Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 20.03.2002, Az.: 1 A 8/00
Beurteilerkompetenz; Beurteilerkonferenz; Beurteilungsmaßstab; Beurteilungsrichtlinie; Entzug; Kontrolldichte; Maßstabsverfehlung; Maßstabsverschiebung; Notenänderung; persönlichkeitsbedingtes Werturteil; Plausibilisierung; Plausibilisierungslast des Dienstherrn; Quotenrichtwert; Rangfolgeliste; Werturteil
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 20.03.2002
- Aktenzeichen
- 1 A 8/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 43707
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- PolDBeurtRL ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Es kann dahinstehen, ob eine "Aufhebung" bereits eröffneter Beurteilungen rechtlich möglich ist.
2. Eine unerklärliche, von vorangehenden (positiven) Beurteilungen für denselben Beurteilungszeitraum signifikant abweichende Notenherabsetzung durch einen zuständigen Beurteiler zwingt den Dienstherrn zur Plausibilisierung der letztlich vergebenen Gesamtnote.
3. Ein Notenherabsetzung allein wegen Ausschöpfung vorgegebener "Quoten" (für bessere Notenstufen) ist rechtswidrig.
4. Die verbindliche Festlegung von Gesamtnoten durch eine Beurteilerkonferenz ist rechtswidrig.
5. Die Androhung "dienstrechtlicher Maßnahmen" einschließlich eines Entzugs der Beurteilerkompetenz für den Fall, dass Beurteiler die in einer Konferenz verbindlich festgelegten Noten nicht "umsetzen", ist eindeutig fehlerhaft und rechtswidrig.
Tatbestand:
Der Kläger, der Polizeioberkommissar (A 10) ist und im Dienst des Landes Niedersachsen steht, wendet sich gegen eine ihm erteilte Regelbeurteilung.
Zum 1. Juni 1997 wurden über sämtliche Beamte des Polizeivollzugsdienstes des gehobenen Dienstes nach Maßgabe am 4. Januar 1996 neu erlassener Beurteilungsrichtlinien Regelbeurteilungen erstellt. Über den Kläger wurde erstmals unter dem 31. Mai 1997 zu diesem Stichtag eine Regelbeurteilung erstellt, die ihm am 31. Januar 1998 eröffnet. Die Beurteilung erstreckt sich auf den Beurteilungszeitraum 1. März 1996 bis 31. Mai 1997 und schloss mit dem Gesamturteil „entspricht voll den Anforderungen“ (Wertungsstufe 4) ab. Der Erstbeurteiler, Kriminalhauptkommissar C., bewertete in seinem Vorschlag die Leistungen des Klägers mit „übertrifft erheblich die Anforderungen“ (Wertungsstufe 5), wobei er bei den Einzelmerkmalen innerhalb der Leistungsbewertung im Schnitt die Note 4,69 vergab. Mit diesem Vorschlag erklärte sich der Kläger einverstanden. Der Zweitbeurteiler, Polizeioberrat D., bewertete demgegenüber den Kläger mit dem Gesamturteil „entspricht voll den Anforderungen“ (Wertungsstufe 4), ohne die Leistungsbewertung des ersten Beurteilers in den einzelnen Merkmalen zu ändern. Zur Begründung der Herabsetzung des Gesamturteils gab der zweite Beurteiler an: Änderungen in den Leistungs- und Befähigungsmerkmalen hätten mangels entgegenstehender eigener Feststellungen nicht vorgenommen werden können. Von daher treffe die Gesamtbewertung des Erstbeurteilers zu. Die Herabsetzung der Beurteilungsnote erfolge, weil die durch die Maßstabsbildung vorgegebenen Quoten bereits ausgeschöpft gewesen seien.
In der Folgezeit erhoben zahlreiche Polizeibeamte - so auch der Kläger mit Schreiben vom 14. Januar 1998 - gegen die über sie gefertigten Regelbeurteilungen Einwendungen. Gerügt wurde insbesondere, dass in den neuen Beurteilungsrichtlinien für die Festlegung der Gesamturteile sogenannte Richtwerte vorgegeben worden seien und die Zweitbeurteiler allein zur Einhaltung dieser Richtwerte die von den Erstbeurteilern dann vorgeschlagenen Gesamtnoten herabgesetzt hätten, ohne eine leistungsgerechte Beurteilung im Einzelfall vorzunehmen.
Die Beklagte hob mit Verfügung vom 7. April 1998 die Regelbeurteilungen für die Polizeivollzugsbeamten des gehobenen Dienstes der Polizeiinspektion E. auf. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass in den hier maßgeblichen Vergleichsgruppen eine so große Anzahl von Beurteilungen als nicht mangelfrei anzusehen seien, dass damit Auswirkungen auf die gesamte Vergleichsgruppe nicht ausgeschlossen werden könnten. Die Zweitbeurteiler wurden aufgefordert auf Grundlage der vorliegenden Beurteilungsentwürfe der Erstbeurteiler neue Zweitbeurteilungen zu erstellen.
Unter dem 29. Juni 1998 wurde für den Kläger eine neue - zweite - Beurteilung für den gleichen Zeitraum erstellt, die ihm am 11. September 1998 eröffnet wurde. Der Erstbeurteiler, Kriminalhauptkommissar C., bewertete in seinem Vorschlag die Leistungen des Klägers wiederum mit „übertrifft erheblich die Anforderungen“ (Wertungsstufe 5), wobei er bei den Einzelmerkmalen innerhalb der Leistungsbewertung im Schnitt wiederum die Note 4,69 vergab. Der Zweitbeurteiler, Polizeioberrat D., bewertete demgegenüber den Kläger mit dem Gesamturteil „entspricht voll den Anforderungen“ (Wertungsstufe 4). Die Einzelmerkmale bewertete er alle mit der Wertungsstufe 4. Eine Bewertung des Leitungsverhaltens des Klägers strich der Zweitbeurteiler.
Zu dieser zweiten Beurteilung gaben der Erstbeurteiler unter dem 28. Juli 1998 und der Zweitbeurteiler unter dem 19. August 1998 eine Stellungnahme ab. Diese Stellungnahmen befinden sich allerdings nicht in den Verwaltungsvorgängen; sie sind nach Auskunft der Beklagten nicht mehr auffindbar.
Mit Schreiben vom 11. November 1998 beantragte der Kläger die Abänderung dieser unter dem 29. Juni 1998 erstellten zweiten Beurteilung. Zur Begründung führte er im Wesentlichen an: Die Begründung des Erstbeurteilers für die Vergabe der Wertungsstufe 5 für das Gesamturteil sei fehlerfrei. Die hierzu abgegebene Stellungnahme des Zweitbeurteilers vom 19. August 1998 zur Begründung der Abänderung des Gesamturteils überzeuge nicht. Die Streichung der Beurteilung seines Leitungsverhaltens sei nicht nachvollziehbar, da er Abwesenheitsvertreter des EB-Leiters gewesen sei.
Mit Bescheid vom 30. November 1998 lehnte die Beklagte die Änderung der Beurteilung ab. In dem Bescheid wurden zunächst die Beurteilungen der Einzelmerkmale dem Kläger erläutert. Ergänzend wurde ausgeführt: Das Leitungsverhalten des Klägers sei zutreffend nicht mehr beurteilt worden, da ihm keine dauerhaften Leitungsaufgaben übertragen worden seien. Aus der inhaltlichen Bewertung der einzelnen Leistungsmerkmale und den Änderungen des Zweitbeurteilers habe dieser schlüssig das Gesamturteil „entspricht voll den Anforderungen“ (Wertungsstufe 4) getroffen. Der Kläger habe sich mit weiteren 324 Polizei-/Kriminaloberkommissaren im Bereich des Regierungsbezirks E. davon 43 Polizei-/Kriminaloberkommissare im statusrechtlichen Amt A 10 bei der Polizeiinspektion E., vergleichen lassen müssen. Im Rahmen der erforderlichen Erst- und Zweitbeurteilungskonferenzen bei der Polizeiinspektion E. sei für alle Beamten des statusrechtlichen Amtes A 10 eine Rangreihenfolge festgelegt worden. Für das statusrechtliche Amt A 10 sei zudem auf Ebene des Regierungsbezirks E. die Vergleichsgruppe gebildet worden. Ziel sei es, untereinander vergleichbare und abgestufte Beurteilungsergebnisse unter Beachtung der Ziffer 11 der Beurteilungsrichtlinien zu erreichen. Obwohl der zuständige Erstbeurteiler an den Erstbeurteilerkonferenzen teilgenommen habe, habe er offensichtlich den in diesen Konferenzen erarbeiteten Maßstab nicht umgesetzt. Er habe auch nur lediglich 2 Beamte im Amt A 10 zu beurteilen gehabt. In seiner ergänzenden Begründung habe der Zweitbeurteiler mit Datum vom 19. August 1998 deutlich gemacht, dass der Kläger im Kreis der Bewährungs- und Lehrgangsaufsteiger zu den leistungsstärksten Beamten gezählt habe. Allerdings habe sich der Kläger im Statusamt A 10 auch dem Vergleich mit meist jüngeren Beamten und Beamtinnen stellen müssen, die hier über eine längere Erfahrung in der Laufbahn verfügt hätten und zum Teil seit mehren Jahren in Führungsverantwortung ständen und aufgrund ihres auffälligeren Leistungsverhaltens in Einzelfällen sogar als Bewerber für den höheren Dienst qualifiziert hätten bzw. deren Qualifizierung absehbar sei. Damit habe der Zweitbeurteiler ausgedrückt, dass der Kläger im Kreise der Bewährungs- und Lehrgangsaufsteiger als sehr leistungsstark gelte, jedoch unter Berücksichtigung derjenigen Beamten, die im Rahmen der 3jährigen Fachhochschulausbildung in den gehobenen Dienst aufgestiegen seien und die ebenfalls zur Vergleichsgruppe der Polizei-/Kriminaloberkommissare zählten, nicht zu den leistungsstärksten Beamten gehöre. Insofern habe der zuständige Zweitbeurteiler innerhalb der Vergleichsgruppe in einem Akt wertender Erkenntnisse eine differenzierte Leistungseinschätzung vorgenommen.
Der Kläger legte dagegen Widerspruch ein und führte zur Begründung im Wesentlichen an: Die Herabsetzung des Gesamturteils sowie die Bewertung einzelner Leistungsmerkmale durch den Zweitbeurteiler sei nicht nachvollziehbar. Es könne nicht festgestellt werden, dass die erste, aufgehobene Beurteilung für ihn fehlerhaft oder zu lasch gewesen sei. Der Erstbeurteiler habe in seiner Stellungnahme deutlich gemacht, dass er den Beurteilungsmaßstab nicht verkannt habe. Vielmehr habe der Zweitbeurteiler einen zu strengen Maßstab angelegt. Insbesondere habe er in seinen Beurteilungen zwischen den Bewährungs- und Lehrgangsaufsteigern, zu welchen er selbst zähle, und den sonstigen Beamtinnen und Beamten im Statusamt A 10 differenziert. Dies sei unzulässig.
In einer Stellungnahme vom 9. März 1999 erklärte der Erstbeurteiler auf Aufforderung der Beklagten, warum er bei seiner Notenvergabe geblieben sei.
Mit Verfügung vom 31. März 1999 hob die Beklagte die zweite Beurteilung wiederum auf. Unter dem 16. April 1999 wurde dann für den Kläger für den gleichen Zeitraum eine neue - dritte - Regelbeurteilung erstellt, die ihm am 10. Mai 1999 eröffnet wurde. Die Beurteilung schloss wiederum mit dem Gesamtergebnis „entspricht voll den Anforderungen“ (Wertungsstufe 4) ab. Der Erstbeurteiler, Kriminalhauptkommissar C., bewertete in seinem Vorschlag die Leistungen des Klägers nunmehr mit „entspricht voll den Anforderungen“ (Wertungsstufe 4) wobei er bei den Einzelmerkmalen innerhalb der Leistungsbewertung nunmehr im Schnitte die Note 4,38 vergab. Bei den Einzelmerkmalen vergab er im Gegensatz zu seinen früheren Bewertungen in 4 Merkmalen nunmehr die Wertstufe 4 (vorher 5). Der Zweitbeurteiler, Polizeioberrat D., bewertete die Leistungen des Klägers ebenfalls mit der Wertungsstufe 4, wobei er die 13 Einzelmerkmale der Leistungsbewertung so wie der Erstbeurteiler bewertete und gewichtete.
Mit Schreiben vom 18. Mai 1999 beantragte der Kläger die Abänderung der Beurteilung und eine Heraufsetzung auf die Wertungsstufe 5. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus: Die Änderung der Bewertung der einzelnen Leistungsmerkmale durch den Erstbeurteiler sei nicht schlüssig. Dies sei offenbar nur unter Druck geschehen. Auffallend sei auch, dass der Zweitbeurteiler nunmehr die Bewertung einzelner Leistungsmerkmale mit der Wertungsstufe 5 akzeptiere, während er in der vorausgegangenen Beurteilung noch alle Leistungsmerkmale ausschließlich mit der Wertungsstufe 4 bewertet habe. Dies zeige dass es nur darum gehe, die vorgegebene Bewertungsstufe 4 umzusetzen.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 21. September 1999 lehnte die Beklagte die beantragte Änderung der Beurteilung ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus: Das Gesamturteil sei nachvollziehbar und lasse rechtlich erhebliche Fehler nicht erkennen. Unzutreffend sei die Behauptung, der Erstbeurteiler habe nunmehr nur die Wertungsstufe 4 vergeben, weil Druck auf ihn ausgeübt worden sei. Vielmehr habe er jetzt den bezirkseinheitlichen, in den Beurteilerkonferenzen gewonnenen Maßstab zutreffend umgesetzt. Eine Differenzierung zwischen den Absolventen der verschiedenen Laufbahnenaufstiegsformen habe nicht stattgefunden.
Der Kläger legte dagegen Widerspruch ein und führte zur Begründung im Wesentlichen an: In der Praxis habe eine Maßstabsverschiebung bei den Beurteilungen stattgefunden. Die Wertungsstufe 4 kennzeichne in der Praxis nur noch eine durchschnittliche Leistung. Er sei angesichts seiner Leistungen mit dieser Note zu schlecht beurteilt worden. Soweit im Bescheid dargelegt werde, dass die maßgeblichen Beurteilerkonferenzen für ihn im vorgesehenen Rankingverfahren die Wertungsstufe 4 für zutreffend gehalten hätten und diese Festsetzung des Gesamturteils für die zuständigen Beurteiler bindend gewesen sei, sei diese Verfahrensweise rechtlich fehlerhaft. Eine Bindung der Beurteilung an vorgegebene Gesamturteile sei nach den Richtlinien nicht vorgesehen. Sie wiederspräche auch grundlegenden Prinzipien des Beurteilungsrechts, wonach allein der zuständige Erstbeurteiler nach seiner freien Überzeugung die Leistungen des zu beurteilenden Beamten einzuschätzen habe. Der Stellungnahme des Zweitbeurteilers vom 19. August 1998 sei entgegen der Auffassung der Beklagten sehr wohl eine Ungleichbehandlung von Polizeioberkommissaren festzustellen. Es werde unzulässigerweise differenziert zwischen solchen, die Bewährungs- oder Lehrgangsaufsteiger seien und solchen, die von der Fachhochschule gekommen seien.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. Januar 2000 (zugestellt am 14.1.2000) zurück. Darin ist im Wesentlichen ausgeführt: Eine rechtlich relevante Maßstabsverschiebung in Relation zu den Notendefinitionen sei nicht feststellbar. Von den insgesamt 325 Beamtinnen und Beamten der Vergleichsgruppe des Klägers sei 0,31 % mit der Wertungsstufe 6, 13,54 % mit der Wertungsstufe 5, 44,62 % mit der Wertungsstufe 4 und 41,54 % mit der Wertungsstufe 3 beurteilt worden. Aus diesen geringfügigen Über- bzw. Unterschreitungen der Richtwerte könne nicht geschlossen werden, dass eine derartig eklatante Verschiebung im Gefüge der einzelnen Wertungsstufen eingetreten sei, dass die von dem Kläger erreichte Wertungsstufe im Gesamturteil nicht mehr dem überdurchschnittlichen Bereich zuzuordnen wäre. Der Vorwurf, der Erstbeurteiler sei durch die Beurteilerkonferenz in unzulässigerweise gebunden worden, treffe so nicht zu. Der Beurteiler habe vielmehr die Beurteilungsrichtlinien zu beachten und sei nur in deren Rahmen in seiner Beurteilung frei. Die Beurteilerkonferenzen dienten dazu, den Beurteilungsmaßstab weiter zu vereinheitlichen und aufeinander abzustimmen, um eine möglichst einheitliche Beurteilungsgrundlage zu haben. Die dort gefundenen und herausgegebenen Maßgaben habe der Erstbeurteiler bei seiner Beurteilung zu berücksichtigen. Dies bedeute jedoch nicht, dass er im Übrigen nicht frei von seiner Beurteilung wäre. Er müsse aber zur Kenntnis nehmen, dass er nicht losgelöst von den anderen Beamten seine Beurteilung abgeben könne, sondern in einem Beurteilungssystem eingebunden sei. Nur so sei die Vergleichbarkeit der Beurteilung gewährleistet. Eine Differenzierung zwischen Bewährungs- und Lehrgangsaufsteigern einerseits und Fachhochschulabsolventen andererseits sei nicht erfolgt. Insbesondere seien die letzteren nicht bevorzugt beurteilt worden.
Am 24. Januar 2000 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung verweist er auf seine bisherigen Ausführungen im Verwaltungsverfahren. Ergänzend trägt er im Wesentlichen vor: Es liege eine relevante Verschiebung des Beurteilungsmaßstabes vor. Die Prozentzahlen der Beurteilungsergebnisse belegten dies. Die Stellungnahme des Zweitbeurteilers vom 19. August 1998 belege entgegen der Ansicht der Beklagten, dass die beanstandete Differenzierung stattgefunden habe.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 21. September 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Januar 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn zum Stichtag 1. Juni 1997 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu beurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wiederholt und vertieft sie im wesentlichen ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und auch begründet.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 21. September 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Januar 2000 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Nach ständiger Verwaltungsrechtsprechung kann eine dienstliche Beurteilung als Akt wertender Erkenntnis von einem Verwaltungsgericht nur in einem eingeschränkten Umfang überprüft werden. Nur der Dienstherr oder der für ihn handelnde jeweilige Vorgesetzte sollen über die dienstliche Beurteilung ein persönlichkeitsbedingtes Werturteil darüber abgeben, ob und in wie weit der Beamte den - ebenfalls grundsätzlich vom Dienstherrn zu bestimmenden - zahlreichen fachlichen und persönlichen Anforderungen eines Amtes und seiner Laufbahn entspricht (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.8.1993 - 2 C 37.91 - ZBR 1994, 54 [BVerwG 10.11.1993 - BVerwG 2 ER 301.93] m.w.N.; OVG Lüneburg, Urteil vom 23.5.1995 - 5 L 3777/94 -, Nds.Rpfl. 1995, 402). Die Kontrolle der Verwaltungsgerichte hat sich deshalb darauf zu beschränken, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat oder ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, fremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat.
Gemessen an diesen Grundsätzen hält die angefochtene Beurteilung einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Es kann allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass die neuen Beurteilungsrichtlinien schon dem Grunde nach eine rechtsfehlerfreie Beurteilung nicht ermöglichen, dass etwa die Beurteilungsmaßstäbe nicht hinreichend konkretisiert sind, die Vorgabe von Quotenrichtwerten allgemeine Beurteilungsmaßstäbe verletzt oder die Durchführung von sogenannten Beurteilerkonferenzen dem Erfordernis einer individuellen Beurteilung entgegensteht (vgl. hierzu OVG Lüneburg, Urteil vom 11.5.1999 - 5 L 3782/98 -). Da vorliegend auf die Gruppe der Oberkommissare der Besoldungsgruppe A 10 im Bereich des Regierungsbezirks abgestellt wurde, die insgesamt 325 Beamte umfasst (die Vergleichsgruppe in der Polizeiinspektion E. umfasste bereits 44 Beamtinnen und beamte) war auch eine für die Anwendung der Richtwerte hinreichend große Vergleichsgruppe im Sinne der Ziffer 11 der Beurteilungsrichtlinien vom 4.1.1996 (Nds MBl. 1996, 169) vorhanden. Es bestehen auch keine stichhaltigen Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Quotenrichtwerte in einer Weise überschritten worden sind, dass eine unzulässige Maßstabsverschiebung stattgefunden hat. Dass dies geschehen wäre, lässt sich aus dem statistischen Ergebnis der Beurteilungsaktion zum 1. Juni 1996 für die Vergleichsgruppe der Polizeioberkommissare (A 10) nicht zwingend herleiten. Es ist auch nicht ersichtlich, dass in den Zweitbeurteilerkonferenzen für den gehobenen Dienst eine von den allgemeinen Beurteilungsrichtlinien abweichende Notenbestimmung erfolgt ist, so wie sie in den vom Verwaltungsgericht Stade (vgl z. B. Urt. v. 17.8.2000 - 3 A 1420/99 - und - 3 A 1599/99 -) und dem erkennenden Gericht (Urt. v. 20.3.2002 - 1 A 164/00 -) entschiedenen Fällen für die Beamten des Polizeivollzugsdienstes im mittleren Dienst erfolgt ist.
Dahinstehen kann, ob die Beklagte aufgrund von Ziffer 11 letzter Absatz der Beurteilungsrichtlinien vom 4. Januar 1996 (Nds MBl. S. 169/172) überhaupt ermächtigt war, die bereits eröffneten Beurteilungen immer wieder aufzuheben (vgl. Krützmann, ZBR 1982, 41 f./43; Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 5. Aufl. 2001, Rdnr. 445 Fn 65). Nach dieser Vorschrift haben die Polizeibehörden und -einrichtungen zwar die Befugnis, die Beurteilung auf eine einheitliche Anwendung des Beurteilungsmaßstabes hin zu überprüfen, durch Weisung zu korrigieren und ggf. abzuändern. Ob diese Vorschrift die Polizeibehörden ermächtigt, bereits eröffnete aber noch nicht zur Personalakte gelangte Beurteilungen auch selbst aufzuheben, ist dem Wortlaut jedoch nicht zu entnehmen. Jedenfalls vorliegend ist eine Rechtsverletzung durch die Aufhebung der eröffneten Beurteilungen nicht gegeben. Denn der Kläger macht nicht geltend, dass die ihm zunächst eröffneten Beurteilungen rechtsfehlerfrei gewesen sind und nicht aufgehoben werden durften. Dem Vorbringen des Klägers ist vielmehr zu entnehmen, dass er bereits die zwei vorhergehenden Fassungen der Beurteilung für rechtswidrig hielt; er hat sich schon gegen sie gewandt und eine Abänderung begehrt.
Die Beurteilung ist aber fehlerhaft und deshalb aufzuheben, weil die im vorliegenden Fall erforderliche plausible Begründung für die vom Erst- und Zweitbeurteiler vergebene Gesamtnote nicht vorliegt.
In welcher Weise für die Festlegung von Einzelnoten der Leistungsmerkmale und des Gesamturteils eine hinreichend plausible Begründung zu erfolgen hat, hängt insbesondere von den Umständen des Einzelfalles ab. Entscheidend ist, dass das Werturteil keine formelhafte Behauptung bleibt, sondern das es für den Beamten einsichtig und für außenstehende Dritte nachvollziehbar wird, dass der Beamte die Gründe und Argumente des Dienstherrn erfährt und für ihn der Weg, der zu der Bewertung geführt hat, sichtbar wird (Nds. OVG, Urteil vom 11.5.1999 - 5 L 3782/98 -). Dort, wo das Gesamturteil von dem allgemeinen Mittel der Teilbeurteilungen in signifikanter Weise abweicht, muss die Begründung des Vorgesetzten erkennen lassen, welche Teilaspekte, -vorgänge - und -urteile er stärker gewichtet hat als andere. In der Begründung ist die unterschiedliche Gewichtung der Teilurteile und die Berücksichtigung weiterer Kriterien deshalb plausibel niederzulegen, weil nur so ein willkürliches Vorgehen des Vorgesetzten auszuschließen ist und nur so eine effektive gerichtliche Kontrolle der Beurteilungsentscheidung möglich erscheint (vgl. Huber, Anforderung an die Erstellung dienstlicher Regelbeurteilungen, ZBR 1993, 361/368).
Diesen Anforderungen wird die Beurteilung nicht gerecht. Zwar liegt bei der hier zur Überprüfung gestellten (dritten) Beurteilung ein unauflösbarer Widerspruch zwischen der Bewertung der Einzelmerkmale und der Gesamtbewertung der Leistungsmerkmalen bzw. dem Gesamturteil nicht mehr vor; denn nach dem Mittelwert der vom Erst- und Zweitbeurteiler bei den Einzelmerkmalen erteilten Noten liegen die Leistungen des Klägers zwischen den Wertungsstufen 4 und 5. Liegen die Einzelbewertungen zwischen zwei Notenstufen, so kann die Vergabe der schlechteren Notenstufe (hier Wertungsstufe 4) ebenso schlüssig und widerspruchsfrei sein wie die Erteilung der besseren Notenstufe (hier Wertungsstufe 5). Darüber hinaus liegt der Mittelwert der bei den Einzelmerkmalen vergebenen Noten jetzt bei 4,38, so dass sich aus der Bewertung der Einzelmerkmale eine Tendenz zur Wertungsstufe 4 ergibt. Angesichts dieser Tendenz bedurfte es grundsätzlich keiner zusätzlichen textlichen Begründung, warum auch die Gesamtbewertung und ihr folgend das Gesamturteil mit der Wertungsstufe 4 statt 5 abschließt. Ferner haben nunmehr Erst- und Zweitbeurteiler eine übereinstimmende Bewertung in allen Beurteilungsmerkmalen abgegeben. Eine divergierende Bewertung von Erst- und Zweitbeurteiler, die ggf. eine weitergehende Begründung erfordert hätte, liegt mithin vordergründig ebenfalls nicht mehr vor.
Gleichwohl ist hier aber mit Blick auf das gesamte Verfahren und das Zustandekommen des letztlich vergebenen Mittelwertes von 4,38 eine hinreichend deutliche und plausible Begründung der Beurteiler für die von ihnen jetzt vergebene Notenstufe zwingend erforderlich. Da diese nicht vorliegt, kann hier nur noch von einer fehlerhaften Beurteilung ausgegangen werden. Hierzu ist folgendes auszuführen:
Angesichts des Umstandes, dass der Erstbeurteiler sowohl bei seiner ersten Beurteilung vom 31. Mai 1997 als auch bei seiner zweiten Beurteilung vom 29. Juni 1998 bei den Einzelmerkmalen der Leistungsbewertung für den Kläger im Schnitt die Note 4,69 vergeben hatte, nämlich neun mal die Notenstufe 5 und vier mal die Notenstufe 4, und daraufhin von ihm jeweils für die Gesamtbewertung und das Gesamturteil die Notenstufe 5 erteilt worden war, ist es nicht nachvollziehbar, warum er bei der Beurteilung vom 16. April 1999 plötzlich bei den Einzelmerkmalen im Schnitt nur noch die Note 4,38 (5 mal Stufe 5 und 8 mal Stufe 4) vergeben hat, die dann die Gesamtnote 4 gerechtfertigt hat. Dies ist um so unverständlicher, als der Erstbeurteiler auf die Aufforderung der Beklagten vom 16. März 1999, seine Abweichung von der Rangreihung des Klägers in die Wertungsstufe 4 zu begründen, in seiner Stellungnahme vom 19. März 1999 noch folgendes erklärt hatte:
Bei der Erstellung der Beurteilung habe er die jeweiligen Beurteilungskriterien intensiv geprüft. Dabei sei er insgesamt zu der Wertstufe 5 gelangt. Zudem habe er mit Schreiben vom 28. Juli 1998 eine detaillierte, nachvollziehbare und auf Lebenssachverhalte abgestimmte Begründung zu den mit der Wertungsstufe 5 versehenen Leistungsmerkmalen erstellt. In mehreren Gesprächen habe zwar der Zweitbeurteiler versucht ihm zu verdeutlichen, dass er bei seiner Beurteilung nicht den richtigen Maßstab gefunden habe. Er sei jedoch der Auffassung, dass er die Beurteilung für den Kläger nach besten Wissen und Gewissen gefertigt habe und es sei auch seine feste innere Überzeugung, den richtigen Maßstab bei dieser und anderen von ihm gefertigten Beurteilungen berücksichtigt zu haben.
Seine Beweggründe hierzu hat der Erstbeurteiler nicht dargelegt.
Der Zweitbeurteiler hat zwar bei allen drei Beurteilungen im Gesamturteil die Wertungsstufe 4 für den Kläger vergeben. Diese Note ist aber ebenfalls nicht plausibel angesichts dessen, dass er sich noch bei der ersten Beurteilung vom 31. Mai 1997 der Bewertung des Erstbeurteilers sowohl bei den Einzelmerkmalen als auch bei der Gesamtbewertung der Leistungsmerkmale vorbehaltlos angeschlossen und erklärt hatte, Änderungen in den Leistungs- und Befähigungsmerkmalen hätten mangels eigener Feststellungen nicht vorgenommen werden können; von daher treffe die Gesamtbewertung des Erstbeurteilers zu. Die Herabsetzung der Beurteilungsnote sei erfolgt, weil die durch die Maßstabsbildung vorgegebenen Quoten bereits erschöpft gewesen seien. Im eindeutigen Widerspruch dazu hat er dann bei der zweiten Beurteilung vom 29. Juni 1998 bei den Einzelmerkmalen im Schnitt die Note 4 vergeben und bei der dritten Beurteilung vom 16. April 1999 sich dem Erstbeurteiler angeschlossen, der im Schnitt die Note 4,38 vorgegeben hat. Dass der Zweitbeurteiler bei der Abfassung seiner ersten Beurteilung die neu anzuwendenden Beurteilungsmaßstäbe als verantwortlicher Beurteiler in einer Weise verkannt hat, die eine derart erhebliche Abweichung für die Kammer möglicherweise verständlich erscheinen lassen würde, hat er nicht dargelegt. Eine von ihm offenbar unter dem 19. August 1999 abgegebene Stellungnahme zu seiner zweiten Beurteilung ist in den Verwaltungsvorgängen nicht enthalten und kann von der Beklagten nach ihren Angaben auch nicht mehr vorgelegt werden, so dass sie im vorliegenden Verfahren nicht berücksichtigt werden kann.
Die erforderliche Darlegung der Gründe der Beurteiler für ihre Notenvergabe ist hier vor allem auch angesichts des praktizierten Verfahrens in den Beurteilerkonferenzen geboten: Der Vertreter der Beklagten hat hierzu in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass der Erstbeurteiler seinen Beurteilungsentwurf in der Beurteilerkonferenz vorgestellt habe. Danach sei in der Beurteilerkonferenz zunächst eine Rangfolge der zu beurteilenden Beamten aufgestellt worden. Anschließend sei über sie unter Berücksichtigung der vorgegebenen Richtwerte ein von dem anwesenden Zweitbeurteiler auf die zur Beurteilung anstehende Zahl der Beamten umgelegter „Quotenrahmen“ bestimmt und die Rangfolge diesem Rahmen angepasst worden. In diesem Verfahrensabschnitt hätten die jeweiligen Beurteiler dargelegt und begründet, warum sie die von ihnen vergebene Note unter Berücksichtigung des Rahmens, der Maßstäbe und im Vergleich mit den anderen zu beurteilenden Beamten weiter für zutreffend hielten bzw. nicht mehr für zutreffend hielten. Danach sei von der Beurteilerkonferenz die Note für die zu beurteilenden Beamten im Einzelnen verbindlich festgelegt worden. Diese habe der Erstbeurteiler umzusetzen gehabt, auch wenn er sich mit seinem Notenvorschlag in der Konferenz nicht durchgesetzt habe. Für den Fall der Abweichung von der festgelegten Notenstufe seien ihm zum Teil „dienstrechtliche“ Maßnahmen angedroht worden, da in der Abweichung von den Ergebnissen der Beurteilerkonferenz eine Weigerung liege, die Beurteilungsrichtlinien ordnungsgemäß anzuwenden und hierin ein Dienstvergehen zu sehen sei.
Diese Verfahrensweise ist eindeutig fehlerhaft und rechtswidrig. Zwar ist die Vorgabe von Richtwerten und ist die Durchführung von Beurteilerkonferenzen mit dem Ziel, den für die Beurteilung vorgegebenen Maßstab zu verdeutlichen und unter Beachtung der festgelegten Richtwerte auf leistungsgerecht abgestufte und untereinander vergleichbare Beurteilungsergebnisse hinzuwirken, ganz grundsätzlich zulässig. Unzulässig ist es jedoch, wenn letztlich - wie hier - die Beurteilerkonferenz die Note auch gegen die Überzeugung des Erstbeurteilers für diesen verbindlich festlegt. Angesichts dieser Praktiken, in die auch die Zweitbeurteiler eingebunden waren, kann die erhebliche Notenänderung des Erst- und des Zweitbeurteilers nur dann als rechtmäßig angesehen werden, wenn sie deutlich machen, dass sie sie nicht lediglich zur widerspruchsfreien Begründung der in der Konferenz verbindlich festgelegten Note vorgenommen haben, sondern weil sie selbst von dieser Note als zutreffender Leistungsbewertung in der Sache überzeugt sind. Von dem Erstbeurteiler ist dies hier insbesondere deshalb zu fordern, weil die Beklagte mit unmissverständlichem Schreiben vom 31. März 1999 an die Polizeiinspektion E. die (dritte) Beurteilung (Mittelwert 4,38) mit folgender Bemerkung angefordert hat:
„Sollten Ihnen Erkenntnisse vorliegen, nach denen der zuständige Erstbeurteiler, Herr Kriminalhauptkommissar C., nicht bereit ist, eine Beurteilung im Sinne der Konferenzergebnisse zu fertigen, bitte ich um eine entsprechende Information. Neben dienstrechtlichen Maßnahmen werde ich dann über den Entzug und die weitere Delegation der Beurteilerkompetenz entscheiden.“
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO. Gründe, die Berufung gemäß § 124 a i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.