Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.02.2004, Az.: 5 K 99/00
Vorsteuerabzug einer juristischen Person des öffentlichen Rechts trotz nach nationalem Recht fehlender Unternehmereigenschaft; Vorliegen eines gewerblichen Betriebes bei Bereitstellung von Gleisanlagen und Buskonzessionen; Betrieb gewerblicher Art durch Betriebsverpachtung; Betriebsverpachtung bei Überlassung der für die Fortführung eines Betriebs erforderlichen wesentlichen Wirtschaftsgüter; Steuerpflicht durch selbständige Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit einer Dienstleistenden; Einheitliche Betrachtung aller im Rahmen eines Eigenbetriebs entfalteten Tätigkeiten für Zwecke der Umsatzbesteuerung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 19.02.2004
- Aktenzeichen
- 5 K 99/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 12011
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2004:0219.5K99.00.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BFH - 28.10.2004 - AZ: V R 19/04
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs. 3 UStG
- § 4 Abs. 1 KStG
- § 4 Abs. 4 KStG
- § 14 UStG
- § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG
- § 2 Abs. 3 S. 1 UStG
- § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG
Fundstellen
- EFG 2004, 934-937
- UStB 2004, 264 (Volltext mit amtl. LS)
- ZKF 2004, 205
Redaktioneller Leitsatz
Ist eine juristische Person des öffentlichen Rechts nach der 6. EG-Richtlinie als Unternehmerin anzusehen, kann sie sich zu ihren Gunsten auf den Anwendungsvorrang der Richtlinie berufen und deshalb den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen, auch wenn ihr Eigenbetrieb nach nationalem Recht nicht als Betrieb gewerblicher Art zu qualifizieren ist.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Stadt X im Rahmen ihres Eigenbetriebs "Kleinbahn X" Unternehmerin ist.
Im Jahr 1903 wurde der Gemeinde X die Genehmigung zum Bau und Betrieb einer Eisenbahn erteilt (Streckenlänge 8 Kilometer). Gleichzeitig wurde die Gemeinde dazu verpflichtet, einen Personen- und Güterverkehr auf dieser Strecke zu betreiben. 1954 entband der Niedersächsische Minister für Wirtschaft und Verkehr die Gemeinde X auf deren Antrag von der Verpflichtung, den Personenverkehr auf der Schiene zu betreiben. Stattdessen wurde die Gemeinde verpflichtet, einen Schienenersatzverkehr mit Omnibussen sicherzustellen.
1959 schloss die Kleinbahn X, mit der Firma Y einen Vertrag, der zunächst erwähnt, dass die Kleinbahn X als Ersatz für den von ihr bisher ausgeführten Personenverkehr auf der Schiene die Konzession zur Errichtung einer Kraftomnibuslinie auf der Strecke X als Schienenersatzverkehr erhalten habe. Durch den o.g. Vertrag wurde die Bedienung dieser Kraftomnibuslinie dem Unternehmer Y übertragen. Konzessionsinhaberin blieb die Kleinbahn (§ 1 des Vertrags). Die Firma Y verpflichtete sich, als Entgelt für die Überlassung des Betriebs eine jährliche Pacht in Höhe von 960 DM zu zahlen, die in monatlichen Teilbeträgen von je 80 DM fällig war (§ 9 des Vertrags). Dieser Vertrag trat an die Stelle eines bereits zuvor im Jahr 1954 geschlossenen Vertrags und war zunächst für die Dauer von zwei Jahren abgeschlossen (§ 11 des Vertrags). Er wurde später wiederholt verlängert, zuletzt durch Nachtrag Nr. 12 vom Mai 1994. Demnach betrug die monatliche Pacht "235 DM zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer", wobei sich die Pacht bei eventuellen Fahrpreiserhöhungen um den gleichen Prozentsatz wie die Fahrpreise erhöhen sollte. (§ 2 des Nachtrags).
1977 erteilte das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft und Verkehr der Gemeinde X die Genehmigung, auch den Öffentlichen Güterverkehr auf der Strecke X einzustellen. Zugleich verfügte der Minister: "Das Streckengleis wird künftig als Anschluss-Stammgleis für den Güterverkehr zu den Anschließern zur Verfügung stehen."
Mit Vertrag vom 1. August 1977 wurde vereinbart, dass die Bundesbahn den Betrieb auf dem Streckengleis der ehemaligen Kleinbahn X mit allen dazugehörigen bau- und signaltechnischen Anlagen als DB-Stammgleis weiter betreibt (§ 1 des Vertrags). Hierzu überließ die Gemeinde der Bundesbahn kostenlos das Streckengleis mit den dazugehörigen Oberbau- und Signalanlagen (§§ 2 und 3 des Vertrags). Die Bundesbahn war befugt, von den Anschließern neben der Anschlussgebühr pro beladenem Wagon eine besondere Vergütung (Stammgleisvergütung) zur Abgeltung von Investitions- und Betriebsführungskosten zu erheben (§ 5 Abs. 1 des Vertrags). Die Gemeinde war dagegen nicht befugt, ein Nutzungsentgelt zu erheben (§ 5 Abs. 2 des Vertrags).
Dieser Vertrag wurde von der Deutschen Bundesbahn zum 30.09.1990 gekündigt. Im Dezember 1992 schlossen die Klägerin und die Deutsche Bundesbahn einen neuen Vertrag, der rückwirkend vom 01.10.1990 an gelten sollte und durch den der bisherige Vertrag vom 01.08.1977 aufgehoben wurde. Durch den Vertrag vom 10.12.1992 vereinbarten die Klägerin als "Anschließer" und die Bundesbahn, eine Gleisanlage (Industriestammgleis) an den Bahnhof Z anzuschließen. Dabei behandelten die Vertragspartner die Klägerin als Inhaberin eines Privatgleisanschlusses und vereinbarten die grundsätzliche Geltung der "Allgemeinen Bedingungen für Privatgleisanschlüsse" der Deutschen Bundesbahn. Die Klägerin und die Bundesbahn stimmten der "Mitbenutzung" des Anschlusses durch die an das Industriestammgleis angeschlossenen Firmen zu (§ 4 des Vertrags). Auf dem Gleisanschluss werden seither mit Fahrzeugen der Deutschen Bundesbahn Güter im Übergang zur Deutschen Bundesbahn befördert. Genutzt wird dieser Gleisanschluss durch ein Landhandelsunternehmen und eine Genossenschaft, deren Betriebsgelände in X neben dem früheren Bahnhof liegt und dort unmittelbar an die Gleise angrenzt.
Für das Streitjahr (1995) gab die Klägerin eine Umsatzsteuererklärung ab, in der sie als Art des Unternehmens angab "Kleinbahnverwaltung". Darin erklärte sie steuerpflichtige Umsätze zum Regelsteuersatz in Höhe von 6.083 DM und steuerfreie Umsätze ohne Vorsteuerabzug in Höhe von 14.918 DM, die aus Zinseinnahmen und Pachtzinsen bestanden. Ferner machte die Klägerin Vorsteuern in Höhe von 23.076,46 DM geltend, die aus Erhaltungsaufwendungen für die Gleisanlagen resultieren. Die von der Klägerin erklärten steuerpflichtigen Umsätze in Höhe von 6.083 DM setzen sich dabei wie folgt zusammen: Anschlussgebühren für den Gleisanschluss 79,73 DM, Pacht der Buslinie 3.017,28 DM, Erlöse aus Anlageverkäufen 521,74 DM und Unfallentschädigung 2.464,58 DM.
Mit Bescheid vom 23.12.1996 stimmte der Beklagte der Umsatzsteuererklärung zu.
Im Rahmen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung kam der Prüfer zu dem Ergebnis, die Kleinbahn X sei nicht Unternehmerin. Ein Betrieb gewerblicher Art i.S.d. § 4 Abs. 3 Körperschaftsteuergesetz (KStG) liege nicht vor, da die Gleisanlagen nur noch für einen Industriebetrieb genutzt würden. Deshalb handele es sich nicht um einen öffentlichen Verkehr i.S.d. § 4 Abs. 3 KStG.
Auch handele es sich nicht um einen Betrieb gewerblicher Art im Sinne der allgemeinen Definition des § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG. Ein derartiger Betrieb gewerblicher Art setze eine gewisse Selbständigkeit voraus, d.h. eine Organisation mit personellen und sachlichen Betriebsmitteln. Ferner müsse die Betätigung nachhaltig sein, also von einigem Gewicht. Und es müsse eine Einnahme-Erzielungsabsicht vorliegen. Die Kleinbahn dagegen beschäftige kein eigenes Personal. Auch handele es sich nicht um eine Tätigkeit von einigem Gewicht, da der Jahresumsatz weder nachhaltig den Betrag von 60.000 DM übersteige noch die Kleinbahn zu anderen Unternehmern unmittelbar in Wettbewerb trete. Da die Kleinbahn der Deutschen Bundesbahn ihr einziges Betriebsmittel kostenlos überlasse, fehle es an der Absicht, Einnahmen zu erzielen.
Die Klägerin schulde allerdings Umsatzsteuer nach§ 14 Abs. 3 UStG, soweit sie in ihren Ausgangsrechnungen Umsatzsteuer offen ausgewiesen habe.
Mit Bescheid vom 11.06.1998, der auf § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) gestützt wurde, setzte der Beklagte die Umsatzsteuer für das Streitjahr auf 912 DM fest. Dabei behandelte er die von der Klägerin erklärten Umsätze in Höhe von 6.083 DM als steuerpflichtige Ausgangsumsätze zum Regelsteuersatz, ließ jedoch Vorsteuern nicht zum Abzug zu. Zur Begründung verwies er auf das Ergebnis der Umsatzsteuer-Sonderprüfung.
Hiergegen erhob die Klägerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren die vorliegende Klage, die sie wie folgt begründet: Sie, die Klägerin, sei nach Art. 4 Abs. 5 Unterabsatz 3 der 6. EG-Richtlinie als Steuerpflichtige zu behandeln, da sie Tätigkeiten ausübe, die in Anhang D zu dieser Richtlinie genannt seien und da der Umfang dieser Tätigkeit nicht unbedeutend sei, nämlich die Beförderung von Gütern und die Beförderung von Personen (Ziffer 3 und Ziffer 5 des Anhangs D zur 6. EG-Richtlinie). Auch würde eine Behandlung als Nicht-Steuerpflichtige zu Wettbewerbsverzerrungen im Sinne des Art. 4 Abs. 5 Unterabsatz 2 der 6. EG-Richtlinie führen.
Schließlich sei die Klägerin auch dann zum Vorsteuerabzug berechtigt, wenn ihre Tätigkeit nicht mehr unternehmerisch sei. Die Klägerin sei in der Vergangenheit als Unternehmerin tätig geworden. Diese Tätigkeit sei bisher nicht abgewickelt worden. Unternehmen und Unternehmereigenschaft würden erst dann erlöschen, wenn der Unternehmer alle Rechtsbeziehungen abgewickelt habe, die mit dem aufgegebenen Betrieb im Zusammenhang ständen. Das Unternehmensvermögen der Klägerin bestehe vor allem aus den Gleisanlagen, die weder veräußert noch beseitigt worden seien. Sie seien auch nicht durch Eigenverbrauch in den nichtsteuerbaren Bereich überführt worden. Auch wenn über einen kürzeren oder längeren Zeitraum keine Umsätze bewirkt würden, bleibe das Unternehmen noch so lange bestehen, bis feststehe, dass der Unternehmer seine Tätigkeit endgültig eingestellt habe und das Unternehmensvermögen in seinen außerunternehmerischen Bereich überführt habe. Die Klägerin sei dagegen gerade bemüht gewesen, die Tätigkeit fortzusetzen und zu intensivieren. Die streitbefangenen Erhaltungsmaßnahmen der Gleisanlagen hätten dem Zweck gedient, das Unternehmensvermögen zu erhalten, um die Tätigkeit fortsetzen zu können. Eine Überführung des Unternehmensvermögens in den hoheitlichen Bereich der Klägerin habe nicht stattgefunden. Da die Gleisanlagen und die übrigen in der Bilanz ausgewiesenen Wirtschaftsgüter Unternehmensvermögen geblieben seien, könnten auch die mit ihrer Verwaltung, Nutzung und Unterhaltung im Zusammenhang stehenden Vorsteuerbeträge weiterhin abgezogen werden. Dies gelte selbst bei unentgeltlicher Überlassung aus unternehmerischen Gründen.Über die im Streitjahr vereinnahmten Anschlussgebühren (59,91 DM und 31,77 DM) existierten keine schriftlichen, sondern nur mündliche Vereinbarungen.
Die Klägerin ist ferner der Auffassung, falls ihre Unternehmereigenschaft verneint werde, sei der Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr aufzuheben. Eine Umsatzsteuerforderung nach § 14 Abs. 3 UStG dürfe nicht erfolgen, da die Klägerin keine Rechnung mit offenem Steuerausweis erstellt habe.
Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteuer 1995 auf ./. 22.164,01 DM herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klägerin habe im Streitjahr keinen Betrieb gewerblicher Art unterhalten, da sie keine wirtschaftliche Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen ausgeübt habe. Die Klägerin trete mit ihrer Tätigkeit nicht zu anderen Unternehmen in Wettbewerb, da sie keine Transporte durchführe, sondern lediglich der Deutschen Bundesbahn die Gleisanlage unentgeltlich zur Verfügung stelle.
Umsatzsteuer sei jedoch nach § 14 Abs. 3 UStG festzusetzen gewesen. Die Klägerin habe jedenfalls im Hinblick auf die Verpachtung der Buslinie durch den vorgelegten Nachtrag zum Pachtvertrag vom Mai 1994, in dem die "gesetzliche Mehrwertsteuer" erwähnt sei, Umsatzsteuer offen ausgewiesen. Im Übrigen sei die Umsatzsteuer nach§ 14 Abs. 3 UStG festgesetzt worden, obwohl das Finanzamt nicht über Rechnungen verfüge, in denen die Klägerin im Streitjahr mit offenem Steuerausweis abgerechnet habe.
Gründe
Die Klage ist begründet.
Ein Unternehmer kann die in Rechnungen i.S.d. § 14 Umsatzsteuergesetz (UStG) gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG). Dieser Vorsteuerabzug steht auch der Klägerin zu, da sie zwar nicht nach deutschem Umsatzsteuerrecht, wohl aber aufgrund der im Streitfall unmittelbar anwendbaren 6. EG-Richtlinie als steuerpflichtige Unternehmerin zu behandeln ist.
1. Nach Maßgabe des nationalen Umsatzsteuerrechts ist die Klägerin nicht als Unternehmerin anzusehen.
Gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG sind juristische Personen des öffentlichen Rechts nur dann als Unternehmer anzusehen, wenn sie entweder einen Betrieb gewerblicher Art, einen land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb oder eine der in § 2 Abs. 3 Satz 2 UStG im Einzelnen aufgeführten Tätigkeiten ausüben. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, da die Tätigkeit der Klägerin keinen Betrieb gewerblicher Art i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 4 Körperschaftsteuergesetz (KStG) bildete und da die übrigen Tatbestände, in denen eine juristische Personen des öffentlichen Rechts nach § 2 Abs. 3 UStG auch ohne Vorliegen eines Betriebs gewerblicher Art als Unternehmer anzusehen ist, im Streitfall nicht in Betracht kommen.
a) Die Klägerin betrieb im Streitjahr keinen Versorgungsbetrieb, der nach § 4 Abs. 3 KStG stets als Betrieb gewerblicher Art anzusehen wäre.
Gemäß § 4 Abs. 3 KStG gehören zu den Betrieben gewerblicher Art auch Betriebe, die der Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Gas, Elektrizität oder Wärme, demöffentlichen Verkehr oder dem Hafenbetrieb dienen. Ein Betrieb, der demöffentlichen Verkehr dient, liegt zunächst vor bei Beförderung von Personen und Gütern (vgl. BFH-Urteil vom 15.10.1975 II R 144/72, BStBl. II 1976, 219; vom 08.11.1989 I R 187/85, BStBl. II 1990, 242). Einen derartigen Betrieb unterhielt die Klägerin nicht, da sie selbst weder Personen noch Güter beförderte.
Zwar umfasst diese Vorschrift darüber hinaus alle Bestrebungen der öffentlichen Hand zur Anpassung des Gesamtverkehrs an die sich entwickelnden Verhältnisse. Dazu gehört auch der Individualverkehr auf öffentlichen Straßen und die Bereitstellung von Flächen, die dem ruhenden Verkehr zum Parken zur Verfügung stehen. So dient die Bereitstellung von Parkräumen - in Tiefgaragen, Parkhäusern oder auf Flächen, die mit Parkuhren versehen sind oder nur mit Parkscheiben benutzt werden dürfen - dann dem öffentlichen Verkehr, wenn die Parkflächen einem unbestimmten Personenkreis offen stehen und damit von jedermann benutzt werden können (BFH-Urteil vom 15.10.1975 II R 144/72, BStBl. II 1976, 219; vom 08.11.1989 I R 187/85, BStBl. II 1990, 242).
Auch unter Zugrundelegung dieses weiteren Begriffs des "öffentlichen Verkehrs" war die Tätigkeit der Klägerin im Streitjahr nicht als Betrieb gewerblicher Art i.S.d. § 4 Abs. 3 KStG zu qualifizieren. Die Klägerin selbst unterhielt keinen Betrieb, der dem öffentlichen Verkehr diente. Vielmehrüberließ sie lediglich eine Buskonzession und stellte Gleisanlagen zur Verfügung, um Personen- und Gütertransporte zu ermöglichen. Die Bereitstellung der Gleisanlagen kam dabei nicht einem unbestimmten Personenkreis zugute, sondern nur einzelnen Unternehmen, die aufgrund ihrer räumlichen Lage imstande waren, den vorhandenen Gleisanschluss der Kleinbahn zu nutzen und denen diese "Mitbenutzung" in § 4 des Gleisanschlussvertrags zwischen der Klägerin und der Deutschen Bundesbahn gestattet war. Deshalb diente die Bereitstellung und Unterhaltung dieser Gleise nicht dem öffentlichen Verkehr i.S.d. § 4 Abs. 3 KStG.
b) Ein Betrieb gewerblicher Art i.S.d. § 4 Abs. 4 KStG liegt ebenfalls nicht vor.
Nach dieser Vorschrift gilt als Betrieb gewerblicher Art die Verpachtung eines solchen Betriebs. Eine derartige Betriebsverpachtung liegt nur dann vor, wenn die wesentlichen für die Fortführung eines Betriebs erforderlichen Wirtschaftsgüter überlassen werden (vgl. BFH v. 06.10.1976 I R 115/75, BStBl. II 1977, 94 m.w.N.). Nach nationalem Recht sind diese - für das Körperschaftsteuerrecht entwickelten - Maßstäbe grundsätzlich auch im Umsatzsteuerrecht anzuwenden (BFH v. 21.03.1995 XI R 33/94, BFHE 177, 534).
Die Klägerin dagegen hat lediglich die Gleisanlagen und eine Konzession zum Betrieb einer Buslinie verpachtet, nicht jedoch einen Verkehrsbetrieb selbst, da sie weder die für den Bus- noch die für den Schienenbetrieb erforderlichen Fahrzeuge zur Verfügung gestellt hat.
c) Schließlich betrieb die Klägerin auch keinen Betrieb gewerblicher Art im Sinne der allgemeinen Definition des § 4 Abs. 1 Satz 1 KStG
Nach dieser Bestimmung sind Betriebe gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts grundsätzlich alle Einrichtungen, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen außerhalb der Land- und Forstwirtschaft dienen und die sich innerhalb der Gesamtbetätigung der juristischen Person wirtschaftlich herausheben. Für die Frage, wann eine selbständige Einrichtung innerhalb der Gesamtbetätigung einer juristischen Person desöffentlichen Rechts wirtschaftlich herausgehoben ist, lassen sich allerdings - jedenfalls für den Bereich des Umsatzsteuerrechts - keine festen Umsatzgrenzen feststellen; vielmehr ist eine vergleichende Betrachtung mit dem Umfang der Gesamtverwaltung der Körperschaft erforderlich, bei der auch zu berücksichtigen ist, ob die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde unmittelbar im Wettbewerb zu anderen Unternehmen steht (BFH-Urteil vom 11.01.1979 V R 26/74, BStBl. II 1979, 746; vom 25.10.1989 V R 111/85, BStBl. II 1990, 868).
Allein die geringe Höhe der von der Klägerin erzielten Umsätze steht deshalb einer Qualifikation als Betrieb gewerblicher Art nicht entgegen. Aber auch die Art der Betätigung und insbesondere der Umfang der hierfür erforderlichen Arbeiten führen dazu, dass die Tätigkeit im Rahmen des Eigenbetriebs "Kleinbahn X" nicht wirtschaftlich aus der Gesamttätigkeit der Klägerin herausgehoben ist, da die Klägerin im Streitjahr - und den vergleichbaren unmittelbar vorangegangenen und nachfolgenden Veranlagungszeiträumen - lediglich eine verpachtende und vermögensverwaltende Tätigkeit ausübte, für die sie kein eigenes Personal beschäftigte. Mit dieser Tätigkeit stand die Klägerin nicht unmittelbar im Wettbewerb zu anderen Unternehmen, da die Verpachtung der Buskonzession und der Gleisanlagen lediglich abwickelnde Maßnahmen aus einem früheren Monopolbetrieb waren, bei denen es keine privaten Wettbewerber geben konnte.
d) Die Tatsache, dass die Klägerin ursprünglich jedenfalls solange einen Betrieb gewerblicher Art unterhielt, solange sie selbst noch Gütertransporte durchführte, führt ebenfalls nicht dazu, dass sie nach deutschem Umsatzsteuerrecht im Streitjahr noch zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen wäre. Obwohl die Klägerin die diesem Betrieb gewidmeten und bei ihr verbliebenen Wirtschaftsgüter weiterhin in der Rechtsform eines Eigenbetriebs verwaltete, der von ihrem hoheitlichen Bereich getrennt war, entfiel nach nationalem Recht ihre Unternehmereigenschaft mit dem Wegfall der Voraussetzungen eines Betriebs gewerblicher Art.
In § 2 Abs. 3 UStG enthält das deutsche Umsatzsteuerrecht eine eigenständige Regelung zu der Frage, wann juristische Personen des öffentlichen Rechts als Unternehmer anzusehen sind. Da diese Sonderregelung den allgemeinen Regeln über die Unternehmereigenschaft vorgeht, hat sie nicht nur Bedeutung für den Beginn, sondern auch für das Ende der Unternehmereigenschaft einer juristischen Person des öffentlichen Rechts. Sobald eine juristische Person des öffentlichen Rechts nicht mehr die Voraussetzungen des§ 2 Abs. 3 UStG erfüllt, weil entweder die Tatbestandsmerkmale eine Betriebs gewerblicher Art nicht mehr vorliegen oder ein land- oder forstwirtschaftlicher Betrieb beendet wird oder eine Tätigkeit i.S.d. § 2 Abs. 3 Satz 2 UStG nicht mehr ausgeübt wird, führt dies nach nationalem Recht zwangsläufig zum Ende der Unternehmereigenschaft, auch wenn Teile der früheren Betätigung fortgeführt werden und hierfür das frühere Unternehmensvermögen weiter genutzt wird (vgl. auch Abschn. 5 Abs. 12 Satz 3 i.V.m. Abs. 5 KStR 1995, wonach die Einschränkung der Tätigkeit eines Betriebs gewerblicher Art dann körperschaftsteuerrechtlich zu einer Betriebsaufgabe führt, wenn sie zur Folge hat, dass dieser Betrieb die Tatbestandsmerkmale eines Betriebs gewerblicher Art nicht mehr erfüllt).
e) Unerheblich ist nach nationalem Recht auch, dass der Beklagte die Klägerin nach der Einstellung des Güterverkehrs bis zum Streitjahr als Unternehmerin behandelte.
Nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung hat das Finanzamt in jedem Veranlagungszeitraum die einschlägigen Besteuerungsgrundlagen erneut zu prüfen; eine als falsch befundene Rechtsauffassung muss es zum frühest möglichen Zeitpunkt aufgeben, selbst wenn der Steuerpflichtige auf diese Rechtsprechung vertraut haben sollte (ständige Rspr., vgl. etwa jüngst BFH-Urteil vom 18.12.2003 V R 62/02, zur Veröffentlichung vorgesehen).
2. Obwohl die Klägerin nach nationalem Recht keinen Betrieb gewerblicher Art unterhielt, ist sie aufgrund unmittelbarer Anwendung der Sechsten Richtlinie (77/388/EWG) des Rates (folgend: 6. EG-Richtlinie) gleichwohl zum Vorsteuerabzug befugt.
a) Gemäß Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie gilt die Klägerin grundsätzlich als Steuerpflichtige, da sie selbständig die wirtschaftliche Tätigkeit einer Dienstleistenden ausübt.
Im Rahmen ihres Eigenbetriebs "Kleinbahn X" erbringt die Klägerin Verpachtungsleistungen und andere Dienstleistungen (Zurverfügungstellung von Kapital) i.S.d. Art. 6 der 6. EG-Richtlinie.
Dabei sind alle Tätigkeiten, die die Klägerin im Rahmen dieses Eigenbetriebs entfaltet, für Zwecke der Umsatzbesteuerung einheitlich zu betrachten (vgl. BFH-Urteil vom 18.08.1988 V R 194/83, BStBl. II 1988, 932 und Lange, UR 2000, 1 [4]). Aus dem Urteil des BFH vom 16.12.1993 (V R 103/88, BStBl. II 1994, 278) folgt nichts anderes, da dieses Urteil lediglich den Vorsteuerabzug bei der Errichtung eines neuen Betätigungszweiges eines Betriebs gewerblicher Art betrifft, während die Klägerin im Streitfall mit der Durchführung von Personen- und Güterverkehr zunächst einen Betrieb gewerblicher Art unterhielt, dessen Tätigkeit später immer stärker eingeschränkt wurde. Deshalb kann auch offen bleiben, inwieweit das letztgenannte Urteil mit der neueren Rechtsprechung des EuGH und des BFH zum Vorsteuerabzug bei Vorbereitungshandlungen (vgl. etwa BFH-Urteil vom 08.03.2001 V R 24/98, BStBl. II 2003, 430 m.w.N.) vereinbar ist.
b) Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie schließt eine Unternehmereigenschaft der Klägerin nicht aus.
aa) Art. 4 Abs. 5 Unterabsatz 1 der 6. EG-Richtlinie schließt die Unternehmereigenschaft einer Gemeinde grundsätzlich aus, wenn sie Leistungen erbringt, die ihr im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegen. Dabei handelt es sich um Tätigkeiten, die Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Sonderregelung ausüben. Nicht dazu gehören Tätigkeiten, die unter den gleichen rechtlichen Bedingungen auch von privaten Wirtschaftsteilnehmern ausgeübt werden können. Art. 4 Abs. 5 Unterabsatz 1 der 6. EG-Richtlinie setzt voraus, dass die Ausübung der Tätigkeit das Gebrauchmachen von hoheitlichen Befugnissen umfasst. Soweit eine Gemeinde als Rechtssubjekt des Privatrechts Tätigkeiten ausübt, die als wirtschaftliche Tätigkeiten i.S.d. Art. 4 Abs. 2 der EG-Richtlinie anzusehen sind, ist sie dagegen nach der 6. EG-Richtlinie als Steuerpflichtige zu behandeln (EuGH-Urteil vom 17.10.1989 Rs. 231/87 u. 129/88, RIW 1991, 167; vom 06.02.1997 Rs. C-247/95, BStBl. II 1999, 426 [428 Tz. 17 f.]; vom 14.12.2000 - Rs. C 446/98, UR 2001, 108 [109 f.] m.w.N.).
Im Streitfall machte die Klägerin bei ihrer Tätigkeit nicht von hoheitlichen Befugnissen Gebrauch. Vielmehr schloss sie privatrechtliche Verträge zur Verpachtung der Buskonzession und zurÜberlassung der Schienen an die Deutsche Bundesbahn.
bb) Die Frage, ob es durch die Betätigung der Klägerin zu Wettbewerbsverzerrungen kommen kann, ist im Streitfall unerheblich, da sich diese Frage nach Art. 4 Abs. 5 Unterabsatz 2 und 4 der 6. EG-Richtlinie nur dann stellt, wenn entweder eine hoheitliche oder eine steuerfreie Tätigkeit ausgeübt wird (vgl. EuGH-Urteil vom 17.10.1989 Rs. 231/87 u. 129/88, RIW 1991, 167 [168 Tz. 20 ff.]; vom 06.02.1997 Rs. C-247/95, BStBl. II 1999, 426 [428 Tz. 21]; vom 14.12.2000 - Rs. C 446/98, UR 2001, 108 [111 Tz. 43]). Die Klägerin war jedoch nicht hoheitlich tätig (vgl. oben aa). Ferner erzielte sie durch die Gestattung der Schienenbenutzung, für die sie von den "Mitbenutzern" (geringe) "Anschlussgebühren" erhielt, und die Verpachtung der Buskonzession keine steuerfreien, sondern steuerpflichtige Umsätze.
c) Da die Klägerin nach der 6. EG-Richtlinie als Unternehmerin anzusehen ist, kann sie sich zu ihren Gunsten auf den Anwendungsvorrang der Richtlinie berufen und deshalb den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen, auch wenn der Eigenbetrieb der Klägerin nach nationalem Recht nicht als Betrieb gewerblicher Art zu qualifizieren ist.
Soweit § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG anordnet, dass juristische Personen des öffentlichen Recht nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art und ihrer land- oder forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich tätig sind, kann diese Bestimmung im Einzelfall gegen die 6. EG-Richtlinie verstoßen, da diese Richtlinie eine Besteuerung nicht davon abhängig macht, dass eine Betätigung deröffentlichen Hand im Rahmen eines Betriebs gewerblicher Art erfolgt (vgl. BFH-Urteil v. 11.06.1997 XI R 33/94, BStBl. II 1999, 418 - Ziff. 4). Insoweit ist aufgrund eines Anwendungsvorrangs der 6. EG-Richtlinie § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG nicht anzuwenden (BFH a.a.O.; ebenso Klenk in Sölch/Ringleb, Komm. zum UStG, § 2 Rn. 232; a.A. Stadie in Rau/Dürrwächter, Komm. zum UStG, § 2 Rn. 817).
Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an, auch wenn der EuGH die Frage, ob sich eine juristische Person des öffentlichen Rechts zu ihren Gunsten auf die Steuerpflicht einer Betätigung berufen kann, um hieraus einen Vorsteuerabzug in Anspruch zu nehmen, als solche noch nicht ausdrücklich geklärt hat. Insoweit hatte der BFH zunächst Zweifel an der unmittelbaren Anwendbarkeit der 6. Richtlinie bekundet, da die Anwendung der Richtlinienregelung sich mittelbar über den Vorsteuerabzug begünstigend, im übrigen aber durch die Unterwerfung unter die Umsatzsteuerpflicht belastend auswirkt und dem EuGH die Frage, ob sich ein Kläger, der als Steuerpflichtiger behandelt werden möchte, unmittelbar auf die Richtlinie berufen kann, zur Vorabentscheidung vorgelegt (BFH-Beschluss vom 21.03.1995 XI R 33/94, BFHE 177, 534 - Ziff. II. 4). Der EuGH hat zu dieser Frage aber nicht ausdrücklich Stellung genommen, da sie nur für den Fall gestellt war, dass andere Vorlagefragen zu verneinen waren (EuGH-Urteil vom 06.02.1997 Rs. C-247/95, BStBl. II 1999, 426 [428 Tz. 23]). Bereits zuvor hatte der EuGH entschieden, dass sich eine Einrichtung des öffentlichen Rechts unmittelbar auf Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie berufen kann, wenn sie - umgekehrt wie die Klägerin - geltend macht, sie dürfe für eine Tätigkeit, die sie im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausübe, nicht als Steuerpflichtiger behandelt werden (EuGH-Urteil vom 17.10.1989 Rs. 231/87 u. 129/88, RIW 1991, 167; ebenso EuGH-Urteil vom 14.12.2000 Rs. C-446/98, UR 2001, 108).
Anschließend sah der XI. Senat des BFH es als geklärt an, dass sich juristische Personen des öffentlichen Rechts, die eine Behandlung als Steuerpflichtige begehren, zu ihren Gunsten auf einen Anwendungsvorrang des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 und 4 der 6. EG-Richtlinie vor § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG berufen können (BFH-Urteil vom 11.06.1997 XI R 33/94, BStBl. II 1999, 418 - Ziff. II. 4.), während der V. Senat diese Frage offen ließ (BFH-Urteil vom 08.01.1998 V R 32/97 BStBl. II 1998, 410 - Ziff. II. 3 b).
Der Senat schließt sich im Ergebnis der o.g. neueren Rechtsprechung des XI. Senats des BFH an. Aus den Entscheidungsgründen des EuGH-Urteils vom 06.02.1997 (Rs. C-247/95, BStBl. II 1999, 426) lässt sich nach Auffassung des erkennenden Senats ableiten, dass der EuGH denjenigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die für ihre Betätigung eine Behandlung als Steuerpflichtige begehren, um hierdurch in den Genuss des Vorsteuerabzugs zu kommen, ebenso eine unmittelbare Berufung auf die 6. EG-Richtlinie zubilligt wie umgekehrt denjenigen, die sich - bei anderen Lebenssachverhalten und entgegengesetzter Interessenlage - gegen eine Behandlung als Steuerpflichtige wenden. Gleiches gilt dann auch, wenn sich eine Gemeinde - wie im Streitfall - auf eine Behandlung als Steuerpflichtige nach Art. 4 Abs. 1 und 2 der 6. EG-Richtlinie beruft.
Nach der Rechtsprechung des EuGH können sich die einzelnen Rechtssubjekte in Ermangelung von fristgemäß erlassenen Durchführungsmaßnahmen gegenüber allen innerstaatlichen, nicht richtlinienkonformen Vorschriften auf Bestimmungen einer Richtlinie berufen, die inhaltlich als unbedingt und hinreichend genau erscheinen (EuGH-Urteil vom 17.10.1989 Rs. 231/87 u. 129/88, RIW 1991, 167 - Tz. 30). Diese Rechtsprechung bietet nach Auffassung des erkennenden Senats keinen Grund für eine Differenzierung danach, ob sich ein Rechtssubjekt auf die 6. EG-Richtlinie beruft, um eine Steuerpflicht zu vermeiden, oder ob es umgekehrt eine Behandlung als Steuerpflichtiger begehrt, um in den Genuss des Vorsteuerabzugs zu kommen. Dabei steht die Tatsache, dass noch nicht abschließend geklärt ist, ob eine Person, die nach nationalem Recht nicht steuerpflichtig ist, aber sich auf einen Vorsteuerabzug auf der Grundlage der Richtlinie beruft, in Folgejahren, in denen sie keinen Vorsteuerüberhang erzielt, auch gegen ihren Willen als Unternehmer behandelt werden kann (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 21.03.1995 XI R 33/94, BFHE 177, 534 - Ziff. II. 4), einer Berufung auf die Richtlinie zum Erhalt des Vorsteuerabzugs nicht entgegen. Etwaige Besteuerungslücken wären insofern ggf. hinzunehmen, da sie lediglich die Konsequenz der Tatsache wären, dass der nationale Gesetzgeber die 6. EG-Richtlinie nicht zeitgerecht in nationales Recht transformiert hat. Sie können jedoch nicht zu einer richtlinienwidrigen Nicht-Besteuerung derjenigen führen, die zu ihren Gunsten einen Vorsteuerüberhang unmittelbar aufgrund der 6. EG-Richtlinie geltend machen.
Diese Grundsätze sind auch im Streitfall anzuwenden. Zwar hat sich die Klägerin nicht auf den im Streitfall anzuwendenden Art. 4 Abs. 1 und 2 der 6. EG-Richtlinie berufen, sondern auf Art. 4 Abs. 5 Unterabsatz 3 i.V.m. Anhang D dieser Richtlinie. Nach dieser Vorschrift gelten u.a. die Beförderung von Gütern und Personen grundsätzlich stets als steuerpflichtige Tätigkeiten. Der Senat geht davon aus, dass die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht vorliegen, da die Klägerin selbst weder Personen noch Güter transportiert hat, sondern lediglich eine Buskonzession und Gleisanlagen zur Verfügung gestellt hat. Gleichwohl ist der Anwendungsvorrang der 6. EG-Richtlinie zu beachten. Dieser kommt immer dann zur Geltung, wenn sich ein Rechtssubjekt zu seinen Gunsten auf den Anwendungsvorrang der 6. EG-Richtlinie beruft, unabhängig davon, ob es dabei die Rechtsgrundlage zutreffend zitiert.
3. Die Vorsteuerbeträge, gegen deren Höhe der Beklagte keine Einwendungen erhob, waren in vollem Umfang zum Abzug zuzulassen, weil die Klägerin diese Eingangsumsätze ausschließlich zur Erzielung steuerpflichtiger Ausgangsumsätze aus der entgeltlichen Überlassung der Gleise nutzte.
4. Da das Gericht nach § 96 Abs. 1 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) nichtüber das Klagebegehren hinausgehen kann, kann dahingestellt bleiben, ob die von der Klägerin als steuerpflichtig behandelte Unfallentschädigung der Umsatzsteuer zu unterwerfen war.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
6. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, da die Frage, inwieweit sich juristische Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar auf die 6. EG-Richtlinie berufen können, um in den Genuss des Vorsteuerabzugs zu kommen, grundsätzliche Bedeutung hat.