Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 27.08.2003, Az.: 6 A 2238/02

Beihilfe; Eigenblutbehandlung; Fahrtkosten

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
27.08.2003
Aktenzeichen
6 A 2238/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 48179
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tatbestand:

1

I. Die in ..., Landkreis ..., wohnende Klägerin ist als Landesbeamtin mit einem Bemessungssatz von 50 v.H. beihilfeberechtigt. Sie leidet nach eigenen Angaben an dem Chronic-Fatigue-Syndrom (CFS), einem chronischen Müdigkeitssyndrom.

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Mit Beihilfeantrag vom 25. November 2001 beantragte sie eine Beihilfe für eine Zahnarztrechnung vom 16. November 2001 über 7.280,04 DM, für fünfmal Cellagon aurum 500 ml, das ihr der Zahnarzt unter dem 6. November 2001 verordnete und wofür sie nach der Rechnung vom 11. November 2001 420,00 DM bezahlen musste, für acht Fahrten zu ihrem Zahnarzt, die sie im Jahre 2001 am 4. Januar, am 19. Januar, am 13. Februar, am 23. März, am 19. Juni, am 2. Juli, am 7. August und am 4. Oktober 2001 unternommen habe zu je 190 km und die sie mit 0,38 DM pro Kilometer, also mit 577,60 DM als beihilfefähigen Aufwand geltend mache und für eine Arztrechnung des Dr. ... vom 19. Oktober 2001 über 254,36 DM über insgesamt neun Eigenbluteinspritzungen einschließlich Entnahmen, einer Beratung und einer symptombezogenen Untersuchung in der Zeit vom 4. Juli 2001 bis zum 30. Juli 2001 zur Behandlung eines chronischen Fatigue-Syndroms.

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Mit Beihilfebescheid vom 30. November 2001 lehnte der Beklagte die Gewährung von Beihilfe ab für Fahrtkosten, Arztrechnung und Arzneimittel, erkannte von der Zahnarztrechnung 5.113,39 DM als beihilfefähig an und gewährte der Klägerin eine Beihilfe von 2.556,70 DM.

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Die Klägerin legte gegen den Bescheid vom 30. November 2001 am 18. Dezember 2001 Widerspruch ein.

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Der Beklagte holte zog Stellungnahmen von Amtsärzten ein und die Klägerin legte eine Bescheinigung ihres Zahnarztes vor, wonach sich dessen in ... gelegene Praxis auf das Ausleiten von Schwermetallen und naturärztliche Behandlungen spezialisiert habe und im weiteren Umkreis die einzige zahnärztliche Praxis auf diesem Gebiet sei. Deshalb habe die Klägerin die langen Fahrten von ... nach ... für die Zahnarztbehandlung auf sich nehmen müssen. Der für den Wohnort der Klägerin zuständige Amtsarzt des Landkreises ... fertigte unter dem 6. März 2002 eine gutachterliche Stellungnahme, in der er ausführte, dass die Ausleitung von Schwermetallen als eine zusätzliche Behandlung anzusehen sei, die im allgemeinen von homöopathisch arbeitenden Ärzten, im überwiegenden Teil von Heilpraktikern durchgeführt werde. Entsprechende Praxen gebe es auch in Leer und Umgebung. Im übrigen handele es sich bei der vorliegenden Therapie in erster Linie um eine zahnmedizinische Behandlung, die auch in jeder beliebigen zahnärztlichen Praxis in ... und Umgebung erfolgen könne. Bei den vorliegenden Medikamenten handele es sich um homöopathische Zubereitungen. Schulmedizinische und wissenschaftlich gestützte Erfahrungen und Belege zur Wirksamkeit lägen nicht vor. Eine derartige Behandlung gebe es seines Wissens in der Schulmedizin nicht. Der Amtsarzt ergänzte unter dem 7. Mai 2002 seine gutachterliche Stellungnahme vom 6. März 2002 und teilte mit, dass Eigenblutbehandlungen nicht zu den wissenschaftlich allgemein anerkannten Behandlungsmethoden gehörten und eine Beihilfefähigkeit deshalb von ihm nicht bestätigt werden könne.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 17. April 2002 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Er legte im wesentlichen dar, dass das Präparat Cellagon in seiner Wirkung und Wirksamkeit wissenschaftlich nicht definiert sei und deshalb nicht als Heilmittel im Rahmen der Beihilfevorschriften anerkannt werden könne. Der Amtsarzt komme in seinem Gutachten bezüglich des vom Zahnarzt verordneten Cellagon zu dem Ergebnis, dass es sich um eine homöopathische Zubereitung handele und schulmedizinisch und wissenschaftlich gestützte Erfahrungen und Belege zur Wirksamkeit hierfür nicht vorlägen. Eine derartige Behandlung gäbe es seines Wissens in der Schulmedizin nicht. Bezüglich der geltend gemachten Fahrtkosten anlässlich der Zahnbehandlung in ... weise er darauf hin, dass nicht nachgewiesen sei, dass eine geeignete Behandlung weder am Ort noch in einem näher gelegenen Ort möglich gewesen wäre. Die vom Zahnarzt vorgelegte Bescheinigung reiche insoweit nicht aus, denn die von ihm durchgeführte Therapie sei nach amtsärztlichem Gutachten eine zahnmedizinische Behandlung, die auch in jeder beliebigen zahnärztlichen Praxis in ... und Umgebung erfolgen könne. Die Ausleitung von Schwermetallen sei eine zusätzliche Behandlung, die im allgemeinen von homöopathisch arbeitenden Ärzten, im überwiegenden Teil von Heilpraktikern durchgeführt werde. Entsprechende Praxen gebe es auch in ... und Umgebung. Die Aufwendungen für eine Eigenblutbehandlung seien nicht beihilfefähig, weil die Beihilfefähigkeit solcher Behandlungen sich grundsätzlich auf wissenschaftlich allgemein anerkannte Methoden beschränke und diese Behandlungsmethode nicht allgemein anerkannt sei. Die Eigenblutbehandlung (z.B. nach Garthe, Blutkristall-Analyse) und sonstige Verfahren, bei denen aus körpereigenen Substanzen des Patienten individuelle Präparate gefertigt würden (z.B. Gegensensibilisierung nach Theurer, Clustermedizin) seien von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen. Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, welche Art der Eigenblutbehandlung durchgeführt worden sei und deshalb sei die durchgeführte Behandlung dem Grunde nach beihilfemäßig nicht abrechenbar.

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Gegen den der Klägerin am 26. April 2002 zugestellten Widerspruchsbescheid erhob sie am 22. Mai 2002 Klage.

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Sie trägt vor: Die Zahnarztrechnung vom 16. November 2002 über 7.280,04 DM sei nicht Gegenstand der Klage. Sie begehre Beihilfe für die Aufwendungen ausweislich der Rechnung vom 11. November 2001 über Cellagon aurum (420,00 DM), für die Fahrtkos- ten (577,60 DM) und für die Arztrechnung vom 19. Oktober 2001 (254,36 DM). Sie habe sich in die zahnärztliche Behandlung des Zahnarztes ... in ... begeben, weil sich dessen Praxis auf das Ausleiten von Schwermetallen und naturärztliche Behandlung spezialisiert habe und die einzige zahnärztliche Praxis im weiteren Umkreis auf diesem Gebiet sei. Das habe auch der Zahnarzt bestätigt. Deshalb seien die Fahrtkosten beihilfefähig. Das vom Zahnarzt verordnete Mittel Cellagon aurum sei beihilfefähig. Es sei kein homöopathisches Mittel, sondern ein Arzneimittel im Sinne der Beihilfevorschriften. Auch die Kosten der Behandlung bei Dr. med. ... vom 4. bis 30. Juli 2001 nämlich Beratung, symptombezogene Untersuchung und Eigenbluteinspritzung seien beihilfefähig, denn es sei nicht ersichtlich, warum diese bei ihrer Erkrankung medizinisch notwendige Heilbehandlung nicht beihilfefähig sein sollte.

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Die Klägerin beantragt sinngemäß,

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den Beklagten zu verpflichten, ihr auf ihren Antrag vom 25. November 2001 für die geltend gemachten Fahrtkosten von 577,60, für die Arztrechnung über 254,36 DM und für Arznei- und Verbandmittel von 420,00 DM – insgesamt 1251,96 DM = 640,12 Euro - eine Beihilfe in Höhe von 320,06 Euro zu gewähren und den Bescheid des Beklagten vom 30. November 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. April 2002 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 17. April 2002.

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Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 28. Mai 2002 und der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 28. Juni 2002 das Einverständnis mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung erklärt.

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Das Verwaltungsgericht Oldenburg - 6. Kammer - hat mit Beschluss vom 18. August 2003 den Rechtsstreit auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.

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Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses und der Verfahren 6 A 3886/00, 6 A 4304/01,6 A 2237/02, 6 A 592/03 und 6 A 2827/03 sowie auf die vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe

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II. Die zulässige Klage ist unbegründet. Dies konnte das Verwaltungsgericht gemäß § 101 Abs. 2 VwGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Die Entscheidung konnte durch die Einzelrichterin getroffen werden, weil ihr mit Kammerbeschluss vom 18. August 2003 der Rechtsstreit zur Entscheidung übertragen worden ist.

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Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Beihilfe für das ihr vom Zahnarzt verordnete Cellagon, für die Fahrtkosten zum Zahnarzt und für die Arztrechnung des Dr. ... vom 19. Oktober 2001 über insgesamt 9 Eigenbluteinspritzungen.

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Der Klageanspruch richtet sich vorliegend gemäß § 87 c Niedersächsisches Beamtengesetz (NBG) nach der gemäß § 79 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) erlassenen Allgemeinen Verwaltungsvorschrift für Beihilfen in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen (Beihilfevorschriften - BhV) in der im Zeitpunkt der Entstehung der Aufwendungen geltenden Fassung.

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Nach der im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen der Klägerin in der Zeit vom 4. Januar 2001 bis zum 11. November 2001 maßgeblichen Fassung der Beihilfevorschriften in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. Juli 1995 (GMBl. S. 470) – BhV – geändert durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift vom 8. Januar 1999 (GMBl. S. 58), und mit Wirkung vom 1. März 2001 geändert durch die vom 20. Februar 2001 (GMBl. S. 186) sind die von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen, soweit sie streitgegenständlich sind, nicht beihilfefähig. Die Beihilfevorschriften, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts trotz ihres Charakters als Verwaltungsvorschriften im Hinblick auf ihre besondere rechtliche Form und ihre ungewöhnliche rechtliche Bedeutung wie Rechtsvorschriften auszulegen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Juni 1999 – 2 C 29.98 – NVwZ-RR 2000 S. 99; ZBR 2000 S. 46 m.w.N.) bestimmen im Einzelnen, zu welchen Aufwendungen der Art und dem Entstehungsgrund nach eine Beihilfe zu gewähren ist.

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Nach § 5 Abs. 1 BhV sind beihilfefähig nur Aufwendungen, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. Danach ergibt sich, dass weder die Fahrtkosten von 577,60 DM, noch die Arztrechnung von 254,36 DM oder die für Arznei- und Verbandmittel aufgewandten 420,00 DM beihilfefähig sind.

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Die Beihilfefähigkeit der Fahrtkosten ist nicht allein deshalb gegeben, weil sich die Klägerin zum Zahnarzt begeben hat, dort behandelt wurde und die entstandenen Kosten der Behandlung beihilfefähig sind. „Nebenkosten“, die anlässlich der Beschaffung von beihilfefähigen Leistungen anfallen, sind nämlich selbst nur insoweit beihilfefähig, als dies ausdrücklich vorgeschrieben ist. Dies gilt für Fahrkosten, die in den Beihilfevorschriften besonders behandelt werden (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 9 BhV). Danach ist es ausgeschlossen, derartige Aufwendungen gleichsam als „Annexkosten“ der Inanspruchnahme von Leistungen, für die eine Beihilfe vorgesehen ist, generell als beihilfefähig anzuerkennen (so: BVerwG, Urteil vom 10. Juni 1999 – 2 C 29.98 -, aaO).

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Nach § 6 Abs. 1 Nr. 9 BhV sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig u.a. auch die Aufwendungen für die Beförderung bei Inanspruchnahme zahnärztlicher Leistungen sowie bei Heilbehandlungen bis zur Höhe der Kosten der niedrigsten Klasse regelmäßig verkehrender Beförderungsmittel. Nicht beihilfefähig sind gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 9 c BhV die Mehrkosten der Beförderung zu einem anderen als dem nächstgelegenen Ort, an dem eine geeignete Behandlung möglich ist.

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Die von der Klägerin geltend gemachten Fahrkosten sind nicht beihilfefähig, weil es sich bei den Fahrkosten um Mehrkosten der Beförderung zu einem anderen als dem nächstgelegenen Ort, an dem eine geeignete Behandlung möglich ist, handelt. Für die Bestimmung des „nächstgelegenen Ortes“ im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 9 c BhV, an dem eine geeignete Behandlung möglich ist, ist die Entfernung des Behandlungsortes vom Wohnort oder Aufenthaltsort maßgebend. Die Beurteilung, ob die an einem bestimmten Ort mögliche Behandlung „eine geeignete Behandlung ist“, richtet sich nach medizinischen Gesichtspunkten. Das bedeutet, dass „eine geeignete Behandlung“ jede aus medizinischer Sicht erfolgversprechende Behandlung ist. Maßgebend ist insoweit die objektive Beurteilung durch die Beihilfestelle, die ohne Einschränkung der gerichtlichen Nachprüfung unterliegt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26. März 1996 – 4 S 208/96 – veröffentlicht in juris und Schütz, Beamtenrecht, ES/C IV 2 Nr. 100).

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Danach hat der Beklagte Beihilfe zu den geltend gemachten Fahrtkosten hier mit Recht versagt. Die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 9 c BhV über den Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Mehrkosten der Beförderung zu einem anderen als dem nächstgelegenen Ort, an dem eine geeignete Behandlung möglich ist, steht im Zusammenhang mit § 5 Abs. 1 BhV, nach dessen Satz 1 Aufwendungen nach den folgenden Vorschriften beihilfefähig sind, wenn sie dem Grunde nach notwendig und der Höhe nach angemessen sind. Über die Notwendigkeit und Angemessenheit entscheidet nach § 5 Abs. 1 Satz 2 BhV die Festsetzungsstelle bzw. die Beihilfestelle, die hierzu Gutachten eines Amtsarztes oder Vertrauensarztes bzw. begründete medizinische Gutachten einholen kann (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 3 BhV). Aus diesem Zusammenhang wird deutlich, dass sich die Beurteilung, ob eine mögliche Behandlung „eine geeignete Behandlung ist“, nach medizinischen Gesichtspunkten richtet und damit „eine geeignete Behandlung“ jede aus medizinischer Sicht erfolgversprechende Behandlung ist. Ferner rechtfertigt der Zusammenhang den Schluss, dass maßgebend die der uneingeschränkten gerichtlichen Nachprüfung unterliegende objektive Beurteilung durch die Festsetzungsstelle bzw. Beihilfestelle ist. Dafür spricht im Übrigen die Erkenntnis, dass die die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber Beamten konkretisierenden Vorschriften der Beihilfeverordnung in pauschalierender und typisierender Weise den in erster Linie durch die Dienstbezüge gewährleisteten Lebensunterhalt insoweit ergänzen als etwa Krankheitskosten nicht durch zumutbare Eigenvorsorge abgedeckt sind. Das zwingt zur Anlegung eines objektiven Prüfungsmaßstabs (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26. März 1996 – 4 S 208/96 -, a.a.O., m.w.N ).

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Der Amtsarzt des Landkreises ... hat in seiner Äußerung vom 6. März 2002 dargelegt, dass die zahnärztliche Behandlung der Klägerin, nämlich die Ausleitung von Schwermetallen eine zusätzliche Behandlung ist, die im allgemeinen von homöopathisch arbeitenden Ärzten, im überwiegenden Teil von Heilpraktikern durchgeführt wird und dass es entsprechende Praxen auch in ... und Umgebung gibt.

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Das Gericht bezweifelt nicht die Notwendigkeit einer medizinischen Behandlung der Klägerin und das Gericht bezweifelt auch nicht, dass die Behandlung der Klägerin durch den Zahnarzt ... eine geeignete und medizinisch erfolgversprechende Behandlung gewesen ist. Eine geeignete Behandlung der Klägerin wäre aber auch in ...und/oder Umgebung möglich gewesen. Da § 6 Abs. 1 Nr. 9 c BhV nicht zwischen mehr oder weniger geeigneten Behandlungsmethoden unterscheidet, kommt es auch nicht entscheidend darauf an, ob einzelne spezielle Verfahren angewendet worden sind und ob diese in üblichen Zahnarztpraxen regelmäßig angewendet werden oder nicht. Durch § 6 Abs. 1 Nr. 9 c BhV werden geeignete Behandlungen in Beziehung gesetzt zu dem Ort der möglichen Ausführung mit der Folge, dass eine medizinisch erfolgversprechende und damit geeignete Behandlung diese Bewertung behält trotz Entwicklung oder mögliche Anwendung anderer Behandlungsmethoden, die für den zu Behandelnden etwa weniger einschneidend oder gesundheitlich oder finanziell weniger belastend sind (vgl. BayVGH, Urteil vom 28. Juli 1993 – 3 B 92.1789 – zit. in der Entscheidung des VGH Mannheim vom 26. März 1996 - 4 S 208/96 – aaO).

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Soweit die Klägerin meint, sie könne nicht darauf verwiesen werden, dass üblicherweise nicht Zahnärzte, sondern homöopathische Ärzte und vor allem Heilpraktiker, die bei ihr vom Zahnarzt angewandte Behandlungsmethode anwenden, führt dies zu keiner anderen Betrachtung. Medizinisch notwendig ist lediglich die Heilbehandlung, nicht der Umstand, dass sie von einem Facharzt für Zahnmedizin durchgeführt wird.

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Danach ist die Beurteilung des Beklagten gerechtfertigt, dass die geltend gemachten Fahrtkosten nicht beihilfefähig sind, weil es sich um Aufwendungen für die Mehrkosten der Beförderung zu einem anderen als dem nächstgelegenen Ort handelt, an dem eine geeignete Behandlung der Klägerin möglich gewesen ist. Die Klägerin muss deshalb die aufgewendeten Fahrtkosten selber tragen. Dadurch wird die Fürsorgepflicht des Dienstherrn in ihrem Wesenskern nicht verletzt.

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Auch die Aufwendungen der Klägerin für die Arztrechnung vom 19. Oktober 2001 über 254,36 DM sind nicht beihilfefähig. Am 4. Juli 2001 fand eine Beratung, eine symptombezogene Untersuchung und eine Eigenbluteinspritzung einschließlich Entnahme statt. An weiteren 8 Tagen im Juli 2001 wurden weitere Eigenbluteinspritzungen einschließlich Entnahmen durchgeführt. Der Arzt Dr. med... führte als Diagnose in der Rechnung auf: „Chronic-Fatigue-Syndrom“. Dazu hat der Amtsarzt gutachterlich erklärt, dass Eigenblutbehandlungen nicht zu den allgemein wissenschaftlich anerkannten Behandlungsmethoden gehören. Dieser Einschätzung ist die Klägerin nicht substantiiert entgegen getreten. Sie hebt entscheidend darauf ab, dass lediglich die modifizierte Eigenblutbehandlung von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen sein könne, eine solche bei ihr aber nicht durchgeführt worden sei. Insbesondere seien im Zusammenhang mit der bei ihr durchgeführten Eigenblutbehandlung keine aus körpereigenen Substanzen individuell gefertigten Präparate zur Anwendung gekommen, sondern lediglich das Fertigarzneimittel Colibiogen. Unter Zugrundelegung der amtsärztlichen Stellungnahme ist das Gericht davon überzeugt, dass es sich bei der Eigenbluttherapie, die bei der Klägerin zur Behandlung des Chronic-Fatigue-Syndrom angewandt worden ist, um eine wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Methode handelt. Dem Gericht ist aus dem Verfahren 6 A 2237/02 bekannt, dass der die Klägerin behandelnde Arzt Dr. ... bereits vom 28. Mai 2001 bis zum 28. Juni 2001 eine Eigenbluttherapie wegen Infektanfälligkeit durchgeführt hat, die ebenfalls vom Beklagten nicht als beihilfefähig angesehen wurde, wogegen die Klägerin den Klageweg beschritten hat.

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Nach § 6 Abs. 2 BhV kann das Bundesministerium des Innern die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für eine Behandlung nach einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Methode ausschließen und von dieser Ermächtigung hat das Ministerium hinsichtlich der Eigenblutbehandlung insoweit Gebrauch gemacht, als es die Beihilfefähigkeit ausgeschlossen hat für die modifizierte Eigenblutbehandlung (z. B. nach Garte, Blut-Kristall-Analyse unter Einsatz der Präparate Autohaemin, Antiahaemin und Anhaemin) und sonstige Verfahren, bei denen aus körpereigenen Substanzen des Patienten individuelle Präparate gefertigt werden (z. B. Gegensensibilisierung nach Theurer, Clustermedizin). Unabhängig davon, ob die bei der Klägerin im Juli 2001 durchgeführte Eigenblutbehandlung in diesem Sinne als eine modifizierte Eigenblutbehandlung anzusehen und deshalb von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen ist, handelt es sich bei der Eigenbluttherapie jedenfalls nach dem Gutachten des Amtsarztes um eine wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Methode. Davon geht auch die Einzelrichterin aus.

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Als wissenschaftlich anerkannt sind nur solche Methoden und Heilmittel anzusehen, die von der herrschenden oder doch überwiegenden Meinung in der medizinischen Wissenschaft für die Behandlung der jeweiligen Krankheit - sei es als alleiniges Heilmittel oder als zusätzliche Therapie - als wirksam und geeignet erachtet werden (vgl.: BVerwG, Urt. v. 18.6.1998 - 2 C 24.97 -, NJW 1998, 3436; BVerwG, Urt. v. 29.6.1995 - 2 C 15.94 -, DÖV 1996, 37 = ZBR 1996, 48 = NJW 1996, 801; OVG Lüneburg, Urt. v. 7.6.1993 - 5 L 4574/92 -, jeweils mit weiteren Nachweisen). Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der Behandlung, für die die Klägerin die hier umstrittene Beihilfe begehrt, um wissenschaftlich allgemein anerkannte Methoden handelt, ergeben sich weder aus dem Vortrag der Klägerin noch aus den vorliegenden Unterlagen und sind auch im Übrigen nicht erkennbar.

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Daraus allein folgt allerdings nicht, dass die Aufwendungen für die Eigenblutbehandlung nicht beihilfefähig sind, denn die Fürsorgepflicht gebietet, eine Beihilfe zu „dem Grunde nach“ notwendigen Leistungen zu gewähren, wenn sich eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode für die Behandlung einer bestimmten Krankheit - z. B. unbekannter Genese - noch nicht herausgebildet hat, wenn im Einzelfall - z. B. wegen einer Gegenindikation - das anerkannte Heilverfahren nicht angewendet werden darf oder wenn ein solches bereits ohne Erfolg eingesetzt worden ist. Weitere Voraussetzung der Beihilfefähigkeit ist, dass die wissenschaftlich noch nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode nach einer medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich allgemein anerkannt werden kann (so: OVG Lüneburg, Urteil vom 10. November 1998 – Az: 5 L 2829/96 -; OVG Koblenz, Urteil vom 27. Juli 1997 - Az.: 10 A 12433/96 - Hess. VGH, Urteil vom 10. März 1992 - Az.: 2 UE 2753/89 -; sämtlich zitiert nach juris). Dafür fehlt es hier aber an Anhaltspunkten. Auch die Klägerin hat weder dargelegt, dass die bei ihr durchgeführte Eigenblutbehandlung mit dem Einsatz des Präparates Colibiogen nach einer wissenschaftlichen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich allgemein anerkannt werden kann zur Behandlung des Chronic-Fatigue-Syndroms, noch hat sie dargelegt, dass ihr Leiden anerkanntermaßen eine noch unheilbare Krankheit ist, deren Ätiologie ungeachtet einzelner Erfolge bei ihrer Behandlung noch nicht hinreichend erforscht werden konnte und für die erprobte und wissenschaftlich anerkannte Heilmittel mit Aussicht auf Heilung nicht zur Verfügung stehen oder dass bei ihr z. B. wegen einer Gegenindikation das anerkannte Heilverfahren nicht angewendet werden darf oder ein solches bereits ohne Erfolg eingesetzt worden ist. Vielmehr zeigt sich, dass die Eigenblutbehandlung, die sowohl im Juni als auch im Juli 2001 unter Verwendung des Präparates Colibiogen nach Angaben der Klägerin in diesem und im Verfahren 6 A 2737/02 durchgeführt worden ist, im Juni 2001 wegen Infektanfälligkeit und im Juli 2001 zur Behandlung des Chronic-Fatigue-Syndroms angewandt wurde und dass sich deshalb der Eindruck aufdrängt, diese Behandlung ziele nicht vordringlich auf eine Behandlung des Leidens der Klägerin ab, sondern diene allgemein der Stärkung und Kräftigung des Organismus. Vor diesem Hintergrund ist nicht anzunehmen, dass diese wissenschaftlich noch nicht allgemein anerkannte Methode nach einer medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich allgemein anerkannt werden kann. Selbst die Annahme, mit der Eigenbluttherapie würden Beschwerden der Klägerin behandelt, die durch eine bestimmte unheilbare Krankheit, nämlich das Chronic-Fatigue-Syndrom verursacht sind, ist deshalb nicht gerechtfertigt.

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Schließlich ist auch die Beihilfefähigkeit des der Klägerin vom Zahnarzt verordneten Mittels Cellagon für 420 DM nicht gegeben. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BhV sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig u. a. die Aufwendungen für die vom Zahnarzt nach Art und Umfang schriftlich verordneten Arzneimittel. Dem Grunde nach notwendig sind diese Aufwendungen aber nicht immer schon dann, wenn sie vom Zahnarzt schriftlich verordnet worden sind und/oder als Arzneimittel nach dem Arzneimittelgesetz anerkannt sind, sondern nur dann, wenn sie dem Grunde nach medizinisch notwendig sind. Das der Klägerin vom Zahnarzt verordnete Cellagon ist nach Angaben der Klägerin kein homöopathisches Präparat, hingegen meint der Amtsarzt des Landkreises ... in seiner Stellungnahme vom 6. März 2002, es handele sich um eine homöopathische Zubereitung, schulmedizinische und wissenschaftlich gestützte Erfahrungen und Belege zur Wirksamkeit lägen nicht vor und eine derartige Behandlung gebe es seines Wissens in der Schulmedizin nicht. Diese gutachterliche Stellungnahme hat die Vertragszahnärztin am Gesundheitsamt Leer erstellt, wohl weil das der Behandlung zugrunde liegende Rezept vom behandelnden Zahnarzt der Klägerin stammt. Es kann dahin gestellt bleiben, ob Cellagon eine homöopathische Zubereitung ist oder nicht. In diesem Zusammenhang weist das Gericht darauf hin, dass der Amtsarzt in der gutachterlichen Stellungnahme vom 6. März 2002 nicht nur eine Äußerung zu Cellagon getroffen hat, sondern sich zu zahlreichen anderen der Klägerin verordneten Präparaten geäußert hat, die Gegenstand des Verfahrens 6 A 2237/02 sind und unstreitig als homöopathische Zubereitungen angesehen werden. Nicht bestritten hat die Klägerin die Aussage des Amtsarztes, dass schulmedizinische und wissenschaftlich gestützte Erfahrungen und Belege zur Wirksamkeit des Mittels – Cellagon - nicht vorliegen und es eine derartige Behandlung in der Schulmedizin nicht gibt. Dieser gutachterlichen Wertung des Amtsarztes ist die Klägerin nicht substantiiert entgegen getreten. Das bedeutet, dass aus Sicht des Amtsarztes nicht davon ausgegangen werden kann, dass das Präparat dem Grunde nach notwendig ist zur Behandlung des Leidens der Klägerin. Die Klägerin trägt vor, sie leide an dem Chronic-Fatigue-Syndrom (CFS), einem chronischen Müdigkeitssyndrom. Dieses chronische Erschöpfungssyndrom ist als Krankheit offenbar medizinisch bislang jedenfalls nicht so weit erforscht, dass z.B. bestimmte bekannte Medikamente verordnet werden können, die das Leiden heilen. Symptome dieses Leidens sind über Monate bis Jahre andauernde beträchtliche Leistungsminderung durch geistige und körperliche Erschöpfung, kaum Erholung durch Schlaf; Seh-, Denk-, oder Konzentrationsstörungen, Hals-, Muskel-, Kopf- oder Gelenkschmerzen, Fieber, Lymphknotenschwellungen an Armen und im Nacken, depressive Verstimmung und anderes; als Therapie wird die symptomatische und physikalische Therapie sowie Coping genannt und es wird weiter vermerkt, dass häufig Spontanheilung nach meist mehrjährigem Verlauf eintrete (so: Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 258. Aufl.).

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Das der Klägerin vom Zahnarzt... verordnete Mittel, für das nach Ansicht des Amtsarztes schulmedizinische und wissenschaftlich gestützte Erfahrungen und Belege zur Wirksamkeit nicht vorliegen und für das die Klägerin auch nicht eine Stellungnahme beispielsweise ihres Zahnarztes vorgelegt hat, wonach das Mittel zur Behandlung ihres Leidens als „Arzneimittel besonderer Therapierichtung“ angewandt wird, weil andere Mittel oder andere schulmedizinisch anerkannte Therapien ihres Leidens nicht zum Erfolg geführt haben, ist deshalb nicht beihilfefähig. Allein die Behauptung, das streitgegenständliche Präparat sei gegen ihr Leiden verordnet worden und das könnten Arzt, Zahnarzt und Heilpraktikerin als Zeugen bestätigen, reicht insoweit nicht aus.

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Es bestand auch kein Anlass, ein Sachverständigengutachten zu dieser Frage einzuholen, denn die Klägerin hat nicht einmal dargelegt, dass ihr das Mittel zur Behandlung des Chronic-Fatigue-Syndroms verordnet worden ist und dass die Behandlung ihres Leidens mit schulmedizinischen Mitteln erfolglos geblieben ist. Sie hat lediglich behauptet, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Präparat um ein Heilmittel im Sinne der Beihilfevorschriften handele, dass auch Vitamine und Spurenelemente angesichts ihres Krankheitsbildes beihilfefähig seien und dass in einem anderen Fall das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz bestimmte Präparate, die allerdings ihr nicht verordnet worden sind, als beihilfefähig anerkannt habe. Allerdings ist der Klägerin zuzugeben, dass nicht alle homöopathischen Mittel grundsätzlich von der Beihilfe ausgeschlossen sind und dass auch § 6 Abs. 2 BhV und § 6 Abs. 4 BhV die Beihilfefähigkeit des Präparats nicht von vornherein ausschließen. Entscheidend ist aber nicht, ob es sich bei dem streitgegenständlichen Präparat um eine homöopathische Zubereitung handelt oder nicht. Vielmehr ist entscheidend, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass das der Klägerin verordnete Präparat medizinisch notwendig ist zur Behandlung ihres Leidens. Dieser gutachterlichen Feststellung des Amtsarztes ist die Klägerin nicht substantiiert entgegengetreten. Sie hält die Feststellungen im Gutachten des Amtsarztes zwar für falsch und nicht nachvollziehbar, ohne aber Vorlage ärztlicher detaillierter Stellungnahmen darzulegen, warum die Feststellungen im Gutachten des Amtsarztes falsch und/oder nicht nachvollziehbar sind. Nur dann hätte das Gericht Anlass zu einer Beweisaufnahme haben können, denn von sich aus sind die amtsärztlichen Äußerungen schlüssig und nachvollziehbar.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung nicht nach § 124 a Abs. 1 VwGO zu, weil Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO nicht vorliegen.