Finanzgericht Niedersachsen
Beschl. v. 10.02.2004, Az.: 6 KO 26/03
Anspruch auf Kostenerstattung bei Wahrnehmung eines finanzgerichtlichen Termins durch einen Behördenvertreter; Aufwendungsersatzanspruch bei Beteiligung einer Oberfinanzdirektion als Beklagte im berufsrechtlichen Streitverfahren; Konkretes Vermögensopfer als Voraussetzung eines Aufwendungsersatzanspruches; Zulassung zur Steuerberaterprüfung als Abgabenangelegenheit im engeren Sinne
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 10.02.2004
- Aktenzeichen
- 6 KO 26/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 12009
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2004:0210.6KO26.03.0A
Rechtsgrundlagen
- § 33 Abs. 1 FGO
- § 139 Abs. 1 FGO
- § 149 Abs. 1 FGO
- § 155 FGO
- § 2 Abs. 2 ZuSEG
- § 2 Abs. 3 ZuSEG
- § 91 Abs. 1 S. 2 ZPO
Fundstellen
- EFG 2004, 924-925
- RVGreport 2004, 355-356 (Volltext mit red. LS)
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Soweit die OFD Beklagte in einem berufsrechtlichen Streitverfahren i.S.d. § 33 Abs. 1 Nr. 3 FGO ist (hier: Zulassung zur Steuerberaterprüfung), besteht ein grundsätzlicher Anspruch auf Aufwendungsersatz.
- 2.
Eine Kostenerstattung kommt nur dann in Betracht, wenn durch die konkrete Terminswahrnehmung ein Vermögensopfer dargebracht wird. Die bloße Entsendung eines Vertreters zum Verhandlungstermin in der Hauptsache reicht dafür nicht; das gilt auch für den Umstand, dass der Behördenvertreter während der Terminswahrnehmung andere Aufgaben nicht erledigen konnte.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Erinnerungsführerin für die Wahrnehmung der mündlichen Verhandlung ein Anspruch auf Vergütung für Zeitversäumnis zusteht.
Nachdem die Klägerin und jetzige Erinnerungsgegnerin ihre Klage in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen hatte, wurde das Hauptsacheverfahren eingestellt. Die Beklagte und jetzige Erinnerungsführerin (die Oberfinanzdirektion - OFD -) beantragte daraufhin Kostenfestsetzung. Mit Beschluss vom 26. August 2003 setzte das Gericht durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle die zu erstattenden Kosten auf 26,60 für Fahrtkosten, Tagegeld sowie Telefon- und Portokosten fest. Der Zeitaufwand für die Wahrnehmung der mündlichen Verhandlung durch einen Vertreter der OFD wurde nicht vergütet.
Mit ihrer Erinnerung begehrt die OFD den Ansatz weiterer 39 als erstattungsfähige Kosten. Zur Begründung führt sie an, dass sie in der mündlichen Verhandlung durch einen Beamten der Besoldungsgruppe A 15 vertreten worden sei. Dieser Beamte hätte dadurch drei Stunden lang nicht für andere Arbeiten eingesetzt werden können. Da dessen Besoldung mehr als 13 pro Stunde betrage, sei dieser Höchstbetrag nach § 2 Abs. 2 des Gesetzesüber die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZuSEG) anzusetzen. Wegen des weiteren Vorbringens der OFD wird auf den Schriftsatz vom 24. Oktober 2003 (Bl. 2 ff Finanzgerichtsakte) Bezug genommen.
Die Erinnerungsführerin beantragt,
den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26. August 2003 dahingehend zu ändern, dass weitere 39 als erstattungsfähige Kosten festgesetzt werden.
Die Erinnerungsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dass der OFD als Behörde wie auch dem entsandten Beamten kein Anspruch auf Vergütung der Zeitversäumnis zustehe.
Gründe
II.
Die Erinnerung ist unbegründet.
1.
Zwar steht der OFD ein Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen nach § 139 Abs. 1 i.V. mit § 149 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) dem Grunde nach zu. Die OFD ist keine Finanzbehörde im Sinne des § 139 Abs. 2 FGO, deren Aufwendungen kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung nicht erstattungsfähig sind. Zu diesen Finanzbehörden gehören nur die Stellen, die in Abgabenangelegenheiten, also in ihrer steuerverwaltenden Funktion, an einem Klageverfahren beteiligt sind. Das der Erinnerung zugrunde liegende Hauptsacheverfahren betraf allein die Zulassung der Klägerin zur Steuerberaterprüfung und damit keine Abgabenangelegenheit im engeren Sinne. Soweit also die OFD als Beklagte in einem berufsrechtlichen Streitverfahren im Sinne des § 33 Abs. 1 Nr. 3 FGO ist, besteht ein grundsätzlicher Anspruch auf Aufwendungsersatz (vgl. FG Brandenburg, Beschluss vom 6. September 1999 1 KO 997/99 KF, EFG 1999, 1246; Hessisches FG, Beschluss vom 28. Juni 1998 12 KO 3483/98, EFG 1998, 1423).
2.
Eine Entschädigung für die Zeitversäumnis ihres Sitzungsvertreters steht der OFD jedoch nicht zu.
Zu den erstattungsfähigen Kosten gehören gemäß § 139 Abs. 1 FGO die zur Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. Da in der FGO eine nähere Festlegung fehlt, welche Aufwendungen im Einzelfall erstattungsfähig sind, ist nach § 155 FGO die Regelung in§ 91 der Zivilprozessordnung (ZPO) sinngemäß anzuwenden.§ 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO bestimmt, dass die Kostenerstattung auch die Entschädigung des Gegners für die durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis umfasst. Allerdings sind für diese Entschädigung die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden (§ 91 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz ZPO). Aus§ 2 Abs. 3 ZuSEG ergibt sich, dass keine Entschädigung gewährt wird, wenn es für den Erstattungsberechtigten an einem wirtschaftlichem Nachteil fehlt. Dies bedeutet, dass eine Kostenerstattung nur dann in Betracht kommt, wenn durch die konkrete Terminswahrnehmung ein Vermögensopfer dargebracht wurde.
An diesem konkreten Vermögensopfer fehlt es vorliegend. Die OFD macht nicht geltend, dass ihr durch die Entsendung eines Vertreters gerade zu dem Verhandlungstermin in der Hauptsache ein finanzieller Nachteil (z.B. durch Überstundenvergütung) entstanden wäre; sie möchte lediglich Kosten erstattet haben für Bedienstete, die neben der Wahrnehmung anderer Aufgaben die Behörden in der mündlichen Verhandlung des Hauptsachestreitverfahrens vertreten haben. Diese allgemeinen Kosten für Bedienstete haben aber nicht den notwendigen eindeutig kalkulierbaren Bezug zum konkreten Rechtsstreit, wie ihn § 2 Abs. 3 ZuSEG voraussetzt (so auch BVerwG Beschluss vom 12. Dezember 1988 1 A 23/85, Rechtspfleger 1989, 255 m.w.N. für juristische Personen allgemein OLG Hamm, Beschluss vom 14. Juni 1993, OLGReport Hamm 1993, 315 m.w.N., a.A. OLG Stuttgart Beschluss vom 3. April 1990 8 W 60/90, MDR 1990, 635, sowie für die Wahrnehmung von mündlichen Verhandlungen in Zivilrechtsstreiten durch Behördenvertreter OLG Bamberg, Beschluss vom 14. Januar 1992 8 W 58/91, JurBüro 1992, 242). Der Umstand, dass der Behördenvertreter während der Wahrnehmung des Termins zur mündlichen Verhandlung andere Aufgaben nicht erledigen konnte, reicht für den erforderlichen konkreten wirtschaftlichen Nachteil nicht aus.
3.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 5 Abs. 6 des Gerichtskostengesetzes.