Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.02.2004, Az.: 3 K 206/01
Erfassung einer Hinterbliebenenrente mit ihrem Kapitalwert bei der Erbschaftsteuer; Voraussetzung für eine herrschende Gesellschafterstellung; Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit von Hinterbliebenenbezügen
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 18.02.2004
- Aktenzeichen
- 3 K 206/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 14002
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2004:0218.3K206.01.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 24.05.2005 - AZ: II B 40/04
Rechtsgrundlage
- § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG
Fundstellen
- BBV 2004, 8
- DStR 2004, X Heft 39 (Kurzinformation)
- DStRE 2004, 1231-1232 (Volltext mit amtl. LS)
- EFG 2004, 1466-1467
- ErbBstg 2005, 94
- ErbStB 2004, 275 (Volltext mit amtl. LS)
- WPg 2005, 246
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Zu den von § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG nicht erfassten Hinterbliebenenbezügen gehören auch Verträge, aus denen sich der Erwerb einer Rente durch die Witwe eines Arbeitnehmers oder einer diesem gleichgestellten Person ergibt.
- 2.
Für Hinterbliebenenbezüge, die durch einen herrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft erdient wurde, gilt das nicht. Denn es soll sichergestellt werden, dass nur solche Hinterbliebenenbezüge steuerfrei bleiben, die allein durch die Arbeitsleistung des Erblassers als Geschäftsführer erdient wurden.
- 3.
Kann ein Gesellschafter aufgrund seiner Stellung Einfluss auf die zustimmungspflichtigen Geschäfte der Gesellschaft nehmen und waren diese gegen seinen Willen nicht durchsetzbar, ist eine herrschende Gesellschafterstellung zu bejahen. Von ihm erdiente Hinterbliebenenbezüge werden daher von § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG erfasst.
Tatbestand
Streitig ist die Erfassung einer Witwenrente mit ihrem Kapitalwert bei der Erbschaftsteuer.
Der Erblasser von seiner Ehegattin, der Klägerin, alleine beerbt. Er war u.a. Gesellschafter der D GmbH. Ausweislich des notariellen Gesellschaftsvertrages dieser Gesellschaft waren folgende Personen Gesellschafter:
Vater des Erblassers | zu 1/3 |
---|---|
älterer Bruder des Erblassers | zu 1/3 |
Erblasser | zu 1/3. |
Gem. § 6 des Gesellschaftsvertrages wurden alle drei Gründungsgesellschafter zu Geschäftsführern bestimmt. Der Vater war alleinvertretungsberechtigt, die Söhne waren nur jeweils zusammen mit dem Vater vertretungsberechtigt. Nach § 5 des Gesellschaftsvertrages bedurften sämtliche Gesellschafterbeschlüsse der Einstimmigkeit. Bei berechtigtem Interesse stand jedem Gesellschafter das Recht zu, die Gesellschafterversammlung einzuberufen. Der Anstellungsvertrag sieht in Ziff. 3 einen Katalog von zustimmungspflichtigen Geschäften der Geschäftsführer vor. Die Gesellschafterversammlung musste z.B. Grundstücksgeschäften sowie Kreditaufnahmen über DM 20.000 zustimmen. Im Anstellungs- und Pensionsvertrag wurde dem Erblasser unter Ziffer 6 als Geschäftsführer eine Pension in Höhe von 60 % des zuletzt bezogenen Gehaltes zugesagt. Diese Regelung wurde mit Nachtrag ergänzt, so dass der Klägerin als Ehefrau nach dem Ableben ihres Ehegatten eine Witwenrente in Höhe von 60 % der Pension des Ehemannes zustand. Ein entsprechender Vermerk befindet sich auch bereits im Anstellungsvertrag vom Januar 1963. Der Kapitalwert dieser Rente wurde unstreitig mit 3.001.458 DM berechnet.
Die Klägerin macht geltend, dass es sich bei der Witwenrente um steuerfreie Hinterbliebenenbezüge handeln würde. Dies sei auch R 8 Erbschaftsteuerrichtlinien (ErbStR) zu entnehmen, da Hinterbliebenenbezüge vorlägen, die aufgrund eines mit dem Arbeitgeber geschlossenen Einzelvertrages als steuerfrei anzusehen seien. Die von der Verwaltung vorgegebene Angemessenheitsgrenze würde nichtüberschritten, da die Hinterbliebenenansprüche der Klägerin nur insgesamt 36 % des Gehaltes des Erblassers betrage. Diesem hätten Hinterbliebenenbezüge von 60 % seines Gehaltes zugestanden. Seine Witwe wiederum würde 60 % dieser Pensionsansprüche erhalten.
Eine Steuerpflicht würde sich auch nicht aus der Stellung des Erblassers als Gesellschafter-Geschäftsführer der D GmbH herleiten lassen. Er sei als abhängiger Geschäftsführer anzusehen gewesen. Aus der Regelung zur Vertretungsmacht ergebe sich, dass der Vater eine besonders herausgehobene Stellung inne gehabt habe. Tatsächlich habe der Vater nach Außen die Geschäfte der Gesellschaft bestimmt. Der Erblasser selbst sei zum Zeitpunkt der Vereinbarung erst 29 Jahre alt gewesen. Er habe die Gesellschaft nur zusammen mit seinem Vater vertreten können. Deswegen sei seine Bestellung zum Geschäftsführer sowie die Bestellung seines Bruders als Geschäftsführer eher als schmückendes Beiwerk zur Alleinvertretungsmacht des Vaters anzusehen gewesen. Außerdem sei im Gesellschaftsvertrag vorgesehen, dass Gesellschafterbeschlüsse der Einstimmigkeit bedürften. Es sei ihm deswegen tatsächlich - auch zusammen mit seinem Bruder - nicht möglich gewesen, die Geschäfte der Gesellschaft ohne den Vater zu bestimmen. Der Erblasser sei damals nicht als herrschender Gesellschafter-Geschäftsführer anzusehen gewesen, sondern habe eine arbeitnehmerähnliche Stellung inne gehabt. Die Hinterbliebenenbezüge der Klägerin müssten deshalb steuerfrei belassen werden.
Der Beklagte macht geltend, dass der Erblasser als beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer anzusehen gewesen sei. Nach H 8 (Angemessenheit von Hinterbliebenenbezügen) ErbStH sei darauf abzustellen, welchen Einfluss der Geschäftsführer im Zeitpunkt des Abschlusses der Pensionszusage in der Gesellschaft hatte und welche Beschlüsse die Organe der Kapitalgesellschaft mit oder ohne seine Mitwirkung fassen konnten. Der Erblasser sei hier zu mehr als 10 %, jedoch zu weniger als 50 % beteiligt gewesen. Dies würde dazu führen, dass er mit einem anderen Gesellschafter zusammen die Mehrheit der Stimmen inne gehabt habe. Die Tatsache, dass der Vater die Gesellschaft alleine vertreten konnte, sei insoweit nicht erheblich, da auf die Stimmverhältnisse in der Gesellschafterversammlung als dem der Geschäftsführungübergeordneten Organ abzustellen sei. Da das Einstimmigkeitsprinzip gegolten habe, hätte der Erblasser Gesellschafterbeschlüsse verhindern können.
Gründe
1.
Der Beklagte hat zu recht den Kapitalwert der Hinterbliebenenrente der Klägerin gem. § 3 Abs. 1 Nr. 4 Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) im Nachlass erfasst, da der Erblasser als herrschender Gesellschafter i.S. dieser Vorschrift anzusehen ist.
a.
Nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG gilt als Erwerb von Todes wegen jeder Vermögensvorteil, der aufgrund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrags bei dessen Tode von einem Dritten unmittelbar erworben wird.
Die Pensionsvereinbarung stellt einen Vertrag zugunsten Dritter i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG dar. Sie wurde vom Erblasser mit der GmbH auch zugunsten der Klägerin abgeschlossen. Die Witwenpension ist ein unmittelbar erworbener Vermögensvorteil der Klägerin aus diesem Vertrag.
b.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (BFH) erfasst § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG jedoch nicht die gesetzlich geregelten Hinterbliebenenbezüge des überlebenden Ehegatten, insbesondere solche nach dem Beamtenversorgungsgesetz oder nach den Sozialversicherungsgesetzen. Hierzu gehören im Grundsatz auch Verträge, aus denen sich der Erwerb einer Rente durch die Witwe eines Arbeitnehmers oder einer diesem gleichgestellten Person ergibt. Es wird davon ausgegangen, dass es nicht dem objektivierten Willen des Gesetzgebers entspreche, die auf einem Arbeits- oder Dienstvertrag beruhenden - und somit aufgrund eines Vertrages zugunsten Dritter gezahlten - Renten an denüberlebenden Ehegatten der Erbschaftsteuer zu unterwerfen (BFH-Urteil vom 15. Juli 1998 II R 80/96, BFH/NV 1999, 311, m.w.N.; Urteil vom 13. Dezember 1989 II R 23/85, BFHE 159, 228, BStBl. II 1990, 322).
Allerdings sieht der BFH in der o.g. Rechtsprechung eine Hinterbliebenenrente regelmäßig dann nicht als auf einen Arbeits- oder Dienstvertrag beruhend an, wenn der Erblasser neben seiner Stellung als Arbeitnehmer auch als Gesellschafter an der Arbeitgeberin nicht nur geringfügig beteiligt war, also eine herrschende Stellung in der Gesellschaft inne hatte. Hinterbliebenenbezüge, die durch einen herrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft erdient wurden, sind deshalb steuerpflichtig (so auch FG Münster vom 31. Januar 2002, 3 K 2322/00, EFG 2002, 627). Es soll sichergestellt werden, dass nur solche Hinterbliebenenbezüge steuerfrei bleiben, die alleine durch die Arbeitsleistung des Erblassers als Geschäftsführer erdient wurden. Er ist insoweit mit einem Nichtgesellschafter zu vergleichen.
Bislang wurde in der Rechtsprechung eine herrschende Gesellschafterstellung z.B. bei einer Beteiligung mit 50 % angenommen, wenn der Geschäftsführer alleinvertretungsberechtigt war. Sie liegt weiterhin vor, wenn der Verstorbene nicht nur geringfügig an einer Kapitalgesellschaft beteiligt war (BFH-Urteil vom 15. Juli 1998 II R 80/96 a.a.O.) oder wenn der Erblasser als nicht ganz unbedeutend beteiligter Minderheitsgesellschafter zusammen mit einem oder mehreren anderen Gesellschafter-Geschäftsführern über die Mehrheit verfügte, von den anderen aber keiner allein eine Mehrheitsbeteiligung inne hatte (BFH vom 13. Dezember 1989 a.a.O.). Der betroffene Gesellschafter muss die Möglichkeit haben, die Geschäfte der Gesellschaft wie ein Unternehmer zu gestalten und zu bestimmen. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Vereinbarung der Hinterbliebenenversorgung. Als starkes Indiz für die Versorgung eines Gesellschafters - und nicht eines Arbeitnehmers - wird es zudem angesehen, wenn die Versorgungszusage bereits im Gesellschaftsvertrag und nicht erst in dem darüber hinaus üblichen Dienstvertrag vorgenommen wird.
c)
Im vorliegenden Fall kann nach der Auffassung des Senats nicht von einer arbeitnehmerähnlichen Stellung ausgegangen werden.
Entscheidend ist, dass der Erblasser wegen des im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Einstimmigkeitsprinzips und der Genehmigungspflicht von größeren Geschäften der Geschäftsführer durch die Gesellschafterversammlung als Gesellschafter im Rahmen seiner Kontroll- und Genehmigungsbefugnisse in einer Art und Weise Einfluss auf die Geschäfte der Gesellschaft nehmen konnte, wie sie einem Arbeitnehmer nicht zustehen. Dieser kann regelmäßig Geschäfte anderer Geschäftsführer - insbesondere soweit sie alleinvertretungsberechtigt sind - nicht verhindern. Dies bedeutet, dass der Ehemann der Klägerin aufgrund seiner Stellung als Gesellschafter Einfluss auf die zustimmungspflichtigen Geschäfte der Gesellschaft nehmen konnte, diese gegen seinen Willen somit nicht durchsetzbar waren. Dass die tatsächlichen Gegebenheiten nach dem Vortrag der Klägerin mit der formal starken Stellung des Verstorbenen in der Gesellschaft nicht in Einklang standen, steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Die tatsächliche Handhabung der Geschäftsführung kann aufgrund der verstrichenen Zeit nicht mehr bewiesen werden. Zudem kann davon ausgegangen werden, dass der Vater des Erblassers auch nicht gegen den Willen seiner beiden Söhne und Mitgesellschafter entscheiden wollte. Er hat diese schließlich an der Gesellschaft beteiligt, damit sie an der Unternehmensführung mitwirken konnten, selbst wenn überwiegend er nach außen aufgetreten sein sollte. Von einer vollständigen Aushöhlung der formalen Gesellschafterposition des Erblassers kann deshalb nicht ausgegangen werden. Dies wurde von der Klägerin auch nicht geltend gemacht. Diese selbst hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass Entscheidungen gegen die Söhne vom Vater des Erblassers nicht beabsichtigt waren. Auch in der Literatur wird die Möglichkeit der Einflussnahme durch die Gesellschafterversammlung als Indiz für das Vorliegen einer herrschenden Stellung angesehen, (Meincke, Kommentar zum ErbStG, § 3 Rn. 92).
Die Tatsache, dass der Erblasser die Gesellschaft als Geschäftsführer nur mit seinem Vater zusammen vertreten konnte, steht dem gefundenen Ergebnis nicht entgegen. Er war - wie auch die beiden anderen Gesellschafter - zu 1/3 an der Gesellschaft beteiligt. Zusammen mit seinem Vater konnte er deshalb durchaus auf die Geschäftsführung der Gesellschaft Einfluss nehmen. Unbeachtlich ist auch, dass die Pensionsvereinbarung nicht im Gesellschaftsvertrag getroffen wurde - was formal für eine gesellschaftsrechtliche Regelung sprechen würde -, sondern im Anstellungs- und Pensionsvertrag (Januar 1963). Dieser wurde jedoch bereits vor der notariellen Beurkundung des Gesellschaftsvertrages (01.02.1963) abgeschlossen. Insofern kann von einer Verknüpfung der Pensionszusage mit der Gesellschafterstellung ausgegangen werden, da ein enger zeitlicher Zusammenhang besteht und davon ausgegangen wird, dass eine Gesamtregelung getroffen werden sollte.
2.
Die Frage der angemessenen Höhe der Witwenpension ist hier unbeachtlich, da der Vermögensvorteil nach der Auffassung des Senats schon dem Grunde nach steuerpflichtig ist. Bedenken diesbezüglich wurden vom Beklagten auch nicht geltend gemacht.