Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 26.02.2004, Az.: 14 K 858/00

Zeitpunkt für die Ausübung des Wahlrechts der Inanspruchnahme linearer oder degressiver Gebäudeabschreibung; Bindung an die Wahl mit Eintritt der Bestandskraft der Veranlagung; Möglichkeit der Anfechtung der Ausübung des Wahlrechts in der Einkommensteuererklärung wegen Vorliegen eines Willensmangels; Sinngemäße Anwendung der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) über die Anfechtung von Willenserklärungen im öffentlichen Recht; Voraussetzungen für die Rücknahme eines irrtümlich gestellten Antrages

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
26.02.2004
Aktenzeichen
14 K 858/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 18056
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2004:0226.14K858.00.0A

Fundstellen

  • BBK 2005, 9
  • DB 2005, 7
  • DB (Beilage) 2005, 7 (amtl. Leitsatz)
  • EFG 2004, 1199-1201
  • ImmoStR 2004, 282

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Der Steuerpflichtige hat bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs. 5 EStG ein Wahlrecht hinsichtlich der Inanspruchnahme der linearen oder der degressiven Gebäudeabschreibung. Das Wahlrecht kann nur zu Beginn der Absetzungsperiode ausgeübt werden.

  2. 2.

    Ist die Bestandskraft der Veranlagung des Jahres eingetreten, mit der die Absetzungsperiode beginnt, ist der Stpfl. an seine Wahl gebunden.

  3. 3.

    Die Ausübung des Wahlrechts in der Einkommensteuer-Erklärung kann nicht wegen eines Willensmangels entspr.§ 119 Abs. 1 BGB angefochten werden. Die entsprechenden Vorschriften des BGB sind im öffentlichen Recht nicht (sinngemäß) anzuwenden.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Kläger in den Streitjahren 1998 und 1999 bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung die degressive Gebäudeabschreibung gem. § 7 Abs. 5 Nr. 3 a Einkommensteuergesetz (EStG) beanspruchen können.

2

Die Kläger sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Anfang 1995 kauften sie in dem noch zu errichtenden Wohngebäude...eine Eigentumswohnung. Nach Fertigstellung des Wohngebäudes im August 1995 bewohnten sie die Wohnung vom 1. September 1995 bis zum 31. Januar 1997 selbst. Ab 1. Februar 1997 vermieteten sie die Wohnung.

3

Im Februar 1997 baten die Kläger den Steuerberater...(Steuerberater) für ihre Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung die günstigste Gestaltungsmöglichkeit zu finden. Nach Prüfung der Unterlagen teilte ihnen der Steuerberater mit, dass sie für die vermietete Eigentumswohnung die höhere, degressive Gebäudeabschreibung nach § 7 Abs. 5 EStG beanspruchen könnten.

4

Anfang 1998 beauftragten die Kläger den Steuerberater ihre Einkommensteuererklärung 1997 vorzubereiten. Eine Mitarbeiterin des Steuerberaters erstellte daraufhin für die Kläger mit einem Programm der DATEV die Einkommensteuererklärung 1997. Bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung trug die Mitarbeiterin in der Anlage V einen Verlust aus der Vermietung der Eigentumswohnung von...DM ein und kreuzte in der Zeile 35 bei der Frage nach der Absetzung für Abnutzung (AfA) des Gebäudes die Kästchen vor den Auswahlmöglichkeiten "linear" und "lt. besonderes Blatt" an. In dem Kästchen zum AfA-Satz trug sie 2 v.H. ein. Aus der Gebäudeabschreibung ergaben sich danach Werbungskosten von 4.298,00 DM (11/12 x 2 v.H. x 234.436,00 DM). Die Kläger unterschrieben diese Steuererklärung und reichten sie anschließend beim beklagten Finanzamt (FA) ein. Ein besonderes Blatt, auf dem sie bzw. ihr Steuerberater den zeitanteiligen AfA-Betrag für das Jahr 1997 errechneten, lag der Erklärung nicht bei.

5

Im Einkommensteuerbescheid 1997 berücksichtigte das FA bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, entsprechend der eingereichten Steuererklärung, einen Verlust von...DM und setzte die Einkommensteuer auf 0,00 DM fest. Der Einkommensteuerbescheid 1997 ist bestandskräftig geworden. Er steht nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

6

Am 15. Februar 2000 beantragten die Kläger beim FA, den Einkommensteuerbescheid 1997 zu berichtigen und bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung die degressive Gebäudeabschreibung gem.§ 7 Abs. 5 EStG zu berücksichtigen. Aufgrund eines Eingabefehlers ihres Steuerberaters sei die Anlage V 1997 fehlerhaft beim FA eingereicht worden. Gleichzeitig beantragten sie, in ihren Einkommensteuererklärungen 1998 und 1999 bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung die degressiv Gebäudeabschreibung für 1998 mit 7 v.H. (16.411,00 DM) und für 1999 mit 5 v.H. (11.722,00 DM) der Bemessungsgrundlage zum Abzug zuzulassen.

7

Mit Einkommensteuerbescheiden jeweils vom...setzte das FA die Einkommensteuer 1998 und 1999 fest und berücksichtigte bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, wie auch im Jahre 1997, die lineare AfA mit 2 v.H. der Bemessungsgrundlage als Werbungskosten. Dies entsprach jeweils einem Betrag von 4.688,00 DM. In den Erläuterungen der Bescheide heißt es, dass ein Wechsel zu Abschreibung gem.§ 7 Abs. 5 EStG nicht möglich sei.

8

Gegen die Einkommensteuerbescheide 1998 und 1999 legten die Kläger Einspruch ein und beantragten, wie erklärt, die degressive Gebäudeabschreibung zu berücksichtigen. In der Einkommensteuererklärung 1997 sei versehentlich die lineare AfA in der Anlage V angekreuzt worden. Es handele sich nicht um die bewusste Ausübung eines Wahlrechts. Im Computerprogramm zur Erstellung der Einkommensteuererklärung seien der Mitarbeiterin ihres Steuerberaters insgesamt 29 verschiedene AfA-Möglichkeiten angeboten worden. Versehentlich habe sie die lineare AfA nach § 7 Abs. 4 EStG gewählt. Aus diesem Grunde liege für die Jahre 1998 und 1999 kein unzulässiger Wechsel von der linearen zur degressiven AfA vor. Die bewusste Wahl einer AfA-Methode sei vielmehr erstmals in der Einkommensteuererklärung 1998 erfolgt. Durch ihren Änderungsantrag vom 15. Februar 2000 sei dieser Fehler dem FA offenbar geworden. Da der Fehler trotzdem in die Einkommensteuerbescheide 1998 und 1999 übernommen worden sei, dürften zumindest diese Bescheide nach § 129 Abgabenordnung (AO) zu korrigieren sein. Im vorliegenden Fall sei die Berichtigung der Einkommensteuerbescheide 1998 und 1999 auch deshalb zwingend geboten, weil die Voraussetzungen des § 119 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vorlägen und die Anfechtung der Willenserklärung mit dem Antrag vom 15. Februar 2000 fristgerecht erfolgt sei, nachdem der Anfechtungsgrund bekannt geworden sei.

9

Daraufhin lehnte das FA mit Bescheid vom...den Antrag auf Änderung des Einkommensteuerbescheids 1997 ab. Ein bestandskräftiger Steuerbescheid könne nicht mehr geändert werden, wenn bei einem Vermietungsobjekt zunächst die Abschreibung gemäß § 7 Abs. 4 EStG beantragt worden sei, jedoch beabsichtigt gewesen sei, die degressive AfA gemäß § 7 Abs. 5 EStG in Anspruch zu nehmen. Dieser Bescheid ist bestandskräftig geworden.

10

Sodann wies das FA mit Einspruchsbescheid vom...die Einsprüche gegen die Einkommensteuerbescheide 1998 und 1999 als unbegründet zurück. Ein Wechsel von der linearen zur degressiven Gebäudeabschreibung sei rechtlich nicht möglich. Die Wahl zwischen den verschiedenen Abschreibungsmethoden erfolge im Erstjahr der Vermietung durch die entsprechenden Angaben in der Anlage V. In der Anlage V 1997 hätten die Kläger sich verbindlich für die lineare Gebäudeabschreibung entschieden. Die Wahl der Abschreibungsmethode sei endgültig, da der Einkommensteuerbescheid 1997 bestandskräftig geworden sei. Der nach Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids 1997 gestellte Änderungsantrag könne nicht mehr berücksichtigt werden. § 129 AO finde keine Anwendung, da er auf Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten beschränkt sei, die der Finanzbehörde beim Erlass eines Verwaltungsaktes unterlaufen seien. Eine derartige offenbare Unrichtigkeit liege hier jedoch nicht vor. Vielmehr sei das FA der Steuererklärung 1997 gefolgt. Das FA habe auch keinen Grund gehabt, von der Steuererklärung der Kläger abzuweichen, da diese von einem Angehörigen der steuerberatenden Berufe erstellt worden sei. Für das FA bestehe keine Möglichkeit, die fehlerfreie Entscheidung im Rahmen seines Ermessensspielraums zu Gunsten der Kläger zu korrigieren.

11

Daraufhin haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben, mit der sie weiterhin den Ansatz der degressiven Gebäudeabschreibung für 1998 und 1999 begehren. Sie hätten sich bei derÜberprüfung der Einkommensteuererklärung 1997 in einem Erklärungsirrtum befunden. Die zuständige Sachbearbeiterin ihres Steuerberaters habe ungewollt die lineare Gebäudeabschreibung statt der degressiven Abschreibung angesetzt. Diese irrtümlich abgegebene Erklärung hätten sie wirksam angefochten. Die Irrtumsregeln des Bürgerlichen Gesetzbuches seien im Steuerrecht analog anwendbar. So habe das Finanzgericht Köln in seinem Urteil vom 9. Oktober 1997 2 K 5347/95, EFG 1998, 552 entschieden, dass die Ausübung eines steuerlichen Wahlrechts nach den Regeln des bürgerlichen Rechts angefochten werden könne. Das irrtümliche Ankreuzen der linearen Gebäudeabschreibung statt der degressiven Abschreibung sei ihrem Steuerberater bei Durchsicht der von seiner Mitarbeiterin vorbereiteten Erklärung nicht aufgefallen. Im Übrigen habe ihr Steuerberater auch keinen Anlass gehabt, die Steuererklärung bis ins kleinste Detail zuüberprüfen. Die Mitarbeiterin habe bislang immer ordnungsgemäß gearbeitet. Auch sie hätten bei Durchsicht der Steuererklärung keinerlei Unregelmäßigkeiten festgestellt. Sie seien davon ausgegangen, dass die Erklärungsvordrucke, entsprechend ihren Angaben zur Geltendmachung der degressiven Gebäudeabschreibung, ausgefüllt worden seien. Das fehlerhafte Ankreuzen der linearen Abschreibung sei auch deshalb nicht aufgefallen, weil die Anlage V sehr unübersichtlich gestaltet sei.

12

Die Kläger beantragen,

unter Änderung der Einkommensteuerbescheide 1998 und 1999...und unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom...bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung weitere Werbungskosten für 1998 in Höhe von...DM und für 1999 in Höhe von...DM zum Abzug zuzulassen und die Einkommensteuer entsprechend herabzusetzen, sowie

13

hilfsweise für den Fall des Unterliegens

die Revision zuzulassen.

14

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen, sowie

15

hilfsweise für den Fall des Unterliegens

die Revision zuzulassen.

16

Das FA tritt dem Vorbringen der Kläger entgegen. Der Erklärungsirrtum der Mitarbeiterin ihres Steuerberaters hätte den Klägern zumindest nach Bescheiderteilung auffallen müssen. Danach hätte der Irrtum in der Einspruchsfrist erkannt und berichtigt werden können und müssen. Eine Irrtumsanfechtung nach Bestandskraft des Steuerbescheids sei nicht möglich, da andernfalls das Rechtsinstitut der Bestandskraft an Bedeutung verlieren würde. Dies gelte vor allem dann, wenn der Erklärungsirrtum unter Verzicht der notwendigen Prüfung des Steuerbescheids außerhalb der Einspruchsfrist geltend gemacht werden könne.

Gründe

17

Die Klage ist unbegründet.

18

Zu Recht hat das FA bei der Ermittlung der Einkünfte aus der Vermietung der Eigentumswohnung...lediglich die lineare Gebäudeabschreibung gem. § 7 Abs. 4 Nr. 2 lit. a EStG i.V.m. § 7 Abs. 5 a EStG als Werbungskosten zum Abzug zugelassen. Zwar können gem. § 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 lit. a EStG für Wohnzwecken dienende Gebäude, die nicht zu einem Betriebsvermögen gehören, die der Steuerpflichtige bis zum Ende des Jahres der Fertigstellung angeschafft hat und von ihm durch einen nach dem 28. Februar 1989 und vor dem 1. Januar 1996 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrag angeschafft worden sind, im Jahr der Fertigstellung und den folgenden drei Jahren jeweils 7 v.H. und in den darauffolgenden sechs Jahren jeweils 5 v.H. der Anschaffungs- und Herstellungskosten als AfA steuermindernd berücksichtigt werden. Diese degressive Gebäudeabschreibung ist nach § 7 Abs. 5a EStG auch bei Eigentumswohnungen möglich. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 lit. a EStG i.V.m. § 7 Abs. 5a EStG liegen im Streitfall vor, weil es sich bei der 1995 fertig gestellten Eigentumswohnung um eine Wohnzwecken dienende Wohnung handelt, die die Kläger Anfang 1995 erworben haben.

19

1.

Liegen die Voraussetzungen des § 7 Abs. 5 EStG vor, hat der Steuerpflichtige ein Wahlrecht, ob er die lineare oder die degressive Gebäudeabschreibung in Anspruch nehmen will. Das Wahlrecht kann jedoch nur zu Beginn der Absetzungsperiode ausgeübt werden. Diese Wahl wird durch die erstmalige Anwendung des § 7 Abs. 4 EStG bzw. des § 7 Abs. 5 EStG in der Steuererklärung und ihren Unterlagen ausgeübt. Der Steuerpflichtige kann die Wahl ändern, so lange die Veranlagung über die erstmalige Anwendung des § 7 Abs. 4 EStG oder des § 7 Abs. 5 EStG noch nicht bestandskräftig ist (Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, Lfg. 163 (Mai 1990), § 7 Anm. 492). Ist hingegen die Bestandskraft der Veranlagung des Jahres eingetreten, mit der die Absetzungsperiode beginnt, ist der Steuerpflichtige an seine Wahl gebunden (BFH-Urteil vom 2. Juli 1992 IX B 169/91, BStBl. II 1992, 909, 910; Urteil des Finanzgerichts Köln vom 21. Mai 2001 15 K 8124/99, EFG 2002, 11, 12; Urteil des Finanzgerichts Köln vom 21. Mai 2001 15 K 5097/98, EFG 2001, 1116, 1117).

20

Nach diesen Grundsätzen sind die Kläger für die Streitjahre an die Wahl der linearen Gebäudeabschreibung aus dem Jahr 1997, dem Jahr, in dem sie erstmalig die Abschreibung für die Eigentumswohnung bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung beanspruchen konnten, gebunden. Die Kläger haben mit der Abgabe der Einkommensteuererklärung 1997 ihre Wahl zugunsten der linearen Gebäudeabschreibung gem. § 7 Abs. 4 Nr. 2 lit. a EStG i.V.m. § 7 Abs. 5a EStG getroffen. Dies ergibt sich unmittelbar und eindeutig aus der Einkommensteuererklärung 1997 selbst, in der sie auf dem Formular der Anlage V in der Zeile 35 bei der Frage nach der Absetzung für Abnutzung des Gebäudes das Kästchen vor der Auswahlmöglichkeit "linear" angekreuzt und in dem Kästchen zum AfA-Satz 2 v.H. eintragen haben.

21

An diese Wahl sind die Kläger gebunden, weil der entsprechende Einkommensteuerbescheid 1997 bestandskräftig geworden ist und auch nicht mehr abgeändert werden kann. Die Kläger haben den Einkommensteuerbescheid 1997 weder innerhalb der Einspruchsfrist angefochten, noch erging er unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, so dass er auch nicht nach § 164 Abs. 2 Satz 1 AO aufgehoben oder geändert werden kann. Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass das FA die Einkommensteuer für 1997 auf 0,00 DM festgesetzt hat und die Höhe der Steuer im Erstjahr der Vermietung durch die Ausübung des Wahlrechts nicht unmittelbar berührt wird. Auch dieser Steuerbescheid ist bestandskräftig geworden, so dass die Kläger auch in diesem Fall an die Ausübung ihres Wahlrechts gebunden sind.

22

2.

Die Kläger können die Ausübung ihres Wahlrechts in der Einkommensteuererklärung 1997 auch nicht entsprechend § 119 Abs. 1 BGB wegen eines Willensmangels anfechten. Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Anfechtung von Willenserklärungen wegen Irrtums sind - entgegen der vom Finanzgerichts Köln in seinem Urteil vom 9. Oktober 1997 2 K 5347/95, EFG 1998, 552, 553 f. vertretenen Auffassung - im öffentlichen Recht nicht sinngemäß anzuwenden. Die Vorschriften des BGB über die Anfechtung von Willenserklärungen wegen Irrtums gelten nur für Willenserklärungen, die Bestandteile privater Rechtsgeschäfte sind. Im öffentlichen Recht kommt eine sinngemäße Anwendung dieser Vorschriften allenfalls in Betracht, wenn es sich um ähnliche Rechtsverhältnisse handelt, wie z.B. beim Abschluss öffentlich rechtlicher Verträge, dagegen nicht bei einseitigen Anträgen, die private Personen an Behörden richten. Hier bestimmt sich ausschließlich nach öffentlichem Recht, ob die Erklärung berichtigt, ergänzt oder widerrufen werden kann (BFH-Urteil vom 11. Januar 1967 I 78/65, BStBl. III 1967, 208, 208 f.; BFH-Urteil vom 9. April 1975 I R 55/73, BStBl. II 1975, 616).

23

Darüber hinaus hat der Senat auch erhebliche Bedenken, ob sich die Kläger bei Abgabe ihrer Einkommensteuererklärung 1997 tatsächlich in einem Inhalts- oder Erklärungsirrtum befunden haben, der sie nach § 119 Abs. 1 BGB zur Anfechtung der gewählten Gebäudeabschreibung berechtigen könnte. Nach§ 119 Abs. 1 BGB kann derjenige, der bei der Abgabe eine Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.

24

Die Kläger selbst haben hierzu lediglich vorgetragen, dass die zuständige Sachbearbeiterin ihres Steuerberaters ungewollt die lineare Gebäudeabschreibung statt der degressiven Abschreibung im DATEV-Programm gewählt habe und dass ihnen bei Durchsicht der Einkommensteuererklärung 1997 "keinerlei Unregelmäßigkeiten" aufgefallen seien. Dieser Vortrag der Kläger ist objektiv kaumüberprüfbar. Es erscheint dem Senat jedoch nicht vorstellbar, dass die Kläger, sofern sie die von ihrem Steuerberater vorbereitete Einkommensteuererklärung 1997 tatsächlich, wie vorgetragen, durchgesehen haben, davon ausgehen konnten, dass sie die degressive Gebäudeabschreibung mit einem AfA-Satz von 7 v.H. gewählt haben, obwohl auf dem Formular der Anlage V in der Zeile 35 bei der Frage nach der Absetzung für Abnutzung des Gebäudes das Kästchen vor der Auswahlmöglichkeit "linear" angekreuzt und in dem Kästchen zum AfA-Satz 2 v.H. eintragen worden war. Die Anlage V ist jedenfalls, entgegen der Ansicht der Kläger, nicht unübersichtlich gestaltet. Die von der Sachbearbeiterin ihres Steuerberaters vorbereitete Anlage V ist hinsichtlich der gewählten Gebäudeabschreibung eindeutig.

25

Auch daraus, dass die Kläger ihren Steuerberater im Februar 1997 beauftragten, für ihre Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung die günstigste Gestaltungsmöglichkeit zu finden und ihr Steuerberater ihnen daraufhin mitteilte, dass sie die degressive Gebäudeabschreibung beanspruchen könnten, ergibt sich nichts für einen Willensmangel der Kläger bei Abgabe der Einkommensteuererklärung 1997. Bei dem Gespräch im Februar 1997 handelte es sich lediglich um ein Beratungsgespräch, das der Vorbereitung der Einkommensteuererklärung 1997 diente. Die Wahl der Abschreibungsmethode wird jedoch, wie oben unter Ziff. 1 bereits dargestellt, erst in der Steuererklärung selbst und in ihren Unterlagen ausgeübt.

26

Im Übrigen ist die degressive Gebäudeabschreibung nicht, wie die Kläger wohl meinen, in jedem Fall die günstigste Gestaltungsmöglichkeit. Die Frage, welche Abschreibungsmethode steuerlich am günstigsten ist, hängt von mehreren Faktoren ab, wie z.B. von der Höhe der (weiteren) Einkünfte des Abschreibungsberechtigten, und kann zuverlässig erst am Ende des gesamten Abschreibungszeitraums beantwortet werden. Im Streitfall wäre jedenfalls die Einkommensteuer 1997 auch bei Berücksichtigung der degressiven Gebäudeabschreibung auf 0,00 DM festzusetzen gewesen. Den Klägern wäre jedoch auf Grund des höheren Abschreibungsbetrags ein wesentlich geringeres Restabschreibungsvolumen verblieben.

27

Sollten die Kläger dagegen die vorbereitete Einkommensteuererklärung 1997 "blind" unterschrieben haben und davon ausgegangen sein, dass die Erklärungsvordrucke entsprechend ihren Angaben zur Geltendmachung der degressiven Gebäudeabschreibung, ausgefüllt worden seien, ergibt sich ebenfalls kein relevanter Inhalts- oder Erklärungsirrtum der Kläger. Beauftragt der Steuerpflichtige einen Dritten mit der Erstellung seiner Steuererklärung und unterzeichnet er diese anschließend unbesehen "blind", ist er an die in der Steuererklärung enthaltenen Willenserklärungen gebunden, ohne diese nach den §§ 119 f. BGB wegen eines Willensmangels anfechten zu können (BFH-Urteil vom 15. Oktober 1996 IX R 10/95, BStBl. II 1997, 178).

28

Zum gleichen Ergebnis führt die Erwägung, dass niemand seine Stellung im Rechtsverkehr dadurch verbessern darf, dass er Dritten die Wahrnehmung seiner Interessen oder die Erfüllung seiner Verpflichtungenüberlässt und damit seinen Risikobereich ausweitet. Verfährt der Steuerpflichtige so, muss er sich, auch im Rahmen eines Steuerrechtsverhältnisses, das Wissen und Verhalten des für ihn Tätigen zurechnen lassen (BFH-Urteil vom 15. Oktober 1996 IX R 10/95, BStBl. II 1997, 178).

29

3.

Darüber hinaus kommt im Streitfall auch ein Widerruf der gewählten Gebäudeabschreibung nicht in Betracht. Zwar kann ein irrtümlich gestellter Antrag in der Regel zurückgenommen werden, wenn der Steuerpflichtige eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte und die Rücknahme seines Antrags unverzüglich erfolgt, nachdem er den Irrtum erkannt hat oder hätte erkennen müssen (BFH-Urteil vom 9. April 1975 I R 55/73, BStBl. II 1975, 616, 617).

30

Im vorliegenden Fall haben die Kläger den Antrag, den Einkommensteuerbescheid 1997 zu berichtigen, nicht unverzüglich gestellt, nachdem sie ihren Irrtum hätten erkennen können. Erst Anfang 2000 haben sie beim FA beantragt, ihnen die degressive Gebäudeabschreibung zu gewähren und den Einkommensteuerbescheid 1997 dementsprechend zu berichtigen. Ihren Irrtum hätten sie jedoch schon Anfang 1998 bei Durchsicht der von ihrem Steuerberater vorbereiteten Einkommensteuererklärung 1997 ohne weiteres erkennen können, da, wie oben bereits unter Ziff. 1 dargestellt, die gewählte Abschreibungsmethode und der beantragte AfA-Satz in der Zeile 35 der Anlage V eindeutig bezeichnet sind.

31

Im Übrigen hat der Bundesfinanzhof den Widerruf eines in einer Steuererklärung irrtümlich gestellten Antrags, soweit ersichtlich, nur dann zugelassen, wenn der Widerruf innerhalb der Einspruchsfrist des Steuerbescheids erfolgte, in dem der Antrag erstmalig steuerlich berücksichtigt worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 11. Januar 1967 I 78/65, BStBl. III 1967, 208, 208 f.; BFH-Urteil vom 9. April 1975 I R 55/73, BStBl. II 1975, 616). Auch diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt. Ihren Berichtigungsantrag haben die Kläger erst nach Eintritt der Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids 1997 beim FA gestellt.

32

4.

Schließlich kommt auch die von den Klägern begehrte Berichtigung der angefochtenen Einkommensteuerbescheide 1998 und 1999 nach § 129 AO nicht in Betracht. Nach § 129 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Ähnliche offenbare Unrichtigkeiten müssen einem Schreib- oder Rechenfehler ähnlich sein, d.h. es muss sich um mechanische Fehler handeln, die ebenso mechanisch - ohne weitere Prüfung - erkannt und berichtigt werden können (BFH-Urteil vom 24. Juli 1984 VIII R 304/81, BStBl. II 1984, 785, 786).

33

Daran fehlt es hier. Ein rein mechanisches Versehen des FA beim Erlass der Einkommensteuerbescheide 1998 und 1999 liegt nicht vor. Das FA hat beim Erlass der Einkommensteuerbescheide 1998 und 1999 lediglich bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung die lineare Gebäudeabschreibung - entsprechend der im Erstjahr gewählten Gebäudeabschreibung - als Werbungskosten berücksichtigt und damit einen materiell-rechtlichen Fehler der eingereichten Steuererklärungen für 1998 und 1999 korrigiert.

34

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

35

Die Revision war nicht gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts zuzulassen. Zwar hat das Finanzgericht Düsseldorf in einem vergleichbaren Fall die Revision gem.§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen (vgl. Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 5. Dezember 2002 8 K 4697/00 E, EFG 2003, 1227, Rev. Az. des BFH IX R 3/03). Zu der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen im Steuerrecht eine gegenüber dem FA abgegebene Willenserklärung wegen Irrtums angefochten bzw. widerrufen werden kann, liegt jedoch bereits höchstrichterliche Rechtsprechung vor (vgl. BFH-Urteil vom 11. Januar 1967 I 78/65, BStBl. III 1967, 208; BFH-Urteil vom 9. April 1975 I R 55/73, BStBl. II 1975, 616). Von dieser Rechtsprechung ist der Senat in der vorliegenden Entscheidung nicht abgewichen.