig und sachgerecht, verstößt ohne vorherige Festlegung in den Vergabeunterlagen aber gegen das Gleichbehandlungsgebot aus § 97 Abs. 1 GWB.
Der Antragsgegner hat auftragsbezogen einen erforderlichen Versicherungsschutz ermittelt und diesen in den Vergabeunterlagen klar kommuniziert. Er forderte die Bieter ordnungsgemäß nach § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV zu Nachforderung von Unterlagen auf.
Er hat erst danach dem Umstand Rechnung getragen, dass Bieter ihren Versicherungsschutz erst dann erhöhen werden, wenn ihnen mitgeteilt worden ist, dass sie den Zuschlag erhalten werden. Anderenfalls müssten sie die Kosten für den erhöhten Versicherungsschutz zahlen, obgleich sie nicht sicher davon ausgehen können, dass sie den Auftrag erhalten, der diese Kosten rechtfertigt. Es ist daher nachvollziehbar, dass sich der Antragsgegner im Fall der Beigeladenen zu 2 in der Wertungsphase darauf beschränkte, einen späteren Nachweis des Versicherungsschutzes zu akzeptieren.
Allerdings enthielten die Vergabeunterlagen diese Möglichkeit noch nicht. Ausgehend von den bisherigen Vergabeunterlagen handelt es sich daher bei dem Vorgehen des Antragsgegners um einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.
Der Antragsgegner durfte die Beigeladene zu 2 nicht aus weiteren Gründen als ungeeignet ansehen, weil er im Formblatt xxxxxx "Eigenerklärung zur Eignung" keine weiteren Eignungsanforderungen gesetzt hat. Eignungsanforderungen des § 122 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 GWB bzw. § 44, § 45 und § 46 VgV sind konkrete bieterbezogene Anforderungen an die Leistungsfähigkeit des Unternehmens, also etwa Mindestumsatz, Mindestmitarbeiterzahl oder Referenzen mit einer konkreten Bestimmung der Vergleichbarkeit zu den einzelnen Losen dieses Auftrages. Daran fehlt es hier. Die Antragstellerin musste daher damit rechnen, dass sie auch mit kleinen Unternehmen konkurrieren würde (vgl. Situation im Beschluss der VK Niedersachsen vom 30.11.2020, VgK-44/2020).
In diesem Kontext weist die Vergabekammer auf § 122 Abs. 1 GWB hin. Danach werden öffentliche Aufträge an fachkundige und leistungsfähige (geeignete) Unternehmen vergeben. § 122 Abs. 1 GWB enthält damit eine Pflicht zur Eignungsprüfung, was gesetzte Leistungsanforderungen zumindest nahelegt. Öffentliche Aufträge dürfen nur an fachkundige und leistungsfähige Unternehmen vergeben werden. Ohne dass der Auftraggeber die Eignung der Bewerber bzw. Bieter festgestellt hat, darf er den Zuschlag nicht erteilen (Opitz in: Beck'scher Vergaberechtskommentar, Bd. 1, 4. Aufl., § 122 GWB, Rn. 16).
Nach § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB und § 48 Abs. 1 VgV sind die Eignungskriterien und -nachweise in der Auftragsbekanntmachung aufzuführen. Maßgeblich für die Eignungsprüfung nach § 57 Abs. 1 VgV sind alleine die in der Auftragsbekanntmachung festgelegten Eignungskriterien und die dort für ihren Beleg geforderten Nachweise (§ 122 Abs. 4 Satz 2 GWB, § 48 Abs. 1 VgV). Diese Regelung setzt das vergaberechtliche Transparenzgebot gemäß § 97 Abs. 1 GWB um (Hausmann/von Hoff in: Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, 5. Aufl., § 122 GWB, Rn. 47).
Die vor 2016 zulässige Praxis, die Eignungskriterien erst in Vergabeunterlagen mitzuteilen, ist nach § 41 VgV unzulässig. Nach § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB müssen die Eignungskriterien in der Bekanntmachung eindeutig und abschließend beschrieben sein (VK Niedersachsen, Beschluss vom 19.09.2021, VgK-33/2019). Die immer wieder anzutreffende Praxis, Vergabeunterlagen ohne oder weitgehend ohne Eignungskriterien zu gestalten (vgl. VK Niedersachsen vom 30.11.2020, VgK-44/2020), weicht daher vom gesetzlichen Leitbild ab. Sie stehen daher in einem Spanungsverhältnis zum Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers.
c. Der angebliche Verstoß zwischen den beiden Wertungskriterien Preis und Tarif führt nicht zu einer Rechtsverletzung der Antragstellerin. Tatsächlich handelt es sich bei den Kriterien um Antagonisten. Das ist jedoch nicht vergaberechtswidrig. Vielmehr steht auch der Auftraggeber im Spannungsverhältnis, einerseits ein möglichst günstiges Angebot zu erhalten und zum anderen Sozialdumping zu vermeiden. Jeder Bieter muss bei der Kalkulation seines Angebotes im Auge haben, welche Auswirkungen seine Preise auf die Zuschlagskriterien haben. Der angebliche Widerspruch zwischen den Kriterien Preis und Tarif in dem die Optimierung beim Preis zu einer Verschlechterung beim Tarif und umgekehrt, die Optimierung beim Tarif zu einer Verschlechterung der Preise führt, ist daher von Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers gedeckt. Solche gegenläufigen Bewertungskriterien sind in allen Vergaben üblich, bei denen die konkrete Gefahr besteht, dass Lohndumping zulasten der Arbeitnehmer betrieben werden könnte (vgl. VK Niedersachsen, Beschluss vom 14.12.2012, VgK48/2012; VK Niedersachsen, Beschluss vom 30.11.2020, VgK-44/2020). Mit einer Mittelwertbewertung hat das nichts zu tun.
Ebenso wenig hat die Antragstellerin einen Anspruch darauf, dass der Antragsgegner sich vertraglich Kontrollen der tarifgemäßen Entlohnung seiner Mitarbeiter zusichern lässt. Eine solche Ermächtigungsgrundlage befindet sich bereits in § 14 NTVergG. Es bedarf daher keiner weiteren vertraglichen Grundlage. Der Antragsgegner ist mit der konkreten Abfrage des Lohnes weitergegangen, als andere öffentliche Auftraggeber (vgl. VK Niedersachsen, Beschluss vom 30.11.2020, VgK-44/2020), die lediglich die eingegangenen Preise darauf kontrollieren, ob sie eine Bezahlung der Mitarbeiter nach dem Mindestlohngesetz bzw. nach einem allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag ermöglichen.
d. Die Antragstellerin ist durch die Vertragsgestaltung ohne Festlegung einer Höchstabnahmemenge nicht in ihren Rechten aus § 97 Abs. 1, Abs. 6 GWB verletzt. Sie meint, es handele sich um eine verdeckte Vergabe eines Rahmenvertrages mit einer Laufzeit von sieben Jahren. Tatsächlich handelt es sich um einen Dienstleistungsvertrag mit einer partiellen und im Umfang wohl geringen Nähe zu einem Rahmenvertrag. Für einen Dienstleistungsvertrag spricht, dass der Umfang der Leistungen, nämlich die Bewachung bestimmter Einrichtungen der xxxxxx an 7 Tagen die Woche und 24 Stunden am Tag mit einem Leistungsspektrum gemäß Ziffer 5 des Leistungskatalogs fest für die genannte Vertragslaufzeit vereinbart werden soll. Leistungszeit und eine bestimmte Leistungsmenge sind daher definiert.
Die variablen Leistungsanteile unter Ziffer 3.5 des Leistungskatalogs dienen der Abfederung kurzfristiger Leistungsanforderungen, die durch typischerweise unvorhergesehene Vorfälle entstehen können. Sie sind auch bei kurzfristigen Verträgen unvermeidlich. Dadurch entsteht keine Nähe zum Rahmenvertrag. Auch die Regelung nach Ziffer 4.4 und 12.1 der zusätzlichen Vertragsbedingungen wandeln den Vertrag nicht zu einem Rahmenvertrag, sondern schaffen ein Gegengewicht zur Vertragsdauer.
Die von der Antragstellerin als fehlende Abnahmepflicht für bestimmte Leistungen angesehene Schwankungsbreite gemäß Ziffer 3.5 des Leistungskatalogs knüpft an eine Rechtsprechung der VK Bund (VK Bund, Beschluss vom 29.07.2019 - VK 2-48/19) zu Rahmenverträgen an, ist daher hier nicht anwendbar.
Die Argumentation der Antragstellerin, es handele sich bei Annahme eines Dienstleistungsauftrages um nicht zulässige Einzelabrufe, kann nicht überzeugen. Die Antragstellerin übersieht, dass die Leistungsbeschreibung nach dem in der mündlichen Verhandlung ausführlich erörterten § 121 Abs. 1 GWB nicht vollständig und perfekt sein muss, sondern den Auftragsgegenstand nur so eindeutig und erschöpfend wie möglich beschreiben muss. Angesichts der gerade bei diesem Auftragsgegenstand unabsehbaren Erweiterungen und der ad hoc erforderlichen Leistungsabforderungen, wäre es eine Überforderung jedes sorgfältig arbeitenden Auftraggebers, hier ein abschließendes detailgetreues Leistungsbild erstellen zu müssen (vgl. VK Niedersachsen, Beschluss vom 13.08.2014, VgK-29/2014, Ziffer 2.a). Vielmehr entspricht es dem beiderseitigen Fairness-Gedanken, für die derzeit möglicherweise eintretenden Zusatzleistungen bereits Preise festzulegen, damit nicht eine Vertragspartei in der Krise unangemessene Forderungen stellen kann.
Weil es für Dienstleistungsverträge keine Begrenzung der Dauer gibt, kommet es auf die Argumentation der Antragstellerin zur regelmäßigen Höchstdauer eines Rahmenvertrages für besondere Dienstleistungen nach § 65 Abs. 2 VgV nicht an. Die Vertragslaufzeit ergibt sich aus Ziffer 1 der zusätzlichen Vertragsbedingungen und aus Seite 6 des Leistungskatalogs. Dort stellt der Antragsgegner aus der Differenz von frühestem Leistungsbeginn und frühestem Leistungsende unter Nr. 02 dar, dass die verbindliche Laufzeit in den einzelnen Losen je bei einem Jahr liegt. Die maximal mögliche Laufzeit betrifft folglich Verlängerungsmöglichkeiten. Die Verlängerungsoptionen werden allerdings nicht durch ausdrückliche Willenserklärungen, sondern nur durch unterlassene Kündigungen ausgeübt. Das erscheint zulässig.
e. Die Antragstellerin ist nicht in ihren Rechten aus § 97 Abs. 1, Abs. 6 GWB verletzt, weil der Antragsgegner mit den Referenzen als Zuschlagskriterium den Erfolg und die Qualität bereits erbrachter Leistungen des Bieters im Sinne des § 65 Abs. 5 VgV bei der Zuschlagsvergabe berücksichtigt. Die Vergabekammer sieht keine Veranlassung, § 65 Abs. 5 VgV wegen angeblicher Europarechtswidrigkeit als nicht anwendbar anzusehen. Aufgabe der VgV ist es, den Vergabestellen sichere Anwendungsmöglichkeiten zu verschaffen. Die Vergabestellen können sich so lange auf die Rechtmäßigkeit einer gültigen Vorschrift berufen, wie kein Vertragsverletzungsverfahren der EU abgeschlossen oder zumindest eingeleitet worden ist. Die Geschichte des § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV belegt dies. Die Vorschrift wurde auch nach einer Entscheidung des OLG München (OLG München, Beschluss vom 13.03.2017, Verg 15/16) weder außer Kraft gesetzt, noch blieb sie unangewandt.
Die von der Antragstellerin zitierte Rechtsprechung stützt die Argumentation der Antragstellerin nicht in dem Maße wie von ihr dargestellt. Das OLG Rostock (OLG Rostock, Beschluss vom 23.04.2018, 17 Verg 1/18) enthält im Wesentlichen eine Kostenentscheidung nach Erledigung, unterstützt im Übrigen die Entscheidung der VK Mecklenburg-Vorpommern, die eine Vermengung von Eignungs- und Zuschlagskriterien moniert hat. Die VK Westfalen (VK Westfalen, Beschluss vom 17.02.2021, VK 1-52/20) spricht nur von einer einschränkenden Auslegung des § 65 Abs. 5 VgV.
Die Gesetzgebungsmaterialien, insbesondere BR Drucksache 87/16, Seite 219, eröffnet den Anwendungsbereich des § 65 Abs. 5 Satz 1 VgV sowohl für soziale als auch für andere besondere Dienstleistungen. Sicherheitsdienste gehören zu den anderen besonderen Dienstleistungen. Es gibt daher keinen Grund für die Reduktion auf Fälle des SGB II und SGB III.
Die in § 65 Abs. 5 Satz 1 VgV enthaltene Verallgemeinerung von den Leistungen des tatsächlich eingesetzten Personals zu den Leistungen des Bieters erklärt sich aus dem anderen Anwendungsbereich. Die Fälle des § 58 Abs. 2 Nr. 2 VgV betreffen insbesondere Angehörige freier Berufe, die ihre Dienstleistungen für einen beschränkten Zeitraum anbieten und danach auf "anderen Baustellen" arbeiten. Hier ist die Anknüpfung an das für den jeweiligen Auftrag eingesetzte Personal möglich und angemessen. Bei besonderen Dienstleistungen wie dem Sicherheitsgewerbe liegt das Augenmerk nicht auf dem mit der Wahrung der Sicherheitsdienste vor Ort befassten Personal, weil dieses Personal nicht mit jedem Auftrag an einen neuen Dienstort wechselt. Das Augenmerk liegt auf der Organisation des im Hintergrund auftragsübergreifend agierenden Leitungspersonals, das für die reibungslose Gesamtorganisation Verantwortung trägt, und dies im Fall der Referenzen auch bewiesen hat. In diesem Sinne erscheint die Regelung der Vergabekammer durchaus sachgerecht und weiter anwendbar.
f. Die Antragstellerin ist nicht in ihren Rechten aus § 97 Abs. 1, Abs. 6 GWB verletzt, weil der Antragsgegner die angeforderten Referenzen seiner Entscheidung über den Zuschlag zugrunde legt. Darin liegt keine Delegation der Vergabeentscheidung auf die Referenzgeber. Es ist richtig, dass der öffentliche Auftraggeber selbst über den Zuschlag entscheiden sollte. Eine klare Normierung fehlt aber (Vertretung des Auftraggebers in Submission und Wertung, NZBau 2019, 358). Die Annahme einer Delegation auf die Referenzgeber scheitert schon daran, dass diese Entscheidung der Vergabestelle oder deren Bevollmächtigten dann nur möglich ist, wenn die Vergabestelle alle eingehenden Unterlagen sammelt. Dies ist bei den Referenzgebern, die jeweils nur eine Wertung über die eigene Referenz abgeben, nicht der Fall. Die Annahme ist nicht näherliegender als die Behauptung einer Delegation der Vergabeentscheidung auf die Bieter, weil jeder von ihnen einen eigenen Preis angibt. Zwar entscheiden die Bieter mit ihrem eigenen Preis über ihre spätere Platzierung, sie nehmen dem öffentlichen Auftraggeber jedoch nicht die Entscheidung über den Zuschlag aus der Hand.
Unabhängig davon hat die wertende Rückmeldung eines Auftraggebers über eine Referenz Unwägbarkeiten. Es ist nicht sicher, dass jeder der Referenzgeber an die Bewertung die gleichen Maßstäbe anlegt. Die Unsicherheit entspricht der Unsicherheit in Personalauswahlverfahren, in denen Bewerber mit Zeugnissen antreten, die von unterschiedlichen Dienstherren erstellt worden sind. Trotzdem ist es möglich, eine Personalauswahlentscheidung zu treffen.
Die Vergabekammer hat in einer Entscheidung die gezielte und strukturierte Prüfung der Referenzen mit bei allen Referenzgebern gleich aufgebauten persönlichen Rückfragen der Vergabestelle gebilligt (vgl. VK Niedersachsen, Beschluss vom 22.08.2022, VgK-15/2022, Seite 16). Es handelte sich um eine bei der Zuschlagsentscheidung brauchbare Prüfung der Referenzen.
g. Die Antragstellerin ist nicht in ihren Rechten aus § 97 Abs. 1, Abs. 6 GWB verletzt, weil der Antragsgegner eine Referenz, die er nicht nachprüfen konnte, mit null Punkten bewertet. Die Vorgehensweise findet sich im Formular xxxxxx Zuschlagskriterien Blatt 1 Ziffer 3.2. Für den Bieter wird bereits bei der Angebotskalkulation erkennbar, dass eine nicht bestätigte Referenz mit null Punkten bewertet wird. Eine solche Bewertung ist vom Wertungsspielraum des Antragsgegners gedeckt. Für die knappe Frist von zwei Wochen gilt das entsprechend. Es steht den Bietern frei, sich bei der überschaubaren Zahl von drei möglichen Referenzen vorab mit ihren Referenzgebern ins Benehmen zu setzen und um eine schnelle Bearbeitung zu bitten.
h. Die nachgereichte Dokumentation des Antragsgegners genügt den Anforderungen nach § 8 VgV. Allerdings weist die Vergabekammer den Antragsgegner darauf hin, dass er gemäß § 163 Abs. 2 Satz 4 GWB die Vergabeakten der Vergabekammer sofort zur Verfügung stellen soll. Damit ist immer eine vollständige Übersendung der Vergabeakten gemeint.
3. Gemäß § 168 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Sie ist dabei an die Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken.
Hier liegt ein Grund vor, mit Maßnahmen auf die Rechtmäßigkeit des Verfahrens einzuwirken. Die Zurückversetzung auf den Zeitpunkt vor Bekanntmachung ist das mildeste der geeigneten Mittel um die Rechtsverletzungen zu heilen, weil die festgestellten und zuvor gerügten Fehler ausschließlich in der Phase der Bestimmung des Leistungsgegenstandes, der Bekanntmachung und der Erstellung der gemäß § 41 VgV mit der Bekanntmachung bereitzustellenden Vergabeunterlagen stattgefunden haben.
III. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 182 GWB.
Die in Ziffer 2 des Tenors festgesetzte Gebühr ergibt sich aus einer Interpolation des Auftragswertes innerhalb des Gebührenrahmens nach § 182 Abs. 2 GWB. Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 €, die Höchstgebühr 50.000 € und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 €.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 € (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 € zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 € (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. € (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 - 1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.
Der zugrunde zu legende Auftragswert beträgt nach dem von dem Antragsgegner rechnerisch korrigierten Angebot der Antragstellerin für 1 Jahr über alle 6 Lose xxxxxx € brutto. Hierbei handelt es sich um die Mindestvertragslaufzeit. Die weiteren Verlängerungsmöglichkeiten über 6 Jahre wertet die Vergabekammer zu 50 %, wegen der Ungewissheit, ob der Vertrag nicht zuvor gekündigt wird. Damit ergibt sich eine Gesamtsumme von xxxxxx €. Dieser Betrag entspricht dem Interesse der Antragstellerin am Auftrag.
Bei einer Ausschreibungssumme von xxxxxx € brutto ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx €. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmungen in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.
Die in Ziffer 3 des Tenors verfügte Kostenlast folgt aus § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Der Begriff der Kosten umfasst die Gebühren und die Auslagen der Vergabekammer. Für die Ermittlung des Unterliegens ist nicht auf einen etwaigen Antrag abzustellen. Gemäß § 168 Abs. 1 Satz 2 GWB ist die Vergabekammer an Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken. Da der Antragsgegner im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist, hat er die Kosten zu tragen.
Der Antragsgegner ist jedoch von der Pflicht zur Entrichtung seines Kostenanteils gemäß § 182 Abs. 1 Satz 2 GWB i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 BVerwKostG befreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss vom 25.01 2005, Az.: WVerg 0014/04). Zwar wurde das BVerwKostG mit Wirkung vom 15.08.2013 aufgehoben, jedoch ist es aufgrund der starren Verweisung aus § 182 Abs. 1 Satz 2 GWB auf das BVerwKostG in der Fassung vom 14.08.2013 hier weiter anzuwenden. Inhaltlich entspricht die dortige Regelung § 8 BGebG.
Gemäß Ziffer 4 des Tenors hat der Antragsgegner der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen gemäß § 182 Abs. 4 GWB zu erstatten. Hier gilt zunächst das oben zu Ziffer 3. Ausgeführte.
Gemäß § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i. V. m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war antragsgemäß auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren notwendig war. Obwohl das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, ist wegen der Komplexität des Vergaberechts, des Verfahrensrechts im Nachprüfungsverfahren sowie der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltliche Beratung und Begleitung für die Antragstellerin erforderlich.
Etwaige Aufwendungen der Beigeladenen zu 1 bis 3 sind nicht erstattungsfähig. Nach § 182 Abs. 4 Satz 2 GWB sind Aufwendungen des Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn die Vergabekammer sie aus Billigkeitsgründen der unterlegenen Partei auferlegt. Dabei setzt die Erstattungsfähigkeit voraus, dass der Beigeladene sich mit demselben Rechtsschutzziel wie der obsiegende Verfahrensbeteiligte aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligt hat (OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.02.2010 - Verg W 10/09, zitiert nach juris Tz. 46; OLG Celle Beschluss vom 29.06.2010, 13 Verg 4/10 zit. nach ibr-online). Hier haben die Beigeladene zu 1 - 3 keine Sachanträge gestellt. Die Beigeladene zu 1 und zu 2 haben an der mündlichen Verhandlung aktiv teilgenommen. Es gibt daher keinen Grund, die Beigeladenen in die Kostenentscheidung mit einzubeziehen.
IV. Rechtsbehelf
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