Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.02.2004, Az.: 3 K 252/02

Erstattungszinsen als Einnahmen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen; Begriff der "Einkünfte aus Kapitalvermögen"; Zahlung von Erstattungszinsen für entgangene anderweitige Kapitalnutzung; Entzug der Möglichkeit einer anderen Kapitalnutzung; Sinn und Zweck von Erstattungszinsen

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
18.02.2004
Aktenzeichen
3 K 252/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 14003
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2004:0218.3K252.02.0A

Fundstellen

  • BBV 2004, 5
  • DStR 2005, VIII Heft 2 (Kurzinformation)
  • DStRE 2005, 77-78 (Volltext mit amtl. LS)
  • EFG 2004, 1213
  • STFA 2005, 30

Redaktioneller Leitsatz

Erstattungszinsen nach § 233a AO können Einnahmen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG sein, denn Einkünfte aus Kapitalvermögen sind alle Vermögensmehrungen, die Entgelt für eine Kapitalnutzung sind. Auch Erstattungszinsen werden für entgangene anderweitige Kapitalnutzung gezahlt.

Tatbestand

1

Zwischen den Parteien ist streitig, ob nach § 233 a Abgabenordnung gezahlte Erstattungszinsen für die Veranlagungszeiträume 1993 bis 1997 als Einnahmen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu erfassen sind.

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Aufgrund außergerichtlicher Rechtsbehelfe gegen die durch eine Außenprüfung ergangenen Steuerbescheide 1993 bis 1995 sowie die Folgebescheide der Veranlagungsjahre 1996 und 1997 wurden im streitigen Veranlagungsjahr 2000 erhebliche Steuererstattungen festgesetzt. Dadurch entstanden Erstattungszinsen gemäß § 233 a Abgabenordnung insgesamt in Höhe von xxx DM.

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Der Beklagte berücksichtigte diese Erstattungszinsen als Einnahmen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen.

4

Hiergegen richtet sich die Klage.

5

Der Kläger ist der Rechtsansicht, dass die Erstattungszinsen nicht zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 1 EStG, insbesondere nicht zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören. Den Einkünften aus Kapitalvermögen werde vorausgesetzt, dass Kapital zum Zwecke der Einnahmeerzielung angelegt werde. Dieses sei bei Erstattungszinsen gerade nicht der Fall. Die Verzinsung von Steueransprüchen habe allein die Aufgabe, Steuervorteile oder Steuernachteile, die durch eine verzögerte Abgabe von Steuererklärungen oder eine verzögerte Bearbeitung von Veranlagungen stehe, auszugleichen.

Gründe

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Die Klage ist nicht begründet.

7

Das Finanzamt hat zutreffend die nach § 233 a Abgabenordnung gezahlten Erstattungszinsen für die Veranlagungszeiträume 1993 bis 1997 im Streitjahr 2000 als Einnahmen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG erfasst.

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Einkünfte aus Kapitalvermögen sind alle Vermögensmehrungen, die Entgelt für eine Kapitalnutzung sind

9

Dabei regelt § 2 Abs. 1 EStG zunächst allgemein, welche Einkünfte aus Kapitalvermögen zur Bemessung der Einkommensteuer heranzuziehen. Die Konkretisierung des Begriffes Einkünfte aus Kapitalvermögen ergibt sich dabei aus § 20 EStG. Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art, wenn die Rückzahlung der Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder gewährt worden ist, auch wenn die Höhe des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt.

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Danach sind Grundlage für steuerpflichtige Erträge neben einem bewusst zur Erzielung von Zinseinnahmen eingesetzten Vermögens auch andere Kapitalforderungen jeder Art. Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung bezieht Einnahmen aus Kapitalvermögen, wer es gegen Entgelt zur Nutzung überlässt. Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören alle Vermögensmehrungen, die bei wirtschaftlicher Betrachtung Entgelt für eine Kapitalnutzung sind. Unerheblich ist es dabei, ob der Überlassung von Kapital ein Darlehensvertrag oder ein anderer Rechtsgrund zugrunde liegt. Auch eine vom Schuldner erzwungene Kapitalüberlassung kann zu Einnahmen aus Kapitalvermögen führen (BFH-Urteil vom 25. Oktober 1994 VIII R 79/91, BStBl. II 1995, 121; BFH-Beschluss vom 14. April 1992 VIII 114/91, BFH/NV 1993, 165).

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Der Bundesfinanzhof hat insbesondere auch Prozesszinsen nach § 236 Abgabenordnung auf erstattete Grunderwerbssteuer steuerrechtlich in vollem Umfang als Entgelt für die vom Finanzamt erzwungene Kapitalüberlassung angesehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs werden auch Prozesszinsen wie andere Zinsen dafür gezahlt, dass dem Gläubiger die Möglichkeit der Kapitalnutzung entzogen wird. Sonstige Kapitalforderungen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG nämlich sind nach der Rechtsprechung des BFH alle auf einen Geldbetrag gerichteten Forderungen, die nicht schon nach einem anderen Tatbestand des § 20 Abs. 1 EStG zu erfassen sind. Zinsen sind dabei alle Entgelte, die für eine Kapitalüberlassung im weitesten Sinne aufzubringen sind (BFH-Urteil vom 08. April 1986 VIII R 260/82, BStBl. II 1986, 557).

12

Erstattungszinsen werden für entgangene anderweitige Kapitalnutzung gezahlt

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Im Streitfall sind danach auch die Erstattungszinsen nach § 233 a Abgabenordnung als Einnahmen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu erfassen. Erstattungszinsen im Sinne des § 233 a Abgabenordnung werden gezahlt, um Zinsvorteile und Zinsnachteile auszugleichen, die dadurch entstehen, dass Steuern, aus welchen Gründen auch immer, zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt werden (BFH-Urteil vom 11. Juli 1996 V R 18/95, BStBl. II 1997, 259). Die Erstattungszinsen werden dabei insbesondere auch dafür gezahlt, dass dem Gläubiger die Möglichkeit einer anderweitigen Kapitalnutzung entzogen wird. Dabei macht es insbesondere für die einkommensteuerliche Einordnung unter § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG keinen Unterschied, ob die Pflicht zur Abgeltung der Kapitalnutzung auf vertraglicher oder gesetzlicher Grundlage beruht, noch ob es sich bei diesen Zinsen der Sache nach um eine besondere Art des Schadensersatzes handelt (BFH-Urteil vom 08. April 1986 VIII R 260/82 a.a.O.). Auch in der Literatur werden dabei Steuererstattungsansprüche gegen das Finanzamt nach § 233 a, 236 Abgabenordnung als Einnahmen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 7 Abgabenordnung angesehen (so insbesondere Heinicke in Schmidt, EStG, § 20 Rd-Ziff. 161, 162).

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Die Klage war mit der Kostenfolge des § 135 FGO abzuweisen.