Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 03.05.2023, Az.: VgK-08/2023

Ausschreibung des Abschlusses eines Dienstleistungsvertrages über die soziale Betreuung und Gebäudemanagement, Reinigung sowie Bewachung einer Flüchtlingsunterkunft im offenen Verfahren; Vergaberechtswidrige Zuschlagserteilung vor Ablauf der im Informationsschreiben nach § 134 GWB genannten Stillhaltefrist

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
03.05.2023
Aktenzeichen
VgK-08/2023
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 43252
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In dem Nachprüfungsverfahren
der xxxxxx,
Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,
- Antragstellerin -
gegen
die xxxxxx,
- Antragsgegnerin -
beigeladen:
xxxxxx,
- Beigeladene -
wegen
Vergabeverfahren Flüchtlingsunterkunft xxxxxx, Los 3 Bewachungsdienstleistungen,
hat die Vergabekammer durch die Vorsitzende ORR'in von dem Knesebeck, MR Gause als hauptamtlicher Beisitzer und die ehrenamtliche Beisitzerin Dipl.-Ing. Anne-Kristin Menneke auf die mündliche Verhandlung vom 03.05.2023 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin teilweise in ihren Rechten verletzt ist. Die Antragsgegnerin wird bei fortbestehender Beschaffungsabsicht verpflichtet, das Vergabeverfahren in den Stand vor Zuschlagserteilung zurückzuversetzen und dabei die Rechtsauffassung der Vergabekammer zu beachten.

    Im Übrigen wird der Nachprüfungsantrag zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten werden auf xxxxxx € festgesetzt.

  3. 3.

    Die Kosten des Verfahrens haben die Antragstellerin zu 2/3 und die Antragsgegnerin zu 1/3 zu tragen. Die Antragsgegnerin ist jedoch von der Entrichtung des auf sie entfallenden Kostenanteils befreit.

  4. 4.

    Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu 1/3 zu erstatten. Die Antragstellerin hat ihrerseits der Antragsgegnerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwenigen Aufwendungen zu 2/3 zu erstatten. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten war für die Antragstellerin notwendig.

Begründung

I.

Die Antragsgegnerin hat mit Bekanntmachung vom xxxxxx.2022 europaweit in drei Losen den Abschluss eines Dienstleistungsvertrages über die soziale Betreuung und Gebäudemanagement, Reinigung sowie Bewachung einer Flüchtlingsunterkunft in der xxxxxx im offenen Verfahren ausgeschrieben.

Streitgegenstand ist vorliegend das Los 3 Bewachung der Flüchtlingsunterkunft für die Vertragslaufzeit 01.12.2022 bis zum 01.12.2025 mit vorbehaltener einseitiger einjähriger Verlängerung durch die Antragsgegnerin. Der Preis ist laut Bekanntmachung nicht das einzige Zuschlagskriterium. Alle Kriterien sind nur in den Beschaffungsunterlagen aufgeführt.

Danach sollten bei der Bewertung der Angebote sowohl der Angebotspreis als auch das Sicherheitskonzept berücksichtigt werden. Dabei werden die Angebotspreise in Punkte von 0 bis 20 umgerechnet. Das preisgünstigste Angebot erhält 20 Punkte. Die übrigen Angebotspreise werden entsprechend ihrer prozentualen Abweichung vom günstigsten Angebot bewertet. So führt beispielsweise eine Abweichung um 10 % zu einer Bewertung mit 18 Punkten (= 20 Punkte - 20 Punkte * 10 %). Angebote mit einer Abweichung von über 100 % werden mit 0 Punkten bewertet. Die Punkte für den Preis gehen zu 35 % in die Gesamtpunktsumme ein.

Das Sicherheitskonzept wird ebenfalls mit (maximal) 20 Punkten, aufgeteilt auf vier Bereiche mit unterschiedlicher Punktzahl, bewertet. Zwischenpunkte sind hierbei nicht möglich: Die Punkte für das Sicherheitskonzept gehen sodann zu 65 % in die Gesamtpunktsumme für Los 3 ein. Den Zuschlag für Los 3 erhält der Bieter mit der größten Gesamtpunktsumme aus Preis und Konzept.

Die Antragstellerin und die Beigeladene gaben fristgerecht neben acht weiteren Bietern Angebote ab. Die in der Vergabeakte dokumentierte Angebotswertung durch die Antragsgegnerin ergab, dass die Beigeladene das insgesamt wirtschaftlichste Angebot abgegeben hatte. Zwar erzielte die Antragstellerin für das Zuschlagskriterium Sicherheitskonzept die Höchstpunktzahl, lag mit ihrem Angebotspreis jedoch nur auf Rang 8. Demgegenüber erreichte die Beigeladene beim Sicherheitskonzept die zweithöchste Punktzahl des Bieterfeldes, lag mit ihrem Angebotspreis jedoch deutlich vor der Antragstellerin auf Rang 3.

Mit Schreiben vom 03.02.2023 informierte die Antragsgegnerin die Antragstellerin gemäß § 134 GWB, dass auf ihr Angebot der Zuschlag nicht erteilt werden könne, da sie nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben habe. Zur Erläuterung teilte die Antragsgegnerin die von der Antragstellerin und der Beigeladenen erzielte Gesamtpunktzahl mit. Es sei beabsichtigt, den Zuschlag am 31.03.2023 auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen.

Mit Anwaltsschreiben vom 11.02.2023 rügte die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin die Nichtberücksichtigung ihres Angebots. Sie und nicht die Beigeladene habe das wirtschaftlichste Angebot abgegeben.

Sie selbst habe die geforderten Dienstleistungen zu einem Stundensatz von xxxxxx € bei 12-Stunden-Schichten angeboten. Dieser liege damit knapp über dem aktuellen Mindestlohn von 12,43 €. Aufgrund eigener Branchenkenntnisse gehe sie davon aus, dass die Beigeladene ihren Mitarbeitern diesen Mindestlohn bezahle. Gemäß § 3 S. 1 ArbZG dürfe die Arbeitszeit acht Stunden nicht überschreiten. Auch wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden, dürfe die Arbeitszeit maximal auf zehn Stunden verlängert werden. Eine Ausnahme, über diese acht bzw. zehn Stunden hinauszugehen, gelte nur für tarifgebundene Betriebe, die ihre Beschäftigten entsprechend den sodann geltenden Arbeitszeit-, Vergütungs- und Urlaubsvorschriften beschäftigten. Dies sei bei ihr selbst im Gegensatz zur für den Zuschlag vorgesehenen Beigeladenen der Fall, weshalb sie in der Lage sei, 12-Stunden-Schichten bei einer Vergütung über dem Mindestlohn anzubieten. Für die für den Zuschlag vorgesehene Beigeladene bedeute dies, dass sie entweder unzulässigerweise 12-Stunden-Schichten anbiete, obwohl sie nicht tarifgebunden operiere, oder kürzere Schichten angeboten habe. Letzteres führe faktisch jedoch zu häufigeren Schichtwechseln und dem Einsatz von mehr Personal, wodurch der Antragsgegnerin in der Summe letztlich höhere Kosten entstünden, als es bei dem Angebot der Antragstellerin der Fall wäre. Damit verstoße die geplante Bezuschlagung der Beigeladenen gegen den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz und würde ggf. mittelbar sogar einen Verstoß gegen arbeitsrechtliche Vorschriften befördern.

Auch bezweifelte die Antragstellerin, dass die Antragsgegnerin überhaupt eine Vergleichbarkeit der Angebote erreicht habe. Indem sie die Stunden- bzw. Schichtenangaben frei den Bietern überlassen habe, habe sie bei der Prüfung auf o.g. Sachverhalte kaum eingehen können.

Zudem hätten offenbar mögliche oder gar vorhersehbare Änderungen während der Vertragslaufzeit, bspw. die ab 01.04.2023 eintretende Erhöhung des Mindestlohns auf 13,00 €, keine Berücksichtigung gefunden.

Eine Erwiderung der Antragsgegnerin auf das Rügeschreiben der Antragstellerin erfolgte nicht.

Stattdessen wartete die Antragsgegnerin den von ihr selbst im Informationsschreiben gemäß § 134 GWB gegenüber der Antragstellerin festgelegten und bekannt gegebenen Termin für die Zuschlagserteilung nicht ab und schloss vorzeitig mit der Beigeladenen den verfahrensgegenständlichen Vertrag. Mit Schreiben vom 14.02.2023 forderte die Antragsgegnerin die Beigeladene zur Vertragsunterzeichnung auf. Der Vertrag wurde im Anschluss von der Antragsgegnerin gegengezeichnet.

Die Antragstellerin stellte mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 30.03.2023 einen Nachprüfungsantrag. Zur Begründung wiederholte sie die bereits in ihrem Rügeschreiben vom 11.02.2023 dargelegten Auffassungen bezüglich der beanstandeten Vergaberechtsverstöße.

Mit Schriftsatz vom 20.04.2023 vertieft sie ihren Vortrag. Entgegen den Ausführungen der Antragsgegnerin handele es sich bei dem Angebot der Beigeladenen nicht um das wirtschaftlichste. Jedenfalls sei es für die Beigeladene und damit die von ihr einzusetzenden Mitarbeiter unauskömmlich und könne deshalb nicht den Zuschlag erhalten. Anhand von Rechenbeispielen legt die Antragstellerin ihre Auffassung dar, dass durch die Lohnkosten der Beigeladenen von mindestens xxxxxx €/Std (xxxxxx %), unter Zugrundelegung des gesetzlichen Mindestlohns für die einzusetzenden Mitarbeitern in Höhe von 12,00 €/Std im besten Fall die Sozialversicherung und Lohnfolgekosten abgedeckt seien. Kosten für Gewerbesteuer, Betriebshaftpflicht, Verwaltung etc. seien in diesem Wert noch gar nicht enthalten. Dieser Wert bedeute zusätzlich noch, dass es nur 20 Urlaubstage geben darf und die Mitarbeitenden im Schnitt nur max. 10 Tage im Jahr krank sein dürften.

Auch die Angabe, dass zwei Azubis beschäftigt würden, könne dem nicht abhelfen. Der Mindestlohn für einen Azubi im ersten Lehrjahr liege bei xxxxxx € brutto, zzgl. Sozialabgaben ergebe das mindestens xxxxxx € im Monat, auf die Laufzeit von 3 Jahren seien das Kosten in Höhe von xxxxxx €. Bei dieser Rechnung habe die Antragstellerin sogar zugunsten der Beigeladenen angenommen, dass die zwei Azubis weder zur Schule oder auf Lehrgänge gehen, sodass sie 348 Stunden durchschnittlich pro Monat schaffen, was ihrer Auffassung aber schlicht unrealistisch sei.

Vor diesen Hintergrund halte sie auch den kalkulierten "Puffer" für zu unspezifisch und darüber hinaus unrealistisch und ungeeignet, hinreichend auf Tarifanpassungen in der Laufzeit reagieren zu können.

Es werde zudem auch bestritten, Angaben zur Zahlung nach Tariflohn nicht in Form von Zuschlagskriterien fordern zu können. Die Antragsgegnerin sei gemäß §§ 121 Abs. 1 S. 1 GWB i. V. m. 15 VgV gehalten, die Leistungsbeschreibung so zu gestalten, dass sie für alle Bieter in gleicher Weise verständlich ist und die Angebote miteinander verglichen werden können. Wenn die Antragsgegnerin Angebote auf Basis sowohl von Tariflohn als auch von Mindestlohn zulasse, sei sie verpflichtet, ggf. weitere Angaben zu verlangen, die eine Vergleichbarkeit über die gesamte Laufzeit im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit ermöglichen, oder sie könnte zur Herstellung der Vergleichbarkeit die Angabe nur eines von beiden verlangen und ggf. Nebenangebote mit entsprechender Erläuterung zulassen.

Insgesamt sei unklar, ob überhaupt eine hinreichende Vergleichbarkeit der Angebote bei der Wertung bestanden habe. Daher rüge sie die fehlende Vergleichbarkeit bei der Wertung als vergaberechtswidrig und beantrage für den Fall die hilfsweise Zurückversetzung auf den Zeitpunkt vor Bekanntmachung, um die Vergabe sodann mit angepassten Kriterien im Hinblick auf die Vergleichbarkeit von Angeboten auf der Grundlage von Mindestlohn und solchen auf der Grundlage von Tariflohn erneut bekannt zu machen. Alternativ könne die Vergabe aufgehoben, komplett überarbeitet und neu veröffentlicht werden.

Die Antragstellerin beantragt,

  1. 1.

    die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Verfahren auf den Zeitpunkt nach Angebotsöffnung zurückzuversetzen und die Wertung und Zuschlagsentscheidung unter Berücksichtigung der von ihr dargelegten Umstände vorzunehmen,

    hilfsweise: das Vergabeverfahren auf den Zeitpunkt vor Bekanntmachung zurückzuversetzen;

  2. 2.

    der Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakten zu gewähren;

  3. 3.

    die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin für notwendig zu erklären;

  4. 4.

    der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin aufzuerlegen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Anträge der Antragstellerin zu 1. - 4. abzulehnen.

Der zulässige Nachprüfungsantrag der Antragstellerin sei unbegründet. Die Wertung des Angebots der Beigeladenden durch die Antragsgegnerin verstoße nicht gegen vergaberechtliche Vorschriften, insbesondere nicht gegen den vergaberechtlichen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit.

Nach ihren Erfahrungswerten sei der sich aus dem kalkulierten Angebotspreis der Beigeladenen ergebende Deckungsbeitrag angesichts des hart umkämpften Marktes der Sicherheitsdienstleistungen vergleichsweise hoch, jedenfalls aber als auskömmlich anzusehen.

Bei der Vergabeentscheidung sei der Preis mit 35 % und das inhaltliche Konzept mit 65 % gewertet worden. In der Gesamtwertung habe das Angebot der Beigeladenen aufgrund des mit 19,5 von 20 Punkten bewerteten inhaltlichen Konzepts auf Platz 1 gelegen und das Angebot der Antragstellerin, die für ihr Konzept die volle Punktzahl erhalten habe, mit relativ deutlichem Abstand auf Platz 2.

Eine Tarifbindung des Bieters sei von der Antragsgegnerin in den Ausschreibungsbedingungen nicht gefordert worden und könne vom öffentlichen Auftraggeber auch nicht verlangt werden. Die Beigeladene habe die von der Antragsgegnerin geforderte Erklärung zu § 4 Abs.1 NTVergG abgegeben und sich darin verpflichtet, den Arbeitnehmern mindestens ein Mindestentgelt nach der jeweils geltenden Fassung der Vorschriften des Mindestentgeltgesetzes zu zahlen. Ferner habe sich die Beigeladene verpflichtet, soweit für die eigenen Arbeitnehmer anwendbar, ein Mindestentgelt nach den Regelungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG), des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) oder aus einem auf der Grundlage von § 5 des Tarifvertragsgesetzes (TVG) für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrags zu zahlen. Für die von der Antragsgegnerin ausgeschriebenen Sicherheitsdienstleistungen gebe es zwar einen auf Niedersachsen bezogenen Entgelttarifvertrag zwischen dem Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (BDSW) und der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst und Dienstleistungen (GÖD), der ein von der Antragstellerin angeführtes Mindestentgelt von mindestens xxxxxx € pro Stunde vorsieht. Allerdings fehle diesem Tarifvertrag bisher die Erklärung der Allgemeinverbindlichkeit für das Gebiet des Landes Niedersachsen.

Der von der Beigeladenen angebotene Preis für die Bewachungsleistungen liege zwar im unteren Drittel der abgegebenen Angebote, sei aber keineswegs der günstigste Preis des Bieterfeldes. Bei zehn abgegebenen Angeboten liege das Angebot der Beigeladenen bei der reinen Preiswertung auf Platz 3 und das Angebot der Antragstellerin auf Platz 8. Der günstigste Anbieter liege knapp 10 % unter dem Angebot der Beigeladenen.

Die von der Antragstellerin vorgenommene Auslegung des Arbeitszeitgesetzes, wonach es nur tarifgebundenen Unternehmen gestattet sei, die tägliche Arbeitszeit ihrer Beschäftigten über acht bzw. zehn Stunden hinaus auszudehnen, beruhe auf einem falschen rechtlichen Verständnis des Arbeitszeitgesetzes auf Seiten der Antragstellerin. Solche abweichenden Regelungen im Geltungsbereich eines Tarifvertrages dürften und könnten im Betrieb eines nicht tarifgebundenen Arbeitgebers auch durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung, oder, wenn ein Betriebs- oder Personalrat nicht besteht, durch schriftliche Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer übernommen werden (§ 7 Abs. 3 S. 1 ArbZG). Eine von der Antragstellerin angenommene Privilegierung tarifgebundener Arbeitgeber kenne das Arbeitszeitgesetz also nicht. Darüber hinaus sei der von der Beigeladenen und im Übrigen auch von der Antragstellerin geplante Betrieb in 12-Stunden-Schichten im Sicherheitsgewerbe branchenweit üblicher Standard.

Die Antragsgegnerin habe auch sonst keinerlei ernsthafte Anhaltspunkte für Zweifel an der Zuverlässigkeit der Beigeladenen oder an der Auskömmlichkeit des angebotenen Preises. Das Unternehmen stelle bisher in neun Unterkünften der Antragsgegnerin den Sicherheitsdienst und darüber hinaus in 13 Unterkünften das Reinigungspersonal und habe sich dort bewährt. Der Antragsgegnerin sei nicht bekannt, dass es bei der Leistungserbringung in diesen Objekten zu Verstößen gegen die Vorschriften zum Mindestentgelt oder zur Arbeitszeit gekommen ist.

Die Antragsgegnerin hat auf einen verfahrensbegleitenden Hinweis der Vergabekammer eingeräumt, dass sie die von ihr selbst bestimmte Wartefrist bei der Erteilung des Zuschlags an die Beigeladene nicht eingehalten hat und dieser Umstand die in § 135 GWB bestimmte Rechtsfolge der Unwirksamkeit des Vertragsschlusses mit sich bringt. Sie weist zur Erläuterung darauf hin, dass dieses Vorgehen der Antragsgegnerin auf einem Missverständnis beruhte. Bei der Abfassung der Informationsschreiben sei das Datum der beabsichtigten Zuschlagserteilung an die Beigeladene (14.02.2023) versehentlich mit dem Datum der geplanten Leistungsaufnahme durch die Beigeladene im zu bewachenden Objekt (31.03.2023) verwechselt worden.

Diese Verwechslung sei für die Antragstellerin nicht unmittelbar ersichtlich gewesen. Die Antragsgegnerin habe jedoch rechtliche Zweifel an der von Vergabekammer vorgenommenen Würdigung, wonach das Vergabeverfahren in den Stand vor Versendung der Mitteilung nach § 134 GWB zurückzuversetzen sei. Das am 03.02.2023 u. a. an die Antragstellerin versandte Informationsschreiben sei für sich gesehen nicht rechtsfehlerbehaftet und habe die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt, da die Mindestwartefrist von zehn Tagen bei einer angekündigten Erteilung des Zuschlags am 31.03.2023 offenkundig eingehalten worden wäre und das Schreiben auch alle übrigen nach § 134 GWB erforderlichen Informationen enthalte. Die Antragstellerin habe fast zwei Monate Zeit gehabt, einen Nachprüfungsantrag gegen die beabsichtigte Erteilung des Zuschlags an die Beigeladene zu stellen. Es bedürfe hier keiner weiteren Rechtsbehelfsfrist mehr.

Insoweit sei der Verfahrensschritt der Mitteilung nach § 134 GWB nach Auffassung der Antragsgegnerin auch nicht zu wiederholen. Vielmehr könne die Antragstellerin nur verlangen, dass das Verfahren in den Stand vor Erteilung des Zuschlags zurückversetzt werde. Mithin sei die Antragsgegnerin berechtigt, unmittelbar nach dem Wegfall des Zuschlagsverbots im Sinne des § 169 Abs. 1 GWB den Zuschlag erneut an die Beigeladene zu erteilen, wie sie es in der ihrer Mitteilung vom 03.02.2023 gegenüber der Antragsgegnerin angekündigt hatte.

Mit Schreiben vom 27.04.2023 führte die Antragsgegnerin aus, dass die Antragstellerin ihre Preisberechnungen bezüglich der Beigeladenen aufgrund falscher Annahmen und Unkenntnis über die tatsächlich im Objekt eingesetzten Mitarbeitenden und ihrer Arbeitsverhältnisse gemacht habe. Die Kalkulation sei insbesondere vor dem Hintergrund des Einsatzes von Werkstudenten und Werkstudentinnen und Rentnern und Rentnerinnen auskömmlich, deren Einsatz eine Senkung der Personalkosten zur Folge habe. Auch seien die veranschlagten Kosten für die Betriebshaftpflichtversicherung der Beigeladenen auskömmlich und bei den zehn gewerteten Angeboten am zweithöchsten.

Zudem sei der einkalkulierte "Puffer"der Beigeladenen in Höhe von xxxxxx % nicht unrealistisch bemessen, da die Beigeladene nicht tarifgebunden und eine Anhebung des Mindestlohnes über diesen "Puffer"hinaus nicht zu erwarten sei. Sollte es dennoch zu einer unvorhersehbaren erheblichen Steigerung der Personalkosten kommen, so könne daraus ggf. ein Anspruch auf Vertragsanpassung gemäß § 313 BGB resultieren. Es sei daher nicht notwendig solche Entwicklungen bereits bei der Angebotsabgabe durch Risikozuschläge einzukalkulieren.

Die Beigeladene hat bislang keine eigenen Anträge gestellt und sich nicht zum Nachprüfungsantrag geäußert.

Die Vergabekammer hat mit Verfügung vom 26.04.2023 gemäß § 167 Abs. 1 Satz 2 GWB die Frist für die abschließende Entscheidung der Vergabekammer in diesem Nachprüfungsverfahren über die gesetzliche 5-Wochen-Frist hinaus bis zum 19.05.2023 verlängert.

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 03.05.2023 Bezug genommen.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist teilweise zulässig und überwiegend unbegründet.

Die Zuschlagserteilung der Antragsgegnerin an die Beigeladene steht der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags nicht entgegen (vgl. 1a). Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, soweit die Antragstellerin beanstandet, eine Bezuschlagung verstoße gegen den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz und würde einen Verstoß gegen arbeitsrechtliche Vorschriften befördern (vgl. 1b). Soweit die Antragstellerin jedoch erstmals im Nachprüfungsverfahren vorgetragen hat, es fehle an Vorgaben in den Vergabeunterlagen, die eine hinreichende Vergleichbarkeit der Angebote bei der Wertung ermöglichen und eine hilfsweise Zurückversetzung beantragt, ist der Nachprüfungsantrag unzulässig (vgl. 1c).

Die Antragstellerin ist durch die vergaberechtswidrige Zuschlagserteilung der Antragsgegnerin vor Ablauf der in ihrem Informationsschreiben nach § 134 GWB genannten Stillhaltefrist in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB verletzt (vgl. 2a). Das Angebot der Beigeladenen für Los 3 ist allerdings nicht von der Wertung auszuschließen. Die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots war nicht zu beanstanden, die Antragsgegnerin hat weder gegen § 127 GWB noch gegen den Transparenz- oder Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 97 Abs. 1, Abs. 2 GWB verstoßen (vgl. 2b).

1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei der Antragsgegnerin, xxxxxx, handelt es sich um eine öffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 99 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 106 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer die jeweiligen Schwellenwerte erreicht oder überschreitet, die nach den EU-Richtlinien festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um den Betrieb einer städtischen Flüchtlingsunterkunft xxxxxx, hier streitgegenständlich Los 3 Bewachungsdienstleistungen und damit um einen öffentlichen Auftrag über soziale und andere besondere Dienstleistungen i. S. d. §§ 106 Abs. 2 Nr. 1, 130 GWB i. V. m. Anhang XIV der Richtlinie 2014/24/EU in der seit 01.01.2018 geltenden Fassung, für den ein Schwellenwert von 750.000 € gilt. Der von Antragsgegnerin gemäß § 3 VgV geschätzte Auftragswert (Vergabeakte, Vergabevermerk, Verweis auf Vermerk zur Kostenschätzung) überschreitet den Schwellenwert deutlich.

a) Der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags steht die Zuschlagserteilung an die Beigeladene nicht entgegen, da die Antragsgegnerin durch die Zuschlagserteilung vor Ablauf der in ihrem Informationsschreiben nach § 134 GWB genannten Stillhaltefrist gegen § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB verstoßen hat und der Zuschlag damit unwirksam erteilt wurde.

Zwar ist ein Nachprüfungsantrag nach § 160 Abs. 1 GWB grundsätzlich nur solange der statthafte Rechtsbehelf, wie ein Vergabeverfahren noch nicht durch einen wirksam erteilten Zuschlag beendet ist (§ 168 Abs. 2 Satz 1 GWB). Eine Ausnahme gilt aber in den beiden in § 135 Abs. 1 GWB geregelten Fällen, in denen der Zuschlag zunächst nur zu einem schwebend wirksamen Vertrag führt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.12.2019, Verg 53/18; Beschluss vom 19.04.2017 - Verg 38/16). Der Grundsatz des § 168 Abs. 2 Satz 1 GWB, dass ein wirksam erteilter Zuschlag nicht aufgehoben werden kann, wird dadurch dahin gehend eingeschränkt, dass dies nicht gilt, wenn einer der in § 135 Abs. 1 GWB genannten Fälle vorliegt und dies in einem Nachprüfungsverfahren festgestellt worden ist. Über das Vorliegen einer der in § 135 Abs. 1 GWB genannten Vergaberechtsverstöße ist noch nicht im Rahmen der Prüfung der Statthaftigkeit des Nachprüfungsantrags abschließend zu entscheiden, sondern im Rahmen der Begründetheit, wenn der Nachprüfungsantrag im Übrigen zulässig ist (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.12.2019, Verg 53/18; Beschluss vom 19.04.2017 - Verg 38/16; ebenso Gnittke/Hattig, in: Müller-Wrede, GWB, § 135 Rn. 64).

Ein öffentlicher Auftrag ist von Anfang an unwirksam, wenn der öffentliche Auftraggeber gegen § 134 GWB verstoßen hat und dieser Verstoß in einem Nachprüfungsverfahren festgestellt worden ist, vgl. § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB. Der öffentliche Auftraggeber ist nach § 134 GWB gehalten, die Bieter, deren Angebote nicht berücksichtigt werden sollen, über den Namen des Unternehmens, dessen Angebot angenommen werden soll, über die Gründe der vorgesehenen Nichtberücksichtigung ihres Angebots und über den frühesten Zeitpunkt des Vertragsschlusses unverzüglich in Textform zu informieren.

Es muss den unterliegenden Bietern der früheste Zeitpunkt genannt werden, ab wann sie mit dem Vertragsschluss mit dem erfolgreichen Bieter rechnen müssen. Der Inhalt der Informationspflicht ist aus dem Horizont des unterlegenen Bieters vor dem Hintergrund ihres Charakters als Rechtsschutzgewährleistung auszudeuten. Wenn der Auftraggeber dem unterlegenen Bieter einen späteren Zeitpunkt für den frühesten Vertragsschluss nennt, als sich aus der gesetzlich zwingenden Stillhaltefrist ergeben würde, ist er an den genannten Zeitpunkt gebunden (vgl. Stumpf, in: Willenbruch/ Wieddekind/Hübner, Vergaberecht, 5. Aufl., § 134 GWB, Rn. 25). Da es sich um eine Mindestwartefrist handelt, kann der öffentliche Auftraggeber die Frist bewusst verlängern, so dass er an die verlängerte Frist zumindest dann gebunden ist, wenn er sie den Informationsadressaten mitgeteilt und damit einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat. Dem lassen sich weder der Gleichbehandlungsgrundsatz noch der Umstand entgegenhalten; es handele sich bei der Wartefrist um eine gesetzliche Frist (vgl. Beck VergabeR/Dreher/Hoffmann, GWB, § 134, Rn. 63, 75, m. w. N.).

Die Antragsgegnerin teilte der Antragstellerin im Informationsschreiben vom 03.02.2023 mit, dass sie beabsichtigt, den Zuschlag am 31.03.2023 auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Mit Schreiben vom 14.02.2023 forderte die Antragsgegnerin die Beigeladene zur Vertragsunterzeichnung auf. Der Vertrag wurde im Anschluss von der Antragsgegnerin gegengezeichnet. Die Zuschlagserteilung bzw. der Vertragsschluss folgte somit vor Ablauf der von der Antragsgegnerin festgelegten Stilhaltefrist am 31.03.2023. Die Antragsgegnerin räumte dieses Versäumnis in ihrer Antragserwiderung ein. Der Zuschlag wurde folglich unwirksam erteilt und der Vertrag unwirksam geschlossen.

b) Die Antragstellerin ist auch gemäß § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie ein Interesse am Auftrag hat und die Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie beanstandet, die Wertung der Angebote und die Nichtberücksichtigung ihres Angebotes verstoße gegen den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz und würde einen Verstoß gegen arbeitsrechtliche Vorschriften befördern. Die Beigeladene biete unzulässigerweise 12-Stunden-Schichten an, obwohl sie nicht tarifgebunden operiere oder kürzere Schichten angeboten habe. Das Angebot der Beigeladenen sei für sie und die von ihr einzusetzenden Mitarbeiter unauskömmlich und könne deshalb nicht den Zuschlag erhalten.

Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Beck VergabeR/Horn/Hofmann, 4. Aufl. 2022, GWB § 160, Rn. 23, Boesen, Vergaberecht, § 107 GWB, Rn. 52). Nach herrschender Meinung und Rechtsprechung sind an diese Voraussetzungen keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags, wenn der Bieter schlüssig einen durch die behauptete Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet, also darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können (BVerfG, Urteil vom 29.07.2004 - 2 BvR 2248/04; Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, GWB § 160, Rn. 43; vgl. Beck VergabeR/Horn/Hofmann, 4. Aufl. 2022, GWB § 160, Rn. 34; Möllenkamp in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, 4. Aufl., § 160, Rn. 30 ff.). Ob tatsächlich der vom Bieter behauptete Schaden droht, ist eine Frage der Begründetheit (vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2006 - X ZB 14/06, zitiert nach VERIS).

Die Antragstellerin hat eine mögliche Beeinträchtigung ihrer Chancen auf den Zuschlag durch die vorgenannten Vorwürfe und damit einen möglichen Schaden schlüssig dargelegt.

Der Antragsbefugnis steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin mit ihrem Nachprüfungsantrag einen Verstoß gegen § 135 GWB durch die bereits erfolge Zuschlagserteilung nicht geltend gemacht hat. Ein derartiger Verstoß muss nicht vom Bieter selbst vorgetragen werden. Vielmehr kann die Vergabekammer nach § 168 Abs. 1 S. 2 GWB von sich aus die Unwirksamkeit feststellen (vgl. Stumpf in: Willenbruch/Wieddekind/Hübner, Vergaberecht, 5. Aufl., § 135 GWB, Rn. 14).

Die Antragstellerin hat auch ihrer Pflicht genügt, den geltend gemachten Verstoß gegen die Vergaberechtsvorschriften gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB vor Einreichen des Nachprüfungsantrags innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen nach positiver Kenntniserlangung gegenüber der Auftraggeberin zu rügen. Bei der Vorschrift des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Bieters von den Tatsachen.

Mit Informationsschreiben vom 03.02.2023 gemäß § 134 GWB teilte die Antragsgegnerin mit, dass sie beabsichtige, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen aufgrund des besseren Gesamtwertungsergebnisses zu erteilen. Die Gesamtpunktzahl der Antragstellerin sei mit 17,47 Punkten niedriger als die der Beigeladenen mit 19,00 Punkten. Mit Anwaltsschreiben vom 11.02.2023 rügte die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin die Nichtberücksichtigung ihres Angebots. Sie und nicht die Beigeladene habe das wirtschaftlichste Angebot abgegeben. Die Rüge erfolgte innerhalb der gesetzlichen 10-Tages-Frist und damit rechtzeitig.

Der Nachprüfungsantrag ist somit insoweit zulässig.

c) Soweit die Antragstellerin allerdings darüber hinaus beanstandet, es fehle an einer hinreichenden Vergleichbarkeit der Angebote nach § 121 GWB, da die Antragsgegnerin Angebote auf Basis sowohl von Tariflöhnen als auch von Mindestlöhnen zugelassen habe und keine weiteren Angaben verlangte, die eine Vergleichbarkeit über die gesamte Laufzeit im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit ermögliche, weshalb das Verfahren zurückversetzt werden müsse, ist sie mit diesem Vorbringen präkludiert.

Gemäß § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB ist der Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit er sich auf Verstöße gegen Vergabevorschriften stützt, die aufgrund der Vergabeunterlagen erkennbar sind, aber nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt worden sind.

Es kommt bei der Präklusion nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB auf die objektive Erkennbarkeit für einen durchschnittlichen Anbieter an, nicht auf die tatsächliche Erkenntnis beim Antragsteller. Der Prüfungsmaßstab ist enger. Die Rechtsprechung bemüht sich um eine einheitliche Definition der Erkennbarkeit (OLG Celle, Beschluss vom 12.04.2016, 13 Verg 1/16; OLG Celle, Beschluss vom 07.11.2013, 13 Verg 8/13; differenzierend VK Niedersachsen, Beschluss vom 07.02.2014, VgK-51/2013). Das OLG Celle wies in der Entscheidung von 2016 darauf hin, dass in Rechtsprechung und Literatur umstritten sei, ob der Vergaberechtsverstoß für einen Durchschnittsanbieter (vgl. BayObLG, Beschluss vom 23.11.2000 - Verg 12/00; OLG Stuttgart, NZBau 2001, 462, 463) oder für den konkreten Antragsteller (OLG Düsseldorf, VergabeR 2007, 200, 203 f.; VK Bund, Beschluss vom 18.01.2020 VK 2-94/19; KG, BauR 2000, 1620, 1621 f.; OLG Frankfurt, ZfBR 2009, 86, 89; Wiese in: Kulartz/Kus/Portz, GWB-Vergaberecht, § 160, Rn. 168) erkennbar sein müsse. Erkennbar ist nach Auffassung der Vergabekammer, was dem Anbieter bei Erstellung des Angebots auffallen muss.

Eine Erkennbarkeit war für die Antragstellerin nach Auffassung der Vergabekammer gegeben. Die interessierten Unternehmen konnten alle Vergabeunterlagen nach Veröffentlichung der Auftragsbekanntmachung abrufen. Den Vergabeunterlagen war zu entnehmen, dass sich sowohl Unternehmen bewerben können, die Tariflöhne zahlen als auch solche, die den Mindestlohn zahlen, denn sie enthielten insoweit keinerlei Vorgaben. Die Antragstellerin kennt den Markt und hatte daher bereits bei der Angebotserstellung Kenntnis von der möglichen Beteiligung von Unternehmen, die nicht nach einem Tarifvertrag vergüten und damit auch ihr Angebot nicht unter Beachtung von Tariflöhnen kalkulieren werden. Ihr war es auch ohne Rechtsrat möglich zu erkennen, dass die Vergabeunterlagen keinerlei Angaben bzw. Vorgaben diesbezüglich enthielten. Die Antragstellerin stellte dennoch keine Bieterfrage. Auch ging bis zur Einreichung des Angebots und somit zum Ablauf der Angebotsfrist insoweit keine Rüge der Antragstellerin ein. Sie bemängelte das Vorgehen der Antragsgegnerin erst im Rahmen des Nachprüfungsantrags nach Kenntnisnahme von der Antragserwiderung und des Hinweises der Vergabekammer.

Der Vortrag der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung, für sie sei erst durch die Angaben der Antragsgegnerin in der Antragserwiderung erkennbar gewesen, dass diese bei der Wertung neue, nicht mit den Vergabeunterlagen geforderte Parameter berücksichtigt habe, überzeugt nicht. Einerseits wird aus der Antragserwiderung deutlich, dass die von der Beigeladenen auf Anforderung der Antragsgegnerin vorgelegte Kostenkalkulation nicht bei der Bewertung der Angebote im Rahmen der Angebotsphase berücksichtigt wurde, sondern anlässlich des Nachprüfungsverfahrens angefordert wurde. Anderseits war ein Mitarbeiter der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung zweifelsfrei in der Lage alle für die Kalkulation relevanten Positionen der Personalkosten aufzuschlüsseln und mögliche Defizite bzw. Schwierigkeiten darzustellen. Dieses Wissen hat der Mitarbeiter bei der Durchsicht der Vergabeunterlagen und der Kalkulation des Angebots eingebracht und konnte damit erkennen, dass die Antragsgegnerin lediglich Gesamtpreise für die Personalkosten und keine weiteren Anforderungen beispielsweise in Bezug auf die Qualifikation der einzusetzenden Mitarbeiter forderte oder aber Angaben in Bezug auf die Wertung der Angebote im Falle der Kalkulation unter Berücksichtigung des Tarif- oder Mindestlohns machte.

Die Antragstellerin ist mit ihrem Vortrag daher präkludiert. In Bezug auf den hilfsweisen Antrag der Zurückversetzung des Verfahrens aufgrund nicht hinreichender Vorgaben zur Vergleichbarkeit der Angebote in Hinblick auf Vorgaben zu Tarif- bzw. Mindestlöhnen ist der Nachprüfungsantrag damit unzulässig.

Es ist daher nicht entscheidungserheblich, ob eine Vergleichbarkeit der Angebote durch die Vorgaben in den streitgegenständlichen Vergabeunterlagen oder aber durch ergänzende Vorgaben, wie das Festlegen von Mindestanforderungen an die Qualifikationen des für die Auftragsausführung einzusetzenden Personals oder aber durch die Abfrage detaillierterer Angaben der Kostenkalkulation der Bieter in Form von Stundenverrechnungssätzen besser sichergestellt werden kann.

2. Soweit der Nachprüfungsantrag zulässig ist, ist er überwiegend unbegründet.

Durch die unwirksame Erteilung des Zuschlags der Antragsgegnerin an die Beigeladene ist die Antragstellerin in ihren Rechten gemäß § 97 Abs. 6 GWB verletzt (vgl. 2a). Die Wertung der Angebote selbst, insbesondere auch des Angebots der Beigeladenen, war dagegen nicht zu beanstanden. Verstöße gegen gesetzliche Vorgaben sind nicht zu erkennen (vgl. 2b).

a) Die Antragsgegnerin hat unstreitig vor Ablauf der in ihrem Informationsschreiben vom 03.02.2023 festgelegten Stillhaltefrist den Zuschlag an die Beigeladene erteilt und damit gegen § 134 GWB verstoßen. Die Antragsgegnerin räumte in ihrer Antragserwiderung ein, die von ihr selbst bestimmte Wartefrist bei der Erteilung des Zuschlags an die Beigeladene nicht eingehalten zu haben und dass dieser Umstand die in § 135 GWB bestimmte Rechtsfolge der Unwirksamkeit des Vertragsschlusses mit sich bringt. Eine Zuschlagserteilung war erst nach Ablauf des 31.03.2023 entsprechend des Informationsschreibens möglich.

Der Vertrag wurde im Ergebnis, wie unter 1b) ausgeführt, unwirksam geschlossen. Die Antragstellerin ist dadurch in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB verletzt.

b) Die Antragsgegnerin hat die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte ausschließlich unter Zugrundelegung der den Bietern in den Vergabeunterlagen, insbesondere der Leistungsbeschreibung zu Los 3, bekannt gemachten Zuschlagskriterien und der ebenfalls festgelegten und bekannt gemachten Gewichtung durchgeführt und weder gegen § 127 GWB noch gegen den Transparenz- oder Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 97 Abs. 1, Abs. 2 GWB verstoßen.

Die Auftraggeberin verfügt bei der Angebotswertung über einen nur begrenzt nachprüfbaren Beurteilungsspielraum. Die Nachprüfungsinstanzen können diese Entscheidung daher nur auf die Grenzen der Einhaltung des Spielraums, mithin daraufhin kontrollieren, ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten sowie von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen worden ist, keine sachwidrigen Erwägungen in die Entscheidung eingeflossen und allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet worden sind (vgl. Ziekow/Völlink/Ziekow, 4. Aufl. 2020, GWB, § 127, Rn. 48; Beck VergabeR/Opitz, 3. Aufl. 2017, GWB, § 127, Rn. 88).

Gemäß der Aufforderung zur Angebotsabgabe wurde das wirtschaftlichste Angebot für Los 3 wie folgt ermittelt:

- Preis mit einer Gewichtung von 35 %

- Konzept mit einer Gewichtung von 65 %

Die Leistungsbeschreibung zu Los 3 erläutert die Bewertung weiter wie folgt:

"Dabei werden die Angebotspreise in Punkte von 0 bis 20 umgerechnet. Das preisgünstigste Angebot erhält 20 Punkte. Die übrigen Angebotspreise werden entsprechend ihrer prozentualen Abweichung vom günstigsten Angebot bewertet. So führt beispielsweise eine Abweichung um 10 % zu einer Bewertung mit 18 Punkten (= 20 Punkte - 20 Punkte * 10 %). Angebote mit einer Abweichung von über 100 % werden mit 0 Punkten bewertet. Die Punkte für den Preis gehen zu 35 % in die Gesamtpunktsumme ein.

Das Sicherheitskonzept wird ebenfalls mit (maximal) 20 Punkten, aufgeteilt auf vier Bereiche mit unterschiedlicher Punktzahl, bewertet. Zwischenpunkte sind hierbei nicht möglich. Eine detaillierte Bewertungsmatrix ist unter Nr. 3) 1 beigefügt. Die Punkte für das Sicherheitskonzept gehen zu 65 % in die Gesamtpunktsumme für Los 3 ein.

Den Zuschlag von Los 3 erhält der/die Bieter/-in mit der größten Gesamtpunktsumme aus Preis und Konzept."

Die Antragsgegnerin hat die Bewertung der jeweiligen Bieter insgesamt ausführlich und in einer den Anforderungen des § 8 VgV genügenden Weise in der Vergabeakte dokumentiert.

Im Rahmen der Bewertung der Sicherheitskonzepte hat die Antragsgegnerin die Unterschiede der Angebote zu den einzelnen Unterkriterien hervorgehoben und dargelegt, in welchem Maße ("Teilbereich nicht behandelt/Anforderungen nicht erfüllt - 0 Punkte"bis hin zu "Anforderungen überschritten - 2, 4 oder 12 Punkte") das jeweilige Angebot die jeweiligen Kriterien erfüllt. Die Antragsgegnerin hat eine ausführliche Begründung der Bewertungen vorgenommen. Dabei hat sie auch keine sachfremden, überraschenden oder unter die Kriterien nicht zu subsumierenden Gesichtspunkte einfließen lassen. Vielmehr hat die Antragsgegnerin negative Feststellungen und positive, punkteerhöhende Aspekte bei allen Angeboten gleichmäßig berücksichtigt und in Relation zueinander gesetzt. Es liegen insgesamt keine Anhaltspunkte für eine willkürliche Beurteilung vor.

Die Angebotspreise wurden entsprechend der oben genannten Erläuterungen in der Leistungsbeschreibung bewertet. Sowohl aus dem Angebot der Beigeladenen sowie ihren Erläuterungen der Kostenkalkulation sind keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich, die gegen eine ordnungsgemäße Kalkulation sprechen.

Die Vergabeunterlagen der Antragsgegnerin enthielten keinerlei Vorgaben, dass für die Kalkulation der Angebote ein festgelegter Stundenlohn eines Tarifvertrages anzusetzen ist. Weder ein Bundes- noch das Landesvergabegesetz verpflichten die öffentlichen Auftraggeber in Niedersachsen zur Vorgabe einer solchen Verpflichtung.

§ 4 NTVergG gibt lediglich vor, dass öffentliche Aufträge über Bau- und Dienstleistungen nur an Unternehmen vergeben werden dürfen, die bei Angebotsabgabe erklären, bei der Ausführung des Auftrags im Inland ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Sinne des § 22 des Mindestlohngesetzes (MiLoG) vom 11. August 2014 (BGBl. I S. 1348), geändert durch Artikel 2 Abs. 10 des Gesetzes vom 17.02.2016 (BGBl. I S. 203), in der jeweils geltenden Fassung, mindestens ein Mindestentgelt nach den Vorgaben des Mindestlohngesetzes und ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die von Regelungen nach § 1 Abs. 3 MiLoG, insbesondere von Branchentarifverträgen, die nach den Vorgaben des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes vom 20.04.2009 (BGBl. I S. 799) - AEntG -, zuletzt geändert durch Artikel 2 Abs. 11 des Gesetzes vom 17.02. 2016 (BGBl. I S. 203), in der jeweils geltenden Fassung, bundesweit zwingend Anwendung finden, erfasst werden, mindestens ein Mindestentgelt nach den Vorgaben dieser Regelungen zu zahlen.

Einen für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag für die hier ausgeschriebene Sicherheitsdienstleistung enthält das Verzeichnis der allgemeinverbindlichen Tarifverträge in Niedersachsen (AVE-Verzeichnis), Stand 01.02.2023, nicht (abrufbar unter https://www.ms.niedersachsen.de/startseite/themen/arbeit/gute_arbeitsbedingungen_in_niedersachsen/service_zu_tarifvertragen_und_fur_betriebsrate/infoservicezu-tarifvertraegen-sowie-anerkennung-von-bildungsveranstaltungen-fuer-betriebsraete-15936.html).

Die Bieter waren somit lediglich verpflichtet eine Verpflichtungserklärung nach § 4 NTVergG einzureichen. Dieser Verpflichtung ist die Beigeladene nachgekommen. Aus der Kostenkalkulation der Beigeladenen wird ersichtlich, dass alle von ihr für die Auftragserbringung einzusetzenden Mitarbeiter entsprechend ihrer jeweiligen Klassifizierung als Auszubildender, Sicherheitsmitarbeiter etc. vergütet werden. Die Zahlung eines Mindestlohnes wird berücksichtigt und eingehalten.

Etwaige Verstöße der Beigeladenen gegen das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) sind nicht ersichtlich. Die Annahmen der Antragstellerin hinsichtlich der Anzahl der zur Auftragsausführung von der Beigeladenen eingesetzten Azubis oder aber in Bezug auf das unzulässige Einsetzen von Mitarbeitenden mit 12-Stunden-Schichten durch die Beigeladene treffen nicht zu. Auch die Berechnung der Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 20.04.2023 kann nicht überzeugen. Die Antragstellerin hat neben einer nicht korrekten Anzahl von eingesetzten Azubis auch eine angebotene Personalkostensumme von xxxxxx € netto zugrunde gelegt, obwohl die Beigeladene ausweislich der Vergabeakte Personalkosten in Höhe von xxxxxx € netto angeboten hat. Bei der von der Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 05.04.2023 ebenfalls mitgeteilten Summe in Höhe von xxxxxx € netto handelt es sich um die Mindestpersonalkosten. Folglich verbleibt der Beigeladenen sogar noch ein Spielraum, um auf mögliche Kostensteigerungen zu reagieren.

Die genaue Zusammensetzung der Kalkulation des Angebotes obliegt dem jeweiligen Bieter, solange er dabei alle gesetzlichen Vorgaben berücksichtigt. Dabei obliegt es auch ihm, ob er sich an einen Tarifvertrag bindet, wie viele Auszubildende, Aushilfen oder aber andere Sicherheitsmitarbeiter er zur Erbringung des Auftrages einsetzt und somit seiner Angebotskalkulation zugrunde legt.

Schließlich liegt auch dadurch kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungs- oder Diskriminierungsgrundsatz vor, dass die Antragsgegnerin der Beigeladenen die Möglichkeit der Erläuterung ihrer Lohnkosten einräumte. Es bestanden für die Antragsgegnerin keinerlei Zweifel hinsichtlich der Ordnungsgemäßheit der Kalkulation aller Bieter. Die Antragsgegnerin darf allerdings auch noch während eines Nachprüfungsverfahrens weitere Aufklärungen vornehmen, sofern Anlass dazu besteht. Diesen Anlass hat die Antragstellerin hier geboten. Preisverhandlungen wurden nicht vorgenommen. Auch eine Aufklärung gemäß § 60 VgV war nicht erforderlich, zumal die Beigeladene im Preisranking auf Platz 3 lag.

Im Ergebnis hat sich die Antragsgegnerin somit im Rahmen des den öffentlichen Auftraggebern verbleibenden Beurteilungsspielraums gehalten. Sachwidrige Erwägungen sind nicht in die Bewertung eingeflossen. Die Antragsgegnerin hat daher die Angebotswertung in nicht zu beanstandender Weise durchgeführt und dokumentiert.

Folglich war der Nachprüfungsantrag insgesamt überwiegend unbegründet.

Gemäß § 168 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Sie ist dabei an die Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken.

Hier liegt ein Grund vor, mit Maßnahmen auf die Rechtmäßigkeit des Verfahrens einzuwirken. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet das Vergabeverfahren in den Stand vor Zuschlagserteilung zurückzuversetzen. Das Informationsschreiben nach § 134 GWB an sich war nicht fehlerhaft. Lediglich der Zeitpunkt des Zuschlages vor Ablauf der § 134-Stillhalte-frist war vergabewidrig. Die im Informationsschreiben auf den Ablauf des 31.03.2023 festgelegte Stillhaltefrist ist allerdings mittlerweile abgelaufen. Es ist daher erforderlich, aber auch ausreichend die Antragsgegnerin dazu zu verpflichten, das Verfahren in den Stand vor Zuschlagserteilung zurückzuversetzen. Im Übrigen war der Nachprüfungsantrag dagegen zurückzuweisen.

III. Kosten

Die Kostenentscheidung folgt aus § 182 GWB. Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 €, die Höchstgebühr 50.000 € und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 €.

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung aus Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 € (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 € zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 € (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. € (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 - 1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert. Bei außergewöhnlicher wirtschaftlicher Bedeutung kann die Gebühr auf bis zu 100.000 € erhöht werden.

Der zugrunde zu legende Auftragswert berechnet sich aufgrund der Summe der Angebote der Antragstellerin für die Los 3 für drei Jahre. Der Gegenstandswert beträgt somit für die zunächst vorgesehene 3-jährige Laufzeit xxxxxx € netto. Es ist jedoch eine Verlängerungsoption um 12 Monate zu berücksichtigen.

Die Verlängerungsoptionen stellen einen wirtschaftlichen Wert dar, der dem Ausschreibungsgegenstand innewohnt und das Interesse der Bieter am Auftrag mitbestimmt. Die Ungewissheit darüber, ob der Auftraggeber das Optionsrecht ausüben wird, ist mit einem angemessenen Abschlag vom vollen Auftragswert zu berücksichtigen, der rechnerisch während der optionalen Vertragslaufzeit erzielt werden könnte; im Regelfall ist es angezeigt, diesen Abschlag auf 50 % zu veranschlagen (vgl. BGH, Beschluss vom 18.03.2014, X ZB 12/13).

Somit beträgt das Interesse der Antragstellerin am Auftrag dem 3,5-fachen Jahreswert ihres Angebots in Los 3, mithin xxxxxxx € netto.

Bei einer Gesamtsumme von xxxxxx € brutto ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx €. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein.

Die in Ziffer 3 des Tenors verfügte Kostentragungspflicht folgt aus § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag nur teilweise zulässig war und nur insoweit Erfolg hatte, dass die Zuschlagserteilung unwirksam war, im Übrigen hatte er keinen Erfolg. Die Vergabekammer bewertet den Anteil des Obsiegens der Antragstellerin zu 1/3, so dass die Antragstellerin zu 2/3 unterliegt.

Die Antragsgegnerin ist jedoch von der Pflicht zur Entrichtung der auf sie entfallenden Kosten gemäß § 182 Abs. 1 Satz 2 GWB i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 BVerwKostG befreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss vom 25.01.2005, Az.: WVerg 0014/04). Zwar ist das BVerwKostG mit Wirkung vom 15.08.2013 aufgehoben worden, jedoch ist es aufgrund der starren Verweisung aus § 182 Abs. 1 Satz 2 GWB auf das BVerwKostG in der Fassung vom 14.08.2013 hier weiter anzuwenden. Inhaltlich entspricht die dortige Regelung § 8 BGebG.

Aufwendungen der Antragstellerin:

Gemäß Ziffer 4 des Tenors hat die Antragsgegnerin der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen gemäß § 182 Abs. 4 GWB zu 1/3 zu erstatten. Gemäß § 182 Abs. 4 GWB i. V. m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war auf den Antrag der Antragstellerin gemäß Ziffer 4 des Tenors auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts im Nachprüfungsverfahren für die Antragstellerin notwendig war. Ungeachtet der Tatsache, dass das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, bedurfte die Antragstellerin gleichwohl wegen der Komplexität des Vergaberechts und des das Nachprüfungsverfahren regelnden Verfahrensrechts einerseits sowie auch der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltlicher Beratung und Begleitung.

Angesichts der Tatsache, dass die Antragsgegnerin im Nachprüfungsverfahren in der Hauptsache zur Wiederholung der Zuschlagserteilung verpflichtet wird und damit teilweise unterlegen ist, hat sie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten der Antragstellerin zu 1/3 zu tragen.

Aufwendungen der Antragsgegnerin:

Gemäß Ziffer 4 des Tenors hat die Antragstellerin der Antragsgegnerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen gemäß § 182 Abs. 4 GWB teilweise zu erstatten.

Angesichts der Tatsache, dass die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren in der Hauptsache gegenüber der Antragsgegnerin überwiegend unterlegen ist, weil der Nachprüfungsantrag zwar teilweise zulässig, aber überwiegend unbegründet war, hat sie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung erforderlichen Kosten der Antragsgegnerin zu 2/3 zu tragen.

Etwaige Aufwendungen der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig. Die Beigeladene hat keine Anträge gestellt und auch nicht schriftsätzlich vorgetragen. Es gibt daher keinen Grund, sie in die Kostenentscheidung mit einzubeziehen.

Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Bestandskraft dieses Beschlusses die anteilige Gebühr in Höhe von xxxxxx € unter Angabe des Kassenzeichens

xxxxxxx

auf folgendes Konto zu überweisen:

xxxxxx

IV. Rechtsbehelf

...

von dem Knesebeck
Gause
Menneke